Urteil des LG Mönchengladbach vom 03.09.2007

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Landgericht Mönchengladbach, 5 T 360/06
Datum:
03.09.2007
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 360/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 6. Oktober 2004 zu
Top 9 c wird für ungültig erklärt.
Die Gerichtskosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerde-
verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Von einer Erstattung außergerichtlicher Kosten für die 1. und 2. In-stanz
wird abgesehen.
Beschwerdewert: 3.500,00 €.
G r ü n d e :
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I.
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Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung 531 in der
Wohnungseigentümergemeinschaft X Die Wohnung 531 haben die Antragsteller in der
Vergangenheit in eine Haupt- und Einliegerwohnung umgebaut. Diese
Umbaumaßnahmen sind von der Wohnungseigentümergemeinschaft in der
Eigentümerversammlung vom 2. Mai 2000 nachträglich genehmigt worden.
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In der Wohnungseigentümerversammlung vom 6. Oktober 2004 haben die Antragsteller
nunmehr die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Schaffung einer
zusätzlichen Wohnungseingangstüre vom Treppenhaus zu der geteilten Wohnung 531
verlangt. Diese Zustimmung hat die Wohnungseigentümergemeinschaft in der
Versammlung vom 6. Oktober 2004 abgelehnt.
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Mit dem vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller den Beschluss der
Eigentümerversammlung vom 6. Oktober 2004 zu Top 9c (Ablehnung der Schaffung
einer zusätzlichen Wohnungseingangstür zur Wohnung 531) angefochten und
beantragt, den Antragstellern die Zustimmung zur Schaffung der zusätzlichen
Wohnungstüre vom Treppenhaus zur Wohnung 531 zu erteilen. Mit dem angefochtenen
Beschluss vom 29. Oktober 2006 hat das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt den
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Antrag nach Durchführung eines Ortstermins abgelehnt. Hiergegen richtet sich die
sofortige Beschwerde der Antragsteller, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiter
verfolgen.
Nach Vorlage der Akten durch das Amtsgericht hat die Kammer Beweis erhoben durch
Einholung einer amtlichen Auskunft bei der Stadt Mönchengladbach, Fachbereich
Bauordnung und Denkmalschutz, durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten im
Hause X sowie durch Vernehmung des Stadtbauamtmanns G als Zeugen.
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II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 6. Oktober 2004 zu Top 9c ist ungültig.
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Auch wenn es sich bei der Entscheidung der Eigentümerversammlung vom 6. Oktober
2004 zu Top 9c – Ablehnung der Schaffung einer zusätzlichen Wohnungseingangstüre -
um einen sogenannten negativen Beschluss handelt, liegt ein anfechtbarer Beschluss
im Sinne des § 23 Abs. 4 WEG vor, weil auch einem negativen Abstimmungsergebnis
Beschlussqualität zukommt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die
vom Amtsgericht zutreffend zitierte herrschende Meinung in der Rechtsprechung Bezug
genommen.
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Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 6. Oktober 2004 zu Top 9c ist gemäß
§ 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären, weil eine Zustimmung der übrigen
Wohnungseigentümer zur Schaffung einer zusätzlichen Wohnungseingangstüre zur
Wohnung 531 im Hause X gemäß § 22 in Verbindung mit § 14 WEG nicht erforderlich
ist.
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Bei der von den Antragstellern beabsichtigten Maßnahme handelt es sich um eine
bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG. Bauliche Veränderungen
im Sinne dieser Vorschrift ist jede Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom
Aufteilungsplan oder früheren Zustand des Gebäudes abweicht und die über die
ordnungsgemäße Instandhaltung hinausgeht. Wohnungseingangstüren sind mangels
besonderer Vereinbarung regelmäßig Gemeinschaftseigentum (vgl. Bärmann/Pick,
WEG, 8.Aauflage, § 5 Rn. 55).
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Diese bauliche Veränderung führt hier nicht zu einer über das Maß des § 14 WEG
hinausgehenden Beeinträchtigung.
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Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, das
gemeinschaftliche Eigentum so zu gebrauchen, dass dadurch keinem anderen
Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche
Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Nachteil in diesem Sinne ist dabei jede nicht ganz
unerhebliche Beeinträchtigung ( vgl. Bärmann/Pick, a.a.O. § 22,Rn. 107ff).
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Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen ist die Kammer der Auffassung,
dass durch die Schaffung der zusätzlichen Wohnungseingangstüre die übrigen
Wohnungseigentümer im Hause X nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden.
Das vom Amtsgericht für seine Entscheidung bei Nutzung des Flures zugrundegelegte
Sturzrisiko ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.
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Die Kammer hat zunächst eine amtliche Auskunft bei der Stadt Mönchengladbach,
Fachbereich Bauordnung und Denkmalschutz darüber eingeholt, ob mit der Erteilung
der Baugenehmigung vom 15. Juni 2004 für den Durchbruch einer
Wohnungseingangstüre vom Treppenhaus zur Wohnung 531 im Hause X auch die
Nutzung des Treppenpodestes vor der Wohnung unter Sicherheitsgesichtspunkten
bauordnungsrechtlich überprüft und genehmigt worden ist. Nach der nunmehr
vorliegenden Auskunft vom 14. Juni 2007 steht fest, dass das Vorhaben im
vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß § 68 BauO NRW geprüft wurde.
Einschlägige Vorschriften über die bauliche Ausführungen von Treppen bzw. Türen in
Verbindung mit Treppen sind in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Dennoch bleiben
nach Mitteilung des Fachbereiches Bauordnung und Denkmalschutz augenfällige
Sicherheitsrisiken bei dieser Prüfung nicht außen vor. Allerdings sind im Rahmen dieser
Prüfung keine die Nutzung des Treppenpodestes betreffenden Risiken erkannt worden.
Dies hat der zuständige Sachbearbeiter des Fachbereichs Bauordnung und
Denkmalschutz, der Zeuge G, im Rahmen seiner Zeugenvernehmung an Ort und Stelle
nochmals nachvollziehbar bestätigt. Er hat ausgeführt, dass die Baugenehmigung
deshalb genehmigt worden sei, weil ausweislich der vorliegenden Baupläne die
geplante Türe nach innen aufgehen sollte. Auch nach Inaugenscheinnahme des
Treppenpodestes hat der Zeuge ausgeführt, dass er nach wie vor eine irgendwie
geartete Gefahr für die Nutzung des Treppenpodestes nach Schaffung einer
zusätzlichen Wohnungseingangstüre nicht erkennen könne.
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Dieser Beurteilung des sachkundigen Zeugen schließt sich die Kammer aufgrund ihrer
eigenen Feststellungen an Ort und Stelle uneingeschränkt an. Das
streitgegenständliche Treppenpodest hat eine Tiefe von 0,98 m und eine Breite von 1,82
m und ist damit zwar kleiner als das eine Etage tiefer liegende Treppenpodest, von dem
neben der Aufzugstüre ebenfalls zwei Wohnungseingangstüren nach links und rechts
abgehen. Gleichwohl ist aber im Hinblick darauf, dass es sich bei der Aufzugstüre um
eine Schiebetüre handelt und die noch zu errichtende Wohnungseingangstüre - ebenso
wie die bereits vorhandene Wohnungseingangstüre - nach innen aufgehen wird, eine
Behinderung oder eine Sturzgefahr für die Benutzer oder Besucher trotz der
naheliegenden Treppe nicht gegeben. Denn sowohl beim Verlassen des Aufzuges als
auch beim Hinaustreten aus der geplanten Wohnungseingangstüre ist rechtzeitig
erkennbar und auch hörbar, ob sich eine weitere Person auf dem Treppenpodest
befindet oder die Treppe hinaufgeht, so dass ein unerwartetes Zusammentreffen auf
dem Treppenpodest nicht wahrscheinlich ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu
berücksichtigen, dass sich auf der oberen Etage lediglich die Haupt- und
Einliegerwohnung der Antragsteller befinden und für die übrigen Wohnungseigentümer
keine Veranlassung besteht, den oberen Treppenpodest zu benutzen. Schließlich wird
auch im Hinblick darauf, dass die Wohnungen nicht gewerblich, sondern privat genutzt
werden, ein gleichzeitiges Zusammentreffen von mehreren Personen auf dem obersten
Treppenpodest die Ausnahme darstellen.
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Da die übrigen Wohnungseigentümer durch die beabsichtigte bauliche Veränderung
nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden, ist ihre Zustimmung gemäß § 22 Abs.
1 Satz 2 WEG entbehrlich ist. Bei der Schaffung einer zusätzlichen
Wohnungseingangstüre handelt es sich somit um eine rechtmäßige Maßnahme im
Sinne des § 22 Abs. 1 WEG. Die übrigen Wohnungseigentümer sind daher gemäß §
1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG verpflichtet, eine solche
bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zu dulden (vgl. Bärmann/Pick,
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a.a.O, § 22 Rn. 103 und 218).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG.
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Da die Wohnungseigentümer unterlegen sind, hält es die Kammer für angemessen,
ihnen die Gerichtskosten des erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Verfahrens
insgesamt aufzuerlegen. Von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten hat die
Kammer abgesehen, weil die Rechtslage vorliegend nicht eindeutig war. Sowohl das
Amtsgericht als auch die Kammer hat erst nach Durchführung von Ermittlungen über
den Antrag der Antragsteller bzw. die Beschwerde entschieden.
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Der Beschwerdewert beträgt 3.500,00 €. Insoweit ist die Kammer der Entscheidung des
Amtsgerichts vom 25. Oktober 2006 gefolgt. Gemäß § 48 Abs. 3 WEG ist der
Geschäftswert für das Verfahren nach dem Interesse der Beteiligten an der
Entscheidung festzusetzen. Deshalb ist es hier angemessen, den Geschäftswert an den
Kosten für die Vornahme des Durchbruches zu orientieren. Diese hat das Amtsgericht
zutreffend mit einem Betrag von 3.500,00 € geschätzt. Der von den Antragstellern
vorgelegte Kostenvoranschlag einer Baufirma vom 13. November 2006 bezieht sich nur
auf die Kosten für die Errichtung des Mauerdurchbruches, ohne die Kosten für Material
und Einbau einer neuen Wohnungseingangstüre zu berücksichtigen. Im Übrigen sind
auch die Auswirkungen der baulichen Veränderung und damit die höherwertigere
Nutzbarkeit der Wohnung durch die zusätzliche Türe werterhöhend zu berücksichtigen.
Hierauf hat das Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung vom 9. Februar 2007
hingewiesen. Neue Gesichtspunkte haben sich danach nicht ergeben.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen diese Entscheidung ist die sofortige weitere Beschwerde zulässig. Sie kann bei
dem Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt, dem Landgericht Mönchengladbach oder
dem Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden. Geschieht dies schriftlich, so
muss die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Die sofortige
weitere Beschwerde muss innerhalb einer Frist von 2 Wochen, die mit der Zustellung
dieses Beschlusses beginnt, bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein.
Mit der weiteren Beschwerde kann nur geltend gemacht werden, dass die Entscheidung
auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.
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Jopen zum Bruch Fuchs
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