Urteil des LG Mannheim vom 29.01.2016

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LG Mannheim Urteil vom 29.1.2016, 7 O 66/15
Leitsätze
1. Den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Huawei
Technologies ./. ZTE (Urteil vom 16. Juli 2015 - C-170/13, ECLI:EU:C:2015:477 idF
des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2015, ECLI:EU:C:2015:817), dass
der Inhaber eines standardessentiellen Patents einen (angeblichen) Verletzer auf die
ihm vorgeworfene Patentverletzung hinweisen und dabei das Patent bezeichnen
sowie angeben soll, auf welche Weise es verletzt sein soll, kann jedenfalls durch die
Übersendung sog. "Claim-Charts", also einer Gegenüberstellung der Merkmale des
Klagepatents und des Standards, genügt werden, wenn die darin enthaltenen
Informationen den Benutzer des Standards in die Lage versetzen, den
Verletzungsvorwurf intern oder durch Hinzuziehung externen Sachverstandes zu
beurteilen.
2. Soweit der Gerichtshof ausführt, dass der Patentinhaber ein konkretes schriftliches
Lizenz-Angebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten hat, bedeutet dies nicht,
dass das Verletzungsgericht für den Fall, dass der (angebliche) Patentverletzer - wie
regelmäßig - in Abrede stellt, dass dieses Angebot FRAND-Kriterien entspricht,
gehalten ist, nunmehr nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden, ob das
Angebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND ist oder nicht. Vielmehr ist es
ausreichend, wenn der Patentinhaber substantiiert darlegt, weshalb sein Angebot
seiner Auffassung nach FRAND-Kriterien genügt und der (angebliche) Verletzer keine
Gesichtspunkte aufzeigt, die das Angebot des Patentinhabers evident als nicht den
FRAND-Kriterien entsprechend erscheinen lassen.
3. Der (angebliche) Verletzer muss dann auf dieses Angebot reagieren, selbst wenn
es seiner Auffassung nach - wie regelmäßig - nicht den FRAND-Kriterien entspricht.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise
Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die
Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
a) Mobilstationen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in
Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten
Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die in einem
Mobilkommunikationssystem verwendet werden, das konfiguriert
ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von einer
Mobilstation (UE) an eine Basisstation (Knoten B) übertragen
werden sollen, über einen Uplink-Übertragungsratenallokations-
geteilten, physikalischen Steuerkanal (E-AGCH) unter Verwendung
von Übertragungsrahmen zu steuern und Benutzerdaten von der
Funkbasisstation (Knoten B) an die zumindest eine Mobilstation
(UE) über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal
(HS-PDSCH) unter Verwendung von Übertragungsrahmen zu
übertragen,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Mobilstation (UE) konfiguriert ist, sowohl den Uplink-
Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanal
(EAGCH) als auch den Downlink-geteilten, physikalischen
Datenkanal (HS-PDSCH) unter der Annahme zu empfangen, dass
sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Downlink-
geteilten, physikalischen Datenkanals (HS-PDSCH) als auch eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Uplink-
Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen
Steuerkanals (E-AGCH) zwei Schlitze später als eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung eines Hochgeschwindigkeits-
geteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist;
[Anspruch 3]
und/oder
b) anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen
in der Bundesrepublik Deutschland Mobilstationen zur Benutzung
der Erfindung im Inland anzubieten oder zu liefern, die dazu
geeignet sind, in einem Mobilkommunikationssystem verwendet zu
werden, das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von
Benutzerdaten, die von einer Mobilstation (UE) an eine
Funkbasisstation (Knoten B) übertragen werden sollen, über einen
Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen
Steuerkanal (E-AGCH) unter Verwendung von
Übertragungsrahmen zu steuern und Benutzerdaten von der
Funkbasisstation (Knoten B) an die zumindest eine Mobilstation
(UE) über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal
(HS-PDSCH) unter Verwendung von Übertragungsrahmen zu
übertragen;
dadurch gekennzeichnet,
dass sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des
Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanals (HS-PDSCH) als
auch eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung des Uplink-
Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen
Steuerkanals (E-AGCH) zwei Schlitze später als eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung eines Hochgeschwindigkeits-
geteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist.
[Anspruch 1]
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die
Beklagte) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 30. Dezember
2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und
anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie
der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder
bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden
Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege
(Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind,
wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der
auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die
Beklagte) die zu Ziffer 1) bezeichneten Handlung seit dem 30. Januar 2010
begangen haben und zwar unter Angabe:
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -
zeiten, -preisen, und Typenbezeichnungen sowie den Namen und
Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach
Angebotsmengen, -zeiten, -preisen, und Typenbezeichnungen
sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern,
deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften
der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger
statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr
gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der
Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten
Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten
trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete
Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder
Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten
befindlichen, unter Ziffer 1. a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der
Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung
auf ihre - der Beklagten - Kosten herauszugeben;
5. die unter Ziffer 1. a) bezeichneten, seit dem 30. Dezember 2009 in die
Vertriebswege gelangten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen
Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 29. Januar 2016 – 7 O 66/15) festgestellten
patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage
zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige
Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene
Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich
zu nehmen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzten, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 30. Januar 2010
begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils
EUR 3.000.000 hinsichtlich Ziffern I. 1. a) und b) (Unterlassung), I. 4. (Vernichtung)
und I. 5. (Entfernung aus den Vertriebswegen/Rückruf) und in Höhe von EUR 50.000
hinsichtlich Ziffern I. 2. und I. 3. (Auskunft/Rechnungslegung) sowie in Höhe von 120
% des jeweils zu vollstreckenden Betrags hinsichtlich III. (Kosten).
Tatbestand
1 Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung,
Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf aus den
Vertriebswegen sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aufgrund
einer behaupteten Verletzung des europäischen Patents EP 1 914 945 geltend.
2 Die Klägerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 914 945, das ein mobiles
Kommunikationssystem, eine Funkbasisstation, eine Mobilstation und ein mobiles
Kommunikationsverfahren betrifft (im Folgenden: Klagepatent). Die Erteilung des in
Kraft stehenden Klagepatents wurde am 30. Dezember 2009 veröffentlicht. Das
Klagepatent wurde am 2. Februar 2006 angemeldet und nimmt die Priorität der
japanischen Schrift JP 2005027102 in Anspruch, die ihrerseits als Zeitrang den 2.
Februar 2005 für sich beansprucht.
3 Die Klägerin ist die größte Mobilfunknetzbetreiberin in [...] und Inhaberin zahlreicher
Schutzrechte auf dem Gebiet der mobilen Telekommunikation und hat sich in die
Standardisierung in diesem Sektor eingebracht. Über die konzernverbundene
Gesellschaft [...] ist sie Mitglied bei der europäischen
Standardisierungsorganisation ETSI (European Telecommunications Standards
Institute) und hat dort Schutzrechte, hierunter das Klagepatent, als für den UMTS-
Standard essentiell deklariert. Der UMTS-Standard beruht auf Mobilfunkstandards
des 3GPP (3rd Generation Partnership Project), dessen technische
Spezifikationen durch ETSI übernommen wurden.
4 Die Beklagte ist die deutsche Vertriebsniederlassung der [...] mit Sitz in [...]. Sie
bewirbt und vertreibt im Inland u.a. Mobiltelefone und Tablet-Computer, die gemäß
dem UMTS-Standard und hier insbesondere gemäß der darin niedergelegten
HSUPA (High Speed Uplink Packet Access)-Technologie, die im Kontext von
UMTS auch als EUL (Enhanced Uplink Technologie) bezeichnet wird, arbeiten
können (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen).
5 Die Klägerin macht die Ansprüche 3 und 1 des Klagepatents geltend, die in der
Verfahrenssprache des Patents den nachfolgenden Wortlaut haben:
6
A mobile station UE used in a mobile communication system configured to control
a transmission rate of user data to be transmitted from a mobile station UE to a
radio base station Node B via an uplink transmission rate allocation shared
physical control channel E-AGCH using transmission frames, and to transmit user
data from the radio base station Node B to the mobile station UE via a downlink
shared physical data channel HS-PDSCH using transmission frames;
characterized in that
the mobile station UE is configured to receive the uplink transmission rate
allocation shared physical control channel E-AGCH and the downlink shared
physical data channel HS-PDSCH on the assumption that both of a transmission
frame timing of the downlink shared physical data channel HS-PDSCH and a
transmission frame timing of the uplink transmission rate allocation shared physical
control channel E-AGCH are two slots later than a transmission frame timing of a
high speed shared control channel HS-SCCH.
[Anspruch 3]
7
A mobile communication system configured to control a transmission rate of user
data to be transmitted from a mobile station UE to a radio base station Node B via
an uplink transmission rate allocation shared physical control channel E-AGCH
using transmission frames, and to transmit user data from the radio base station
Node B to the mobile station UE via a downlink shared physical data channel HS-
PDSCH using transmission frames;
characterized in that
both of a transmission frame timing of the downlink shared physical data channel
HS-PDSCH and a transmission frame timing of the uplink transmission rate
allocation shared physical control channel E-AGCH are two slots later than a
transmission frame timing of a high speed shared control channel HS-SCCH.
[Anspruch 1]
8 Hinsichtlich der Einzelheiten des Klagepatents, insbesondere der Beschreibung
und der Figuren, wird auf die Klagepatentschrift (Anlage [...] A 1) verwiesen.
9 Die HSUPA (High Speed Uplink Packet Access)-Technologie, anhand dessen die
Klägerin den Verletzungssachverhalt erläutert und die sie als zur Nutzung des
Standards essentiell vorstellt, wird im UMTS-Standards näher durch Technische
Spezifikationen (TS) erläutert, die seit dem Release 6 des UMTS-Standards
verpflichtend vorgeschrieben sind. Zu diesen Spezifikationen zählen die TS 125
211, Version 6.9.0 (Januar 2008) (= Anlage [...] A 7), die TS 125 309 Version 6.6.0
(März 2006) (= Anlage [...] A 8) und TS 125 321, Version 6.8.0 (März 2006) (=
Anlage [...] A 9), die verschiedene physikalische Kanäle einführen, über die Steuer-
und Nutzerinformationen sowohl im Downlink von der Basisstation zur Mobilstation
als auch im Uplink in umgekehrter Richtung eingesetzt werden. Zu diesen in den
Standarddokumenten vorgestellten Kanälen zählen der HS-PDSCH (High Speed
Physical Downlink Shared Channel), der E-AGCH (E-DCH Absolute Grant
Channel) und der HS-SCCH (High Speed Shared Control Channel). Die
Standarddokumente beschreiben insbesondere, in welchem zeitlichen Verhältnis
diese Datenkanäle zueinander für die Übertragung von Daten nach dem UMTS-
Standard genutzt werden.
10 Nach dem UMTS-Standard wird im Downlink von der Basisstation zur Mobilstation
der HS-PDSCH als geteilter physikalischer Kanal genutzt, dessen Ressourcen
dynamisch geteilt von mehreren Nutzern in Anspruch genommen werden. Dieser
Kanal ist in Unterrahmen (Sub-frames) von jeweils zwei Millisekunden Zeitdauer
geteilt, wobei jeder sub-frame seinerseits drei slots mit jeweils 2560 Chips aufweist.
Dieser Kanal wird durch den HS-SCCH als Steuerkanal gesteuert, über den etwa
Kontrollinformationen von der Basisstation zur Mobilstation übertragen werden
können, die der Mobilstation den korrekten Empfang der über den HS-PDSCH
übertragenen Nutzerdaten ermöglichen. Auch dieser Steuerkanal weist die gleiche
Untergliederung in Sub-frames von zwei Millisekunden Zeitdauer auf, wobei sich
jeder Unterrahmen des Steuerkanals HS-SCCH auf einen definierten Unterrahmen
des HS-PDSCH bezieht. Damit die Nutzerdaten von der Mobilstation zugeordnet
und korrekt empfangen werden können, wird der HS-SCCH zeitlich vor dem HS-
PDSCH übertragen. Gemeinsam teilen sich diese beiden Kanäle, HS-SCCH als
Steuerkanal und HS-PDSCH als der die Nutzerdaten übertragende Kanal, die
Ressourcen im Downlink zur Mobilstation.
11 Im Uplink werden die Nutzerdaten nach dem UMTS-Standard über einen als E-
DPDCH (Enhanced Dedicated Physical Data Channel) bezeichneten Kanal
übertragen. Die Sendeleistung dieses Kanals wird von der Basisstation kontrolliert.
Zu diesem Zweck übermittelt die Basisstation der Mobilstation eine absolute
Bewilligung (absolute grant) der Sendeleistung über den E-AGCH-Kanal, damit
jene weiß, welche Ressourcen ihr zur Übertragung der Nutzerdaten an die
Basisstation zur Verfügung stehen. Der E-AGCH ist gleichfalls in Sub-frames von
zwei Millisekunden Zeitdauer untergliedert. Neben dem HS-SCCH und dem HS-
PDSCH nutzt mithin als dritter Kanal der E-AGCH die zur Verfügung stehenden
Ressourcen im Downlink.
12 Standardgemäß überträgt der HS-PDSCH mit einem Offset von 5120 chips, also
zwei Schlitze (2560 chips x2 = 5120 chips), zum HS-SCCH, wie sich aus Figur 35
der TS 125.211 Ziffer 7.8 (Anlage [...] A 7) ergibt:
13
Nach dem Standard ist der HS-SCCH wiederum mit dem P-CCPCH Primary
Common Control Physical Chanel) synchronisiert, wie sich aus der nachstehenden
Figur der TS 125 211, dort Ziffer 7.1 ergibt:
14 Im Nachgang zu dieser Figur führt der Standard aus, dass der Beginn des HS-
SCCH Unterrahmens #0 mit dem Beginn der P-CCPCH Rahmen übereinstimmt:
15 Weiter wird standardgemäß der erste Unterrahmen des E-AGCH 5120 chips und
somit zwei Schlitze nach dem P-CCPCH übertragen, wie die nachfolgende Figur
aus Ziffer 7.12 der TS 125 211 zeigt:
16 Die Klägerin übersendete der Konzernmutter der Beklagten am 7. April 2014
Claim-charts (Anlage [...] A12E) sowie am 15. Juli 2014 ergänzte Claim-charts
(Anlage [...] A12I), die eine Gegenüberstellung der Merkmale der Ansprüche 3 und
4 des Klagepatents und des ETSI-Standards enthalten und erläuterte diese am 8.
Juli 2014 nochmals in einer Präsentation (Anlage [...] A12H). Die Klägerin
übersendete am 19. März 2014 einen ausformulierten Lizenzvertrag als Angebot
an die Konzernmutter der Beklagten (Anlage [...] A13) und erläuterte die
Bedingungen und insbesondere die Berechnung der Lizenz mehrfach noch vor
Klageerhebung im April 2015 (Powerpoint-Präsentation Anlage [...] A12D, Emails
nach Anlagen [...] A12 E und [...] A 12Q). Die Beklagte unterbreitete der Klägerin
erstmals am 30. Oktober 2015 ein Lizenzvertragsangebot (Anlage [...] A 37), das
unter anderem eine Laufzeit von drei Jahren und eine Zahlung von
Lizenzgebühren nur für einige Länder, in denen die Beklagte ihre Produkte
vertreibt, vorsieht. Dieses Angebot lehnte die Klägerin durch Email vom 12.
November 2015 ab (Anlage [...] 39). Die Beklagte leistete keine Sicherheit, sondern
stellte eine solche lediglich in Aussicht, wobei sie die Sicherheit ausschließlich auf
der Grundlage der in der Bundesrepublik Deutschland verkauften Endgeräte
berechnete. Dieses Angebot wies die Klägerin zurück und bestand auf einer
Sicherheit, die sich auf die weltweiten Verkäufe von 3G und LTE kompatiblen
Endgeräten durch [...] bezieht.
17 Die Klägerin ist der Auffassung,
dass neben den zwischen den Parteien außer Streit stehenden Merkmalen des
Anspruchs 3 bzw. 1 auch das (jeweilige) Merkmal 4 durch den Standard
verwirklicht werde. Insoweit sei allein entscheidend, dass neben dem HS-PDSCH
auch der E-AGCH zwei Zeitschlitze später als der Steuerkanal HS-SCCH
übertragen werde. Dass der Standard diesen zeitlichen Zusammenhang in seiner
Darstellung der zeitlichen Verhältnisse der Kanäle zueinander dadurch zum
Ausdruck bringe, dass zunächst der entsprechende zeitliche Zusammenhang
zwischen dem E-AGCH mit dem P-CCPCH dargestellt werde, der seinerseits aber
gleichlaufend mit dem HS-SCCH sei und sich damit der von Merkmal 4 geforderte
zeitliche Zusammenhang über die Synchronisierung des P-CCPCH mit dem HS-
SCCH ergebe, sei patentrechtlich ohne Belang. Insbesondere verfange aus
diesem Grund nicht das Argument der Beklagten, ihre Endgeräte seien allein auf
den P-CCPCH synchronisiert und würden mithin nicht unter der von Merkmal 4
vorgesehenen Erwartungshaltung empfangen.
18 Eine Aussetzung des Rechtsstreits mit Blick auf die beim Bundespatentgericht
erhobene Nichtigkeitsklage sei nicht angezeigt, da sich das Klagepatent als
rechtsbeständig erweisen werde. Der Fachmann entnehme der D1a den von
Merkmal 4 geforderten zeitlichen Zusammenhang nicht eindeutig und unmittelbar
als zur dortigen Erfindung offenbart.
19 Zudem treffe auch die D2 den Gegenstand des Klagepatents nicht
neuheitsschädlich. Das Dokument sei nachveröffentlicht und daher unbeachtlich,
weil das Klagepatent die von ihm beanspruchte Priorität zurecht in Anspruch
nehme.
20 Schließlich verfange auch der von der Beklagten erhobene kartellrechtliche
Zwangslizenzeinwand nicht. Die Klägerin habe sämtliche der ihr nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs obliegenden Pflichten bereits im
Vorfeld der Klageerhebung erfüllt, wohingegen die Beklagte eine
Verzögerungstaktik verfolge. Hinsichtlich der der Inhaberin eines SEPs
obliegenden Pflicht, den vermeintlichen Verletzer vor Klageerhebung über die
Verletzung zu informieren, müsse gesehen werden, dass ein herstellenden
Unternehmen nach wie vor gehalten sei, vor Aufnahme einer
Benutzungshandlungen die Schutzrechtslage zu prüfen. Die vom Gerichtshof
statuierte Hinweisobliegenheit des Patentinhabers solle nur gewährleisten, dass
der Inanspruchgenommene angesichts der großen Anzahl von SEPs, aus denen
ein Standard bestehe, nicht sicher sein könne, dass jener über die Benutzung
eines standardessentiellen Patents wisse. Der Hinweis habe mithin allein der
Funktion, den Verletzer auf die Relevanz des jeweiligen Patents hinzuweisen,
ohne dass hieraus abzuleiten sei, dass der Patentinhaber nunmehr demjenigen,
der unter dem Standard produziere, jede Prüfobliegenheit abnehmen müsse.
Diese Pflicht habe die Klägerin überobligatorisch durch Übersendung von Claim-
charts erfüllt. Zudem habe die Klägerin frühzeitig vor Klageerhebung ein
Lizenzvertragsangebot übersendet und dieses im Nachgang erläutert und somit
auch die diesbezüglich vom Gerichtshof formulierte Obliegenheit erfüllt.
21 Die Klägerin b e a n t r a g t:
22 wie erkannt.
23 Die Beklagte b e a n t r a g t,
24 die Klage abzuweisen,
25 hilfsweise: Den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts im
Nichtigkeitsverfahren über den Rechtsbestand des deutschen Teils des
europäischen Patents EP 1 914 945 B1 auszusetzen.
26 Die Beklagte ist der Auffassung,
dass eine dem (jeweiligen) Merkmal 4 entsprechende Konfiguration bei den
angegriffenen Ausführungsformen nicht vorliege und damit eine Verletzung des
Klagepatents ausscheide. Diese empfingen den E-AGCH und HS-PDSCH nicht in
der Erwartung, dass diese Kanäle zeitlich um zwei Slots zum HS-SCCH versetzt
empfangen würden. Denn jene seien nach dem Standard ausschließlich auf den
P-CCPCH synchronisiert.
27 Zudem werde sich das Klagepatent auch nicht als rechtsbeständig erweisen,
weshalb der Rechtsstreit jedenfalls gem. § 148 ZPO zur Entscheidung über die
von ihr beim Bundespatentgericht angebrachte Nichtigkeitsklage auszusetzen sei.
Denn zum einen fehle es dem Klagepatent gegenüber der D1a (ERICSSON) an
der Neuheit. In diesem Dokument werde insbesondere auch der nach Merkmal 4
erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der Übertragung der Kanäle
gezeigt, wie sich der Figur 1 entnehmen lasse.
28 Neuheitsschädlich sei zum anderen auch das Dokument D2a. In diesem
Dokument wird vorgeschlagen, den E-AGCH zwei Schlitze später als den P-
CCPCH, als auch zwei Schlitze später als den HS-SCCH, zu senden (D2a, Kap.
7.12, S. 12). Die Schrift sei zwar nachveröffentlicht, aber gleichwohl
neuheitsschädlich, weil das Klagepatent die beanspruchte Priorität zu Unrecht in
Anspruch nehme. Das Prioritätsdokument (Anlage MN 3) lehre nämlich allein eine
Synchronität von E-AGCH und HS-PDSCH und eine Übermittlung des HS-PDSCH
zwei Schlitze später als der HS-SCCH. Das Dokument erkläre sich nur zur
Synchronisierung von E-AGCH und HS-PDSCH, thematisiere aber nicht die
zeitliche Verschiebung des E-AGCH gegenüber dem HS-SCCH.
29 Die Beklagte könne der Klägerin zudem den kartellrechtlichen
Zwangslizenzeinwand entgegenhalten. Sie sei Adressatin des Art 102 AEUV, da
sie eine marktbeherrschende Stellung innehabe und sie missbrauche diese auch.
Sie habe die Beklagte nicht ausreichend über den Verletzungstatbestand
informiert. Hierfür bedürfe es einer Unterrichtung, die jedenfalls so detailliert sein
müssen, wie es für eine schlüssige Unterlassungsklage erforderlich sei. Die
übersendeten Claim-charts seien nicht ausreichend gewesen und bezögen sich
lediglich auf die Ansprüche 3 und 4, wohingegen mit der Klage nunmehr die
Ansprüche 1 und 3 geltend gemacht würden. Zudem sei in den Claim-charts nicht
ersichtlich, dass die zur Darlegung des Verletzungsvorwurfs in Bezug
genommenen Standardstellen obligatorisch umzusetzen und nicht bloß optional
seien. Überdies sei die Berechnungsgrundlage des der Konzernmutter der
Beklagten unterbreiteten Lizenzangebots nicht transparent genug gemacht
worden. Weder habe die Klägerin ihre angeblichen Anteile am WCDMA- und LTE-
Lizenzpool nachgewiesen, noch bewiesen, dass tatsächlich Dritte die Poollizenz
für die jeweiligen Lizenzpoolprogramme bezahlen würden. Ferner sei als kleinste
handelbare Einheit nicht das mobile Endgerät, sondern lediglich der darin
verwendete Chipsatz in den Blick zu nehmen, weil nur dieser die Erfindung –
angeblich - ausführe. Das Angebot entspreche damit nicht FRAND-Bedingungen
und löse damit schon keine Verpflichtung der Beklagten aus, hierauf mit einem
Gegenangebot und ggf. einer Sicherheitsleistung zu reagieren. Allerdings habe die
Beklagte dennoch ein solches, FRAND-Bedingungen entsprechendes
Gegenangebot unterbreitet und eine vernünftige Sicherheitsleistung in Aussicht
gestellt.
30 Schließlich stelle die klageweise Durchsetzung des Klagepatents auch einen
Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar, weshalb die Klägerin die Durchsetzung
desselben nach § 33 GWB zu unterlassen habe.
31 Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll über die mündliche Verhandlung
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
32 Die nach § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO aF i.V.m. § 14 ZuVOJu zulässige
Klage ist begründet, weshalb die Beklagte wie beantragt wegen der Verletzung
des Klagepatents zu verurteilen war. Die Beklagte macht durch den Vertrieb der
angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch (I.).
Die Beklagte kann den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen keine
kartellrechtlichen Einwendungen entgegenhalten (II.). Der Rechtsstreit ist auch
nicht mit Blick auf die von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen,
weil keine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Klagepatent sich
nicht als rechtsbeständig erweisen wird (III.).
33 I. Die Beklagte macht durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen
von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die Beklagte verletzt daher Anspruch
3 unmittelbar wortsinngemäß und Anspruch 1 mittelbar.
34 1. Das Klagepatent betrifft die Nutzung von Übertragungsressourcen in einem
Mobilfunkkommunikationssystem, welches aus einer Basisstation und einer
Mobilstation besteht. Das Klagepatent beschreibt, dass die Erfindung sich mit der
möglichst effizienten Nutzung der für den Uplink und Downlink zur Verfügung
stehenden Ressourcen beschäftigt. Hintergrund des Klagepatents sind dabei die
Funktionalitäten des UMTS (Universal Mobile Telecommunications System)-
Standards der dritten Generation („3GPP“), weshalb das Klagepatent in der
Beschreibung die nach diesem Standard vorgesehenen verschiedenen
Nutzdaten- und Steuerkanäle und ihre Bezeichnung im UMTS-Standard anspricht.
Das Klagepatent beschäftigt sich dabei insbesondere mit dem Downlink, d.h. der
Kommunikation von der Basisstation zur Mobilstation. Diese Kommunikation erfolgt
über drei Kanäle, die sich die für den Downlink zur Verfügung stehenden
Ressourcen teilen. Zum einen sieht der UMTS-Standard den HS-PDSCH (High
Speed Physical Downlink Shared Channel)-Kanal vor, der als geteilter Kanal von
mehreren Nutzern dynamisch genutzt wird. Über diesen Kanal werden Nutzdaten
übertragen, wobei die Übertragung in Unterrahmen (Sub-frames) erfolgt, in die der
Kanal gegliedert ist und die jeweils 2 Millisekunden Zeitumfang haben, wobei jeder
Unterrahmen 3 Slots aufweist. Die Unterrahmen sind individuellen Nutzern
zugeordnet und enthalten Informationen für den jeweiligen Nutzer. Die Menge der
Nutzdaten, die über den HS-PDSCH gesendet werden können, hängt von der
Qualität der Downlinkverbindung und der verfügbaren Übertragungskapazität der
Basisstation ab und ändert sich ständig, sodass sich auch die Datenmenge, die an
Nutzdaten über den HS-PDSCH übertragen werden, kann ständig in Abhängigkeit
dieser Parameter verändert. Der HS-PDSCH wird durch den HS-SCCH (High
Speed Shared Control Channel)-Kanal gesteuert. Über diesen Kanal werden
gleichsam die Metadaten übertragen, die wie Kontrollinformationen und
Steuerinformationen, die der Mobilstation überhaupt erst den korrekten Empfang
der über den HS-PDSCH gesendeten Nutzdaten ermöglichen. Somit stehen diese
beiden Kanäle in einer inhaltlichen Beziehung zueinander. Der HS-SCCH-Kanal ist
in gleicher Weise wie der HS-PDSCH gegliedert. Um seine steuernde Funktion
erfüllen zu können, wird er zeitlich zwei Slots vor dem HS-PDSCH übertragen,
wobei sich jeder Unterrahmen des HS-SCCH auf einen solchen des HS-PDSCH
bezieht. Die Basisstation verteilt die Ressourcen zwischen den beiden Kanälen,
wobei die Ressourcen zunächst dem Steuerkanal HS-SCCH zugewiesen werden
und der Rest des verfügbaren Volumens sodann für den HS-PDSCH zur
Verfügung steht. Das Klagepatent hebt hervor, dass die insgesamt zur Verfügung
stehenden Ressourcen aufgrund des Zeitversatzes zwischen den beiden Kanälen
nicht optimal genutzt werden können. Denn wenn sich der Ressourcenbedarf für
den Steuerkanal HS-SCCH reduziert, werden zwar eigentlich diese Ressourcen
frei und stünden für die Übertragung von Nutzdaten zur Verfügung. Indes ist die
Nutzung dieser frei gewordenen Ressourcen im Stand der Technik aufgrund der
Überlappung der versetzt gesendeten Rahmen nicht möglich. Für den Uplink von
der Mobilstation zur Basisstation nutzt der UMTS-Standard die Enhanced Uplink
Technology (HSUPA). Die Nutzdaten werden über den E-DPDCH (Enhanced
Dedicated Physical Data Channel)-Kanal übertragen, dessen Sendeleistung von
der Basisstation kontrolliert wird. Hierzu übermittelt die Basisstation im Downlink
über einen weiteren Kanal Informationen, insbesondere die Sendeleistung über
den sog. E-AGCH (Enhanced Absolute Grant Channel)-Kanal, der ebenso wie der
HS-PDSCH und der HS-SCCH gegliedert ist. Da dieser Kanal gleichfalls im
Downlink genutzt wird, mindert er auch die für die Nutzdaten im Downlink zur
Verfügung stehenden Ressourcen. Das Klagepatent erklärt es sich zur Aufgabe,
die Ressourcen im Downlink zwischen den drei Kanälen HS-SCCH, HS-PDSCH
und E-AGCH möglichst effizient so zu verteilen, dass möglichst viele Nutzdaten im
Downlink im HS-PDSCH-Kanal übertragen werden können. Hierzu schlägt das
Klagepatent vor, nicht die beiden Steuerkanäle HS-SCCH und E-AGCH synchron
mit Versatz zum Nutzdatenkanal HS-PDSCH zu übertragen, wie dies in Figur 10
mit den daraus resultierenden negativen Folgen für die Ressourcenallokation
grafisch dargestellt ist:
35 sondern den HS-SCCH mit zeitlichem Versatz zu den synchron gesendeten
Kanälen E-AGCH und HS-PDSCH zu übertragen wie in Figur 11 mit den
entsprechenden positiven Auswirkungen für das für den HS-PDSCH zur
Verfügung stehenden Datenvolumen gezeigt:
36 2. Diese als Erfindung beanspruchte Lösung beansprucht das Klagepatent mit den
Ansprüchen 1 und 3, die sich wie folgt gliedern lassen:
37 Anspruch 3:
38
E1
Mobilstation, die in einem Mobilkommunikationssystem verwendet wird,
E2
das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von
einer Mobilstation (UE) an eine Basisstation (Knoten B) übertragen
werden sollen, zu steuern,
E2.1 über
einen
Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten,
physikalischen Steuerkanal (E-AGCH)
E2.2 unter Verwendung von Übertragungsrahme
E3
und Benutzerdaten von der Funkbasisstation (Knoten B) an die
zumindest eine Mobilstation (UE) zu übertragen
E3.1 über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-
PDSCH)
E3.2 unter Verwendung von Übertragungsrahmen,
E4
dadurch gekennzeichnet, dass die Mobilstation (UE) konfiguriert ist,
sowohl
den
Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten,
physikalischen Steuerkanal (E-AGCH) als auch den Downlink-
geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-PDSCH) unter der Annahme
zu empfangen, dass sowohl eine Übertragungsrahmenzeitsteuerung
des Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanals (FIS-PDSCH) als
auch
eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung
des
Uplink-
Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanals
(E-AGCH)
zwei
Schlitze
später
als
eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung
eines
Hochgeschwindigkeitsgeteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist.
39 Anspruch 1:
40
S1
Mobilkommunikationssystem,
S2
das konfiguriert ist, eine Übertragungsrate von Benutzerdaten, die von
einer Mobilstation (UE) an eine Funkbasisstation (Knoten B)
übertragen werden sollen, zu steuern
S2.1 über
einen
Uplink-Übertragungsratenallokations-geteilten,
physikalischen Steuerkanal (E-AGCH)
S2.2 unter Verwendung von Übertragungsrahmen
S3
und Benutzerdaten von der Funkbasisstation (Knoten B) an die
zumindest eine Mobilstation (UE) zu übertragen
S3.1 über einen Downlink-geteilten, physikalischen Datenkanal (HS-
PDSCH)
S3.2 unter Verwendung von Übertragungsrahmen;
S4
dadurch
gekennzeichnet,
dass
sowohl
eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung
des
Downlink-geteilten,
physikalischen
Datenkanals
(HS-PDSCH)
als
auch
eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung
des
Uplink-
Übertragungsratenallokations-geteilten, physikalischen Steuerkanals
(E-AGCH)
zwei
Schlitze
später
als
eine
Übertragungsrahmenzeitsteuerung
eines
Hochgeschwindigkeitsgeteilten Steuerkanals (HS-SCCH) ist.
41 3. Zwischen den Parteien steht zurecht bis auf das Merkmal E4 bzw. S4 außer
Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen von den übrigen Merkmalen der
geltend gemachten Ansprüche 1 und 3 Gebrauch machen. Zudem machen die
angegriffenen Ausführungsformen aber auch von Merkmal E4 bzw. S4 Gebrauch.
42 a) Das Merkmal erfordert nach seinem Wortlaut, dass der E-AGCH und der HS-
PDSCH über ihre jeweilige Übertragungsrahmenzeitsteuerung zwei Schlitze später
gesendet werden als der HS-SCCH nach seiner
Übertragungsrahmenzeitsteuerung gesendet wird. Soweit der
Vorrichtungsanspruch 3 betroffen ist, muss die Mobilstation konfiguriert sein, diese
Kanäle dieser Annahme entsprechend zu empfangen. Das Merkmal beschreibt
damit nicht etwa ein Übertragungszeitintervall, sondern gibt den zeitlichen Versatz
der angesprochenen Kanäle zueinander an (vgl. Abschnitt 68, Sp. 8 Z. 15 ff.: „...to
transmit HS-SCCH subframes at predetermined time framing (i.e., at the timing two
slots earlier than the frame timing of the HS-PDSCH“). Dies ergibt sich auch aus
der Figur 11, der einen entsprechenden zeitlichen Versatz grafisch darstellt. Der
Fachmann erkennt dabei, dass es zur Realisierung der vom Klagepatent
vorgeschlagenen Lösung allein darauf ankommt, dass der so beschriebene
zeitliche Versatz tatsächlich besteht, weil dann frei gewordenen Ressourcen für die
Übertragung der Nutzdaten im HS-PDSCH eingesetzt werden können. Ob dies
durch eine technische Festlegung erfolgt, die unmittelbar dieses zeitliche
Verhältnis der Übertragung von HS-SCCH zu E-AGCH und HS-PDSCH beschreibt
oder ob die tatsächliche Taktung sich in der technischen Festlegung daraus ergibt,
dass die drei angesprochenen Kanäle zu anderen, im Patent nicht
angesprochenen Kanäle synchronisiert werden, aber gleichfalls der von Merkmal 4
geforderte Versatz von zwei Schlitzen zwischen HS-SCCH einerseits und HS-
PDSCH sowie E-AGCH andererseits erzielt wird, ist aus fachmännischer Sicht
bedeutungslos.
43 b) Das Verteidigungsargument der Beklagten, eine Konfiguration, derzufolge die
angegriffenen Ausführungsformen den E-AGCH unter der Annahme empfangen,
dass er zwei Schlitze später als der HS-SCCH übertragen werde, sei in selbigen
nicht implementiert, kann die Kammer nicht überzeugen. Denn im Kern erschöpft
sich die Beanstandung der Beklagten darin, dass im Standard nicht expressis
verbis steht, dass der E-AGCH zwei Schlitze später als der HS-SCCH gesendet
wird. Dieses zeitliche Verhältnis ergibt sich vielmehr über einen bei der Lektüre des
Standards zu leistenden gedanklichen Zwischenschritt aus den Erläuterungen des
TS 125.211. Denn dieser beschreibt zum einen, der E-AGCH werde zwei Schlitze
nach dem weiteren Kanal P-CCPCH übertragen (TS 125 211 Ziffer 7.12 Figur 39),
und zum anderen wird an anderer Stelle vom Standard erläutert (vgl. Figur 29
Abschnitt 7.1 der TS 125 211), dass der HS-SCCH und der P-CCPCH zeitgleich
übertragen werden. Damit steht fest, dass auch der E-AGCH zwei Schlitze später
als der HS-SCCH übertragen wird. Dass ferner auch der HS-PDSCH zwei Schlitze
später als der HS-SCCH übertragen wird, ist unmittelbar aus Figur 35, Abschnitt
7.8 der TS 125 211 ersichtlich. Damit ergibt sich aus dem Standard, dass genau
wie von Merkmal 4 gefordert der E-AGCH und der HS-PDSCH zwei Schlitze später
als der HS-SCCH übertragen werden. Da die angegriffenen Ausführungsformen
nach dem LTE-Standard arbeiten und somit auch ausgebildet sind, die Kanäle wie
im Standard vorgesehen zu empfangen, sind sie auch ausgebildet, die Kanäle
unter der Annahme des in Merkmal beschriebenen zeitlichen Verhältnisses zu
empfangen. Dass dabei der Versatz zwei Schlitze beträgt, steht zwischen den
Parteien zurecht außer Streit, da standardgemäß jeder Schlitz 2.560 Chips umfasst
und in den angesprochenen Figuren der Versatz zwischen den relevanten
Kanälen jeweils das doppelte, mithin 5.120 chips beträgt.
44 4. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen damit Anspruch 3 unmittelbar
wortsinngemäß nach § 9 Nr. 1 PatG und Anspruch 1 mittelbar gem. § 10 PatG.
45 a) Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt, dass sie
die ihr von der Klägerin vorgeworfenen Benutzungshandlungen begeht.
46 b) Dabei sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 10 PatG gegeben, da die
angegriffenen Ausführungsformen Mittel sind, die sich auf ein wesentliches
Element der Erfindung beziehen, indem sie ausgebildet sind, die im Anspruch
adressierten Kanäle unter der Annahme des dort unter Schutz gestellten
vorteilhaften Zeitversatzes zu empfangen, und sie von der Beklagten zur
Benutzung in einem patentgemäßen Mobilfunkkommunikationssystem gemäß
Anspruch 1 in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der
Erfindung berechtigten Personen angeboten und geliefert wurden. Zudem war es
jedenfalls aufgrund der Umstände offensichtlich, dass diese Mittel dazu bestimmt
und geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
47 c) Damit rechtfertigt die Feststellung der Verletzung die von der Klägerin mit ihren
Anträgen begehrten Rechtsfolgen.
48 aa) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ, § 139 Abs. 1
PatG. Die Lieferung und das Anbieten der angegriffenen Ausführungsformen in der
Vergangenheit rechtfertigt die Verurteilung zur Unterlassung, da eine
Wiederholungsgefahr gegeben ist. Soweit die Klägerin ihre Ansprüche aus der
mittelbaren Verletzung des Anspruchs 1 herleitet, ist aufgrund der
Standardessentialität des Klagepatents ein Schlechthinverbot gerechtfertigt (vgl.
LG Mannheim, Urteil vom 9. Dezember 2011 - 7 O 122/11, Rn. 76 - veröffentlicht
bei juris).
49 bb) Der Klägerin steht auch nach Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG für den
Zeitraum ab dem 30. Januar 2010 ein Schadensersatzanspruch zu, da die
Beklagte das Klagepatent schuldhaft verletzt, indem sie die ihr obliegenden
Sorgfaltspflichten bei der Prüfung der Schutzrechtslage nicht beachtet hat. Da die
Klägerin keine genaue Kenntnis vom Umfang der Verletzungshandlungen der
Beklagten hat, hat sie das erforderliche Interesse an der Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung i.S.d § 256 Abs. 1 ZPO.
50 cc) Die Verurteilung zur Erteilung der beanspruchten Auskünfte und
Rechnungslegung rechtfertigt sich zum einen als Annexanspruch zur Vorbereitung
der Bezifferung des Schadensersatzanspruchs aus einer gewohnheitsrechtlich
erstarkten Anwendung des § 242 BGB sowie zudem aus Art. 2 Abs. 2, 64 EPÜ
i.V.m. § 140b PatG.
51 dd) Die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf finden ihre Grundlage in Art. 2
Abs. 2, 64 EPÜ i.V.m. §§ 140a Abs. 3 Satz 1 PatG.
52 II. Die Beklagte kann den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen keine
kartellrechtlichen Einwendungen entgegenhalten. Die Klägerin hat die Beklagte vor
Klageerhebung ausreichend über den Verletzungssachverhalt informiert und ihr
zudem ein Lizenzvertragsangebot zu Konditionen unterbreitet, die es erfordert
hätten, dass die Beklagte umgehend mit einem Gegenangebot reagiert, das ihrer
Auffassung nach den FRAND-Kriterien genügt. Dies hat die Beklagte nicht getan,
sondern hiermit mehr als eineinhalb Jahre nach Übersendung des
Lizenzvertragsangebots durch die Klägerin und ein halbes Jahr nach
Klageerhebung zugewartet. Auf die Ablehnung dieses Gegenangebots hin hätte
die Beklagte zudem umgehend Sicherheit leisten müssen, was sie gleichfalls nicht
getan hat. Daher ist die Durchsetzung der von der Klägerin verfolgten Ansprüche
nicht aus kartellrechtlichen Gründen suspendiert.
53 1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil in der Sache
Huawei Technologies/ZTE (Urteil vom 16. Juli 2015 - C-170/13, GRUR 2015, 764 =
ECLI:EU:C:2015:477 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2015,
ECLI:EU:C:2015:817) entschieden, dass Art. 102 AEUV dahin auszulegen ist,
dass der Inhaber eines für einen von einer Standardisierungsorganisation
normierten standardessentiellen Patents (SEP), der sich gegenüber dieser
Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen,
zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (sog. FRAND-Bedingungen)
zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht im Sinne von Art 102 AEUV
dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung der
Beeinträchtigung seines Patentrechts oder auf Rückruf der Produkte, für deren
Herstellung dieses Patent benutzt wurde, erhebt, wenn er bestimmte in der
Entscheidung entwickelte Obliegenheiten erfüllt. So muss der Inhaber des SEP vor
Erhebung der Klage zum einen den angeblichen Verletzer auf die
Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen haben und dabei das
fragliche SEP bezeichnet und angegeben haben, auf welche Weise es verletzt
worden sein soll, und zum anderen - nachdem und soweit der angebliche
Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu
FRAND-Bedingungen zu schließen - dem Patentverletzer ein konkretes
schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreiten und
insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung
angegeben haben. Zudem muss der Patentverletzer, während er das betreffende
Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot - sofern er es nicht annimmt - mit
Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen
Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert haben, was auf der
Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und unter anderem
impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird. Der Gerichtshof führt aus
(ebenda Rn. 46), dass die Ausübung des aus einem Patent fließenden
Ausschließlichkeitsrechts - mithin auch die Erhebung einer hierauf basierenden
Verletzungsklage - zu den Vorrechten des Inhabers eines Rechts des geistigen
Eigentums gehört und daher als solche selbst dann keinen Missbrauch einer
beherrschenden Stellung impliziert, wenn sie von einem Unternehmen in
beherrschender Stellung ausgeht. Jedoch kann diese im Grundsatz zulässige
Rechtsausübung unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches
Verhalten nach Art. 102 AEUV sein. Aus Sicht der Kammer betont der Gerichtshof
damit, dass das aus einem Patent fließende Ausschließlichkeitsrecht nur unter
ganz besonderen Umständen nicht mit der Verletzungsklage durchsetzbar ist.
Daraus folgt, dass die entsprechenden tatsächlichen Umstände, aus denen sich
die Suspendierung des Patentrechts ergeben soll, von dem in Anspruch
genommenen (angeblichen) Verletzer vorzutragen und wenn die Umstände im
Streit stehen, auch zu beweisen sind.
54 Der Gerichtshof führt aus, dass im Falle von SEPs die besondere Situation darin
begründet liegt, dass jeder Wettbewerber, der standardgemäße Produkte
herzustellen beabsichtigt, von dem fraglichen Patent zwangsläufig Gebrauch
macht und diese Benutzung unerlässlich ist. Damit könne der Patentnutzer gerade
nicht den ihm sonst offenstehende Weg beschreiten, ein konkurrierendes Produkt
herzustellen, dessen Ausgestaltung von dem Patent abweicht, ohne dass es
deshalb nicht geeignet wäre, die nämlichen grundlegenden Funktionen des
fraglichen Produkts zu erreichen. Zudem habe das SEP seine so beschriebene
Stellung nur im Gegenzug zu einer unwiderruflichen Verpflichtungszusage des
Inhabers gegenüber der Standardisierungsorganisation erhalten, jeden
lizenzwilligen Dritten zu FRAND-Bedingungen eine Lizenz einzuräumen. Hierdurch
erwecke der Inhaber des SEPs bei Dritten die berechtigte Erwartung, eine
entsprechende Lizenz zu erhalten. Weigere er sich gleichwohl, eine Lizenz zu
erteilen, so könne dies als Missbrauch nach Art. 102 AEUV zu bewerten sein. Der
nämliche Makel hafte ggf. auch einer auf Unterlassung und Rückruf gerichteten
Verletzungsklage an.
55 Der Gerichtshof adressiert in seiner Entscheidung solche Situationen als
problematisch, die nach der Auffassung der Kammer und ihrer Beobachtung der
bei ihr in den vergangenen Jahren erhobenen Patentverletzungsklagen, die auf ein
SEP gestützt waren, den Regelfall bilden: Beide Seiten zeigen sich zwar im
Grunde willens, einen Lizenzvertrag abzuschließen, der FRAND-Bedingungen
entspricht, indes gehen die Meinungen darüber, welche konkreten
Vertragsbedingungen und insbesondere welche Lizenzhöhe diese
Voraussetzungen erfüllen, auseinander. Müsste in dieser Situation das Gericht
entscheiden, welche Bedingungen tatsächlich den FRAND-Kriterien entsprechen
und ob das Angebot des SEP-Inhabers mithin dergestalt war, dass es ihm eine
klageweise Durchsetzung seines Patentrechts erlaubt, würde der
Verletzungsprozess aber mit erheblichen Problemen, insbesondere mit der
Ermittlung der Höhe der FRAND-Lizenz, die regelmäßig nur mit sachverständiger
Hilfe zu ermitteln sein wird, belastet, für die eine befriedigende Lösung auch nach
vielen Jahren, in denen diese Thematik den patentrechtlichen Bereich beschäftigt,
noch nicht gefunden ist.
56 Mit guten Gründen war es daher das Anliegen des Bundesgerichtshofs in seiner
Entscheidung Orange-Book-Standard, den Verletzungsprozess von dieser
Problematik zu entlasten (BGH, Urteil vom 06. Mai 2009, Az. KZR 39/06, BGHZ
180,312 bei II.2.c) - Orange-Book-Standard). Der Gerichtshof entwickelt aus Sicht
der Kammer im folgenden gleichfalls ein Konzept, dass es dem zur Entscheidung
berufenen Gericht ermöglichen soll, anhand des Verhaltens des Inhabers des SEP
auf der einen Seite sowie des angeblichen Verletzers auf der anderen Seite
daraufhin zu bewerten, ob sich die Durchsetzung der auf das SEP gestützten
Unterlassungs- und Rückrufanträge als ungerechtfertigter Marktmissbrauch und
Aufbau eines insoweit zu unterbindenden Drucks in der Verhandlungssituation zu
bewerten ist oder als gerechtfertigte Reaktion auf eine vom (angeblichen) Verletzer
verfolgte Verzögerungstaktik. Die Entscheidung des Gerichtshofs verfolgt nach
dem Verständnis der Kammer mithin ebenso wie schon der Bundesgerichtshof das
Ziel, den Verletzungsprozess von der Bestimmung zu entlasten, welche
Bedingungen - insbesondere hinsichtlich der Formulierung einzelner
Vertragsklauseln und besonders hinsichtlich der Höhe des Lizenzsatzes - in der
konkreten Situation FRAND sind. Aus diesem Grund befasst sich die
Entscheidung folgerichtig auch nicht näher damit, den Gerichten der
Mitgliedsstaaten Kriterien an die Hand zu geben, um zu bestimmen, wann
Lizenzvertragsbedingungen FRAND sind, sondern beschränkt sich darauf, den
Parteien Pflichten aufzuerlegen, die sie zu erfüllen haben, wenn sie ein SEP
durchsetzen wollen, ohne sich dem Vorwurf der Kartellrechtswidrigkeit ausgesetzt
zu sehen, bzw. die Durchsetzung der zukunftsorientierten Ansprüche aus dem
SEP abwenden wollen. Der Gerichtshof entwickelt dabei nach dem Verständnis
der Kammer mithin ein Programm an Verhandlungspflichten, die die Parteien
erfüllen müssen. Hingegen zielt die Entscheidung des Gerichtshof nach der
Überzeugung der Kammer nicht darauf ab, die Verletzungsgerichte mit der
Bestimmung der FRAND-Bedingungen zu belasten, wenn im Verfahren der
Unterlassungs- und Rückrufanspruch durchgesetzt werden soll, und es nicht
gerade um die Zahlung einer FRAND-Lizenzgebühr im Betragsverfahren geht.
Diese Konzeption erscheint der Kammer vom Gerichtshof mit Bedacht gewählt,
weil er sich - ebenso wie es den Erfahrungen der Kammer entspricht - darüber
bewusst war, dass wirtschaftlich denkende Parteien am Ende höchst selten den
Versuch unternehmen, tatsächlich Gerichte entscheiden zu lassen, welche
Lizenzgebühr und welche Lizenzvertragsbedingungen FRAND-gemäß sind,
sondern sich den vom Gerichtshof mehrfach in den Mittelpunkt seiner
Ausführungen gerückten, anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten folgend im
Verhandlungswege auf eine für beide Seiten wirtschaftlich akzeptable Lösung
verständigen, die auf der einen Seite dem SEP-Inhaber eine angemessene
Belohnung für seine Erfindungsleistung zufließen lässt und es auf der anderen
Seite dem Benutzer erlaubt, unter den gegeben Marktbedingungen preislich
konkurrenzfähige Produkte auch dann noch anbieten zu können, wenn diese
Produkte von einer Vielzahl von Patenten, die in einen Standard aufgenommen
worden sind, Gebrauch machen, und er sich daher mit einer Vielzahl von
Patentinhabern konfrontiert sieht, die von ihm Lizenzgebühren verlangen.
57 Zu diesem Zweck hält es der Gerichtshof für erforderlich, dass der Patentinhaber in
einem ersten Schritt vor der Erhebung einer auf Rückruf und Unterlassung
gerichteten Klage, die für den angeblichen Verletzer einen erheblichen
Verhandlungsdruck aufbaut, einen angeblichen Verletzer auf die ihm vorgeworfene
Patentverletzung hinweist und dabei das SEP bezeichnet sowie angibt, auf welche
Weise es verletzt sein soll. Der Gerichtshof konkretisiert dabei nicht näher, auf
welche Weise dieser Hinweis zu erfolgen hat. Jedenfalls wird der Patentinhaber
das mit der Klage geltend gemachte und von ihm standardessentiell deklarierte
Patent mit seiner Patentnummer bezeichnen und angeben müssen, dass dieses
Patent bei der betreffenden Standardisierungsorganisation als standardessentiell
deklariert wurde. Soweit der Patentinhaber zudem angeben soll, auf welche Weise
das Patent verletzt sein soll, enthält das Urteil des Gerichtshofs keine näheren
Vorgaben, sodass diese aus dem oben formulierten Telos der Entscheidung zu
entwickeln sind. So führt der Gerichtshof aus, dass der Verletzer des SEP
aufgrund der Vielzahl von SEPs, die in einen Standard inkorporiert sind, nicht
sicher weiß, dass er ein solches Patent benutzt. Daher muss der Hinweis dem
Verletzer jedenfalls deutlich machen, für welchen Standard das Patent essentiell ist
und aufgrund welcher Umstände der Patentinhaber davon ausgeht, dass der
angebliche Patentverletzter von der Lehre des Patents Gebrauch macht.
Jedenfalls ist dafür erforderlich, dass der Patentinhaber benennt, welche
technische Funktionalität der angegriffenen Ausführungsform vom Standard
Gebrauch macht. Der angebliche Verletzer wird regelmäßig nämlich im Bilde
darüber sein, dass sein Produkt einem Standard gemäß ausgebildet ist. Daher
dürfte ein bloßer Hinweis, der angebliche Verletzer stelle nach dem Standard
arbeitende Produkte her oder vertreibe diese und verletze deshalb das Patent,
nicht ausreichend sein. Vielmehr muss der angebliche Verletzer durch den Hinweis
in die Situation versetzt werden, die Schutzrechtslage selbständig prüfen (lassen)
zu können. Aufgrund der Vielzahl der technischen Funktionalitäten, die regelmäßig
in einem Standard enthalten sind und die gerade die vom Gerichtshof
angesprochene Unübersichtlichkeit bei der Beurteilung der Schutzrechtslage
begründet, wird es erforderlich sein, dass der SEP-Inhaber jedenfalls die Kategorie
der technischen Funktionalität des Standards in einer solchen Weise benennt,
dass der vermeintliche Verletzer nun wieder der grundsätzlich ihm obliegenden
Pflicht, die Schutzrechtslage zur prüfen, gerecht werden kann. Wie detailliert dieser
Hinweis zu erfolgen hat, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls
entschieden werden. Hierbei wird insbesondere einzustellen sein, welche
Technologiekenntnisse beim Patentverletzer vorhanden sind bzw. inwieweit er sich
solche Kenntnisse in zumutbarer Weise durch professionellen Rat zu verschaffen
hat. Aus Sicht der Kammer sind zur Darlegung des Verletzungssachverhalts in
einer den Anforderungen des Gerichtshofs entsprechenden Weise grundsätzlich
jedenfalls die auch im Rahmen von Lizenzvertragsverhandlungen nach den
geschäftlichen Gepflogenheiten sonst üblichen Claim Charts ausreichend, die den
geltend gemachten oder einen ihm verwandten Anspruch des Klagepatents, der
gleichfalls die entscheidenden Merkmale aufweist, gegliedert nach
Anspruchsmerkmalen den entsprechenden Stellen im Standard gegenüberstellt,
ohne dass hierbei die Anforderungen der Schlüssigkeitsprüfung einer
Verletzungsklage erfüllt werden müssen. Insoweit ist in der Regel ausreichend,
dass der angebliche Verletzer den vom SEP-Inhaber erhobenen Vorwurf jedenfalls
bei Hinzuziehung externen oder internen technischen Sachverstandes
nachvollziehen kann. Gleichfalls offen kann bleiben, ob der vom Gerichtshof
geforderte Hinweis nach nationalem Rechtsverständnis die Anforderungen einer
Abmahnung zu erfüllen hat (in diesem Sinne möglicherweise LG Mannheim, Urteil
vom 27. November 2015 - 2 O 106/14, S. 47, 2. Absatz).
58 Entsprechendes gilt für die weitere Obliegenheit des SEP-Inhabers, der zudem vor
Klageerhebung dem angeblichen Patentverletzer - sofern dieser im Grundsatz
seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, überhaupt Lizenz nehmen zu wollen -
ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten
hat und insbesondere die Lizenzgebühr und die Art und Weise ihrer Berechnung
anzugeben hat. Vor dem Hintergrund des zuvor geschilderten Verständnisses, das
die Kammer zu der Entscheidung des Gerichtshofs entwickelt hat, ist hierfür
erforderlich, dass es sich um ein annahmefähiges Vertragsangebot handelt, das
die vertragswesentlichen Bedingungen enthält. Soweit der Gerichtshof ausführt,
dass der Patentinhaber ein konkretes schriftliches Lizenz-Angebot zu FRAND-
Bedingungen unterbreiten hat, bedeutet dies nicht, dass das Verletzungsgericht für
den Fall, dass der (angebliche) Patentverletzer - wie regelmäßig - in Abrede stellt,
dass dieses Angebot FRAND-Kriterien entspricht, gehalten ist, nunmehr nach
objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden, ob das Angebot des SEP-Inhabers
tatsächlich FRAND ist oder nicht. Denn hierdurch würde der Verletzungsprozess
gerade wieder mit der Bestimmung belastet, welche Lizenzhöhe exakt und
sonstigen Vertragsbedingungen ganz genau diesen Kriterien entsprechen, was
aus Sicht der Kammer nicht das Anliegen des Gerichtshofs war. Vielmehr ist nur
erforderlich, dass das Angebot des SEP-Inhabers bei summarischer Prüfung
jedenfalls nicht evident keine FRAND-Bedingungen enthält. Insoweit ist die
Kammer der Auffassung, dass die Bestimmung, ob das vom SEP-Inhaber
unterbreitete Angebot tatsächlich FRAND ist oder nicht, deshalb entbehrlich ist,
weil die Parteien naturgemäß gerade über diesen Punkt im Streit stehen, werden
wie es der Gerichtshof in Rn. 54 seiner Entscheidung auch für den ihm vorgelegten
Fall festhält. Um die Frage zu beurteilen, ob sich der SEP-Inhaber mit der
Erhebung seiner auch auf Unterlassung und Rückruf gerichteten Verletzungsklage
kartellrechtswidrig verhält, ist es auch nicht erforderlich, im Verletzungsprozess
exakt - sofern dies überhaupt möglich ist - zu bestimmen, ob sein unterbreitetes
Angebot FRAND ist. Denn naturgemäß wird das Vertragsangebot des SEP-
Inhabers mit Blick auf die geforderte Lizenzgebühr höher liegen als dasjenige des
angeblichen Verletzers. Dies indes entspricht dem kartellrechtlich nicht zu
beanstandenden Gang von Geschäftsverhandlungen. Kartellrechtswidrig wird die
sich auf dem SEP gründende Verhandlungsmacht erst dann durch Erhebung einer
auf Rückruf und Unterlassung gerichteten Klage ausgeübt, wenn die Art und
Weise der Verhandlungsführung sich als Missbrauch der beherrschenden Stellung
darstellt. Dies ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn das Angebot des SEP-
Inhabers nicht exakt FRAND ist, sondern sich darüber bewegt. Kartellrechtswidrig
und ersichtlich nicht FRAND ist ein Angebot erst dann, wenn es unter
Berücksichtigung der konkreten Verhandlungssituation und insbesondere der
Marktgegebenheit als Ausdruck von Ausbeutungsmissbrauch darstellt. Dies wäre
nach Auffassung der Kammer etwa der Fall, wenn der SEP-Inhaber, der eine
FRAND-Erklärung abgeben hat, von dem lizenzwilligen Patentverletzer
Bedingungen fordert, die in erheblicher Weise und ohne dass hierfür
rechtfertigende Gründe ersichtlich wären, wirtschaftlich für den angeblichen
Verletzer weit ungünstiger sind als anderen Lizenznehmern gewährte
Bedingungen. Für diese Sichtweise spricht nach der Überzeugung der Kammer,
dass der Gerichtshof bei Rn. 68 seiner Entscheidung ausführt, dass die Parteien
im Falle des Dissenses über die Einzelheiten der FRAND-Bedingungen die
Möglichkeit hätten, im gegenseitigen Einvernehmen zu beantragen, dass die
Lizenzgebühren durch einen unabhängigen Dritten festgelegt werden. Dessen
bedürfte es ersichtlich nicht, wenn schon das Angebot des SEP-Inhabers im
objektiv verstandenen Sinne FRAND sein müsste. Diese Überlegungen sprechen
aus Sicht der Kammer daher gegen die Auffassung, die zwei als Referenten tätige
Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf nach dem Vortrag der Parteien kürzlich
geäußert haben sollen, wonach der angebliche Patentverletzter auf das Angebot
des Patentinhabers nur dann mit einem Gegenangebot und der Sicherheitsleistung
soll reagieren müssen, wenn das Angebot des SEP-Inhabers vollständig FRAND-
Kriterien entspreche. Soweit jene das daraus ableiten wollen, dass der Gerichtshof
in der Randnummer 78 seiner Entscheidung das Demonstrativpronomen „dieses“
verwendet und somit ersichtlich allein ein tatsächlich (bei objektiver Bestimmung)
FRAND-Kriterien entsprechendes Angebot meine, kann dieses bloße
Wortlautargument aus den geschilderten systematischen Gründen die Kammer
nicht überzeugen.
59 Der Patentinhaber hat dabei die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr
anzugeben, weil er als Inhaber des SEP jedenfalls dann, wenn weder ein
Standardlizenzvertrag existiere noch die mit anderen Lizenznehmern
geschlossenen Lizenzverträge veröffentlicht seien, besser in der Lage sei zu
prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzung der Gleichbehandlung wahre, als der
Verletzer. An dieser Stelle betont der Gerichtshof aus Sicht der Kammer mithin,
dass er den Missbrauch gerade in der Ungleichbehandlung des mit der
Verletzungsklage überzogenen Verletzers gegenüber sonstigen Lizenznehmern
und Lizenzsuchern sieht. Dazu, wie detailliert die Darlegungen des SEP-Inhabers
sein müssen, verhält sich der Gerichtshof in seinem Urteil nicht. Nach Auffassung
der Kammer wird der SEP-Inhaber den angeblichen Verletzer in die Lage
versetzen müssen, anhand objektiver Kriterien nachzuvollziehen, warum der SEP-
Inhaber zu der Überzeugung gelangt, dass das von ihm unterbreitete Angebot
FRAND-Kriterien entspricht.
60 Der Verletzer muss auf dieses Angebot reagieren, selbst wenn es seiner
Auffassung - wie regelmäßig - nicht den FRAND-Kriterien entspricht (ebenso im
Ergebnis LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015 - 2 O 106/14 Seite 51 bei (bb) und
LG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 2015 - 4a O 144/14). Eine Ausnahme
hiervon ist nach der Auffassung der Kammer allein in solchen Fällen zu machen, in
denen sich das Angebot des SEP-Inhabers bereits bei summarischer Prüfung
evident als nicht FRAND und mithin als Missbrauch einer beherrschenden Stellung
des SEP-Inhabers darstellt. Denn selbst wenn ein Angebot eines SEP-Inhabers
aus der Sicht eines lizenzwilligen Patentbenutzers nicht FRAND entspricht, kann
von ihm mit Ausnahme solcher evident gelagerten Fälle verlangt werden, seine
Redlichkeit und Lizenzwilligkeit dadurch zu demonstrieren, dass er ein
Gegenangebot unterbreitet, das seiner Auffassung nach FRAND ist. Dieses
Gegenangebot ist alsbald zu unterbreiten, da der Gerichtshof dem angeblichen
Patentverletzer keine Verzögerungstaktik zugestehen will. Mithin muss vom
angeblichen Verletzter auf das konkrete schriftliche Angebot des SEP-Inhabers so
schnell reagiert werden, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls bei
Anwendungen der in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten
und des Grundsatzes von Treu und Glauben von ihm erwartet werden kann.
61 Schlägt der SEP-Inhaber dieses Angebot aus und hat der angebliche Verletzer
das SEP bereits benutzt, bevor ein Lizenzvertrag geschlossen wurde, verlangt der
Gerichtshof, dass er ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Gegenangebots eine
angemessene Sicherheit etwa durch Beibringung einer Bankgarantie oder durch
Hinterlegung leistet. Die Berechnung der Sicherheit muss unter anderem die Zahl
der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das SEP umfassen, für die
der angebliche Verletzer eine Abrechnung vorlegen können muss. Diese
Sicherheit muss zudem den in dem betreffenden Bereich anerkannten
Gepflogenheiten entsprechen.
62 Soweit mit der Verletzungsklage hingegen auf Rechnungslegung und
Schadensersatz bezogene Ansprüche wegen vergangenen
Benutzungshandlungen verfolgt werden, kann der SEP-Inhaber diese ohne
Weiteres verfolgen und muss nicht die zuvor geschilderten Pflichten erfüllen.
63 2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Klägerin nicht aus kartellrechtlichen
Gründen gehindert, die mit der Klage verfolgten Ansprüche durchzusetzen.
64 a) Inwieweit die angesprochenen Obliegenheiten, die der Gerichtshof entwickelt
hat, auf eine Patentverletzungsklage Anwendung finden, die wie vorliegend noch
vor der Entscheidung des Gerichtshofs erhoben worden ist, kann vorliegend offen
bleiben. Denn die Klägerin ist den ihr obliegenden Verpflichtungen vorliegend
bereits vor Erhebung der Klage nachgekommen. Soweit sich hieran die Beklagte
treffende Obliegenheiten knüpfen, die sie zu erfüllen hat, um der Klägerin den
kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegenhalten zu können, hat sie diese
jedenfalls auch nach Veröffentlichung der Entscheidung des Gerichtshofs bis zum
Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfüllt.
65 b) Die Klägerin hat die Beklagte in ausreichendem Maße lange vor Erhebung der
Klage auf die Verletzung des Klagepatents und dessen Standardessentialität
hingewiesen und ihr auch deutlich gemacht, worin sie den Verletzungssachverhalt
begründet sieht.
66 Hierfür reichte jedenfalls die Übersendung der Claim-charts am 7. April 2014
(Anlage [...] A12E) sowie der ergänzten Claim-charts am 15. Juli 2014 (Anlage [...]
A12I) an die Konzernmutter der Beklagten aus, die eine Gegenüberstellung der
Merkmale der Ansprüche 3 und 4 des Klagepatents und des Standards enthalten
und die durch die Klägerin am 8. Juli 2014 nochmals in einer Präsentation (Anlage
[...] A12H) erläutert wurden. Die darin enthaltenen Informationen haben die
Beklagte nach der sicheren Überzeugung der Kammer als Mobiltelefonherstellerin
in die Lage versetzt, den Verletzungsvorwurf intern oder durch Hinzuziehung
externen Sachverstandes kompetent und umfassend zu beurteilen.
67 Soweit die Beklagte darauf verweist, dass in den Claim-charts der nunmehr mit der
Klage auch geltend gemachte Anspruch 1 nicht dargelegt worden sei, verfängt
dieser Einwand nicht. Denn der Anspruch 1 enthält keine Merkmale, die von den
Merkmalen der Ansprüche 3 und 4 in einer solchen Weise abweichen, dass es
hierzu einer ergänzenden Erläuterung bedurft hätte, damit die Beklagte den
Verletzungssachverhalt nachprüfen kann.
68 Auch soweit die Beklagte beanstandet, dass in den Claim-charts eine in der
nunmehr erhobenen Klage zur Darlegung angeführte Technische Spezifikation
125.309 nicht angeführt gewesen sei, ist dieser Einwand ohne Relevanz, da es
wie dargestellt ausreichend war, dass die Klägerin das Patent und seine
Standardessentialität benannt und das relevante technische Gebiet des Standards
- hier die zeitliche Taktung der verschiedenen Nutzinformations- und Steuerkanäle
- angegeben hat. Zudem hat die Klägerin dieses Dokument ohnehin nur zur
Darlegung mit Bezug auf ein solches Merkmal angeführt, dessen Benutzung
zwischen den Parteien außer Streit steht. Folglich handelt es sich um ein bloßes
Formalargument, dem der Erfolg versagt bleibt.
69 Schließlich war von der Klägerin auch nicht etwa zu verlangen, dass sie sämtliche
Patente, die Gegenstand des von ihr angebotenen Lizenzpoolvertrages in Form
von Claim-charts unter den Standard subsumiert. Dem Urteil des Gerichtshofs ist
allein zu entnehmen, dass der SEP-Inhaber die Hinweisobliegenheit zumindest mit
Blick auf das klageweise geltend gemachte Patent erfüllt. Vorliegend hat die
Klägerin Claim-charts zu sechs exemplarisch angeführten Patenten an die
Konzernmutter der Beklagte übersendet, wie dies den auch der Kammer aus ihrer
Praxis bekannten üblichen Gepflogenheiten bei der Verhandlung über
Portfoliolizenzen entspricht. Ob dies überhaupt erforderlich war, kann vorliegend
offen bleiben.
70 c) Zudem hat die Klägerin der Beklagten bereits am 19. März 2014 einen
ausformulierten Lizenzvertrag (Anlage [...] A13) als Angebot an die Konzernmutter
der Beklagten übersendet und die Bedingungen und insbesondere die
Berechnung der Lizenz mehrfach noch vor Klageerhebung erläutert (Powerpoint-
Präsentation Anlage [...] A12D, Emails nach Anlagen [...] A12 E und [...] A 12Q).
Dieses Angebot genügt gleichfalls den unter 1. erläuterten Maßstäben. Denn es
enthält zum einen unter Ziffer 4 Regelungen zur Lizenzhöhe. Zum anderen hat die
Klägerin in einer für einen objektiven Dritten nachvollziehbaren Form dargelegt, wie
sie zur Berechnung des Lizenzsatzes gelangt. Der Anlage [...] A12D lässt sich
jedenfalls entnehmen, dass die Lizenzgebühr für die in der Vergangenheit
liegende Nutzung auf den eigenen Geschäftszahlen von [...] beruht und hierfür
eine Erstgebühr angesetzt wird, wohingegen für den Zeitraum ab dem 1.1.2014
eine Stücklizenz gefordert wird. Zudem hat die Klägerin ihren Anteil am Pool von
standardessentiellen WCDMA- und LTE-Patenten mit [...]% (WCMA, Sipro
Lizenzpool) bzw. [...]% (LTE, VIA Lizenzpool) angegeben und den entsprechenden
Anteil der Gesamtpoolgebühr zugrunde gelegt (Anlage [...] A 12E) und diese
Berechnung in der Präsentation vom 10. Oktober 2014 (Anlage [...] A 12Q) weiter
auf Fragen der Beklagten hin spezifiziert sowie angegeben, welche
Gesamtbelastung an Lizenzgebühren für die Lizenzierung der WCDMA- und LTE-
Patente die Beklagte treffen und in welchem Verhältnis die geforderte Gebühr zum
durchschnittlichen Verkaufspreis der von der Beklagten hergestellten und
vertriebenen Geräte steht.
71 Soweit die Beklagte fordert, die Klägerin habe insbesondere belegen müssen,
dass der Anteil der Klägerin am WCDMA- bzw. LTE-Patentpool tatsächlich [...] bzw.
[...]% betrage, überspannt sie die an die Klägerin zu erhebenden Anforderungen.
Denn soweit der Anteil der Klägerin an den Patenten des Sipro-Lizenzpools
betroffen ist, sind die vom Pool erfassten Patente auf der Homepage des Pools
ersichtlich, sodass sich hieraus die Anteile der Klägerin jedenfalls ermitteln lassen.
Soweit der Anteil der Klägerin an den Patenten des VIA-Pools betroffen ist, hat ihr
die Klägerin jedenfalls durch Benennung des Pools, der Gesamtpoolgebühr sowie
des hieran geltend gemachten Anteilsfaktors hinreichenden Tatsachen an die
Hand gegeben, um die Berechtigung der geforderten Lizenzgebühr prüfen zu
können und in diesem Sinne die aus ihrer Sicht FRAND-Kriterien entsprechende
Berechnung des Lizenzvertragsangebots ausreichend dargelegt.
72 Soweit die Parteien darum streiten, ob die Herangehensweise der Klägerin, die
FRAND-Gebühr durch bloße Bildung des Anteilsfaktors an den Pools zu
berechnen und nicht wie die Beklagte meint, die Bedeutung der jeweiligen Patente
für den Standard bei der Bemessung der Gebührenhöhe einzustellen, FRAND
entspricht und ob umgekehrt der Berechnung der Lizenzgebühren allein der Anteil
der kleinsten handelbaren Einheit und mithin der Preis der Chipsätze anzusetzen
ist, drücken sich hierin lediglich die von der jeweiligen Seite eingenommenen
Positionen, was konkret FRAND ist, aus, ohne indes dem von der Klägerin
unterbreiteten Angebot die Qualität eines nach den Kriterien des Gerichtshofs
ausreichenden Angebots zu nehmen.
73 d) Mithin war die Beklagte in der Pflicht ihrerseits alsbald mit einem schriftlichen
Gegenangebot zu reagieren, das ihrer Auffassung nach entgegen dem ihr von der
Klägerin unterbreiteten und für sie nicht akzeptablen Angebot FRAND entspricht.
Dies hat die Beklagte indes unterlassen, sondern erst mehr als eineinhalb Jahre
nach Übersendung des Lizenzvertragsangebots durch die Klägerin und ein halbes
Jahr nach Klageerhebung ein solches Gegenangebot mit dem Schriftsatz vom 30.
Oktober 2015 (Anlage [...] A 37) vorgelegt. Zudem hat die Beklagte auf die
Ablehnung dieses Angebots hin eine Sicherheit zwar in Aussicht gestellt, aber
jedenfalls nicht geleistet. Dabei ist die Beklagte dem in der mündlichen
Verhandlung von der Kammer vorgeschlagenen Betrag einer Sicherheitsleistung in
Höhe von einem Drittel des von der Klägerin geforderten und eines elffachen des
von der Beklagten zuletzt angebotenen Lizenzbetrages nicht gefolgt, sondern hat
einen neuerlichen Vorschlag der Klägerin, der einen gegenüber dem aus dem Jahr
2013 gegenüber reduzierten Lizenzsatz vorsieht, zum Anlass genommen,
entgegen der von der Kammer vorgeschlagenen Lösung ihre Sicherheitsleistung
allein aus dem nun reduzierten Lizenzsatz, den die Klägerin fordert, anzubieten.
74 Unter diesen Umständen kann die gerichtliche Geltendmachung des
Unterlassungs- und Rückrufanspruchs durch die Klägerin nicht als
kartellrechtswidrig angesehen werden.
75 III. Der Rechtsstreit war zudem nicht mit Blick auf die von der Beklagten erhobene
Nichtigkeitsklage auszusetzen. Zwar ist die Entscheidung über den Rechtsbestand
vorgreiflich iSv § 148 ZPO. Indes übt die Kammer ihr Ermessen dahin aus, den
Rechtstreit nicht mit Blick auf das Rechtsbestandsverfahren auszusetzen.
76 1. Eine solche Aussetzung suspendiert die Durchsetzung der Rechte aus dem
Klagepatent. Da der Verletzungsrichter im Grundsatz an den Erteilungsakt
gebunden ist, kommt eine Suspendierung der aus erteilten
Ausschließlichkeitsrecht folgenden Befugnisse nur unter besonderen Umständen
in Betracht. Die bloße Möglichkeit, dass das Klagepatent vernichtet wird, ist
insoweit nicht ausreichend. Vielmehr ist erforderlich, dass eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 16. September 2014 - X ZR 61/13, GRUR
2014, 1237 - Kurznachrichten) für die Vernichtung des Klagepatents besteht.
77 2. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Denn weder erweist sich die
Druckschrift D1a aus Sicht der Kammer als neuheitsschädlich, noch bildet die
Druckschrift D2a zu berücksichtigenden Stand der Technik, weil das Klagepatent
die beanspruchte Priorität zurecht geltend macht.
78 a) Soweit die Beklagte die Druckschrift D1a (ERICSSON) für neuheitsschädlich
hält, kann sich die Kammer hiervon nicht überzeugen. Denn jedenfalls zeigt die
Schrift das Merkmal 4 nicht in der erforderlichen Weise. Bei der Prüfung der
Neuheitsschädlichkeit ist das Patent mit der angeblich neuheitsschädlichen
Entgegenhaltung zu vergleichen. Neuheitsschädlich ist die Entgegenhaltung nur
dann, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents
aus dieser Schrift für den Fachmann in einer Weise ergibt, dass ihm die dort
vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der
Erfindung offenbart (stRspr. BGHZ 159, 221, 226 = GRUR 2004, 844, 845 -
Drehzahlermittlung Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn.
62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10,
GRUR 2012, 1133 Rn. 31 - UV-unempfindliche Druckplatte).
79 Bei Zugrundlegung dieses Maßstabes zeigt die Schrift dem Fachmann jedenfalls
nicht in Merkmal 4 beschriebenen zeitlichen Versatz um zwei Schlitze in der
erforderlichen Weise. Denn aus der nachstehend abgebildeten Figur 1 (mit
Beschriftung, Kolorierung und ausschnittsweiser Vergrößerung durch die
Beklagte), die die Beklagte hierfür heranzieht, folgt dies nicht.
80 Die Figur stellt eine Mehrzahl von Kanälen grafisch in Zeilen dar und bildet
zwischen diesen einen zeitlichen Zusammenhang, in dem sie insbesondere durch
gestrichelte vertikale Linien einen zeitlichen Versatz zwischen den dort gezeigten
Kanälen darstellt. Soweit die Beklagte nun den Versatz zwischen dem Kanal E-
HICH, der dieselbe Zeitsteuerung wie der E-AGCH aufweist (vgl. D1a Abschnitt 5:
„The E-AGCH/E-RGCH/E-HICH are all subframe aligned to each other“), und P-
CCPCH anspricht, ist ein Versatz um zwei Schlitze der Zeichnung nicht eindeutig
zu entnehmen. Dies belegt bereits der Umstand, dass die Beklagte die Zeichnung
erst vergrößert, koloriert und die Schlitze nummeriert, um den Offenbarungsgehalt
hervorzuheben, der der Schrift ihrer Auffassung nach zukommt. Selbst wenn man
indes den faktischen Versatz der beiden Kanäle um zwei Zeitschlitze in dieser
Figur entnehmen will, so wird der Fachmann dies jedoch nicht als Teil der in der
Schrift offenbarten Lehre wahrnehmen. Denn der Fachmann sieht in der Figur - die
explizit als lediglich der Veranschaulichung dienend beschrieben wird („...for
illustrative purposes only..“, vgl. Untertitel der Figur 1) - nur allgemein ein zeitliches
Verhältnis zwischen den angesprochenen Kanälen beschrieben, ohne das ihm die
Bedeutung des Umstandes dargetan würde, dass der Versatz gerade zwei
Schlitze beträgt. Vielmehr wird er die Schrift in ihrem Kontext lesen und der im
Nachgang abgebildeten Tabelle gerade keinen Versatz zwischen den Kanälen um
zwei Schlitze entnehmen können. Denn hier ist der Zeitversatz in der Zeile Toff
angegeben, wo sich der Wert 2 gerade nicht findet. Zudem entnimmt der
Fachmann der Zusammenfassung („5. Conclusion“), dass dort als Ergebnis
lediglich festgehalten wird, dass der subframe #0 des E-AGCH eine ganzzahlige
Zahl von Schlitzen versetzt zu dem Start des P-CCPCH übertragen wird. Dass der
Versatz aus technisch vorteilhaften Gründen gerade zwei Schlitze betragen soll,
entnimmt der Fachmann dieser Schrift nicht.
81 b) Auch soweit die Beklagte argumentiert, die als Erfindung beanspruchte Lehre
des Klagepatents werde durch die Schrift D2a, einer Vorversion des Standards,
neuheitsschädlich getroffen, kann sich die Kammer hiervon nicht mit der
erforderlichen Gewissheit überzeugen. Denn hierfür wäre erforderlich, dass das
Klagepatent, das am 2. Februar 2006 angemeldet wurde, zu Unrecht die Priorität
der JP 2005027102 (Anlage MN3) vom 2. Februar 2005 beansprucht, da die am
14. Februar 2005 veröffentlichte D2a nur dann zum Stand der Technik zählen
würde.
82 aa) Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn
sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise
beschriebenen technischen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung
der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre
darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit
bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend
entnehmbar ist. Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte
Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der
angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist (BGH, Urteil vom 11. September
2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 388 - Luftverteiler; Urteil vom 30. Januar
2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597, 599 - Betonstraßenfertiger). Der
Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch
offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln (EPA GBK, Beschluss
vom 31. Mai 2001 - G2/98, GRUR Int. 2002, 80; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003
- X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit). Dabei ist die
Offenbarung des Gegenstands der ersten Anmeldung nicht auf die dort
formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der
Anmeldeunterlagen zu ermitteln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung
gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (BGH, GRUR 2004, 133, 135 -
Elektronische Funktionseinheit). Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch
bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen "unmittelbar und
eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383,
389 - Luftverteiler; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62
- Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10, GRUR
2012, 1133 Rn. 31 - UV-unempfindliche Druckplatte) als mögliche
Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Beschluss vom 11.
September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 -
Drehmomentübertragungseinrichtung; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08,
GRUR 2010, 599 Rn. 22, 24 - Formteil). Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann
der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt
(BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 -
Olanzapin). Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt
der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung (BGH, GRUR
2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit).
83 bb) Soweit die Beklagte argumentiert, jedenfalls der mit Merkmal 4 beanspruchte
zeitliche Versatz sei in die Prioritätsschrift nicht offenbart, kann die Kammer dem
nicht folgen.
84 Die zeitliche Koppelung des E-AGCH an den HS-PDSCH ergibt sich eindeutig aus
den Figuren 5 und 6, die den Figuren 10 und 11 des Klagepatents entsprechen.
85 Dass der zeitliche Versatz zwischen den HS-SCCH einerseits und den Kanälen E-
AGCH sowie HS-PDSCH genau zwei Schlitze beträgt wie mit Merkmal 4
beansprucht, ergibt sich aus der Beschreibung , dort Absatz 0067 f., der
Prioritätsschrift. Darin heißt es, dass der HS-SCCH zwei Schlitze vor dem HS-
PDSCH übertragen wird. Derselbe Offenbarungsgehalt findet sich in Absatz 0010
der Prioritätsschrift. In Anspruch 3 des Prioritätsdokuments wird beansprucht, dass
die Mobilstation ausgebildet ist, den E-AGCH sowie den HS-PDSCH unter der
Annahme zu empfangen, dass diese beiden Kanäle miteinander synchronisiert
sind, was ebenso Abschnitt 0054 und Abschnitt 0082 der Prioritätsschrift erhellen.
Wenn Abschnitt 0067 f. und 0010 erhellen, dass der HS-SCCH zwei Slots vor dem
HS-PDSCH übertragen wird und der Fachmann der Schrift zudem entnimmt, dass
der E-AGCH und HS-PDSCH synchronisiert sind, erkennt er, dass auch der E-
AGCH zwei Schlitze nach dem HS-SCCH übertragen wird und dieser zeitliche dem
gleichfalls in der Prioritätsschrift adressierten Ziel dient, eine effizientere Nutzung
der Übertragungsressourcen zu ermöglichen (vgl. Abschnitt 0052 ff.) . Soweit die
Beklagte beanstandet, die Prioritätsschrift beschreibe allein ein Modell, nach dem
der HS-PDSCH die zeitliche Referenz des E-AGCH bilde, wohingegen nach der
als erfinderisch beanspruchten Lehre des Klagepatents eine solche
Referenzierung zwischen dem E-AGCH und dem HS-SCCH vorliegen müsse, ist
dieses Argument aus denselben Gründen zurückzuweisen wie das
Nichtverletzungsargument der Beklagten. Der Fachmann erkennt als allein
entscheidend, dass der Versatz zwischen E-AGCH sowie HS-PDSCH zum HS-
SCCH jeweils zwei Schlitze beträgt. Wie dies sprachlich beschrieben wird, ist aus
fachmännischer Sicht belanglos.
86 IV. Die Parteien haben jeweils mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 weiter zur
Sache vorgetragen. Diese nicht nachgelassenen Schriftsätze bedürfen keiner
Berücksichtigung im Urteil - soweit sie nicht ohnehin nur Rechtsausführungen
enthalten - und veranlassen die Kammer nicht zur Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung.
87 V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.