Urteil des LG Mannheim vom 12.05.2006
LG Mannheim (stand der technik, bundesrepublik deutschland, anlage, pumpe, beschwerdekammer des europäischen patentamts, salz, gebrauch, technik, luft, herstellung)
LG Mannheim Urteil vom 12.5.2006, 7 O 161/05
Patentrecht: Unterlassungs- und Rechnungslegungsanspruch wegen der Verletzung eines Patents, das
eine Einrichtung zur Vorbereitung medizinischer Lösungen zum Gegenstand hat
Leitsätze
1. Funktions- oder Wirkungsangaben im Patentanspruch eines Vorrichtungspatents beschränken mittelbar den
Schutzbereich des Patents. Die räumlich-körperliche Ausgestaltung der geschützten Vorrichtung muss es
zulassen, die patentgemäßen Funktionen oder Wirkungen zu erreichen.
2. Für die Eignung der konkret angegriffenen Ausführungsform zur Erreichung der patentgemäßen Funktionen oder
Wirkungen ist im Verletzungsprozess der Kläger darlegungsbelastet. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln über
die Erfüllung der primären und sekundären Darlegungslast.
3. Hat der Beklagte im Verletzungsprozess substantiiert vorgetragen, dass bei der konkret angegriffenen
Ausführungsform durch zusätzliche technische Mittel verhindert wird, dass die patentgemäßen Funktionen oder
Wirkungen erreicht werden, kann sich der Kläger im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht mehr auf den
Hinweis beschränken, die angegriffene Ausführungsform weise Merkmale auf, die generell zur Erreichung der
Funktion oder Wirkung geeignet seien. Er muss vielmehr dartun, dass und weshalb sie sich auch bei der konkret
angegriffenen Ausführungsform trotz der genannten Maßnahmen zur Erreichung der anspruchsgemäßen
Wirkungen oder Funktionen eignen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Anspruchs 1 des europäischen Patents 0 401 130 B2
(nachstehend: Klagepatent) auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch und begehrt Feststellung der
Schadensersatzpflicht der Beklagten.
2
Die Klägerin ist Inhaberin des als Anlage K 1 vorgelegten Klagepatents, das eine Einrichtung zur Vorbereitung
medizinischer Lösungen zum Gegenstand hat. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität
vom 29.05.1990 dreier französischer Schriften am 16.05.1990 angemeldet. Die Anmeldung wurde am
05.12.1990, die Erteilung am 24.11.1993 veröffentlicht. Ein von der … geführtes Einspruchsverfahren führte zur
Aufrechterhaltung des Klagepatents in geändertem Umfang; das geänderte Patent wurde am 26.05.1999
veröffentlicht. Die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom
10.12.1997 liegt als Anlage vor. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 690 04 739 T3) steht in Kraft. Die
Beklagte zu 2 hat Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhoben, über die noch nicht
entschieden ist.
3
Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der französischen Verfahrenssprache:
4
"Dispositif de préparation d'une solution à usage médical à partir d'un liquide et d'au moins uns el
pulvérulent ou cristallisé, comprenant:
5
- une canalisation principale (11) ayant une première extrémité reliée à une source de liquide (10) et une
seconde extrémité pour délivrer la solution;
6
- au moins une canalisation secondaire (15, 19; 16, 20) reliée en dérivation à la canalisation principale (11),
cette canalisation secondaire comprenant un réservoir (13, 14) contenant un sel pulvérulent ou cristallisé et
ayant un orifice d'entrée et un orifice de sortie situés de préférence respectivement à un point haut et un
point bas du réservoir (13, 14),
7
- des moyens (12, 21, 22, 36) pour faire circuler du liquide dans les canalisations comprenant
8
- des moyens de pompage (21, 22, 36) disposés en aval du réservoir (13, 14) sur la canalisation
secondaire (15, 19; 16, 20),
9
ca dispositif étant caractérisés en ce qu'il comprend des moyens (17, 21; 18, 22) pour provoquer
l'immersion du sel dans le réservoir en fermant initialement des moyens d'obturation (17, 18) disposés sur
la canalisation secondaire (15, 19; 16, 20) en amont du réservoir (13, 14) en mettant en fonctionnement les
moyens de pompage (21, 22, 36) et ouvrant subséquemment les moyens d'obturation (17, 18)."
10 Die deutsche Fassung des Anspruchs 1 in der Klagepatentschrift lautet ( kursiv in Klammern: Fassung der
deutschen Übersetzung nach Anlage K 1a):
11
"Vorrichtung zur Herstellung einer Lösung für medizinischen Gebrauch aus einer Flüssigkeit und
wenigstens einem pulverförmigen oder kristallisierten Salz, die folgendes aufweist ( umfassend ):
12
- eine Hauptleitung (11) mit einem mit einer Flüssigkeitsquelle (10) verbundenen ersten Ende und einem
zweiten Ende zum Liefern der Lösung,
13
- wenigstens eine von der Hauptleitung (11) abgezweigte Nebenleitung (15, 19; 16, 20) mit einem
Vorratsbehälter (13, 14), der ein pulverförmiges oder kristallisiertes Salz enthält und eine Einlassöffnung
sowie eine Auslassöffnung aufweist, die vorzugsweise an einer hoch bzw. tief gelegenen Stelle des
Vorratsbehälters (13, 14) angeordnet sind,
14
- eine Einrichtung (12, 21, 22, 36) zum Umwälzen der Flüssigkeit in den Leitungen, die Pumpeinrichtungen
( eine Pumpeinrichtung )(21, 22, 36) umfassen ( umfasst ), die stromab des Vorratsbehälters ( vom
Vorratsbehälter ) (13, 14) auf ( an ) der Nebenleitung (15, 19; 16, 20) angeordnet sind ( ist ),
15
wobei diese Vorrichtung dadurch gekennzeichnet ist, dass sie eine Einrichtung (17, 21; 18, 22) zum
Bewirken des Eintauchens des Salzes in den Vorratsbehälter durch anfängliches Schließen von
Verschlussmitteln (17, 18), die stromauf des Vorratsbehälters (13, 14) an der Nebenleitung (15, 19; 16, 20)
angeordnet sind, und durch Inbetriebsetzen der Pumpeinrichtungen (21, 22, 36) und durch anschließendes
Öffnen der Verschlussmittel (17, 18) aufweist.
16
( dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Einrichtung (17, 21; 18, 22) zum Eintauchen des Salzes im
Vorratsbehälter umfasst, indem sie anfänglich die Verschlusseinrichtung (17, 18) schließt, die auf der
Nebenleitung (15, 19; 16, 20) stromauf vom Vorratsbehälter (13, 14) angeordnet ist, und dabei die
Pumpeinrichtung (21, 22, 36) in Betrieb setzt und beim Öffnen daraufhin die Verschlussmittel (17, 18)
öffnet.) "
17 Die Beklagte zu 2 stellt Dialysemaschinen mit den Bezeichnungen … und … her (nachstehend einheitlich als
angegriffene Ausführungsform bezeichnet), die von beiden Beklagten im Inland vertrieben werden. Die
angegriffene Ausführungsform wird mit Bikarbonat-Trockenkonzentratbeuteln „bibag“ betrieben. Die
Funktionseinheit der angegriffenen Ausführungsform, die zur Herstellung einer Bikarbonat-Lösung dient, ist in
Anlage B 2 schematisch dargestellt. Beim bestimmungsgemäßen Gebrauch der angegriffenen
Ausführungsform wird nach einem automatischen Füllprogramm von 5 Sekunden zunächst bei geschlossenem
Ventil 91 18 Sekunden lang Luft aus dem "bibag" abgesaugt. Dieses Absaugen geschieht über die in Anlage B
2 dargestellte Hauptpumpe 29 und über ein getaktetes Öffnen des Ventils 130. Die flexible Hülle des Beutels
legt sich aufgrund des abnehmenden Luftvolumens zunehmend an die Bikarbonat-Füllung an; der Druck im
Beutel bleibt im Wesentlichen auf Atmosphärenniveau (s. Anlage B 3). Nach Ablauf dieser 18 Sekunden wird
die Dosierpumpe 25 in Betrieb gesetzt, das gesteuerte Ventil 91 geöffnet und das Ventil 130 geschlossen. Die
Pumpe 25 fördert nun die aufgrund der Durchströmung des "bibag" entstehende Lösung.
18 Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von den Merkmalen des Anspruchs
1 wörtlichen Gebrauch. Ferner liege im Vertrieb der "bibag"-Beutel eine mittelbare Verletzung des Anspruchs 1.
Beim Anfahren der angegriffenen Ausführungsform sei das Ventil 91 zunächst geschlossen, so dass keine
Flüssigkeit in den "bibag" eindringen könne. Die angegriffene Ausführungsform könne dann so gesteuert
werden, dass die Pumpe 25 in Betrieb gesetzt werde und die Luft aus dem "bibag" heraussauge, um dieses
wenigstens teilweise zu evakuieren. Daraufhin könne das Ventil 91 geöffnet werden, so dass in den zuvor
wenigstens teilweise zu evakuieren. Daraufhin könne das Ventil 91 geöffnet werden, so dass in den zuvor
evakuierten "bibag" Flüssigkeit anströmen könne.
19 Soweit die Beklagte einwende, die erste Phase nach dem Anfahren (sog. "Priming") verlaufe bei der
angegriffenen Ausführungsform anders, sei dies ohne Bedeutung. Die im kennzeichnenden Teil des
Vorrichtungsanspruchs 1 genannten Wirkungsangaben beschränkten dessen Schutzbereich nicht. Ob die
angegriffene Ausführungsform den im Klagepatent angegebenen neuen Verwendungszweck nutze oder nicht,
sei unerheblich. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Zweckangaben sei der kennzeichnende Teil
des Anspruchs 1 dahin zu verstehen, dass die vorhandenen räumlich-körperlichen Einheiten lediglich dazu
geeignet sein müssten, den geschilderten Ablauf (Schließen der Verschlusseinrichtung – Pumpen – Öffnen der
Verschlusseinrichtung) zu ermöglichen. Dies sei der Fall.
20 Anspruch 1 des Klagepatents sei auch rechtsbeständig. Der in der Nichtigkeitsklage vorgelegte Stand der
Technik stelle weder die Neuheit noch die Erfindungshöhe des Anspruchs 1 in Frage.
21 Die Klägerin beantragt,
22
I. die Beklagten zu verurteilen,
23
I.1 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu
insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
24
Vorrichtungen zur Herstellung von Lösungen für medizinischen Gebrauch aus einer Flüssigkeit und
wenigstens einem pulverförmigen oder kristallisierte Salz in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in
den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu
besitzen, welche jeweils die folgenden Merkmale aufweisen:
25
- eine Hauptleitung mit einem mit einer Flüssigkeitsquelle verbundenen ersten Ende und einem zweiten
Ende zum Liefern der Lösung,
- wenigstens eine von der Hauptleitung abgezweigte Nebenleitung mit einem Vorratsbehälter, der ein
pulverförmiges oder kristallines Salz enthält und eine Einlassöffnung sowie eine Auslassöffnung aufweist,
- eine Einrichtung zum Umwälzen der Flüssigkeit in den Leitungen, die Pumpeinrichtungen umfasst,
welche stromab vom Vorratsbehälter auf der Nebenleitung angeordnet sind,
- eine Einrichtung zum Bewirken des Eintauchens des Salzes im Vorratsbehälter durch anfängliches
Schließen von Verschlussmitteln, die stromauf des Vorratsbehälters an der Nebenleitung angeordnet sind,
und durch Inbetriebsetzen der Pumpeinrichtungen und durch anschließendes Öffnen der Verschlussmittel;
(entspricht Patentanspruch 1 der EP 0 401 130 B2)
26
I.3 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu
insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
27
Vorrichtungen zur Herstellung von Lösungen für medizinischen Gebrauch aus einer Flüssigkeit und
wenigstens einem pulverförmigen oder kristallisierte Salz zur Verwendung mit Vorratsbehältern, die ein
pulverförmiges oder kristallines Salz enthalten und jeweils eine Einlassöffnung sowie eine Auslassöffnung
aufweisen, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wobei die Vorrichtungen jeweils
die folgenden Merkmale aufweisen:
28
- eine Hauptleitung mit einem mit einer Flüssigkeitsquelle verbundenen ersten Ende und einem zweiten
Ende zum Liefern der Lösung,
- wenigstens eine von der Hauptleitung abgezweigte Nebenleitung zur Verbindung mit dem Vorratsbehälter,
- eine Einrichtung zum Umwälzen einer Flüssigkeit in den Leitungen, die Pumpeinrichtungen umfasst,
welche stromab vom Vorratsbehälter auf der Nebenleitung angeordnet sind,
- eine Einrichtung zum Bewirken des Eintauchens des Salzes im Vorratsbehälter durch anfängliches
Schließen von Verschlussmitteln, die stromauf des Vorratsbehälters an der Nebenleitung angeordnet sind,
und durch Inbetriebsetzen der Pumpeinrichtungen und durch anschließendes Öffnen der Verschlussmittel;
(Vorrichtung nach Patentanspruch 1 der EP 0 401 130 B2 ohne Vorratsbehälter)
29
I.5 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu
insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
30
Vorratsbehälter, die ein pulverf6rmiges oder kristallines Salz enthalten und jeweils eine Einlassöffnung
sowie eine Auslassöffnung aufweisen zur Verwendung mit einer in Ziffer I.1 bezeichneten Vorrichtung in
der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern;
31
(Vorratsbehälter nach Patentansprüchen 1 der EP 0401 130 B2)
32
I.6 der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die in Ziffern I.1 bis I.5
bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juni 1995 begangen haben, und zwar unter Angabe
33
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, aufgeschlüsselt
nach Zeiträumen;
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen
und Anschriften der Angebotsempfänger;
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum
und Verbreitungsgebiet;
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten
Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei
denn, diese können ausnahmsweise den zu I.1 bis I.5 genannten Vorrichtungen bzw. Vorratsbehältern
unmittelbar zugeordnet werden;
34
II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind,
35
a) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffern I.1 bis I.5 bezeichneten, seit dem 1.
Januar 2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
b) der Klägerin die durch die in Ziffern I.1 bis 1.5 bezeichneten, seit dem 6. Juni 1995 begangenen
Handlungen erlangte Bereichung herauszugeben;
36 Die Beklagten beantragen,
37
die Klage abzuweisen;
hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des
Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.
38 Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
39 Die Beklagte ist der Auffassung, das Klagepatent setze in Anspruch 1 zwingend voraus, dass in dem
Vorratsbehälter ein Unterdruck erzeugt werde, bevor die Flüssigkeit nach Öffnen der Verschlusseinrichtung in
den Behälter eindringe. Es müsse zumindest ein Teilvakuum geschaffen werden, damit der vom Klagepatent
erstrebte Vorteil gegenüber dem Stand der Technik, nämlich die Vermeidung von Fließwegen der Flüssigkeit in
dem Salz und die Bildung von Verkrustungen, erreicht werden könne. Bei der angegriffenen Ausführungsform
herrsche aber im Vorratsbehälter – ebenso wie im Stand der Technik nach Anlagen K 4 / K 4a – während des
"Priming" stets Atmosphärendruck.
40 Ferner fehle es an Pumpeinrichtung, die stromab vom Vorratsbehälter auf der Nebenleitung angeordnet ist und
zum Bewirken des Eintauchens des Salzes im Vorratsbehälter – im Zusammenspiel mit den stromaufwärts
vom Vorratsbehälter angeordneten Verschlusseinrichtungen – in Betrieb gesetzt werde. Das Absaugen der Luft
während des "Primings" geschehe über die Hauptpumpe 29, nicht über die Pumpe 25. Die Hauptpumpe 29
befinde sich aber nicht in der Nebenleitung, sondern in der Hauptleitung. Und die Pumpe 29 sei während des
gesamten "Priming" nicht in Betrieb; sie diene allein der Förderung der Lösung, nachdem der Vorratsbehälter
mit Flüssigkeit gefüllt sei.
41 Die Lösung der angegriffenen Ausführungsform halte sich insofern im Rahmen des Standes der Technik nach
Anlagen K 4 / K 4a, als sie für das "Priming" eine eigene Leitung und eine eigene Pumpe benötige. Anders als
bei der patentgemäßen Lösung würden das anfängliche Absaugen der Luft und das spätere Fördern der Lösung
nicht mit ein und derselben Pumpe bewirkt. Die Klägerin habe aber im Einspruchsverfahren die von Anspruch 1
geschützte Lehre dadurch vom Stand der Technik nach Anlagen K 4 / K 4a abgegrenzt, dass bei der Lösung
des Klagepatents eine Leitung 66g und Dreiwegeventile 32g
1
und 32g
2
nicht erforderlich seien und dass
wegen des Fehlens eines Ventils vor dem Vorratsbehälter (dort ist nach Fig. 8 der Anlage K 4 nur eine Drossel
vorhanden) zur Erzeugung des notwendigen Unterdrucks ein wesentlich stärkere Pumpenleistung erforderlich
sei als im Dauerbetrieb (d.h. zur Förderung der Lösung). Dem sei die Einspruchsabteilung in der Begründung
der Beschwerdeentscheidung gefolgt. Damit sei aber die Klägerin im Verletzungsverfahren gehindert, eine
Vorrichtung anzugreifen, die gerade diese von der patentgemäßen Lösung zu vermeidenden Nachteile
aufweise.
42 Schließlich sei Anspruch 1 nicht rechtsbeständig, wie sich aus der als Anlage B 5 vorgelegten
Nichtigkeitsklage ergebe.
43 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2006 Bezug genommen. In dieser
mündlichen Verhandlung wurde mit Zustimmung der Parteien die Verhandlung über den selbständigen
Anspruch 2 des Klagepatents abgetrennt und der Rechtsstreit insoweit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung
über die Nichtigkeitsklage ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
44 Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Anspruchs 1
des Klagepatents keinen Gebrauch.
45 1. Das Klagepatent geht nach seiner Beschreibung vom Stand der Technik nach Anlage K 4 / K 4a aus. Dort ist
eine Vorrichtung zur Herstellung einer Lösung aus Wasser und wenigstens einem pulverförmigen Salz offenbart,
die insbesondere aufweist:
46
- eine Hauptleitung (unten 1) mit einem mit einer Flüssigkeitsquelle 2 verbundenen ersten Ende und einem
zweiten Ende zum Liefern der Lösung,
- wenigstens eine von der Hauptleitung abgezweigte Nebenleitung 8g mit mindestens einem Vorratsbehälter
10g, der ein pulverförmiges Salz enthält und eine Einlassöffnung sowie eine Auslassöffnung aufweist, die
vorzugsweise an einer hoch bzw. tief gelegenen Stelle des Vorratsbehälters angeordnet sind,
- eine Einrichtung zum Umwälzen der Flüssigkeit in den Leitungen.
47 Die Anordnung der Leitungen steht unter atmosphärischem Druck.
48 Fig. 8 zeigt ein Ausführungsbeispiel einer Vorrichtung nach Anlage K 4:
49 Bei dieser Vorrichtung ist eine sog. "Anlassleitung 66 g" vorgesehen, die über die Dreiwegeventile 32g
1
und 32g
2
von den Nebenleitungen abzweigt und zur Hauptleitung 1 führt. Beim Anfahren des Systems werden die Ventile
32g
1
und 32g
2
in Richtung auf die Anlassleitung 66 geöffnet, so dass die Pumpe 5g, 6g die Luft aus der
Nebenleitung absaugt. Dabei sorgen die Einschnürungen (Drosseln) 55 und 56 dafür, dass in den Vorratsbehältern
ein Unterdruck entsteht (vgl. Anlage K 4a, S. 17/18). Wenn festgestellt wird, dass die Vorratsbehälter mit Wasser
gefüllt sind, werden die Dreiwegeventile 32g
1
und 32g
2
umgestellt, so dass die entstehende Lösung über die
Pumpen 13g, 27g gefördert werden kann.
50 Als Problem dieser Vorrichtung schildert das Klagepatent, dass das somit im Vorratsbehälter von oben nach unten
zirkulierende Wasser die Neigung habe, im pulverförmigen Salz bevorzugte Wege zu erzeugen, und dass das
feucht werdende Salz örtliche, verhältnismäßig schwer aufzulösende Agglomerate bilde. Beide Erscheinungen
stünden der gleichmäßigen und vollständigen Auflösung des Salzes entgegen, die für einen guten Ablauf einer in
Leitungen erfolgenden Herstellung von Lösungen erforderlich sei.
51 Das Klagepatent stellt sich danach die Aufgabe, eine Vorrichtung zur Herstellung von Lösungen für medizinischen
Gebrauch zu schaffen, die die Herstellung einer gleichmäßigen Lösung des Salzes unabhängig von dessen
Löslichkeitskoeffizient gestattet.
52 2. Zur Lösung schlägt das Klagepatent u.a. eine Vorrichtung nach Anspruch 1 vor. Die Merkmale des Anspruchs 1
lassen sich unter Berücksichtigung der maßgeblichen französischen Anspruchsfassung wie folgt darstellen:
53 Vorrichtung zur Herstellung einer Lösung für medizinischen Gebrauch aus einer Flüssigkeit und wenigstens einem
pulverförmigen oder kristallisierten Salz, umfassend:
54 (1) eine Hauptleitung mit einem mit einer Flüssigkeitsquelle verbundenen ersten Ende und einem zweiten Ende
zum Liefern der Lösung;
55 (2) wenigstens eine von der Hauptleitung abgezweigte Nebenleitung mit einem Vorratsbehälter, der ein
pulverförmiges oder kristallisiertes Salz enthält und eine Einlassöffnung sowie eine Auslassöffnung aufweist,
56 (3) Mittel zum Umwälzen der Flüssigkeit in den Leitungen, die Pumpeinrichtungen umfassen (Anders als die
deutsche Fassung des Anspruchs 1 in der Klagepatentschrift formuliert, ist der relativische Partizipialausdruck
"comprenant des moyens de pompage…" nach dem erkennbaren Sinngehalt auf "moyens pour faire circuler…" zu
beziehen, nicht auf "les canalisations". Dies steht zwischen den Parteien zu Recht außer Streit.) , die stromab des
Vorratsbehälters auf der Nebenleitung angeordnet sind,
57 (4) Mittel zum Bewirken des Eintauchens des im Vorratsbehälter befindlichen Salzes (Sinnentstellend auch hier die
deutsche Anspruchsfassung in der Klagepatentschrift ("zum Bewirken des Eintauchens des Salzes in den
Vorratsbehälter").) , indem
58
(4.1) anfänglich Verschlussmittel, die sich auf der Nebenleitung stromaufwärts des Vorratsbehälters befinden,
geschlossen werden,
(4.2) die Pupmeinrichtungen in Betrieb gesetzt und
(4.3) anschließend die Verschlussmittel geöffnet werden
(Trotz des fehlenden Kommas nach "réservoir (13, 14)" handelt es sich bei den drei aufeinanderfolgenden
Partizipialausdrücken (en fermant … en mettant … en ouvrant …) um eine Aufzählung gleichgeordneter
Funktionsangaben. Unklar insoweit die Anspruchswiedergabe auf S. 2 von Anlage K 4a.) .
59 Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung nach Anspruch 1 zeigt Fig. 1 des Klagepatents:
60 Diese Anordnung soll es nach der Beschreibung ermöglichen, vor der anfänglichen Füllung der Leitungen die Luft
aus dem Vorratsbehälter zu entfernen, so dass dieser sich bei der anfänglichen Füllung vollständig mit Wasser
füllt und anschließend gefüllt bleibt (Anlage K 4a, S. 2). Die Vorratsbehälter sollen nach der Beschreibung (Anlage
K 4a, S. 6) gegenüber der Flüssigkeitsquelle ein gewisses Vakuumniveau erreichen, bevor die Ventile oberhalb
des Vorratsbehälters geöffnet werden, so dass die im Behälter befindlichen pulverförmigen Salze vollständig in
Flüssigkeit eingetaucht werden und dies bis zur vollständigen Auflösung bleiben.
61 Merkmale 3 und 4.2 beziehen sich auf dieselben Pumpeinrichtungen (21, 22). Die patentgemäße Lösung setzt also
voraus, dass dieselbe Pumpe, die auf der Nebenleitung angeordnet ist, beim Anfahren zunächst für die Entfernung
der Luft aus dem Vorratsbehälter sorgt (Merkmal 4.2), anschließend die Umwälzung der Flüssigkeit in den
Leitungen bewirkt. Nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer, der die Kammer folgt, wird dies
durch das erfindungsgemäße Zusammenspiel der vor den Vorratsventilen angeordneten Verschlusseinrichtungen
(Ventile) mit der Pumpeinrichtung ermöglicht und erlaubt es, gegenüber dem Stand der Technik nach Anlage K 4
auf die dort gezeigte Anlassleitung 66g und die zugehörigen Dreiwegeventile zu verzichten (Anlage K 3a, S. 5/6).
62 3. Die angegriffene Ausführungsform macht jedenfalls vom kennzeichnenden Merkmal 4, insbesondere von
Teilmerkmal 4.2, keinen Gebrauch. Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, dass bei der angegriffenen
Ausführungsform Mittel vorhanden sind, die das Eintauchen des Salzes in Flüssigkeit dadurch zu bewirken
können, dass zunächst das Ventil oberhalb des Vorratsbehälters geschlossen, die Pumpe, die später auch die
Lösung fördert, in Betrieb gesetzt und anschließend das Ventil 91 wieder geöffnet wird.
63 Die angegriffene Ausführungsform weist – soweit hier relevant – folgende Anordnung auf:
64 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Rahmen des "automatischen Programms", das nach dem
Anschließen des "bibag" abläuft und die Luft aus diesem entfernt (vgl. Anlage K 9, letzte Seite), nicht die Pumpe
25, sondern die Hauptpumpe 29 den "bibag" entleert. Die Hauptpumpe 29 saugt über die zusätzliche Leitung, in der
sich das Ventil 130 befindet, für 18 Sekunden Luft aus dem "bibag". Erst nachdem dieses Absaugen beendet ist,
wird das Ventil 130 durchgängig geschlossen, das Ventil 91 geöffnet und die Pumpe 25 in Betrieb gesetzt, die
dann Flüssigkeit (Lösung) fördert (vgl. Anlage B 3). Dieser Programmablauf schließt somit aus, dass dieselbe
Pumpe für das Absaugen von Luft und für die Förderung der Lösung sorgt, wie dies nach den Merkmalen 3 und 4.2
angestrebt wird.
65 4. Hiergegen macht die Klägerin geltend, bei den Teilmerkmalen 4.1 bis 4.3 handele es sich um reine
Zweckangaben, die den Schutzbereich des Klagepatents nicht auf einschränkten. Die Beklagten hätten nicht
bestritten, dass sich die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen körperlichen Vorrichtungen – Ventil
91 und Pumpe 25 – dazu eigneten, die in den Teilmerkmalen angegebenen Wirkungen herbeizuführen.
66 Allerdings trifft es zu, dass beim Vorrichtungsanspruch grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob die vom Patent
angestrebten Wirkungen oder Zwecke bei der angegriffenen Ausführungsform erreicht werden. Sind solche
Funktions-, Wirkungs- oder Zweckangaben aber Merkmale des Patentanspruchs, kommt ihnen insofern
schutzbeschränkende Bedeutung zu, als sie der Beschreibung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der
geschützten Vorrichtung dienen (vgl. Scharen in: Benkard, EPÜ, Art. 69 Rn. 46 f.; Meier-Beck, GRUR 2003, 905,
906 f.); diese muss geeignet sein, die im Anspruch genannten Wirkungen, Zwecke oder Funktionen zu
verwirklichen. Der streitgegenständliche Anspruch 1 des Klagepatents macht dies besonders deutlich: Das
kennzeichnende Merkmal 4 besteht ausschließlich aus funktionsbestimmenden Angaben; die "Mittel zum
Bewirken des Eintauchens des Salzes" werden nicht durch räumlich-körperliche Bauelemente (Ventile, Pumpen),
sondern dadurch beschrieben, dass sie den in den Merkmalen 4.1 bis 4.3 beschriebenen Funktionsablauf
ermöglichen sollen. Wie die "Mittel", die diese Funktionen ermöglichen sollen, ausgestaltet werden müssen, wird
dem angesprochenen Fachmann überlassen; dass sie aber in einer patentgemäßen Vorrichtung diese Eignung
aufweisen, wird vom Anspruch verlangt. Hätten Funktionsangaben im Patentanspruch keinerlei
schutzbeschränkende Bedeutung – wie dies häufig abstrakt formuliert wird (so etwa BGH GRUR 1991, 436, 441 f.
– Befestigungsvorrichtung II ; BGH GRUR 1979, 149 – Schießbolzen [Leitsatz; differenzierend S. 151]) –, dann
würde dies für den gesamten kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Klagepatents gelten. Diese Konsequenz
würde wohl auch von der zitierten herrschenden Meinung nicht gezogen; das Beispiel des Anspruchs 1 des
Klagepatents zeigt aber, dass die genannte, oft wiederholte Formulierung zu weitreichend ist.
67 Die Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Erfüllung der im Anspruch beschriebenen Wirkungen oder
Funktionen ist vom Verletzungskläger darzutun. Dabei gelten die allgemeinen Regeln über die primäre und
sekundäre Darlegungslast. Auf der Ebene der primären Darlegungslast mag es für die Schlüssigkeit der Klage
ausreichen, wenn der Verletzungskläger (plausibel) behauptet, bestimmte bei der angegriffenen Ausführungsform
vorhandene Vorrichtungen seien abstrakt geeignet, die im Patentanspruch genannten Funktionen oder Wirkungen
zu erreichen.
68 Hat der Verletzungsbeklagte aber – wie hier – substantiiert dargetan, dass bei der angegriffenen Ausführungsform
durch zusätzliche Mittel verhindert wird, dass die angestrebten Funktionen oder Wirkungen erreicht werden, kann
sich der Verletzungskläger im Rahmen der sekundären Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht mehr mit dem
Hinweis auf die abstrakte Eignung der vorhandenen räumlich-körperlichen Mittel zur Zweckerreichung begnügen; er
muss vielmehr dartun, dass und weshalb sie sich auch bei der konkreten angegriffenen Ausführungsform trotz der
genannten "Verhinderungsmaßnahmen" zur Erreichung des anspruchsgemäßen Zwecks eignen. So kann er
beispielsweise darlegen, dass die vom Beklagten vorgetragene Funktionsweise nur eine von mehreren
Möglichkeiten ist und dass es weitere (ggf. auch vom Beklagten nicht bedachte) Benutzungsarten der
angegriffenen Ausführungsform gibt, bei denen die anspruchsgemäßen Wirkungen jedenfalls teilweise erzielt
werden, so dass zumindest von einer verschlechterten Ausführung der anspruchsgemäßen Lehre auszugehen ist.
Dagegen wird eine Benutzung der geschützten Lehre im genannten Fall regelmäßig nicht vorliegen, wenn die
anspruchsgemäßen Funktionen erst durch eine Umkonstruktion, eine Umprogrammierung der Steuerung oder
andere Eingriffe in den Gesamtaufbau der angegriffenen Ausführungsform erfüllt werden können.
69 Vorliegend hat die Klägerin derartige Alternativen zu der von den Beklagten vorgetragenen Funktionsweise der
angegriffenen Ausführungsform nicht vorgetragen. Damit ist davon auszugehen, dass der von den Beklagten
vorgetragene automatisierte Funktionsablauf zur Entleerung des "bibag" der einzige ist, der von der angegriffenen
Ausführungsform ohne Umkonstruktion oder Umprogrammierung ausgeführt werden kann. Bei diesem Ablauf wird,
wie oben dargestellt, der von den Merkmalen 4.1 bis 4.3 angestrebte Funktionsablauf verhindert, denn die
Entleerung wird nicht von der Pumpe 25, die nach dem Fluten des Beutels die Lösungsflüssigkeit fördert, sondern
von der Hauptpumpe 29 bewirkt, die über die Zusatzleitung, in der das Ventil 130 sitzt, den "bibag" mit Unterdruck
beaufschlagt.
70 5. Damit fehlt es an einer wortsinngemäßen Verletzung des Anspruchs 1. Dessen Schutzbereich kann aber auch
nicht unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz auf die angegriffene Ausführungsform erstreckt werden. Eine
Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln setzt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl.
BGH GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I ; GRUR 2006, 313, 315 f. – Stapeltrockner ) voraus, dass (1) die vom
Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar
abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst, dass (2) seine Fachkenntnis den Fachmann befähigen,
die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden und dass (3) darüber hinaus die Erwägungen, die der
Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre
orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der
gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.
71 Aus den soeben genannten Erwägungen ist die von der angegriffenen Ausführungsform gewählte Lösung
derjenigen, die im Patentanspruch Ausdruck gefunden hat, schon nicht gleichwirkend. Denn der mit den
kennzeichnenden Merkmalen angestrebte Funktionsablauf, bei dem ein und dieselbe Pumpe zunächst das
Entleeren des Vorratsbehälters und dann das Fördern der Lösung bewirkt, wird gerade vermieden.
72 Jedenfalls aber fehlt es an der erforderlichen Gleichwertigkeit der geschützten und der verwirklichten Lösung. Nach
der Entscheidung der fachkundig besetzten Technischen Beschwerdekammer hebt gerade der in den Merkmalen
4.1 bis 4.3 beschriebene Funktionsablauf und die damit ermöglichte Vermeidung einer Zusatzleitung den
Gegenstand des Anspruchs 1 vom Stand der Technik nach Anlage K 4 ab (Anlage K 3a, Rz. 3.2, 4.2). Eine
Lösung, bei der die Entleerung durch die in der Hauptleitung befindliche Pumpe geschieht und die eine zur
Hauptleitung zurückführende Zusatzleitung erfordert, hält sich damit in wesentlichen Punkten im Rahmen des
Standes der Technik, der durch die Erfindung verbessert werden sollte. Der bloße Umstand, dass die angegriffene
Ausführungsform – wie in Merkmal 4.1 vorgesehen und im Gegensatz zum Stand der Technik nach Fig. 8 der
Anlage K 4 – vor dem Vorratsbehälter ein Ventil (91) und nicht nur eine Drossel aufweist, genügt zur Bejahung der
Gleichwertigkeit nicht. Als wesentliche Vorteile hat die Technische Beschwerdekammer hervorgehoben, dass die
patentgemäße Ausführung es erlaubt, die Zusatzleitung und auf das Dreiwegeventil an der Abzweigung von der
Nebenleitung zu einzusparen; auf diesen wesentlichen Vorteil verzichtet die angegriffene Ausführungsform.
73 6. Da somit die angegriffene Ausführungsform als Ganzes von der Lehre des Anspruchs 1 keinen Gebrauch
macht, fehlt es auch an einer mittelbaren Patentverletzung durch den separaten Vertrieb der Dialysemaschinen
oder der "bibag"-Beutel. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.