Urteil des LG Mannheim vom 23.04.2010

LG Mannheim (kläger, gemeinsame einrichtung, satzung, arbeitgeber, klausel, allgemeine geschäftsbedingungen, verhältnis zwischen, verhältnis, bund, höhe)

LG Mannheim Urteil vom 23.4.2010, 7 O 346/08 Kart
Leitsätze
Die Sanierungsgeldregelung des § 65 Abs. 3 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
(VBL) in der seit der Satzungsänderung der Beklagten vom 19.09.2002 bis zum Inkrafttreten der 7. und 9.
Satzungsänderung mit Wirkung vom 01.01.2006 geltenden Fassung ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Die Klausel bestimmt das zu zahlende Sanierungsgeld nicht in einer Weise, die das individuelle Verhältnis von
finanziellem Beitrag zum Versicherungssystem und Auszahlungen in Form von Renten hinreichend berücksichtigt
und führt daher zu einer das Äquivalenzprinzip verletzenden Quersubventionierung anderer Beteiligter.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2005
Sanierungsgelder in der Weise zu erheben, dass deren Höhe nach dem für das jeweilige Kalenderjahr ermittelten
Verhältnis der neunfachen Rentensumme aller Renten zuzüglich der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zu der
auf den Beteiligten bzw. eine Beteiligtengruppe entfallenden neunfachen Rentensumme zuzüglich der
Entgeltsumme aller Pflichtversicherten des Beteiligten bzw. der Beteiligtengruppe bestimmt wird.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, denjenigen Betrag zurückzuzahlen, um den der Kläger
entlastet wäre bei Anwendung des § 65 VBLS in der Fassung der zum 01.01.2006 in Kraft getretenen 7. und 9.
Satzungsänderung sowie der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen auch schon auf den davor liegenden
Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2005 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz ab 23.08.2007.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer in der Satzung der Beklagten enthaltenen Regelung, nach der
der Kläger im Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2005 an die Beklagte zur Deckung des zusätzlichen
Finanzbedarfs, der aus der Schließung des bis dahin bestehenden Gesamtversorgungssystems und eines
Wechsels zu einem Punktemodell entstanden ist, ein sogenanntes Sanierungsgeld zahlen musste. Der Kläger
wendet sich gegen die Art und Weise, wie die Beklagte den Sanierungsgeldbetrag im vorbezeichneten Zeitraum
bestimmt hat. Um eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen, haben der Kläger und die Beklagte eine
Musterprozessvereinbarung abgeschlossen, an der mehr als 1.900 weitere Versicherungsnehmer der Beklagten
beteiligt sind.
2
§ 65 Abs. 3 der Satzung der Beklagten, nach dem die Beklagte die zu zahlenden Sanierungsgelder im
Zeitraum 01.01.2002 bis 31.12.2005 berechnete (im Folgenden: § 65 Abs. 3 VBLS a.F.), hat folgenden
Wortlaut:
3
§ 65 Sanierungsgeld
(3) Die auf die Beteiligten entfallenden Sanierungsgelder für das jeweilige Kalenderjahr werden jährlich bis
30. November des Folgejahres nach dem für das jeweilige Kalenderjahr ermittelten Verhältnis der
neunfachen Rentensumme aller Renten zuzüglich der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zu der auf
den Beteiligten entfallenden neunfachen Rentensumme zuzüglich der Entgeltsumme seiner
Pflichtversicherten betragsmäßig festgesetzt.
4
Hinsichtlich des Wortlauts der übrigen Satzungsbestimmungen wird auf die Satzung in der für den jeweils
relevanten Zeitraum gültigen Fassung verwiesen.
5
Der Kläger, eine Gebietskörperschaft öffentlichen Rechts, gewährt seinen tariflich gebundenen Beschäftigten
nach Maßgabe der ihn bindenden tarifvertraglichen Regelungen, seinen übrigen Beschäftigten auf der
Grundlage einer Verweisung auf die jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen im Individualarbeitsvertrag eine
Zusatzversorgung durch (Gruppen-)Versicherung bei der Beklagten. Der Kläger hat mit der Beklagten am
01.04.1956 zu diesem Zweck eine sogenannte Beteiligungsvereinbarung abgeschlossen. Nach § 2 der
Beteiligungsvereinbarung gelten für alle durch die Vereinbarung begründeten Rechte und Pflichten die
Vorschriften der Satzung der Beklagten und ihrer Ausführungsbestimmungen in ihrer jeweiligen Fassung.
6
Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen
Rechts. Sie zahlt den Beschäftigten der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes eine
Zusatzrente, mit der die Rente aus der gesetzlichen Rentenversorgung aufgestockt wird. Rechtsträger der
Beklagten sind der Bund und die Länder mit Ausnahme des Saarlandes und der Freien und Hansestadt
Hamburg. Organe der Beklagten sind der Vorstand und der Verwaltungsrat (§ 4 VBLS). Der Vorstand besteht
aus dem Vorsitzenden und sechzehn weiteren Mitgliedern (§ 5 Abs. 1 VBLS), wobei der Vorstandsvorsitzende
und zwei weitere Vorstandsmitglieder hauptamtlich tätig sind (§ 5 Abs. 2 S.1 VBLS) und diese die laufenden
Geschäfte der Beklagten führen (§ 7 Abs. 1 S. 2 VBLS). Die hauptamtlichen Vorstandsmitglieder und sechs
weitere Mitglieder werden vom Bundesministerium der Finanzen (im Folgenden: BMF), das zugleich
Aufsichtsbehörde der Beklagten ist (§ 3 VBLS), im Einvernehmen mit der Mehrzahl der an der Beklagten
beteiligten Länder ernannt (§ 6 Abs. 1 VBLS). Die übrigen acht Vorstandsmitglieder ernennt der Verwaltungsrat
nach dem Vorschlag der Gewerkschaften aus dem Kreis der Versicherten der Beklagten.
7
Der Verwaltungsrat der Beklagten besteht aus 38 Mitgliedern (§ 10 VBLS), wobei die Hälfte der Mitglieder auf
Vorschlag der Träger der Beklagten vom BMF berufen werden, die andere Hälfte vom BMF auf Vorschlag der
Gewerkschaften (§ 11 Abs. 1 VBLS). Jede der beiden Seiten bestimmt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden,
wobei sich beide Seiten jährlich im Vorsitz abwechseln (§ 11 Abs. 3 VBLS).
8
Satzungsänderungen können vom Verwaltungsrat nach Anhörung des Vorstandes beschlossen und
Ausführungsbestimmungen zur Satzung erlassen werden, wobei diese der Genehmigung des BMF bedürfen,
das seine Entscheidung im Einvernehmen mit mindestens zwei Dritteln Mehrheit von Bund und an der Anstalt
beteiligten Ländern trifft, wenn die Änderungen und Bestimmungen nicht ein Verhandlungsergebnis nach § 4
Abs. 2 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von
Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) wiedergeben (§ 14 Abs. 1 VBLS).
9
Im Abrechnungsverband West, dem der Kläger angehört, erfolgt die Finanzierung der von der Beklagten
geleisteten Rentenzahlungen über ein modifiziertes Abschnittsdeckungsverfahren als Sonderform des
Umlageverfahrens. Der Umlagesatz ist so kalkuliert, dass er für einen Zeitraum von 5 Jahren mit einer
Liquiditätsreserve von 6 Monaten zusammen mit den künftigen Zinserträgen am Ende des Deckungsabschnitts
das erforderliche Deckungskapital gewährleistet. Die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer der Beklagten
aufzubringende Umlage wird nach einem bestimmen Prozentsatz der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten
bemessen, wobei neben den Arbeitgebern auch die Arbeitnehmer an den Umlagen beteiligt sind.
10 Mit Ablauf des 31.12.2001 hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem von einer an der Beamtenversorgung
orientierten Gesamtversorgung auf ein Betriebsrentensystem umgestellt, das auf einem Punktemodell beruht.
Die Umstellung erfolgte aufgrund der Einigung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im
Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag
Altersversorgung – ATV) vom 01.03.2002, wobei die Verhandlungsergebnisse bereits zuvor im
Altersvorsorgeplan 2001 vom 13.11.2001 (AVP 2001) festgehalten worden waren, dessen Ziffer 4 lautet:
11
4. Finanzierung
12
4.1 Jede Kasse regelt ihre Finanzierung selbst.
13
Zusätzlicher Finanzbedarf über die tatsächliche Umlage des Jahres 2001 hinaus (Stichtag 01.11.2001)
– mindestens jedoch ab Umlagesatz von 4 v.H. – wird durch steuerfreie, pauschale Sanierungsgelder
gedeckt.
14
Im Tarifgebiet West verbleibt es bei den von den Arbeitnehmern bei Zusatzversorgungskassen
geleisteten Beiträgen.
15
4.2 Für die VBL-West gilt:
16
Ab 2002 betragen die Belastungen der Arbeitgeber 8,45 v.H. Dies teilt sich auf in eine steuerpflichtige,
mit 180DM/Monat pauschal versteuerte Umlage von 6,45 v.H. und steuerfreie pauschale
Sanierungsgelder von 2,0 v.H., die zur Deckung eines Fehlbetrages im Zeitpunkt der Schließung
dienen sollen.
17
4.3 Die Verteilung der Sanierungsgelder auf Arbeitgeberseite bestimmt sich nach dem Verhältnis der
Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zuzüglichen der neunfachen Rentensumme aller Renten zu den
entsprechenden Werten, die einem Arbeitgeberverband bzw. bei verbandsfreien, dem einzelnen
Arbeitgeber zuzurechnen sind; ist ein verbandsfreier Arbeitgeber einer Gebietskörperschaft mittelbar
oder haushaltsmäßig im Wesentlichen zuzuordnen, wird dieser bei der Gebietskörperschaft
einbezogen.
18 Die hiermit korrespondierenden Regelungen im Tarifvertrag Altersvorsorge ATV lauten:
19
§ 17 Sanierungsgelder
20
(1) Zur Deckung des infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom
Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell zusätzlichen Finanzbedarfs, der über die am 1.
November 2001 jeweils geltende Umlage hinausgeht, erhebt die Zusatzversorgungseinrichtung vom
Arbeitgeber Sanierungsgelder. Diese Sanierungsgelder sind kein steuerpflichtiger Arbeitslohn.
21
(2) Sanierungsgelder kommen nicht in Betracht, wenn der am 1. November 2001 jeweils gültige
Umlagesatz weniger als vier v.H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts betragen hat.
22
[…]
23
§ 37 Sonderregelungen für die VBL
24
[…]
25
(3) Die Sanierungsgelder nach § 17 werden im Abrechnungsverband West nach dem Verhältnis der
Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zuzüglich der neunfachen Rentensumme aller Renten zu den
entsprechenden Werten, die einem Arbeitgeberverband bzw. bei verbandsfreien, dem einzelnen
Arbeitgeber zurechenbar sind, erhoben. Die Satzung regelt die Grundsätze der Zuordnung von
Beteiligten zu den jeweiligen Arbeitgebergruppen entsprechend dem Altersvorsorgeplan 2001 und dem
Beschluss des Verwaltungsrates vom 01.02.2002.
26 Während die Sanierungsgelder von der Beklagten zunächst auf der Grundlage eines Beschlusses des
Verwaltungsrates der Beklagten vom 01.02.2002 erhoben wurden, beruht § 65 Abs. 3 VBLS a.F. auf einer
Satzungsänderung der Beklagten vom 19.09.2002, die am 03.01.2003 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde.
Seither sind von den Arbeitgebern neben den Umlagen auch Sanierungsgelder zu entrichten.
27 Schließlich wurde die vorliegend beanstandete Fassung des § 65 VBLS mit Wirkung vom 01.01.2006 durch die
7. und 9. Satzungsänderung reformiert, indem in § 65 VBLS ein Absatz 5a eingefügt wurde, der folgenden
Wortlaut hat:
28
Die Sanierungsgelder der Beteiligten bzw. Arbeitgebergruppen nach den Absätzen 1 bis 5 erhöhen oder
vermindern sich entsprechend dem Verhältnis der Aufwendungen zu den Leistungen des jeweiligen
Beteiligten bzw. der jeweiligen Arbeitgebergruppe; das Weitere regeln die Ausführungsbestimmungen.
29 Hinsichtlich der zugehörigen Ausführungsbestimmungen wird auf Anlage K 11 verwiesen.
30 Während der Kläger auf der Grundlage der beanstandeten Fassung des § 65 VBLS für das Jahr 2002 EUR
792.934,48,--, für das Jahr 2003 EUR 828.006,76,--, für das Jahr 2004 EUR 864.419,09 und für das Jahr 2005
EUR 876.825,74,-- an Sanierungsgeldern an die Beklagte zahlte, muss er seit der Satzungsänderung mit
Wirkung vom 01.01.2006 keine Sanierungsgelder mehr entrichten, da nach dem entsprechend der Neuregelung
vorzunehmenden Abgleich seines individuellen Ist-Deckungsgrades mit dem Solldeckungsgrad keine
Zahlungspflicht verbleibt. Der Deckungsgrad bestimmt sich aus einem Vergleich zwischen den einem
Beteiligten bzw. einer Beteiligtengruppe zuzurechnenden Einnahmen aus Umlagen und Sanierungsgeld mit den
zuzurechnenden Ausgaben für Rentenleistungen (vgl. Abs. 1 S. 2 und Abs. 1 S. 3 der
Ausführungsbestimmungen zu § 65 Abs. 5 a VBLS n.F.).
31 Eine Ursache der Finanzierungslücke, die durch die Erhebung des Sanierungsgeldes geschlossen werden soll,
ist – neben weiteren Faktoren – der erhebliche Personalabbau des Bundes insbesondere im Bereich der
Bundeswehrverwaltung sowie des Ausstiegs der ehemals in Bundeshand befindlichen Lufthansa aus der
Zusatzversorgung bei der Beklagten. Hingegen war der Personalabbau bei den kommunalen Arbeitgebern nur
gering, da das Personal lediglich auf in privater Rechtsform geführte kommunale Einrichtungen verlagert wurde,
die auch Beteiligte der Beklagten sind.
32 Der Kläger trägt vor,
33 die Beklagte habe über Jahre den Bund als Anstaltsträger und Aufsichtsbehörde der Beklagten begünstigt. Die
Erhebung der Sanierungsgelder für die Jahre 2002 – 2005 führe zu einer ungerechtfertigten
Quersubventionierung des Bundes im Umfang von mehr als EUR 300 Millionen p.a. Die Umlagefinanzierung
setze einen zumindest im Wesentlichen konstanten Pflichtversichertenbestand voraus. Der massive
Personalabbau des Bundes führe zu einer Verletzung des auch für das vorliegenden
Gruppenversicherungsverhältnis geltenden Äquivalenzprinzips und des Gleichbehandlungsgebots. Der Bund
bezahle als Konsequenz wesentlich weniger an Umlage an die Beklagte als diese für die Erbringung von
Versicherungsleistungen für dessen Angestellte benötige. Diese Tatsache hätte bei der Bemessung des
Sanierungsgeldes in wesentlich stärkerem Maß berücksichtigt werden müssen, als durch den Umstand, dass
nach § 65 Abs. 3 VBLS a.F. die Rentensumme aller Renten mit dem Faktor neun in den Berechnungsschlüssel
aufgenommen wurde. Diese ihn begünstigende Regelung habe der Bund aufgrund seiner weit überwiegenden
Verhandlungsmacht und insbesondere aufgrund seiner Einflussmöglichkeiten auf die Beklagte in Verfolgung
egoistischer Eigeninteressen rücksichtslos durchgesetzt. Dem Bund sei es zudem darum gegangen, sein aus
der Lohnsteuer- und Sozialabgabenpflichtigkeit der Umlagebeträge resultierendes Steueraufkommen zu
konservieren. Die Abgrenzung zwischen steuerpflichtiger Umlage und steuerfreiem Sanierungsgeld sei
sachwidrig.
34 Die im AVP 2001 und im ATV niedergelegten Bestimmungen, durch die das Sanierungsgeld zwischen den
Tarifvertragsparteien vereinbart wurde, entfalteten keine Bindungswirkung für das privatrechtliche
Versicherungsverhältnis zwischen den Beteiligten und der Beklagten. Dennoch habe die Beklagte die
Regelungen nahezu wortlautidentisch in § 65 VBLS übernommen und in keiner Weise von dem ihr zustehenden
Gestaltungsermessen Gebrauch gemacht. Dieser Ermessensnichtgebrauch beruhe wiederum auf der
Einflussnahme des Bundes als Aufsichtsorgan und maßgeblichem Träger der Beklagten. Zudem stünde den
Tarifvertragsparteien ohnehin keine Befugnis zu, im Tarifvertrag Regelungen zur Verteilung der
Finanzierungslasten im Binnenverhältnis der bei der Beklagten Beteiligten zu treffen. Dies sei nicht von der
sich nach Art. 9 Abs. 3 GG, § 1 TVG gewährleisteten Tarifautonomie gedeckt. Tarifvertragliche Regelungen
könnten nur Bindungswirkung zwischen den Tarifparteien entfalten, nicht jedoch das hiervon rechtlich getrennte
versicherungsvertragliche Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Beteiligten regeln. Insbesondere
handele es sich bei der Beklagten auch nicht um eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien i.S.d.
§ 4 Abs. 2 TVG, sodass auch aus diesem Gesichtspunkt keine Regelungsbefugnis der Tarifparteien abgeleitet
werden könne.
35 Die Beklagte könne sich hinsichtlich des für das Jahr 2002 gezahlten Sanierungsgeldes bereits auf keine
Rechtsgrundlage berufen. Die Satzungsänderung sei erst mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am
03.01.2003 wirksam geworden und eine rückwirkende Satzungsänderung unzulässig.
36 Die Sanierungsgeldregelung sei insgesamt unwirksam, da es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung
handele, die den Kläger unangemessen benachteilige. Weder handele es sich um eine kontrollfreie Preis- oder
Leistungsbestimmung noch sei die Klausel deshalb einer umfassenden gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogen,
weil sie faktisch auf tarifvertragliche Regelungen zurückgehe. Insoweit sei wiederum zu berücksichtigen, dass
die Tarifvertragsparteien keine dahingehende Tarifautonomie hätten, eine solche Regelung zu erlassen. Zudem
spiegele die Klausel gerade nicht die sachgerechte Lösung eines zwischen den Tarifvertragsparteien
ausgetragenen Interessenkonflikts wider. Vielmehr hätten der Bund sowie die Länder gemeinsam mit den
Gewerkschaften als Arbeitnehmervertreter die in der Verhandlungsmacht weit unterlegene Vereinigung
kommunaler Arbeitgeber (VKA), die ihrerseits nach § 2 der VKA-Satzung keine Befugnis zur Verhandlung von
Finanzierungsregelungen habe, die das Binnenverhältnis der Beteiligten betreffen, zur Zustimmung gezwungen.
Dabei seien einseitig die Arbeitnehmerinteressen sowie die Interessen des Bundes über die Belange der
kommunalen Arbeitgeber und der Gruppe der sog. „sonstigen Beteiligten“ gestellt worden, die großteils bei den
Tarifverhandlungen gar nicht repräsentiert gewesen seien. Ebenso habe der Bund sodann seine Hausmacht bei
der Beklagten ausgenutzt, um die tarifvertraglich gefundene Lösung zu Lasten des Klägers und der übrigen
kommunalen Arbeitgeber umzusetzen. Hierbei habe der Bund ausgenutzt, dass dem Kläger insbesondere
aufgrund der Gegenwertregelung und der tarifvertraglichen Bindungen keine realistische Alternative am Markt
offenstehe und er faktisch Zwangsmitglied bei der Beklagten sei. In der Zementierung dieser Vorteile für den
Bund liege zugleich eine unangemessene Benachteiligung für den Kläger, der so im maßgeblichen Zeitraum
mit einem Großteil des von ihm zu entrichtenden Sanierungsgeldvolumens den Bund subventioniert habe.
Hierin liege eine Abweichung von dem Leitbild des Versicherungsvertrages, der durch das Äquivalenzprinzip
und das Gleichbehandlungsgebot geprägt werde.
37 Die Sanierungsgeldregelung sei darüber hinaus aufgrund Verstoßes gegen höherrangiges Recht, insbesondere
den Gleichheitssatz, und wegen eines Kartellverstoßes nichtig. Zudem komme auch eine Anpassung nach §
315 Abs. 3 BGB durch das Gericht in Betracht.
38 Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung könne an die Stelle der unwirksamen Fassung des § 65 VBLS
die seit dem 01.01.2006 geltende Fassung treten, die die individuell verursachte Rentenlast nunmehr in weit
angemessenerer Weise berücksichtige. Aus dem Umstand, dass diese Regelung als gerechter Ausgleich
gefunden worden sei, könne darauf geschlossen werden, dass die Parteien diese Regelung an die Stelle der
unwirksamen Fassung des § 65 Abs. 3 VBLS a.F. gesetzt hätten.
39 Der Rückzahlungsanspruch folge unmittelbar aus der Unwirksamkeit der Sanierungsgeldregelung in der
beanstandeten Fassung und ergebe sich zudem unter Schadensersatzgesichtspunkten. Der
Rückzahlungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil er ausweislich der Musterprozessvereinbarung gehemmt
sei.
40 Die gestellten Feststellungsanträge stünden im Einklang mit der Musterprozessvereinbarung.
41 Der Kläger b e a n t r a g t zuletzt:
42
1. Es wird festgestellt, dass
43
a) die Beklagte nicht berechtigt war, in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2005 Sanierungsgelder in der
Weise zu erheben, dass deren Höhe nach dem für das jeweilige Kalenderjahr ermittelten Verhältnis der
neunfachen Rentensumme aller Renten zuzüglich der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zu der
auf den Beteiligten bzw. eine Beteiligtengruppe entfallenden neunfachen Rentensumme zuzüglich der
Entgeltsumme aller Pflichtversicherten des Beteiligten bzw. der Beteiligtengruppe bestimmt wird;
44
b) die Beklagte zur Rückzahlung des von der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2005 an die Beklagte
gezahlten Sanierungsgeldes verpflichtet ist zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweils gültigen Basiszinssatz ab Klagezustellung
45
hilfsweise für den Fall, dass die Beklagte nicht zur vollständigen Rückzahlung des Sanierungsgeldes
verpflichtet ist: zur Rückzahlung desjenigen Betrages verpflichtet ist, um den die Klägerin entlastet
wäre bei Anwendung des § 65 VBLS in der Fassung der zum 01.01.2006 in Kraft getretenen 7. und 9.
Satzungsänderung sowie der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen auch schon auf den
davorliegenden Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2005 zzgl. Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Klagezustellung.
46
Weiter hilfsweise für den Fall, dass die Beklagte weder zur vollständigen noch zur teilweisen
Rückzahlung des Sanierungsgeldes gemäß vorstehendem Haupt- und Hilfsantrag verpflichtet ist: zur
Rückzahlung desjenigen Betrages verpflichtet ist, um den die Klägerin entlastet wäre bei Anwendung
einer anderen, in das Ermessen des Gerichts gestellten angemessenen Regelung zum Sanierungsgeld
für die Jahre 2002 bis 2005 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen
Basiszinssatz ab Klagezustellung.
47 Die Beklagte b e a n t r a g t,
48
die Klage abzuweisen.
49 Die Beklagte trägt vor,
50 der Personalabbau des Bundes sei entgegen der Darstellung des Klägers nicht der einzige Grund der
Finanzierungslücke, die durch die Erhebung des Sanierungsgeldes geschlossen werden solle. Überdies sei die
Beklagte für den Stellenabbau des Bundes nicht verantwortlich. Auch soweit das Ausscheiden der Lufthansa
aus dem Kreis der Beteiligten betroffen sei, treffe sie keine Verantwortung und kein Verschulden. Höhere
Ausgleichszahlungen hätten auf der Grundlage der damals geltenden Satzung von der Lufthansa nicht
gefordert werden können. Eine Quersubventionierung des Bundes liege jedenfalls nicht in der vom Kläger
dargelegten Höhe vor.
51 Das für das Jahr 2002 erhobene Sanierungsgeld beruhe auf einer gültigen Rechtsgrundlage, da § 65 VBLS mit
Rückwirkung habe in Kraft treten können. Zudem basiere die Erhebung auch auf dem
Verwaltungsratsbeschluss der Beklagten sowie den tarifvertraglichen Regelungen. An diese tarifvertraglichen
Regeln sei auch der Kläger als Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes Niedersachsen gebunden.
52 Die Regelung in § 65 VBLS a.F. sei auch rechtswirksam gewesen. Die Klausel sei schon deshalb einer AGB-
Kontrolle entzogen, weil es sich um eine Preisregelung handele. Die gerichtliche Kontrolle der Klausel sei stark
eingeschränkt, weil ihr tarifvertragliche Grundentscheidungen zugrunde lägen, die von den Gerichten als
ausgewogenes Ergebnis der Tarifverhandlungen hinzunehmen seien. Die Arbeitnehmervertreter hätten auf eine
Übernahme der Sanierungsgelder allein durch die Arbeitgeber gedrungen. Der Bund habe im Zuge der
Verhandlungen keine Übermacht ausgenutzt. Vielmehr verkenne der Kläger, dass die Verteilung der von den
einzelnen Arbeitgebergruppen zu zahlenden Sanierungsgeldbeiträge nicht künstlich aus den Tarifverhandlungen
herausgetrennt werden könne. Den Tarifparteien und dem Satzungsgeber obliege auch die Entscheidung, ob
und in welchem Umfang die von den Beteiligten verursachten Rentenlasten bei der Verteilung der
Finanzierungslasten herangezogen würden. Auch die Umsetzung der Ergebnisse der Tarifverhandlungen sei
durch die paritätisch besetzten Gremien der Beklagten erfolgt, sodass eine unangemessene Benachteiligung
nicht vorliege. Dem Umlagefinanzierungsverfahren seien überdies Überlegungen, ob die Einzahlungen im
Verhältnis zu den Leistungen stünden, fremd, da es sich um eine Solidargemeinschaft handele, die die
Gesamtrentenlast - um etwaige Personalschwankungen wissend - gemeinsam trage. Die Rentenlasten würden
bei der Berechnung des Sanierungsgeldes mit dem Faktor neun angemessen berücksichtigt. Der Umstand,
dass einzelne Beteiligte weniger bezahlten als sie an Leistungen erhielten, sei dem System immanent.
53 Das von der Beklagten bemühte Äquivalenzprinzip gelte für das Versorgungssystem der Beklagten ebenso
wenig wie das vorliegend nicht anwendbare Gleichbehandlungsgebot. Dieses sei mit dem von der Beklagten
praktizierten Umlageverfahren nicht vereinbar, da keine individuelle Zuordnung der Leistungen erfolge.
54 Die Sanierungsgeldregelung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht oder gegen das Kartellrecht. §
315 Abs. 3 BGB sei vorliegend nicht anwendbar.
55 Eine ergänzende Vertragsauslegung sei nicht möglich, da es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung mit
belastendem Inhalt für bestimmte Arbeitgeber (-gruppen) handele.
56 Für den geltend gemachten Schadensersatz sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, überdies fehle es an einer
Pflichtverletzung, an der Kausalität und am Verschulden der Beklagten.
57 Bei dem nunmehr erhobenen Hauptantrag 1. b) handele es sich um eine Klageerweiterung, die nicht von der
Musterprozessvereinbarung gedeckt sei. Überdies mache der Antrag den Hauptantrag Ziffer 1. a) obsolet. Der
Antrag nach Ziffer 1. b) sei zudem nicht beziffert, obwohl dem Kläger eine Bezifferung möglich sei, weshalb
Zweifel an seiner Zulässigkeit bestünden. Zinsen könnten erst ab der Klageerweiterung in der mündlichen
Verhandlung vom 04.12.2009 geltend gemacht werden.
58 Die Rückforderungsansprüche, die nunmehr geltend gemacht würden, seien verjährt, weil sie nicht von der
Hemmungswirkung der Musterprozessvereinbarung erfasst seien.
59 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
60
A.
Entscheidungszuständigkeit
61
Die Zuständigkeit der Kammer folgt jedenfalls aus § 39 S.1 ZPO, da die Beklagte vor der Kammer zur
Hauptsache mündlich verhandelt hat, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen.
62
Zwar bestehen erhebliche Zweifel an der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des
Landgerichts Karlsruhe vom 10.12.2008, der nicht darauf eingeht, dass die Parteien um die
Spezialisierung der dortigen 6. Zivilkammer auf die vorliegende Rechtsmaterie wissend ausweislich der
Musterprozessvereinbarung nach Ziffer 2, 3.1 und 3.2 ausdrücklich die Zuständigkeit des Landgerichts
Karlsruhe vereinbart haben. Zudem ist fraglich, ob überhaupt eine Verweisungsantrag des Klägers i.S.d. §
281 ZPO vorliegt, da jener allein einen – im Prinzip ausreichenden (BGHZ 5, 107) – „Hilfsantrag“ gestellt
hatte, der jedoch lediglich „für den Fall, dass die Kammer an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten
und die Klage nicht schon aus den angeführten zivilrechtlichen Gründen für begründet erachten sollte“,
gestellt wurde. Der Verweisungsbeschluss lässt jedoch insoweit jegliche Auseinandersetzung mit den
umfangreichen rechtlichen Ausführungen des Klägers vermissen, sodass – unabhängig von der Frage, ob
ein Hilfsantrag in dieser Form überhaupt den Anforderungen des § 281 ZPO genügt – aus dem Beschluss
nicht erkennbar ist, dass und warum die entsprechende Bedingung, die eine Verweisung rechtfertigen
würde, eingetreten wäre. Der pauschale Hinweis darauf, dass „die Kammer bisher die Sanierungsregelung
für rechtens gehalten hat“, scheint insoweit ungenügend.
63
B.
Zulässigkeit der Feststellungsanträge
64
Die Feststellungsanträge sind zulässig.
65
I. Zulässigkeit des Hauptantrags 1. b)
66
Der Hauptantrag Ziffer 1. b), durch den der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur
Rückzahlung des vom Kläger in den Jahren 2002 bis 2005 an die Beklagte gezahlten Sanierungsgeldes
zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Klagezustellung
verpflichtet ist, ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
67
Hiermit begehrt der Kläger die Klärung, ob zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis im Sinne einer
Beziehung zwischen den Parteien, aus der subjektive Rechte entspringen können (Zöller/Greger, ZPO,
28. Aufl. 2010, § 256 Rn. 3), besteht, wobei ausreichend ist, dass der Kläger vorliegend aus dem den
Zeitraum 01.01.2002 – 31.12.2005 betreffenden Rechtsverhältnis gegenwärtig noch Rechtsfolgen ableitet
(BGHZ 27, 190, 196).
68
Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Eigenschaft der Beklagten als
rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts ausreichende Gewähr dafür bietet, auch ohne
vollstreckbaren Leistungsbefehl die Forderung des Klägers auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin
zu erfüllen (BGH NJW 2001, 445, 447 f.). Diese - allgemeine - Einschätzung wird vorliegend noch dadurch
bekräftigt, dass sich die Beklagte ausweislich Ziffer 8.1 der Musterprozessvereinbarung zur Befolgung
eines Feststellungsurteils in gleicher Weise wie bei Erlass eines Leistungsurteils verpflichtet hat (vgl.
BGH NJW 1995, 2221, 2222).
69
Unerheblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten hingegen, dass der Kläger den
Rückzahlungsanspruch nicht beziffert hat, obwohl ihm dies möglich wäre. Da die vom Kläger geleisteten
Sanierungsgeldbeträge der Höhe nach außer Streit stehen und aus den Mitteilungen des Beklagten
ersichtlich sind, besteht keine Unsicherheit, über die Höhe der geltend gemachten
Rückzahlungsforderungen.
70
An der Stellung des so formulierten Feststellungsantrags war der Kläger auch nicht durch die
Musterprozessvereinbarung gehindert, da diese jedenfalls keinen Klageverzicht beinhaltet. Zudem ist
auch aus ihrem Wortlaut nicht ersichtlich, dass allein der nunmehr als (erster) Hilfsantrag zum
Hauptantrag Ziffer 1. b) gestellte Antrag auf Feststellung von der Musterprozessvereinbarung gedeckt
wäre, wenn nach deren Ziffer 1 die Frage, „ob und in welchem Umfang den Mitgliedern der
Prozessgemeinschaft […] Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Sanierungsgelder zustehen“ den
Prozessgegenstand bilden soll. Hiernach ist auch der Fall umfasst, dass die Sanierungsgelder vollständig
zurückzuzahlen sind. Diese Auslegung ergibt sich auch unter Würdigung der Begleitumstände, unter
denen die Musterprozessvereinbarung geschlossen wurde. Der Beklagten war ausweislich der durch sie
gegenüber dem Kläger festgesetzten Sanierungsgelder bekannt, dass jener seit Geltung der Satzung in
der Fassung vom 01.01.2006 kein Sanierungsgeld mehr zu zahlen hatte. Demnach wusste die Beklagte,
dass auch dann, wenn die Gerichte die Geltung dieser Satzungsfassung in ergänzender
Vertragsauslegung bejahen würden, - jedenfalls bei manchen Beteiligten - eine Verpflichtung zur
vollständigen Rückzahlung des Sanierungsgeldes die Konsequenz wäre.
71
II. Zulässigkeit des Hauptantrags Ziffer 1. a)
72
Ferner ist der Hauptantrag Ziffer 1. a) nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Der Kläger begehrt insoweit im
Wege der Zwischenfeststellungsklage, die bereits gemeinsam mit dem jeweils verfolgten Hauptantrag
gestellt werden kann (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 256 Rn. 21), die Feststellung des Bestehens
eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses. Der Antrag ist bei sinngemäßer Auslegung im Lichte der
Musterprozessvereinbarung nicht lediglich auf die - unzulässige (BGHZ 68, 332) - Feststellung über eine
Vorfrage oder ein Element eines Rechtsverhältnisses oder die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage
gerichtet. Vielmehr begehrt der Kläger die Feststellung, dass durch die Aufnahme der beanstandeten
Satzungsbestimmung eine rechtliche Beziehung zwischen ihm und der Beklagten nicht begründet wurde,
die Rechtsfolgen im Sinne einer Verpflichtung zur Zahlung des Sanierungsgeldes zeitigt. Die
Vorgreiflichkeit des Bestehens oder Nichtbestehens dieses Rechtsverhältnisses ergibt sich daraus, dass
die mit dem Hauptantrag Ziffer 1. b) verfolgte Feststellung einer Rückzahlungsverpflichtung davon
abhängt, ob die Satzungsbestimmung für wirksam erachtet wird.
73
Insoweit wird die Rechtsbeziehung auch nicht bereits durch das Urteil über den auf Feststellung der
Rückzahlungsverpflichtung gerichteten Antrag erschöpfend geregelt (BGHZ 169, 153), weil die Frage, ob
die Satzungsbestimmung wirksam ist, nicht an der Rechtskraft eines Ausspruches über die
Rückzahlungsverpflichtung teilhätte.
74
C. Unwirksamkeit des § 65 Abs. 3 VBLS a.F.
75
Die Sanierungsgeldregelung des § 65 Abs. 3 VBLS in der seit der Satzungsänderung der Beklagten vom
19.09.2002 bis zum Inkrafttreten der 7. und 9. Satzungsänderung mit Wirkung vom 01.01.2006 geltenden
Fassung ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
76
Bei § 65 Abs. 3 VBLS a.F. handelt es sich um eine der gerichtlichen Kontrolle uneingeschränkt
zugängliche Allgemeine Geschäftsbedingung (I.), die den Kläger unangemessen benachteiligt (II.) und
deshalb unwirksam ist, wobei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Fassung des § 65 VBLS
an die Stelle der unwirksamen Satzungsbestimmung tritt, die § 65 VBLS aufgrund der am 01.01.2006 in
Kraft getretenen 7. und 9. Satzungsänderung hat (III.).
77
I. Kontrollfähigkeit des § 65 Abs. 3 VBLS a.F.
78
Bei den Satzungsbestimmungen der Beklagten handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen in
der Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen (BGHZ 142, 103 ff. bei 2.), wobei die Beklagte mit ihren
Versicherungsnehmern, die nach § 25 Abs. 2 S. 1 VBLS die „Beteiligten“ i.S.d. § 19 VBLS sind,
privatrechtliche Gruppenversicherungsverträge abschließt (BGH a.a.O. bei 2. a). Die Beklagte „stellt“ als
Verwenderin diese Bedingungen auch, weil sie bei Abschluss der Gruppenversicherungsverträge mit den
Arbeitgebern ausschließlich ihre Satzung zugrundelegt (BGH a.a.O.).
79
Der vorliegend vom Kläger als unwirksam beanstandete § 65 Abs. 3 VBLS a.F. unterliegt einer
uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 307 BGB. Es handelt sich weder um eine
kontrollfreie Preis- oder Leistungsbestimmung (1) noch ist die Klausel nach §§ 310 Abs. 4 S. 1 und 3, 307
Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen (2). Schließlich folgt eine Einschränkung der gerichtlichen
Inhaltskontrolle der Klausel auch nicht aus ihrem engen Zusammenhang zu tarifvertraglichen
Vereinbarungen (3.)
80
1. Bei § 65 Abs. 3 VBLS a.F. handelt es sich nicht um eine nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfreie
Preis- oder Leistungsbestimmung.
81
Zwar steht der in § 65 Abs. 3 VBLS a.F. niedergelegte Berechnungsmodus der Sanierungsgeldregelung in
Beziehung zu den von den Versicherungsnehmern als Hauptleistungspflicht zu entrichtenden
Versicherungsbeiträgen. Indes wird hierdurch nicht die frei zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung,
die mangels gesetzlicher Fixierung nicht kontrollfähig ist (BGH WM 2002, 70), festlegt, sondern die so
ausgehandelte Vergütung nachträglich zum Nachteil des Klägers modifiziert und näher ausgestaltet,
weshalb sie kontrollfähig ist (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1049, 1050 bei I. 2.; BGH VersR 2004, 319 ff.,
BGHZ 142, 103 bei [19]). Denn auch ohne diese Klausel kann ein wirksamer Vertrag angenommen
werden, dessen wesentlicher Vertragsinhalt bestimmbar ist, weshalb der enge Bereich, der nach § 307
Abs. 3 S. 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen ist, durch die Klausel verlassen wird.
82
2. Eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrollbefugnis ergibt sich auch nicht aus §§ 310 Abs. 4 S. 1 und
3, 307 Abs. 3 S. 1 BGB.
83
Zwar ist die Regelung des § 65 Abs. 3 VBLS a.F. faktisch auf § 37 Abs. 3 ATV und Nr. 4 AVP 2001 und
somit auf im Rahmen von Tarifverhandlungen ausgehandelte Bestimmungen zurückzuführen, die § 65
Abs. 3 VBLS a.F. nahezu wortlautidentisch wiederholt. Jedoch lässt sich hieraus vorliegend keine
Einschränkung der Inhaltskontrolle ableiten. Der Erlass einer Satzungsbestimmung, die das
versicherungsvertragliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten und das
Binnenverhältnis der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer der Beklagten untereinander hinsichtlich der
Verteilung der Finanzierungslast ausgestaltet, war nicht von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien
gedeckt.
84
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft der Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB auch auf die
Verwendung der Satzung bei den Gruppenversicherungsverträgen durch die Beklagte zu, die von dem
durch Tarifvertrag geregelten Grundverhältnis zu unterscheiden sind (BGHZ 174, 127 bei [30]). Hieran
ändert die Mitwirkung der Tarifvertragsparteien am Zustandekommen der Satzung und deren Änderungen
im Grundsatz nichts (BGHZ 142, 103 bei [15]). Die Mitwirkung der Tarifvertragsparteien bei den
Satzungsänderungen ist zwar insoweit in Betracht zu ziehen, als sich die Satzungsbestimmungen der
Beklagten hierdurch von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen anderer Versicherungsunternehmen
unterscheiden (BGH a.a.O. bei [17]), die Tarifvertragsparteien haben indes keine originäre Kompetenz zur
Satzungsänderung, weshalb es bei der Beurteilung der Satzung der Beklagten nicht um die Beurteilung
tarifvertraglicher Regelungen geht (BGH ebenda). Der Umstand, dass die vorliegend zu prüfende
Satzungsregelung auf tarifvertragliche Regelungen zurückgeht, kann somit zwar im Rahmen der
Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB zu berücksichtigen sein (BGHZ 174, 127 bei [32]), führt aber
nicht per se zu einer Kontrollfreiheit nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 310 Abs. 4 S. 1 und 3,
307 Abs. 3 S. 1 BGB (offen gelassen durch den BGH a.a.O.).
85
3. Der gerichtlichen Inhaltskontrolle sind freilich insoweit Grenzen gesetzt, als solche Regelungen in der
Satzung der Beklagten von einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Beklagten als Satzungsgeber
erfasst sind, die die Gerichte grundsätzlich zu respektieren haben, die eng mit den tarifvertraglichen
Vorgaben verknüpft sind, die die arbeitsrechtlich von den Arbeitgebern geschuldete Zusatzversorgung
konkretisieren und auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifpartner beruhen (BGHZ 174, 127
bei [32]).
86
a) Dieser die gerichtliche Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB beschränkende Zusammenhang besteht
jedoch – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe (vgl. Urteil vom 03.03.2009 – Az.: 12 U
81/08, S. 25) – allein, soweit das Verhältnis zwischen den versicherten Arbeitnehmern und der Beklagten
betroffen und die konkrete Regelung im vorgenannten Sinne tarifvertraglich determiniert ist. Eine
Übertragung auf das Binnenverhältnis der Beteiligten und ihres Verhältnisses zur Beklagten ist jedoch
nicht möglich. Denn die Einschränkung der gerichtlichen Inhaltskontrolle findet seine Rechtfertigung allein
darin, dass die Gerichte nicht in die nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierte
Tarifautonomie der Tarifpartner eingreifen sollen. In diesem Bereich besteht deshalb kein gerichtliches
Kontrollbedürfnis, weil das Verfahren, nach dem die Tarifvertragsparteien die tarifvertraglichen
Bestimmungen aushandeln, und insbesondere die paritätische Repräsentation der maßgeblichen
Gruppeninteressen durch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften hinreichende Gewähr bieten, dass
das im tarifpolitischen Widerstreit gefundene Ergebnis inhaltlich angemessen und daher rechtlich tragfähig
ist (Staudinger/Coester, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 305-310 BGB, UKlaG, Neubearb. 2006,
§ 310 Rn. 87).
87
Diese Gewähr ist vorliegend gerade nicht gegeben, weil die allein auf der Seite der Arbeitgeber
bestehenden, verschiedenen Gruppen, deren Interessen durch die Frage betroffen sind, wie die
finanziellen Lasten des schließungsbedingten Mehraufwandes unter den Beteiligten der Beklagten gerecht
zu verteilen sind, im Rahmen der Tarifgespräche gar nicht oder nicht ausreichend vertreten waren.
Während die sog. sonstigen Beteiligten i.S.v. § 19 Abs. 2 d) - f) VBLS, die nach dem unbestrittenen
Vortrag des Klägers gemäß der Jahresrechnung 2002 der Beklagten 21 % des Beitragsaufkommens
generierten, gar nicht an den Tarifverhandlungen beteiligt waren, wurde die Gruppe der kommunalen
Arbeitgeber, zu der der Kläger zählt, nach seinem wiederum unbestrittenen Vortrag nur insoweit vertreten,
als vier der sechzehn Landesverbände der an den Tarifverhandlungen beteiligten Vereinigung kommunaler
Arbeitgeber (VKA) Mitglieder haben, die an der Beklagten beteiligt sind und daher ein Interesse hatten, zu
der Frage der gerechten Lastenverteilung im Binnenverhältnis der an der Beklagten beteiligten
Arbeitgebergruppen Position zu beziehen.
88
b) Zudem kann der Grundsatz, dass Regelungen, die eng mit den tarifvertraglichen Vorgaben verknüpft
sind, die die arbeitsrechtlich von den Arbeitgebern geschuldete Zusatzversorgung konkretisieren und auf
einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifpartner beruhen, inhaltlich nur eingeschränkt durch die
Gerichte kontrolliert werden können, dort ohnehin keine Geltung beanspruchen, wo die konkret zu
beurteilende Bestimmung zwar faktisch durch die Tarifparteien ausgehandelt wurde, die Regelung der
jeweiligen Materie jedoch nicht von der Tarifautonomie gedeckt war (vgl. entsprechend zur
Kontrollfähigkeit „scheindeklaratorischer Klauseln“, die auf einen räumlich, fachlich und zeitlich nicht
einschlägigen Tarifvertrag verweisen Staudinger/Coester, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 305-
310 BGB, UKlaG, Neubearb. 2006, § 310 Rn. 113 und § 307 Rn. 297 und 300). So liegt der Fall hier.
Weder handelt es sich bei der Beklagten um eine gemeinsame Einrichtung i.S.v. § 4 Abs. 2 TVG noch ist
es sonst durch die nach Art. 9 Abs. 3 GG, § 1 TVG gewährleistete Tarifautonomie gedeckt, dass die
Tarifvertragsparteien das privatrechtliche Gruppenversicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der
Beklagten zu Lasten des Klägers ausgestalten, indem sie ihm eine Finanzierungslast für den
schließungsbedingten Mehraufwand in Form des Sanierungsgeldes nach dem in § 65 Abs. 3 VBLS a.F.
bestimmten Berechnungsmodus aufbürden.
89
aa) Die Verteilung der Finanzierungslast des schließungsbedingten Mehraufwandes im Binnenverhältnis
zwischen den Arbeitgebern stellt keine Regelung dar, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung
von Arbeitsverhältnissen oder betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen i.S.v. § 1 Abs. 1
TVG betrifft.
90
Gegenstand von Inhaltsnormen nach § 1 Halbsatz 2 Fall 1 TVG können nämlich nur Regelungen sein, die
den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen (Erfurter Kommentar-Franzen, 10. Aufl. 2010, § 1 TVG
Rn. 41 f.).
91
Auch handelt es sich weder um eine Betriebsnorm nach § 1 Abs. 1 Halbsatz 2 Fall 2 TVG, da hierzu nur
solche Regelungen zählen, die das Verhältnis des Arbeitgebers und der Belegschaft regeln (Erfurter
Kommentar-Franzen, a.a.O. Rn. 45), noch um eine betriebsverfassungsrechtliche Norm nach § 1 Abs.1
Halbsatz 2 Fall 3 TVG, weil hierunter nur solche Regelungen zu verstehen sind, die sich auf die
Einrichtung und Organisation der Betriebsvertretung und deren Befugnisse und Rechte beziehen (Erfurter
Kommentar-Franzen, a.a.O. Rn. 48).
92
bb) Das Binnenverhältnis der Arbeitgeber untereinander, welches durch Satzungsbestimmungen einer
Einrichtung geregelt wird, die zugleich sowohl das Verhältnis der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber
zu der Einrichtung betreffen, kann von den Tarifvertragsparteien vielmehr nur dann geregelt werden, wenn
es sich bei der Einrichtung um eine gemeinsame Einrichtung nach § 4 Abs. 2 TVG handelt (Erfurter
Kommentar-Franzen, 10. Aufl. 2010, § 4 TVG Rn. 22, 25 f.).
93
Bei der Beklagten handelt es sich um keine Einrichtung in diesem Sinne, weil die Tarifvertragsparteien
nach der Satzung keine Befugnis haben, die Beklagte zu kontrollieren oder ihr bindende Weisungen zu
erteilen (vgl. BAGE 35, 221), noch die Beklagte in hinreichendem Maße paritätisch besetzt ist (vgl. hierzu
BGH VersR 2006, 534). Dass die Beklagte Leistungen aufgrund tarifvertraglicher Verpflichtungen erbringt,
reicht für eine Einordnung als gemeinsame Einrichtung nicht aus (BAG ZTR 2004, 603). Entsprechend
betonen die Tarifvertragsparteien in Ziffer 4.1 AVP 2001 und § 15 Abs. 1 ATV selbst zutreffend die
Finanzierungsautonomie der Beklagten.
94
c) Der Umstand, dass § 65 Abs. 3 VBLS a.F. seinen Ursprung in tarifvertraglichen Regelungen hat,
schränkt somit im Ergebnis den gerichtlichen Kontrollmaßstab nach §§ 305 ff. BGB nicht von vornherein
ein, sondern ist lediglich im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB in die dort
erforderliche Gesamtabwägung (erneut) einzustellen.
95
II. Unangemessene Benachteiligung durch § 65 Abs. 3 VBLS a.F.
96
§ 65 Abs. 3 VBLS a.F. ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Klausel von dem zum
vertraglichen Leitbild des Versicherungsvertrages gehörenden Äquivalenzprinzip zum Nachteil des
Klägers abweicht und ihn unangemessen benachteiligt. Insbesondere ist § 65 Abs. 3 VBLS a.F. keine
Regelung, die aufgrund der Beteiligung der Tarifvertragsparteien am Entstehungsprozess oder aufgrund
der Beschlussfassung nach Maßgabe des in der Satzung der Beklagten geregelten Verfahrens
hinreichende Gewähr für ihre inhaltliche Ausgewogenheit bieten würde.
97
1. § 65 Abs. 3 VBLS a.F. benachteiligt den Kläger, weil die Klausel das zu zahlende Sanierungsgeld nicht
in einer Weise bestimmt, die das individuelle Verhältnis von finanziellem Beitrag zum
Versicherungssystem und Auszahlungen in Form von Renten hinreichend berücksichtigt. Die Klausel
führt daher zu einer versicherungsfremden Quersubventionierung anderer Beteiligter, die das auch für das
vorliegende Gruppenversicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gültige
Äquivalenzprinzip verletzt.
98
a) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ist als privatrechtliches
Gruppenversicherungsverhältnis ausgestaltet (BGHZ 169, 122). Zu dessen Grundlage zählt das
Finanzierungssystem, welches sich bis zur Schließung des Gesamtversorgungssystems zum Ende des
Jahres 2001 dadurch kennzeichnete, dass es sich nur aus Umlagen entsprechend der Anzahl der aktiv im
öffentlichen Dienst tätigen Beschäftigten speiste. Dieses System hat zur Grundlage, dass für die
Empfänger von Rentenleistungen eine im wesentlichen ausreichende Anzahl jüngerer Beschäftigter
nachrückt (BGHZ 135, 333 bei 3. c). Wenn jedoch wie vorliegend zwischen den Parteien unstreitig ein Teil
der Arbeitgeber in erheblichem Maße Personal nicht nur vorübergehend abbaut und hierdurch das
Verhältnis von finanziellem Zufluss in das Finanzierungssystem der Beklagten zu den zu tragenden
Rentenlasten beeinflusst wird, kann dies zu einer Äquivalenzstörung im privatrechtlichen
Vertragsverhältnis führen, die ggf. durch eine Erhöhung der Hauptleistungspflicht zur Entrichtung
systemangemessener Umlagebeiträge aufzufangen ist (vgl. BGHZ 135, 333 bei 3. d). Für das System der
Umlagefinanzierung, das die Gruppenversicherung der Beklagten kennzeichnet, gilt somit das auch sonst
das Versicherungsvertragsverhältnis prägende Äquivalenzprinzip (zur Unangemessenheit einer das
Äquivalenzverhältnis nachträglich störenden Bestimmung vgl. auch Präve, in: Graf von Westphalen
(Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Stand: Februar
2008, Rn. 92).
99
Entsprechend hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 01.06.2005 (BGH NJW-RR 2005,
1228) ausgeführt, dass die Beklagte anders als ein Sozialversicherungsträger ihre Leistungen nach den
ihr zufließenden Umlagen sowie den Erträgen ihres Vermögens ausrichten muss und weitergehende
Leistungen für einzelne Gruppen von Versicherten nur durch eine Erhöhung oder Umverteilung der
Umlagen finanziert werden können, woraus ein Konflikt mit dem Grundsatz der Gewährung gleicher
Leistungen für gleiche Beträge entstehe (BGH a.a.O. bei 2.). Insoweit ist zu beachten, dass das
Zusatzversorgungssystem der Beklagten als privatrechtliche Versicherung konzipiert ist und deshalb –
entgegen der Auffassung der Beklagten – wesentlich stärker auf dem Versicherungsprinzip beruht als auf
dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs (BGHZ 169, 122 bei II. 3. b).
100
b) Nach der Auffassung der Kammer stellt der in § 65 Abs. 3 VBLS a.F. niedergelegte Schlüssel für die
Berechnung der Höhe des Sanierungsgeldes eine Benachteiligung dar. Mit dem Äquivalenzprinzip steht
es nicht in Einklang, wenn einzelne Beteiligte, die in erheblichem Umfang Personal abgebaut haben und
deshalb nicht mehr im selben Umfang wie zuvor zur Finanzierung des Systems beitragen, zu Lasten von
anderen Beteiligten begünstigt werden, weil sie selbst keine höheren Beiträge erbringen müssen, die den
Umfang des Personalabbaus und die sich hieraus ergebende Störung des Verhältnisses von zufließenden
Beiträgen und auszuzahlenden Rentenbeträgen kompensieren. Insoweit führt § 65 Abs. 3 VBLS a.F. nach
Auffassung der Kammer zu einer versicherungsfremden Umverteilung individuell zu tragender Lasten.
101
2. Die Benachteiligung ist bei der gebotenen überindividuell-generalisierenden Interessenabwägung (BGH
NJW 2002, 1715) nach Auffassung der Kammer auch unangemessen.
102
a) Dafür, dass § 65 Abs. 3 VBLS a.F. die Bewältigung des schließungsbedingten Mehraufwandes
angemessen regeln würde, streitet nicht bereits die Beteiligung der Tarifvertragsparteien und der
satzungsmäßigen Organe der Beklagten am Entstehungsprozess der Klausel.
103
Zwar gelten im Grundsatz für kollektiv ausgehandelte und von den beteiligten Kreisen als ausgewogen
anerkannte Allgemeine Geschäftsbedingungen besondere Grundsätze (BGHZ 102, 51 bzgl. VOB/B; BGH
NJW 1998, 640 betreffend ADSp). Vorliegend war von den Tarifvertragsparteien jedoch keine
Ausgewogenheit der in der Satzung der Beklagten enthaltenen Sanierungsgeldregelung zu erwarten. Eine
solche Gerechtigkeitsgarantie durch Verfahren wäre nur gewährleistet gewesen, wenn sämtliche Beteiligte
der Beklagten in angemessenem Verhältnis an den Verhandlungen beteiligt gewesen wären. Dies war
indes weder bei den Tarifverhandlungen noch bei der Beschlussfassung der Beklagten, durch die § 65
Abs. 3 VBLS a.F. eingeführt wurde, der Fall.
104
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, bestand das Interesse der die Arbeitnehmer vertretenden
Gewerkschaften in erster Linie darin, eine höhere Belastung der Arbeitnehmer über den bisher von ihnen
als Anteil zur Finanzierung zu leistenden Satz zu vermeiden. Umgekehrt bestand ein Interesse solcher
Arbeitgebervertreter, die in der Vergangenheit dauerhaft und nachhaltig Personal abgebaut hatten, trotz
der nunmehr geringeren Beitragsleistungen zum Versorgungssystem der Beklagten im Rahmen der
Finanzierung des schließungsbedingten Mehraufwandes nicht in größerem Umfang zu Beitragszahlungen
herangezogen zu werden.
105
Soweit die tarifvertraglichen Verhandlungen betroffen waren, waren die an der Beklagten beteiligten
kommunalen Arbeitgeber, zu denen auch der Kläger zählt, wie dargestellt nur in geringem Maße
repräsentiert, die sogenannten „sonstigen Beteiligten“ hingegen gar nicht beteiligt (vgl. oben bei C. I. 3 a).
106
An der Umsetzung der tarifvertraglichen Vorgaben in der Satzung waren beide Gruppen wiederum nicht in
einem solchen Umfang beteiligt, der die Angemessenheit der Klausel gewährleisten würde. Während die
sonstigen Beteiligten, die nach der Jahresrechnung 2002 der Beklagten 21% des Beitragsaufkommens
generieren, im Verwaltungsrat der Beklagten nicht repräsentiert sind, stellen die kommunalen Arbeitgeber
lediglich drei der 38 Verwaltungsratsmitglieder, obwohl sie gemäß der Jahresrechnung 2002 der Beklagten
– nach dem wiederum unbestrittenen Vortrag des Klägers – nahezu 23 % des Beitragsaufkommens
ausmachen. Hingegen hatten der Bund und die Gewerkschaften nach den Satzungsbestimmungen auf die
Beschlussfassung erheblichen Einfluss, da insbesondere allein der Bund die Hälfte der
Verwaltungsratsmitglieder beruft, die andere Hälfte auf Vorschlag der Gewerkschaften von dem BMF
berufen wird.
107
Auch die die Genehmigung der Satzung durch das BMF als Aufsichtsbehörde vermag eine inhaltliche
Angemessenheit im AGB-rechtlichen Sinne nicht sicherzustellen, da sich Zweck und Maßstab der
jeweiligen Prüfung unterscheiden (BGH NJW 2005, 1774; Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl. 2010, vor §
307 Rn. 21).
108
b) Die Bestimmung des § 65 Abs. 3 VBLS a.F. benachteiligt den Kläger nach Auffassung der Kammer
insbesondere deshalb unangemessen, weil die Berücksichtigung der durch den jeweiligen Beteiligten
verursachten Rentenlasten mit dem Faktor neun den aufgrund des starken Personalabbaus einzelner
Beteiligter, insbesondere des Bundes, fehlenden Mittelzufluss und die damit verbundene Störung des
Äquivalenzprinzips nicht angemessen ausgleicht. Die Unangemessenheit ergibt sich nach Auffassung der
Kammer bereits aus einem Vergleich mit der seit dem 01.01.2006 geltenden Fassung der Satzung der
Beklagten. Nach § 65 Abs. 5 a) VBLS n.F. erhöhen oder vermindern sich die Sanierungsgelder nunmehr
entsprechend des Verhältnisses der Aufwendungen zu den Leistungen des jeweiligen Beteiligten bzw. der
jeweiligen Arbeitgebergruppe. Nach den zugehörigen Ausführungsbedingungen ist Grundlage der
Berechnung ein Vergleich des Solldeckungsgrades mit dem individuellen Deckungsgrad des jeweiligen
Beteiligten. Eine solche individuelle und verursacherbezogene Ermittlung des vom jeweiligen Beteiligten
zu entrichtenden Sanierungsgeldes lässt § 65 Abs. 3 VBLS a.F. vermissen. Die pauschale
Berücksichtigung der Rentensumme mit dem Faktor neun bei der Berechnung führt nicht zu einer dem
Äquivalenzprinzip genügenden individuellen Lastenverteilung. Dass hingegen die seit 01.01.2006 gültige
Neuregelung des § 65 VBLS für eine höhere Belastungsgerechtigkeit sorgen soll, adressiert die Beklagte
selbst an verschiedenen Stellen. Eine Angemessenheit der durch § 65 Abs. 3 VBLS a.F. bewirkten
versicherungsfremden Quersubventionierung anderer Beteiligter ist nach Auffassung der Kammer
hingegen nicht ersichtlich, ein sonstiges schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der in § 65 Abs. 3
VBLS a.F. niedergelegten Regelung nicht erkennbar.
109
Schließlich wird die dargestellte Benachteiligung auch nicht durch im Sachzusammenhang stehende
Vorteile kompensiert.
110
III. Unwirksamkeit und ergänzende Vertragsauslegung
111
§ 65 Abs. 3 VBLS a.F. ist somit nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Zwar ist es der Kammer aufgrund
des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion verwehrt, die unwirksame Klausel auf einen gerade noch
zulässigen Inhalt zurückzuführen (BGH NJW 2000, 1113). Es ist jedoch zulässig, im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung die hierdurch entstandene Lücke zu schließen, weil davon auszugehen
ist, dass der ersatzlose Wegfall der Klausel von dem übereinstimmenden Parteiwillen nicht getragen ist
(vgl. BGHZ 117, 99; BGHZ 139, 333, 339 f.). Zwar hat die Kammer im vorliegenden Fall zudem zu
beachten, dass die Parteien bei der Ausgestaltung der Satzung einen erheblichen Ermessensspielraum
haben (BGHZ 103, 370, 384). Jedoch hat der Satzungsgeber vorliegend durch die 7. und 9.
Satzungsänderung sein Ermessen bereits dadurch ausgeübt, dass zum 01.01.2006 § 65 VBLS in einer
Weise ausgestaltet wurde, die von beiden Seiten als sachgerecht empfunden wird. Es sind daher keine
Gründe ersichtlich, dass die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2005 eine andere
Regelung getroffen hätte (vgl. BGH VersR 1990, 486 bei 2.c). Vielmehr ergibt sich aus den Anlagen B 3
(dort S.15) und K 10, dass die Satzungsänderungen gerade den Zweck hatten, für eine
belastungsgerechtere Verteilung der Sanierungsgelder zu sorgen.
112
C. Rückzahlungsanspruch
113
Der Rückzahlungsanspruch folgt aus § 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB i.V.m. §§ 818 ff. BGB, weil die
Beklagte die Sanierungsgeldzahlungen des Klägers infolge der Unwirksamkeit des § 65 VBLS a.F. ohne
rechtlichen Grund durch Leistung erlangt hat. Die Rückforderung ist auch nicht nach § 814 BGB
ausgeschlossen, weil die Rechtsbeständigkeit der die Verbindlichkeit begründenden Regelung von
Anbeginn zwischen den Parteien streitig war und der Kläger daher nicht in Kenntnis einer Nichtschuld
geleistet hat.
114
Der Geltendmachung der Rückzahlungsansprüche steht im tenorierten Umfang auch nicht die Einrede der
Verjährung entgegen. Die Verjährung ist jedenfalls nach Ziffer 7.1 der Musterprozessvereinbarung durch
Vereinbarung gehemmt.
115
D. Nebenentscheidungen
116
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO, die
Kostenentscheidung aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
117
E. Die Beklagte hat zuletzt durch nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07. April 2010 Vortrag gehalten.
Der Vortrag ist – soweit er nicht nur Rechtsausführungen enthält – nicht mehr zu berücksichtigen und
veranlasst die Kammer auch nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 296 a, 128 Abs.
2 S. 2, 156 ZPO.