Urteil des LG Marburg vom 04.07.2007

LG Marburg: strafzumessung, firma, bewährung, logo, lieferung, verwertung, original, hehlerei, angeklagter, englisch

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Gericht:
LG Marburg 3.
Große
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 KLs 2 Js
12054/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 46 StGB, § 106 UrhG
Strafbare gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung
urheberrechtlich geschützter Werke durch "Entbundeln"
von OEM-Betriebssoftware: Schadensermittlung für die
Strafzumessung
Tenor
Der Angeklagte ... wird wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwendung
urheberrechtlich geschützter Werke in Tateinheit mit gewerbsmäßiger
Kennzeichenverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte ... wird wegen falscher uneidlicher Aussage und wegen
Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen
Auslagen zu tragen, soweit sie verurteilt wurden; soweit das Verfahren eingestellt
wurde, fallen die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last; notwendige
Auslagen der Angeklagten werden insoweit nicht erstattet.
Dem Angeklagten ... werden die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin
auferlegt.
Angewendete Vorschriften:
Angeklagter ... § 106 Abs. 1, § 108 a Abs. 1, § 14 Abs. 2 Nr. 1 UrhG, §
143 Abs. 1 und 2 MarkenG, §§ 52, 56 StGB Angeklagter ... § 259 Abs. 1, § 153 Abs.
1, §§ 53, 56 StGB
Gründe
Aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und auf Grund einer den Regeln des BGH
folgenden, das Verfahren beendenden Absprache hat das Gericht festgestellt:
I.
1. Der Zeuge ... wurde durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.09.2004 u.
a. wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter
Werke (in zwei Fällen, wovon vorliegend nur der erste von Bedeutung ist) in
Tateinheit mit gewerbsmäßiger Kennzeichenverletzung verurteilt. Dem lagen
folgende Feststellungen zugrunde:
1. (Anklage Ziffn. 1 – 3)
Im Zeitraum von Ende 1999 bis Mitte des Jahres 2000 brachte der Angeklagte ...
wissentlich gefälschte sowie manipulierte Software-Produkte der Firma Microsoft in
den Verkehr, wobei er sich gezielt und mit Gewinnerzielungsabsicht durch
wiederholte Handlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von beträchtlichem
Umfang und einiger Dauer verschaffen wollte. So lieferte er an ..., ..., dem Inhaber
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Umfang und einiger Dauer verschaffen wollte. So lieferte er an ..., ..., dem Inhaber
der Firma Computer at work (CaW) in 35041 Marburg, in dem oben genannten
Zeitraum an näher nicht mehr ermittelbaren Tagen auf nicht mehr
nachvollziehbarem Lieferweg 392 (Position 27 der Schadensliste zur Anklage)
gefälschte Microsoft Windows NT Workstation 4.0 CDs, englisch, mit Jewel Cases
und Certificates of Authenticity (COA) von anderen Produkten sowie gefälschtem
HUB Text CD PLANT AB 000-48533 CDMB1. Erkennbar sind die Fälschungen der
CDs daran, dass das Microsoft Logo vom Original abweicht, ebenso der Micosoft-
Schriftzug über dem Produktnamen. Darüber hinaus fehlen die sog. IFPI Nummern
an diesen Produkten. Es entstand urheberrechtlicher Gesamtschaden in Höhe von
135.240,– Euro. Dieser bemisst sich nach dem Händlereinkaufspreis, den ein
erwerbender Händler, bei dem urheberrechtsverletzende Produkte festgestellt
werden, an das letzte Vertriebsglied der Fa. Microsoft für den Erwerb
entsprechender Original-Softwareprodukte hätte zahlen müssen. Da die Fa.
Microsoft ihre Softwareprodukte grundsätzlich über einige wenige Großhändler
vertreibt, ist der sog. Distributionspreis anzusetzen, hier 345,– Euro pro CD.
... lieferte im selben Zeitraum an ... weitere 424 (Position 28 der Schadensliste zur
Anklage) gefälschte Microsoft Windows NT Workstation 4.0. CDs, englisch, mit Jewel
Cases und COAs von anderen Produkten. Die Fälschungen der CDs sind an dem
vom Original abweichenden Microsoft Logo zu erkennen. Der HUB Text 11728
17(8083)00043148 LOGISTIX CD ist gefälscht, die IFPI Nummern fehlen. Der
Händlereinkaufspreis liegt wie oben bei 345,– Euro pro CD, so dass sich der
urheberrechtliche Gesamtschaden bei dieser Position auf 146.280,– Euro beläuft.
Die Lieferung an ... umfasst weitere 25 (Position 29 der Schadensliste zur Anklage)
gefälschte (abweichendes Microsoft Logo und abweichender Microsoft Schriftzug)
Microsoft NT Workstation 4.0, deutsch, CDs mit Jewel Cases und COAs von anderen
Produkten. Der HUB Text SONOPRESS ROM Stuttgart-1672 D ist gefälscht, die IFPI
Nummer fehlt auch hier. Bei einem Händlereinkaufspreis von 345,– Euro pro Stück
entstand urheberrechtlicher Gesamtschaden in Höhe von 8.625,– Euro.
Zu der in Frage stehenden Lieferung gehören auch zwei (Positionen 30 und 31 der
Schadensliste zur Anklage) gefälschte (abweichendes Microsoft Logo und Microsoft
Schriftzug) Microsoft Windows NT 4.0, deutsch, CDs mit gefälschten HUB Texten
ROMR-6037A 0774 bzw. WWSTATIOND PRINTED BY PMD 02 @@@901 und
fehlenden IFPI Nummern. Die urheberrechtliche Gesamtschadenshöhe liegt bei
690,– Euro.
Ebenfalls im Zeitraum Ende 1999 bis Mitte 2000 lieferte der Angeklagte ...
Handbücher Office 97 zum Zwecke des Vertriebs als vermeintliche Lizenz an die
Firma CaW. Den potentiellen Kunden sollte vorgetäuscht werden, sie erwerben
damit wirksam eine Lizenz, die sie dazu berechtigt, Vervielfältigungen des
entsprechenden Computerprogramms herzustellen. Eine Lizenz zur
Vervielfältigung von Programmen hat ihre Rechtsgrundlage, was dem Angeklagten
... bekannt war, allerdings in einem davon unabhängigen Lizenzvertrag mit der
Firma Microsoft. Die Lieferung umfasste folgende Produkte:
– 418 und 2998 (Positionen 113 und 114 der Schadensliste zur Anklage)
Handbücher Office 97 zum Händlereinkaufspreis von 485,– Euro pro Stück, ergibt
urheberrechtlichen Schaden in Höhe von 1.657.511,52 Euro,
– zweimal 20 und 63 (Positionen 115 bis 117 der Schadensliste zur Anklage)
Handbücher Office Small Business Edition, davon einmal 20 mit Werbematerial in
der Verpackung, zum Stückpreis von 375,80 Euro, urheberrechtlicher
Gesamtschaden hier: 38.707,40 Euro.
Der Angeklagte ... hat – am 24. Tag der Hauptverhandlung und im
Zusammenhang mit der verfahrensbeendenden Absprache – eingeräumt, dass er
im Jahr 1999 in einer nicht mehr erinnerlichen Anzahl an Stücken von der A
Datentechnik GmbH des Zeugen ... OEM-Betriebssoftware des Typs MS Windows
NZ 4.0 deutsch geliefert und berechnet bekommen habe. Er gehe davon aus,
dass es mehr als 500 Produkte gewesen seien. Diese habe er zum Zwecke der
Echtheits- und Vollständigkeitsprüfung in CD und Handbuch getrennt. Beide Teile
habe er dann getrennt verpackt und an die A geliefert und berechnet.
Entsprechend der verfahrensbeendenden Absprache wertet die dies als
teilgeständige Einlassung und legt im übrigen die berichteten Feststellungen des
Urteils des Landgerichts Stuttgart zugrunde, die von dem Zeugen ... vor der
als zutreffend bekundet wurden und zu denen der – dafür bestrafte –
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als zutreffend bekundet wurden und zu denen der – dafür bestrafte –
Zeuge glaubhaft bekundet hat, dass die Geschäfte wie geschehen mit dem
Angeklagten ... abgesprochen waren.
Das Verfahren gegen den Angeklagten ... ist im Rahmen der Absprache insoweit
eingestellt worden; die nahe liegende Verurteilung wegen Beihilfe zu der Tat des
Angeklagten ... hätte zu einer nicht ins Gewicht fallenden Straferhöhung geführt.
2. Der Angeklagte ... hat eingeräumt, auf Drängen des Angeklagten ... am
17.10.1999 die als Anhang zum Protokoll der Sitzung vom 25.10.2006 verlesene
Erklärung abgegeben zu haben, in welcher er seine Angaben in einer
vorausgegangenen polizeilichen Vernehmung "berichtigte" mit dem Ziel, ein
gestandenes "Entbundeln" im Auftrag des Angeklagten ... zu verschleiern. Diese
Erklärung war falsch. In dem Verfahren 2-3 O 522/00 vor dem Landgericht
Frankfurt am Main wiederholte der Angeklagte ... am 20.11.2001 diese Erklärung
inhaltlich als Zeuge. Soweit er sich vor der eingelassen hat, er habe keine
Erinnerung mehr gehabt, hält die dies für eine Schutzbehauptung. Denn
die Angeklagten hatten immer wieder Kontakt miteinander. ... hat ... bewundert
und ihm viel zu verdanken gehabt. Es erscheint der lebensfremd, dass
beide sich im Vorfeld der Vernehmung am 20.11.2001 nicht miteinander in
Verbindung gesetzt und die Aussage besprochen hätten.
3. Der Angeklagte ... hat eingeräumt, dass er "halt zu den Leuten gehört, die auch
mal ein Risiko eingehen", und zwar im Blick auf die Frage, ob ihm zum
Weiterverkauf angebotene Ware gestohlen ist; so war es, als ihm zwischen dem
03.02. und 13.02.2001 eine LKW-Lieferung mit 1.174 Stück Canon-Druckern S 400
für einen deutlich unter dem aktuellen Marktpreis liegenden Preis angeboten und
des nachts ohne Frachtpapiere geliefert wurden. Der Angeklagte verkaufte die
Drucker mit einem geringen Aufpreis weiter. Sie waren samt LKW zwischen dem
03. und 05.02.2001 in Rosendaal/Niederlanden gestohlen worden, was der
Angeklagte billigend in Kauf nahm.
II.
Die Angeklagten haben sich damit wie aus dem Tenor ersichtlich strafbar
gemacht.
III.
Bei der Strafzumessung für den Angeklagten ... waren neben den anderen in § 46
StGB genannten Umständen auch "die verschuldeten Auswirkungen der Tat" zu
berücksichtigen. Da es sich bei den Taten um solche des Wirtschaftsrechts
handelt, ist in besonderer Weise der Schaden zu berücksichtigen, welcher der
Nebenklägerin Microsoft Corporation entstanden ist. Dabei war unberücksichtigt zu
lassen, was an gefälschten und manipulierten Waren in dem Lagen der
sichergestellt wurde, weil nicht geklärt werden konnte, ob überhaupt und in welcher
Weise die Angeklagten damit in Verbindung stehen. Den Wert der Waren,
deretwegen die Verurteilung des Angeklagten ... erfolgte, hatte das Landgericht
Stuttgart in dem oben genannten Verfahren mit insgesamt 1.987.053,90 Euro
berechnet. Dieser Berechnung liegt die ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte
zugrunde, wonach bei Urheberrechtsverletzungen der vorliegenden Art fiktiv der
Händlereinkaufspreis anzusetzen ist, ohne dass es auf einen tatsächlichen
wirtschaftlichen Schaden des verletzen Urhebers ankommt. Nach Auffassung der
wird damit jedoch nur ein Teilaspekt der für die Strafzumessung
bedeutsamen "Auswirkungen der Tat" erfasst. Denn es macht – unbeschadet des
Umstandes, dass § 104 UrhG kein Vermögensverschiebungsdelikt und ein
Schaden deshalb für die Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich ist – für die
Strafzumessung einen gewichtigen Unterschied, ob bei einem Geschädigten
tatsächlich eine Vermögensverschiebung eingetreten ist oder ob lediglich ein
fiktiver Schaden angenommen werden kann. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu
beachten, dass die Hauptverhandlung nicht klären konnte, ob der Nebenklägerin
ein wirtschaftlicher, in Geld zu messender Schaden entstanden ist. Das wäre der
Fall, wenn sie an den Weiterverkäufen der Produkte verdienen würde, denn dann
könnte man davon ausgehen, dass aufgrund der manipulierten Waren weniger
echte Waren verkauft werden und der Gewinn der Nebenklägerin entsprechend
geschmälert wäre. Die Verteidigung hat dazu allerdings in einem Beweisantrag
behauptet, die Nebenklägerin verkaufe ihre Produkte an sog. Distributoren, von
denen sie einen pauschalen Preis erhalte. Die Nebenklägerin hat dazu zwar
vortragen lassen, es werde nicht pauschal, sondern pro Produkt abgerechnet; sie
hat sich aber außer Stande gesehen, dazu eine Beweisperson zu benennen (mit
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hat sich aber außer Stande gesehen, dazu eine Beweisperson zu benennen (mit
Ausnahme ihres Prozessbevollmächtigten, der davon aber nur vom Hörensagen
weiß) oder eine Urkunde vorzulegen. In entsprechender Anwendung von § 244 Abs.
3 StPO geht die deshalb davon aus, dass die zur Entlastung des
Angeklagten behauptete Tatsache so zu behandeln ist, als sei sie wahr, die
Nebenklägerin also durch die streitbefangene Ware keinen geldwerten Schaden
erlitten hat. Selbst wenn dem so wäre, müsste im Rahmen der Strafzumessung
berücksichtigt werden, dass der zivilrechtlich anzusetzende Schaden auf einer
doppelten Fiktion beruht: Zum ersten hinsichtlich der Höhe, die von den
Zivilgerichten pauschaliert mit dem Händlereinkaufspreis angesetzt wird, zum
zweiten die Nebenklägerin den zivilrechtlich pauschalierten Schaden in voller Höhe
als Betriebsausgabe steuerlich geltend machen kann und damit je nach aktuellem
Steuersatz einen erheblichen Teil des Schadens im Wege der Reduzierung ihrer
Steuern auf Gewinne – die sie in erheblichem Umfang tatsächlich erwirtschaftet –
ersetzt erhält –, wohlgemerkt im Blick auf Geschäftsvorfälle, an denen sie gemäß
der Wahrunterstellung gar nicht beteiligt gewesen wäre. Das alles ändert nichts an
dem Tatbestand der Verletzung des Urheber- und Markenzeichengesetzes, es
führt jedoch zu einem deutlich milderen Strafansatz. Strafmildernd ist ferner die
sehr lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen, für die der Angeklagte keinerlei
Verantwortung trägt. Unter Berücksichtigung aller Umstände erschien eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten angemessen.
Die Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Marburg vom
26.02.2002 in dem Verfahren 4 Js 8220/96 kam nicht in Betracht, nachdem die
dortige dreijährige Bewährungszeit seit mehr als zwei Jahren abgelaufen ist und die
Hauptverhandlung ohne die sie beendende Absprache noch mehrere Monate
angedauert hätte. Die Erklärung der Staatsanwaltschaft, dort Straferlass zu
beantragen, ist Teil der das Verfahren beendenden Absprache.
Die bei der Strafzumessung genannten Umstände, insbesondere die lange
Verfahrensdauer, sieht die als besondere Umstände nach § 56 Abs. 2
StGB an, so dass die Strafhöhe der Aussetzung zur Bewährung nicht
entgegensteht.
Die Strafzumessung für den Angeklagten ... wegen der Falschaussage hatte
entscheidendes Gewicht darauf zu nehmen, dass diese Tat von ihm selbst
praktisch der Verjährung entrissen wurde; hier erschien die Mindeststrafe von drei
Monaten angemessen. Die Strafe für die Hehlerei konnte ebenfalls am unteren
Rand des Rahmens angesiedelt werden, denn auch hier kommt der letztlich
geständigen Einlassung erhebliches Gewicht zu. Das Geschäft war, wie der
Angeklagte insoweit glaubhaft vorgebracht hatte, als sog. Postengeschäft eine
Alltäglichkeit in der damaligen Zeit; es brauchte nur den Aufwand mehrerer
Telefongespräche. Der Gewinn des Angeklagten war gering, was er mit größerer
krimineller Energie hätte zu seinen Gunsten anders gestalten können. Eine
Einsatzstrafe von sechs Monaten erschien angemessen, sowie eine Gesamtstrafe
von acht Monaten. Die Voraussetzungen ihrer Aussetzung zur Bewährung liegen
ohne weiteres vor, § 56 Abs. 1 StGB.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465, 467 Abs. 4, § 472 Abs. 1 StPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.