Urteil des LG Mannheim vom 27.02.2009

LG Mannheim (stand der technik, patg, prüfung, erklärung, zpo, patent, vergleich, fachmann, abhängigkeit, bit)

LG Mannheim Urteil vom 27.2.2009, 7 O 94/08
Patentverletzung: Anspruch einer Patentverwertungsgesellschaft auf Unterlassung des Vertriebs UMTS-
fähiger Mobiltelefone; Rechtsmissbräuchlichkeit bei Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs;
FRAND-Erklärung des Patentinhabers gegenüber einer Standardisierungsorganisation als Verfügung
über das Patent
Leitsätze
1. Der Einwand des als Patentverletzer in Anspruch genommenen, der im Register eingetragene Patentinhaber
oder sein Rechtsvorgänger hätten das Klagepatent nicht wirksam gem. § 6 ArbnErfG in Anspruch genommen, ist
unerheblich.
2. Auch eine Patentverwertungsgesellschaft, die nicht selbst patentgemäße Gegenstände herstellt und/oder
vertreibt, hat grundsätzlich gegen Dritte einen Unterlassungsanspruch. Dass sie diesen durchzusetzen sucht, um
Verletzer zur Lizenznahme anzuhalten, ist dem Patentsystem als Teil der geltenden Rechts- und
Wirtschaftsordnung immanent und erscheint grundsätzlich weder schikanös noch rechtsmissbräuchlich.
3. a) Die Erklärung des Patentinhabers gegenüber einer Standardisierungsorganisation, jedem Interessenten zu
fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen eine Lizenz zu erteilen, ist keine „dingliche“
Verfügung über das Patent, sondern bewirkt allenfalls schuldrechtliche Verpflichtungen im Sinne eines pactum de
non petendo , die nicht dem Sukzessionsschutz nach § 15 Abs. 3 PatG unterfallen.
b) Die Übertragung eines Patents, für das eine solche Erklärung gegenüber der Standardisierungsorganisation
abgegeben worden ist, auf einen Dritten, ohne diesem dieselben (hier unterstellten) Verpflichtungen aufzuerlegen,
bezweckt grundsätzlich weder eine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 81 Abs. 1 EG noch wird eine solche
bewirkt.
Tenor
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
EUR 250.000 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter
Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des Europäischen Patentes EP 1 186 189
eine Teilnehmerstation, der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam
nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder
zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
mit Mitteln zum Empfang von Informationssignalen und wobei eine Auswerteeinheit zur Prüfung bei mit den
Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten vorgesehen ist, ob die Zugriffsberechtigungsdaten
einen Zugriffsschwellwert umfassen, zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes mit einer Zufallszahl oder einer
Pseudo-Zufallszahl und zur Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses, ob der mindestens einen
Teilnehmerstation der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben ist.
2. der Klägerin darüber Rechenschaft abzulegen, in welchem Umfang die Beklagten die zu 1. bezeichneten
Handlungen seit dem 13. April 2002 begangen haben, und zwar unter Angabe
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von
Typbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von
Typbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und
Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei von den Beklagten die Angaben zu d. nur für die Zeit seit dem 9. Juni 2007 zu machen sind und den
Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der
Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Buchprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen
und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer
oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass
1. die Beklagten verpflichtet sind, die Klägerin für alle in der Zeit vom 13. April 2002 bis zum 8. Juni 2007
begangenen Handlungen gemäß I. 1. angemessen zu entschädigen;
2. die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die
zu I. 1. bezeichneten, seit dem 9. Juni 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die (Eventual-) Widerklage wird abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner 2/25 sowie
jede der Beklagten für sich je weitere 13/50. Die Kosten der Nebenintervention trägt die Klägerin zu 2/5, im übrigen
fallen diese der Streithelferin zur Last.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000 in Ziffer I.1.
(Unterlassung), EUR 50.000 in Ziffer I.2. (Rechnungslegung) und 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags in
Ziffer IV (Kosten).
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Unterlassungs-, Entschädigungs-, Schadensersatz- und Rechnungslegungspflichten
als Folgen einer unmittelbaren Patentverletzung.
2
Nach Abtrennung der auf die Schutzrechte … und … gestützten Ansprüche aus dem hiesigen Verfahren durch
Beschluss v. 10.11.2008 und Zurücknahme der Klage in Bezug auf das Schutzrecht … mit Anwaltsschriftsatz
der Klägerin v. 31.10.2008 ist die Klage allein gestützt auf das europäische Patent EP 1 186 189 B1 betreffend
ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommunikationskanal an Teilnehmerstationen
eines Telekommunikationsnetzes und Teilnehmerstation (im Folgenden: Klagepatent), für das u.a. die
Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat benannt ist. Die Erteilung des am 15.02.2000 angemeldeten
Klagepatents wurde am 09.05.2007 veröffentlicht (Registerauszug v. 09.04.2008). Das Klagepatent
beansprucht eine Unionspriorität vom 08.03.1999. Veröffentlichungstag der Patentanmeldung ist der
13.03.2002. Gegen den deutschen Teil des in Kraft stehenden Klagepatents haben die Fa. X. (mit Schriftsatz
v. 19.08.2008) und die Beklagte Ziff. 1 (mit Schriftsatz v. 11.11.2008) jeweils Nichtigkeitsklage zum
Bundespatentgericht erhoben. Der geltend gemachte Anspruch 11 des Klagepatents hat in der
Verfahrenssprache folgenden Wortlaut (mit Bezugsziffern):
3
Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen
gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist, mit Mitteln (65) zum Empfang von
Informationssignalen, dadurch gekennzeichnet, dass eine Auswerteeinheit (60) zur Prüfung bei mit den
Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55), ob die
Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) einen Zugriffsschwellwert (S) umfassen, zum Vergleich des
Zugriffsschwellwertes (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) und zur Ermittlung in
Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses, ob der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) der
Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben ist, vorgesehen ist.
4
Hinsichtlich des weiteren Inhalts, insbesondere der Patentbeschreibung wird auf die vorgelegte Patentschrift
verwiesen.
5
Die Klägerin, eine Patentverwertungsgesellschaft, ist seit einer Registerumtragung am 10. Oktober 2007 als
Patentinhaberin im Patentregister eingetragen. Sie folgert ihre Rechtsstellung aus dem unstreitigen Erwerb
eines umfangreichen, das Klagepatent umfassenden, Patentportfolios im Mai 2007 von der früheren
Patentinhaberin, der Fa. Y. (im Folgenden: Y.), sowie einer bestrittenen korrespondierenden Abtretung zeitlich
vor dem Erwerb des Klagepatents liegender Ansprüche, vor allem solcher auf Entschädigung und
Rechnungslegung.
6
Die Beklagte Ziff. 1, ein Mobilfunkgerätehersteller mit Sitz in Taiwan, vertreibt bundesweit - auch unter eigenem
Markennamen - und insbesondere durch ihre im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaft, die
Beklagte Ziff. 2, Mobilfunkgeräte, hierunter das Modell A. (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform),
welche UMTS-fähig sind. Die Ausgestaltung der Mobiltelefone, so dass diese UMTS-fähig sind, wird von der
Klägerin als Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre angesehen. Universal Mobile Telecommunications
System (UMTS) beruht auf Mobilfunkstandards des 3rd-Generation-Partnership-Project (3GPP), nämlich
einzelnen Dokumenten (Anlagen K E-18, K E-19, K E-20) des European Telecommunications Standards
Institute (ETSI). Im standardgemäßen System hängt der Zugriff der einzelnen Mobilstation auf den Random
Access Channel („RACH“; vgl.
TS 25.211
Mobilstation berechneten (ggf. skalierten) Persistenzwert P
i
mit einer in der Mobilstation generierten
Zufallszahl R (0 ≤ R < 1) ab („RACH transmission control procedure“; vgl.
TS 25.321
11.2.2.1). Wenn R ≤ P
i
, dann ist der Zugriff der Mobilstation auf den RACH frei.
7
Der Wert P
i
ergibt sich gemäß nachstehender Tabelle in Abhängigkeit von der der Mobilstation jeweils
zugeordneten Access Service Class („ASC“; vgl.
TS 25.331
8
Mit Ausnahme der ASC#0, für welche immer gilt R < P
i
, weil P
i
= 1 und definitionsgemäß R < 1,
bestimmt sich P
i
in Abhängigkeit vom dynamischen Persistenzniveau N („dynamic persistence level“ mit
Werten von 1 bis 8) nach der feststehenden Beziehung
9
- gegebenenfalls unter Anwendung des Skalierungsfaktors s
i
(scaling factor). Das dynamische
Persistenzniveau N als vom Verkehrsaufkommen im Funknetz abhängiger Wert wird von der Basisstation
bestimmt und an alle Mobilstationen im System Information Block („SIB“) type 7 permanent übertragen,
während die Skalierungsfaktoren s
i
und das Informationselement „AC-to-ASC mapping“ im SIB type 5 oder
type 5bis übertragen werden.
10
Die Zuordnung einer Mobilstation zu einer bestimmten ASC ergibt sich entsprechend der auf der SIM-Karte
festgelegten Access Class („AC“) unter Anwendung des von der Basisstation übermittelten
Informationselements („Mapping of Access Classes to Access Service Classes“; vgl. TS 25.331 Version
6.16.0, Kap. 8.5.12):
11 Die vormalige Patentinhaberin Y. gab - als Mitglied - im Hinblick auf die interessierenden Standards auf
Grundlage der „General IPR Licensing Declaration“ gegenüber ETSI eine FRAND-Erklärung ab, wonach jedem
interessierten Hersteller zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen an den als
standardessentiell angegebenen Patenten Lizenz erteilt werde. Das Klagepatent selbst wird in den ETSI-
Dokumenten nicht als standardessentiell aufgeführt.
12 Die Beklagten hatten der Klägerin außerprozessual ihre Bereitschaft mitgeteilt, an deren gesamten
Patentportfolio Lizenz zu nehmen gegen Einmalzahlung von USD … (vgl. auch Schreiben v. 06.10.2008).
13 In Betracht bestehender Lieferbeziehungen mit der Beklagten Ziff. 1 ist die Streithelferin auf Seiten der
Beklagten Ziff. 1 dem Rechtsstreit mit Anwaltsschriftsatz v. 27.10.2008 beigetreten.
14 Die Klägerin trägt vor,
15 mangels Berechtigung verletzten die Beklagten durch den Vertrieb UMTS-fähiger Mobiltelefone das
Ausschließlichkeitsrecht aus dem Klagepatent. Bei einer patentgemäßen Ausgestaltung einer
Teilnehmerstation sei die Auswerteeinheit dann zur Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen
Zugriffsberechtigungsdaten, ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert umfassen,
vorgesehen, wenn eine Prüfung stattfinden könne, ob ein (übertragener) Zugriffsschwellwert für die
Zugriffsfreigabe der einen Teilnehmerstation auf den Telekommunikationskanal Relevanz erlangen solle oder
nicht („Relevanzprüfung“). Die Bestimmung ihrer Access Service Class durch die Mobilstation in
Zusammenhang mit dem übermittelten Informationselement im SIB type 5 / type 5bis kennzeichne diese
Prüfung im UMTS-Standard. Denn während im Fall ASC#0 die Zugriffsfreigabe nicht von N und damit P(N)
abhinge, werde in den Fällen ASC#1 … 7 der Wert P(N) für die Zugriffsfreigabe der einzelnen Mobilstation
relevant. Dass der Wert P(N) durch s
i
gegebenenfalls noch „feiner granuliert“ werde, ändere nichts an der
Ausgestaltung der Auswerteeinheit der UMTS-fähigen Mobilstationen zum Vergleich des Zugriffsschwellwerts
P(N) mit der Zufallszahl R.
16 Die Klägerin behauptet, Ansprüche auf Entschädigung, Schadensersatz und Rechnungslegung in der
Vergangenheit seien ihr im Rahmen des Patenterwerbs von Y. abgetreten worden.
17 Die Klägerin
b e a n t r a g t
18
wie zuerkannt.
19 Die Beklagten
b e a n t r a g e n
20
die Klage abzuweisen;
21
hilfsweise: die Klage bis zur Entscheidung über die anhängigen Nichtigkeitsverfahren gegen das
Klagepatent auszusetzen;
22
höchst hilfsweise: Vollstreckungsschutz.
23
Für den Fall, dass der Unterlassungsklage stattgegeben wird, beantragen die Beklagten
w i d e r k l a g e
n d
24
Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten eine einfache, aber zeitlich, räumlich
und gegenständlich unbegrenzte Lizenz zur Benutzung des Klagepatents EP-189 zu Bedingungen
einzuräumen, die nicht ungünstiger sind, als die günstigsten Bedingungen, die die Klägerin oder ihre
Rechtsvorgängerin anderen einfachen Lizenznehmern gewährt hat.
25 Die Streithelferin
b e a n t r a g t
26
die Klage abzuweisen.
27 Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen und
b e a n t r a g t
28
die Eventual-Widerklage abzuweisen.
29 Die Beklagten tragen vor,
30 die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Der
Verletzungsvortrag der Klägerin anhand des UMTS-Standards sei unschlüssig. Eine patentgemäße Prüfung, ob
die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert umfassen, also ob ein Zugriffsschwellwert mit den
Zugriffs-berechtigungsdaten übertragen - in diesen enthalten - sei („Anwesenheitsprüfung“), werde nach dem
Standard nicht vorgeschrieben, denn im Standard werde immer der vom Verkehrsaufkommen abhängige Wert
N an die Mobilstationen übertragen. Auch greife die Verletzungsargumentation der Klägerin nicht, weil die
Nutzerklassen des Klagepatents nicht mit den „Access Services Classes“ (ASC) des UMTS-Standards
gleichzusetzen seien. Selbst nach dem Patentverständnis der Klägerin könne eine Patentbenutzung im
Standard nicht festgestellt werden, weil im standardgemäßen Verfahrensablauf immer eine Berechnung und ein
anschließender Vergleich des Persistenzwerts P
i
mit der Zufallszahl R stattfinde, sich die
Berechnungsfunktion von P
i
im Fall ASC#0 lediglich im Setzen auf 1 erschöpfe. Auch sei der Fall ASC#0
nach dem Standard nur optional, denn die Einteilung des „physical RACH“ in Access Service Classes selbst
sei im Standard nur optional. Ebenso ergebe sich die Unschlüssigkeit des Verletzungsvorwurfs aus dem
Umstand, dass nicht der von der Basisstation übermittelte Wert N sondern erst der von der Mobilstation
berechnete Wert P
i
dem Vergleich mit R zugeführt werde, und P
i
auch noch den weiteren Parameter s
i
berücksichtige. Schließlich werde der Zugriff auf den Telekommunikationskanal nicht allein auf Grundlage des
Vergleichs P
i
mit R gestattet, sondern es bedürfe der weiteren Überprüfung, ob für die entsprechende ASC ein
Access-Slot verfügbar sei (Anlage B21).
31 Ein etwaiges klägerisches Verbietungsrecht sei - ungeachtet der fehlenden Rechtsbeständigkeit des
Klagepatents - nicht durchsetzbar, weil die Beklagte Ziff. 1 Lizenznehmerin des X-Patents EP 940 056 sei,
welches auf der PCT-Offenlegungsschrift WO 98/23109 beruhe und auf welches u.a. die Nichtigkeitsklage der
Beklagten Ziff. 1 gestützt werde.
32 Die Klägerin sei überdies nicht aktivlegitimiert. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die frühere
Patentinhaberin Y. die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung ordnungsgemäß in Anspruch genommen
habe. Auch werde mit Nichtwissen bestritten, dass Ansprüche für den Zeitraum vor Übertragung des
Klagepatents auf die Klägerin übergegangen seien.
33 Die Durchsetzung der Klageansprüche sei rechtsmissbräuchlich, weil Y. sich durch Verstoß gegen die
satzungsmäßigen Pflichten zur ausdrücklichen Notifizierung des Klagepatents gegenüber ETSI in Form eines
Hinterhaltspatents eine (vermeintlich) vorteilhafte Rechtsposition gegenüber Branchenmitgliedern verschaffen
habe.
34 Jedenfalls werde der Unterlassungsanspruch von der Klägerin rechtsmissbräuchlich instrumentalisiert. Der
Klägerin als reiner Patentverwertungsgesellschaft fehle es an einem berechtigten schutzwürdigen
Eigeninteresse. Sie missbrauche ihre formale Rechtsstellung in Ermangelung eines eigenen Benutzungswillen.
Die Klage sei insoweit zumindest unverhältnismäßig.
35 Ferner sei die Klägerin aufgrund der FRAND-Erklärung von Y. bereits von vornherein auf Zahlungsansprüche
nach einer angemessenen Lizenzgebühr hinsichtlich standardessentieller Patente beschränkt. Y. als
Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin habe auf das Ausschließungsrecht aus solchen Patenten verzichtet. Dies
sei dem geltenden Recht – wie § 23 PatG belege – nicht unbekannt und von zentraler Bedeutung für das
gesamte Regelwerk von ETSI vor dem Hintergrund zwingender kartellrechtlicher Anforderungen an
Standardisierungsvorhaben.
36 Sollte die FRAND-Erklärung das Recht aus dem Patent zwar nicht beschränken, so sei die Klägerin jedoch an
die Erklärung gebunden und nach dieser zur Lizenzgewährung zu „FRAND“-Bedingungen verpflichtet, womit
dem Unterlassungsanspruch der Einwand des „dolo agit qui petit quod statim redditurus est“ entgegen zu
halten sei.
37 Sollte die Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin ohne Übergang der Verpflichtung aus der FRAND-
Erklärung erfolgt sein, so müsse der Übertragungsvertrag als kartellrechtswidrig mit der Folge seiner Nichtigkeit
nach Art. 81 Abs. 2 EG gewertet werden, womit die Klägerin jedenfalls nicht aktivlegitimiert wäre.
38 Schließlich könnten die Beklagten dem Unterlassungsanspruch im Wege des „dolo agit“ -Einwands eine
kartellrechtliche Lizenzierungspflicht entgegenhalten.
39 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags, insbesondere zum Vorbringen der Erfolgsaussichten
der Nichtigkeitsklagen wie auch der Einzelaspekte des sog. Zwangslizenzeinwands, wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen. Beklagte und Klägerin haben zuletzt mit nicht
nachgelassenen Schriftsätzen v. 29.01. und 18.02. bzw. 09.02.2009 vorgetragen. Mit Schriftsatz v.
04.02.2009, der nicht zugestellt worden ist, hat die Klägerin versucht, eine Klageerweiterung gestützt auf eine
mittelbare Verletzung der Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents anzubringen.
Entscheidungsgründe
40
A. Entscheidungsgrundlage
41
Zur Entscheidung der Kammer stehen allein die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, §§ 297,
308 ZPO. Die Klageerweiterung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist unzulässig und veranlasst die
Kammer nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (BGH, Beschl. v. 12.05.1992 - XI ZR 251/91,
BB 1992, 1385; BGH, Beschl. v. 09.07.1997 - IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486). Die mangels
Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder Zustellung (§ 261 Abs. 2 ZPO) auch nicht rechtshängig
gewordene Klageerweiterung bedarf keiner ausdrücklichen Zurückweisung. Mangels Streitwerterhöhung (vgl.
Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 296a Rz. 2a) geht mit der unzulässigen Klageerweiterung keine
negative Kostenfolge für die Klägerin einher.
42
B. Entscheidungszuständigkeit
43
Die Kammer ist zur Entscheidung berufen nach § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO i.V.m. § 143 Abs. 1 PatG
i.V.m. § 14 ZuVOJu. Die Beklagten stehen dem Vorwurf bundesweiter patentverletzender Handlungen
gegenüber, womit ein deliktischer Gerichtsstand auch in Baden-Württemberg vorliegt.
44
C. Klage
45
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagten verletzen das Klagepatent (I.), wogegen der Klägerin (II.) die
geltend gemachten Ansprüche einwendungsfrei (III.) zustehen (IV.).
46
I. Patentverletzung
47
Die Beklagten verletzen das Klagepatent, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Die von den
Beklagten ohne Benutzungsbefugnis angebotenen und in Verkehr gebrachten Mobiltelefone der angegriffenen
Ausführungsform machen von der Lehre des Anspruchs 11 des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch.
48
1. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommunikationskanal
an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes und die hierzu ausgebildete Teilnehmerstation.
49
a) Vor dem Hintergrund einer nur begrenzten Anzahl von Kanälen für eine Funkzelle mit einer Basisstation
und der hierbei immanenten Gefahr einer Systemüberlastung beim Zugriff mehrerer Mobilstationen auf diese
Kanäle kennzeichnet das Klagepatent im Stand der Technik Verfahren zur Zugriffskontrolle bzw. -verwaltung
als bekannt, wobei Informationssignale an die mindestens eine Teilnehmerstation übertragen werden (Sp. 1 Z.
14-16). Aus der Schrift WO 97/19525 sei ein drahtloses Kommunikationssystem bekannt, bei dem die
Basisstation die Zahl der Zugriffsversuche ermittelt und Werte für die Zugriffswahrscheinlichkeiten an die
einzelnen Teilnehmerstationen über einen gemeinsamen broadcast channel oder Steuerkanal überträgt, wobei
die zugriffswillige Teilnehmerstation aus den empfangenen Zugriffswahrscheinlichkeitswerten einen ihrer
Prioritätsklasse entsprechenden auswählt und diesen mit einer Zufallszahl vergleicht, um festzustellen, ob der
Zugriff auf einen Kommunikationskanal zulässig ist (Sp. 1 Z. 41-51).
50
b) Demgegenüber beschreibt das Klagepatent als allgemeinen Vorteil seiner Lehre, dass die Zugriffskontrolle
durch zufällige Verteilung der Zugangsberechtigung zum Telekommunikationskanal für eine oder mehrere
Teilnehmerstationen ein Minimum an Übertragungskapazität für die Übertragung der Informationssignale in
Anspruch nehme, da sie lediglich durch Übertragung des Zugriffsschwellwertes bewirkt werde.
51
c) Dieser Vorteil gegenüber dem Stand der Technik werde aus Sicht des Klagepatents durch eine
Teilnehmerstation nach den Merkmalen des Anspruchs 11 realisiert:
52
(1) Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren
Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist,
53
(2) mit Mitteln (65) zum Empfang von Informationssignalen,
54
dadurch gekennzeichnet,
55
(3) dass eine Auswerteeinheit (60) vorgesehen ist,
56
(a) zur Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50,
55), ob die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) einen Zugriffsschwellwert (S) umfassen,
57
(b) zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl
(R)
58
und
59
(c) zur Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses, ob der mindestens einen
Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal
freigegeben ist.
60
2. Die angegriffene Ausführungsform macht von sämtlichen Merkmalen wortsinngemäßen Gebrauch. Dies
steht hinsichtlich der Merkmale 1 und 2 zwischen den Parteien außer Streit und beruht nicht auf unrichtigen
patentrechtlichen Anschauungen. Aber auch die Merkmalsgruppe 3 wird wortsinngemäß verwirklicht. Die
unstreitig zur Durchführung des im UMTS-Standard angelegten Zugriffskontrollverfahren ausgelegte
Auswerteeinheit der angegriffenen Mobiltelefone ist zur Verwirklichung der Funktionen nach den
Untermerkmalen a, b und c ausgebildet.
61
a) Die standardgemäß ausgelegte Auswerteeinheit prüft bei mit den Informationssignalen empfangenen
Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55), ob diese Daten einen Zugriffsschwellwert (S) umfassen (Merkmal
3a).
62
aa) Was der Durchschnittsfachmann - ein Hochschulabsolvent der Fachrichtung Elektrotechnik mit
Schwerpunkt Nachrichtentechnik oder der Fachrichtung Informatik mit Schwerpunkt Netzwerke und mit
Erfahrung auf dem Gebiet der Mobilfunktechnologie - unter der patentgemäßen „Umfassensprüfung“ nach
Merkmal 3a versteht, ergibt sich ausgehend vom Patentanspruch (Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ, § 14 S. 1
PatG) aus dem technischen Zusammenhang seiner Merkmale, sowie aus dem Inhalt der Beschreibung
und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 S. 2 EPÜ, § 14 S. 2 PatG). Durch Heranziehung der Beschreibung zur
Auslegung der Patentansprüche wird sichergestellt, dass der tatsächliche Sprachgebrauch des Patents
hinreichende Beachtung findet. Der Fachmann orientiert sich also an dem in der Patentschrift zum
Ausdruck gekommenen Zweck eines Merkmals, womit der technische Sinn der in der Patentschrift
benutzten Worte und Begriffe - nicht die philologische oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung
- entscheidend ist, die Patentschrift gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellt (BGHZ 150, 149, 156 -
Schneidmesser I; BGH, Urt. v. 02.03.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Dabei
schränken die Ausführungsbeispiele sowie die darauf bezogenen Beschreibungsteile einen weiter zu
verstehenden Sinngehalt der Patentansprüche nicht auf diese Ausführungsformen ein. Eine Auslegung
unterhalb des Wortlauts (im Sinne einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der Patentansprüche ist
generell nicht zulässig; dies gilt insbesondere, wenn der Beschreibung eine Schutzbegrenzung auf
bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist (vgl. Scharen in Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, §
14 Rz. 24, 25).
63
Der Fachmann wird hiernach bei Auslegung der Worte „Prüfung bei mit den Informationssignalen
empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten, ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert
umfassen“ erkennen, dass die Umfassensprüfung nach Merkmal 3a nicht in einer „Anwesenheitsprüfung“
besteht, also nicht danach fragt, ob in den gesendeten Zugriffsberechtigungsdaten ein Zugriffsschwellwert
enthalten ist, sondern dass die gelehrte Umfassensprüfung vielmehr der Feststellung dient, ob die
empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten den Zugriff der konkreten Mobilstation auf den
Telekommunikationskanal von einem Vergleich einer Zufallszahl mit einem Zugriffsschwellwert abhängig
machen sollen, also ein Teil der Zugriffsberechtigungsdaten als Zugriffsschwellwert für die konkrete
Mobilstation Relevanz erlangen soll.
64
(1) Weder wird der Fachmann bei der möglichen allgemeinen Wortbedeutung von „umfassen“ im Sinne
„enthalten“ stehen bleiben, noch wird er die Begriffswiederholungen in der Beschreibung als sprachliche
Festlegung der Patentschrift auf den Sinngehalt „enthalten“ verstehen. Denn dem Fachmann - wie jedem
Leser - wird klar, dass der Sprachgebrauch des Klagepatents dann inkonsistent wäre, da doch das
Klagepatent selbst auch den Begriff „enthalten“ in der Beschreibung nutzt (Abschn. 37, Sp. 11 Z. 39),
ohne ihn in den Anspruch zu übertragen. Vielmehr wird der Fachmann unter Berücksichtigung der
Ausführungsbeispiele wie des vom Klagepatent selbst gewürdigten Standes der Technik den technischen
Sinngehalt der „Umfassensprüfung“ ermitteln.
65
(2) Beim Lesen der Ausführungsbeispiele wird der Fachmann - entgegen dem Ansatz der Beklagten -
nicht aus Abschn. 39 entnehmen, dass die Prüfung der Länge des Bitmusters (10 Bit oder 13 Bit) nach
Programmpunkt 200 in Fig. 4a eine dem Merkmal 3a entsprechende „Anwesenheitsprüfung“ im Falle des
13-Bitmusters bzw. Teil einer solchen im Falle des 10-Bitmusters sei. Denn aus der Patentschrift ergibt
sich klar, dass die Länge des übertragenen Bitmusters selbst, wobei die Bitmusterübertragung für sich
nur eine vom Patent bevorzugte Ausführungsform darstellt (vgl. Unteranspruch 7), nach den
Ausführungsbeispielen keine Zugriffsberechtigungsinformation kennzeichnet. Die Längenangaben der
Beschreibung sind nur beispielhaft zu verstehen (Abschn. 38, Sp. 11 Z. 47-48). Ihnen kommt darüber
hinaus auch kein eigenständiger Informationsgehalt zu, denn einzelne Informationskomponenten können
auch gänzlich weggelassen werden (Abschn. 38, Sp. 11 Z. 52-54). Als
Zugriffsberechtigungsinformationen, also Zugriffsberechtigungsdaten in den von der Basisstation
gesendeten und von den Mobilstationen empfangenen Informationssignalen, begreift das Klagepatent bei
seinen Ausführungsbeispielen allein die im Bitmuster binär kodierten (vgl. Sp. 10 Z. 28, Sp. 10 Z. 39-41
und Sp. 11, Z. 44-47) Zugriffsschwellwerte (Sp. 7 Z. 38-45 und Sp. 10 Z. 52-53: Zugriffsschwellwertbits
s3, s2, s1, s0), Zugriffsklasseninformationen (Sp. 9, Z. 37-39 und Sp. 10 Z. 52-54: Zugriffsklassenbits z3,
z2, z1, z0), Teilnehmerdiensteinformationen (Sp. 3, Z. 11-12, Sp. 7 Z. 58 - Sp. 8 Z. 10 und Sp. 10 Z. 56)
und Prioritätsschwellwerte (Sp. 8 Z. 21-26 und Sp. 10 Z. 57) sowie ggf. gesonderte
Auswerteinformationen (vgl. Unteransprüche 5 und 6; Sp. 7 Z. 36, Sp. 9 Z. 22 und Sp. 10, Z. 51:
Auswertebit s4). Entscheidend nach den Ausführungsbeispielen ist sonach allein die Bitmusterbelegung
(vgl. Sp. 13 Z. 54-55) und nicht die Bitmusterlänge. Damit kommt dem Programmpunkt 200 im
Ausführungsbeispiel der Fig. 4a aber kein Bedeutungsgehalt beim technischen Verständnis der
Patentansprüche für den Fachmann zu. Die konkrete Umsetzung des im Klagepatent angelegten
Verfahrens in ein Kodierungssystem und damit in entsprechende Bitmusterlängen ebenso wie die Frage,
ob überhaupt verschiedene Bitmusterlängen Anwendung finden, überlässt das Klagepatent dem
Fachmann. Eine schlichte „Anwesenheitsprüfung“ der ausgesendeten und empfangenen
Informationssignale auf einen Schwellwert scheint hiernach allein im 10-Bit-Beispiel zu erfolgen, nicht so
aber im 13-Bit-Beispiel, wonach letzteres nicht vom Patentanspruch erfasst würde, was zwar
grundsätzlich denkbar wäre (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1979 - X ZR 12/78, GRUR 1980, 219 -
Überströmventil), im vorliegenden Fall jedoch auf einer Einengung des Patentanspruchs unter seinen
Wortsinn beruhte, wie nachstehend weiter gezeigt.
66
(3) Betrachtet der Fachmann die Struktur der Zugriffsverwaltung unter Nutzung der Bitmuster des ersten
Ausführungsbeispiels (Abschn. 25 - Abschn. 35 und Sp. 12 Z. 2-57) sowie die Struktur der
Zugriffsverwaltung unter Nutzung des Bitmusters des zweiten Ausführungsbeispiels (Abschn. 36 und Sp.
12 Z. 57 - Sp. 13 Z. 27), so erkennt er den folgenden funktionalen Gleichlauf beider Strukturen:
67
- Prüfung der Abhängigkeit der Zugriffsverwaltung für die konkrete Mobilstation von einem
Zugriffsschwellwertvergleich oder der alleinigen Abhängigkeit von der zugewiesenen Nutzerklasse „bei
mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“
68
- durch Prüfung des Auswertebit s4 in Raute 205 (S4=0 führt zum Zugriffsschwellwertvergleich:
Sp. 12 Z. 4-7; s4=1 führt zur alleinigen Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einer
Nutzungsklasse und dem Nichtsetzen des zugeordneten Zugriffsklassenbit: Sp. 12 Z. 7-8, Sp. 12
Z. 46-56 und Sp. 9 Z. 47-50)
69
- durch Prüfung des der konkreten Nutzerklasse entsprechenden Zugriffsklassenbits z in Raute
285 (z=1 oder Angehörigkeit zu keiner Nutzerklasse führt zum Zugriffsschwellwertvergleich: Sp.
13 Z. 21-27 und Sp. 11 Z. 6-12; z=0 führt zum Zugriff unabhängig vom Zugriffsschwellwert: Sp.
11 Z. 1-4)
70
- Zugriffsschwellwertvergleich nach Merkmal 3b (Sp. 12 Z. 8-18, Sp. 13, Z. 26-27: Ermittlung des
Zugriffsschwellwerts S aus Bits s3 … s0; Ziehung von R; eigentlicher Vergleich von R mit S)
71
- Zugriffsfreigabe nach Merkmal 3c (Sp. 12 Z. 18-46; Z. 26-27: in Abhängigkeit von der Bedingung R
≥ S und nach ggf. weiteren Prüfungen)
72
Die funktional identische Prüfung der Auswerteeinheit, ob s4=0 oder z=1 ist, unterscheidet sich nach
den Ausführungsbeispielen nur darin, dass im Fall der notwendigen Prüfung anhand des Auswertebits
s4 das gesendete Informationssignal hinsichtlich der Abhängigkeit der Zugriffsverwaltung von einem
Zugriffsschwellwert in allen Mobilstationen identisch gewertet wird, im Fall der notwendigen Prüfung
anhand eines Zugriffsklassenbits z3 … 0 hingegen eine unterschiedliche Wertung durch die einzelnen
Mobilstationen in Abhängigkeit von ihrer Nutzerklasse je nach gesetztem Bit z3 … 0 möglich ist und
dadurch im 13-Bit-Beispiel für die Basisstation eine differenziertere Zugriffsverwaltung in einzelnen
Nutzerklassen bei einem identisch ausgesendeten kodierten Zugriffsschwellwert steuerbar ist.
73
(4) Diese Prüfung (ob bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten s4=0
bzw. z=1 ist) wird der Fachmann allein als die technische Umsetzung des patentgemäßen Merkmals 3a
begreifen auch vor der sich aus dem Klagepatent ergebenden objektiven Zwecksetzung in Abgrenzung
zum Stand der Technik. Das Klagepatent sucht den maßgeblich gewürdigten Stand der Technik, der
durch Übertragung der für die unterschiedlichen Prioritätsklassen der Mobilstationen in Betracht zu
ziehenden - verschiedenen - Zugriffswahrscheinlichkeitswerte (Sp. 1 Z. 45-51) gekennzeichnet ist, zu
überwinden durch Übertragung lediglich des, d.h. eines gemeinsamen, Zugriffsschwellwerts und einer
damit einhergehenden Minimierung der Übertragungskapazität (Sp. 2 Z. 13-17). Nachdem - wie dem
Fachmann aufgrund der im gewürdigten Stand der Technik bekannten Prioritätsklassen bewusst - die
Zugriffsverwaltung einzelner oder aller Mobilstationen aber nicht stets von dem einen identisch
ausgesendeten kodierten Zugriffsschwellwert abhängen sollen, hat sich das Klagepatent aber vor dem
technischen Problem gesehen, bei der konkreten Teilnehmerstation aus den von der Basisstation in
regelmäßigen Abständen zu vorgegebenen Zeiten (Sp. 13 Z. 42-43) gesendeten, gleichen Informationen
(Sp. 6 Z. 39-40), d.h. Informationssignalen, die konkreten Daten über die Rechte für das Senden auf dem
einen Telekommunikationskanal der entsprechenden konkreten Mobilstation (Sp. 6 Z. 6-8) herauszulösen.
Genau dies wird durch die „Umfassensprüfung“ nach Merkmal 3a realisiert, indem „bei mit den
Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“ (in den Ausführungsbeispielen anhand der
Auswerteinformation s4 oder der Zugriffsklasseninformation z) in der Auswerteeinheit der konkreten
Teilnehmerstation geprüft wird, „ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert“ zur
Zugriffsverwaltung der konkreten Teilnehmerstation „umfassen“.
74
(5) Das sich so ergebende technisch-funktionale Verständnis des Merkmals 3a hat im Patentanspruch
selbst durch die Formulierung der Prüfung des Umfassens „bei mit den Informationssignalen
empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“ hinreichenden Niederschlag gefunden. Das identisch
ausgesendete Informationssignal (Bitmusterbelegung in den Ausführungsbeispielen) kann je nach dem im
System einem Empfänger zugeordneten Interpretationsmodus (jeder Empfänger betrachtet in den
Ausführungsbeispielen Bit s4 oder das zugeordnete z-Bit) einen unterschiedlichen Datengehalt
hinsichtlich der in den Informationssignalen kodierten Zugriffsberechtigungsdaten aufweisen. Dieses
Anspruchsverständnis korrespondiert auch mit dem Verfahrensanspruch 1, der eine Umfassensprüfung
„bei Empfang der Zugriffsberechtigungsdaten“ vorsieht, welche nach dem Unteranspruch 6 nur durch die
technische Ausgestaltung nach dem 10-Bit-Ausführungsbeispiel gekennzeichnet wird.
75
(6) Im Ergebnis dringt das Verständnis der Beklagten vom Wortsinn des Anspruchs sonach nicht durch.
Dass im UMTS-Standard stets der Wert N übermittelt wird, steht der Verwirklichung des Merkmals 3a
deshalb nicht entgegen. Denn ob der in den gesendeten Informationssignalen enthaltene Wert N durch
P(N) aber Relevanz für die Zugriffsverwaltung der konkreten Mobilstation gewinnen soll (im Fall ASC#1 …
7 mit P
i
abhängig von P(N)) oder nicht (ASC#0 mit P
i
= 1), ergibt sich erst nach Ermittlung der ASC in
Abhängigkeit von der AC der Mobilstation unter Anwendung des von der Basisstation übermittelten
„Mapping“-Informationselements. Nachdem der Patentanspruch nur von „Prüfung“ spricht, die
Ausgestaltung derselben also dem Fachmann überlässt, insbesondere welchen Bedingungen die Prüfung
unterstellt wird, und die Ausführungsbeispiele den Wortsinn des Patentanspruchs nicht einschränken
können, ist die Ansicht der Beklagten patentrechtlich irrelevant, dass in die Prüfung nicht die der
Zugriffsklasse im Sinne des Sprachgebrauchs der Patentbeschreibung eher entsprechende AC der
Mobilstation (unmittelbar) sondern die ermittelte ASC hineinwirkt.
76
bb) Der Einwand der Beklagten, einer Merkmalsverwirklichung stehe entgegen, dass der Fall ASC#0, bei
dem allein der übertragene Wert N bei der Zugriffskontrolle irrelevant ist, nach dem Standard nur optional
sei, ist unerheblich, denn die Option im Standard verlangt für die UMTS-Fähigkeit der
Teilnehmerstationen, dass diese auch für den Fall ASC#0 entsprechend ausgebildet sind. Merkmal 3a
verlangt lediglich, dass die Auswerteeinheit zur Prüfung vorgesehen ist. Ob die Prüfung - vorliegend in
Zusammenhang mit der Bestimmung der ASC - mangels vom System genutzter Option, eine ASC#0 zu
implementieren, leerlaufen kann, ändert nichts an der entsprechend Merkmal 3a vorgesehenen
Auswerteeinheit in den angegriffenen Ausführungsformen.
77
cc) Ebenso steht der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, dass im standardgemäßen
Verfahrensablauf immer eine Berechnung von P
i
und ein Vergleich mit R stattfindet. Die
„Umfassensprüfung“ nach Merkmal 3a verlangt nur, dass festgestellt wird, ob ein Zugriffsschwellwert bei
der Zugriffskontrolle der konkreten Mobilstation Berücksichtigung finden soll und in diesem Sinne von den
empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten umfasst ist. Im Fall ASC#0 wird von der Auswerteeinheit
festgestellt, dass der Wert N über P(N) keine Rolle spielen soll für die Zugriffskontrolle, indem P
i
auf 1
gesetzt wird. Wie der Verfahrensablauf für den Fall gestaltet sein soll, dass ein Zugriffsschwellwert nicht
von den „bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“ umfasst ist,
überlässt das Klagepatent in seinen Ansprüchen und insbesondere Anspruch 11 der Ausgestaltung durch
den Fachmann. Den Verfahrensablauf bei ASC#0 in den vom UMTS-Standard ohnehin für ASC#1 … 7
vorgesehenen Vergleich R mit P
i
einzugliedern durch Setzen der Zahl 1 im Vergleich mit der zu
generierenden Zahl R, für die stets gilt 0 ≤ R < 1, ist ein möglicher Ablauf, zu dem sich das Klagepatent
nicht verhält.
78
b) Die standardgemäß ausgelegte Auswerteeinheit ist weiter zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes (S) mit
einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) vorgesehen (Merkmal 3b). Die in den angegriffenen
Ausführungsformen vorhandene Auswerteeinheit zum Vergleich von R mit P
i
gemäß dem UMTS-Standard
verwirklicht Merkmal 3b. Für den Fall ASC#1 … 7 hängt P
i
von P(N) ab.
79
P(N) repräsentiert den vom Verkehrsaufkommen im Funknetz abhängigen Zugriffsschwellwert. Dass P(N)
nicht selbst unmittelbar binär kodiert von der Basisstation übertragen wird, sondern N, aus dem sich allein
P(N) nach der Festlegung im Standard bestimmt, steht der Bewertung von P(N) als Zugriffsschwellwert nicht
entgegen. Denn das Klagepatent überlässt dem Fachmann, wie im Telekommunikationssystem der
Zugriffsschwellwert im übertragenen Informationssignal kodiert ist. Die Art der Kodierung im
Informationssignal wird vom Patentanspruch nicht determiniert. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der
Beschreibung des Klagepatents (Sp. 10 Z. 26-28 und Sp. 12 Z. 8-10: Ermittlung des Zugriffsschwellwerts aus
den Zugriffsschwellwertbits; Unterspruch 7: Übertragung der Zugriffsberechtigungsdaten als Bitmuster). Die
letztlich doppelte Kodierung von P(N) binär als Wert N führt aus dem Patentanspruch nicht heraus.
80
Dass der Vergleichswert P
i
im Fall ASC#2 … 7 nicht allein von P(N) abhängt, sondern in den Vergleichswert
und damit in den Vergleich auch der Parameter s
i
Eingang finden kann, ist für die Verwirklichung von
Merkmal 3b ebenso unerheblich. Der Patentanspruch lässt insoweit offen, ob der Vergleich des
Zugriffsschwellwerts mit der Zufallszahl unmittelbar von weiteren Werten abhängen kann oder ob weitere
nachgelagerte Vergleiche stattfinden wie beim im Klagepatent selbst aufgezeigten
Prioritätsschwellwertvergleich (vgl. Abschn. 26). Entscheidend nach Merkmal 3b des Klagepatents ist allein,
dass bei entsprechend „umfassten“ Zugriffsschwellwert dieser in einen Vergleich mit der Zufallszahl geführt
wird.
81
c) Die standardgemäß ausgelegte Auswerteeinheit in der angegriffenen Ausführungsform ist schließlich zur
Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses vorgesehen, ob der mindestens einen
Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben
ist (Merkmal 3c).
82
Dem steht nicht entgegen, dass im UMTS-Standard der Zugriff auf den Telekommunikationskanal nicht allein
auf Grundlage des Vergleichs P
i
mit R gestaltet ist. Der Patentanspruch ist nicht dahin einzuengen, dass
eine Ermittlung in „alleiniger“ Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses vorausgesetzt werde. Hierdurch würde
der Anspruch 11 deutlich unter seinen Wortlaut ausgelegt. Ein solches Verständnis verschließt sich dem
Fachmann auch von vornherein, weil dann die gesamte Beschreibung der Ausführungsbeispiele kein
patentgemäßes Verfahren mit entsprechender Teilnehmerstation zeigen würde (vgl.
Prioritätswertabhängigkeitsprüfung und Abgleich der Telekommunikationsdiensteinformation in Sp. 12 Z. 20-
45).
83
3. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die vertriebene angegriffene Ausführungsform von der
klagepatentgemäßen Lehre wortsinngemäßen Gebrauch macht, die Beklagten sonach mangels
Nutzungsberechtigung / Lizenz das Klagepatent verletzen.
84
Ein Benutzungsrecht haben die Beklagten nicht erheblich vorgetragen. Soweit im nachgelassenen Schriftsatz
die Lizenz der Beklagten Ziff. 1 am X-Patent EP 940 056 eingewendet wird, zeigen die Beklagten nicht
ansatzweise substantiiert auf (vgl. Abschn. V: Aussetzung), dass das prioritätsältere Schutzrecht die mit dem
Klagepatent identische Lehre vermittelt (vgl. zur Problematik einer Wirkung des dem einfachen Lizenznehmer
eingeräumten positiven Benutzungsrechts gegenüber dem Inhaber eines identischen prioritätsjüngeren
Schutzrechts: OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.02.1987 - 6 U 32/86, GRUR Int. 1987, 788 -
Offenendspinnmaschinen).
85
II. Aktivlegitimation
86
Die Klägerin ist als Patentinhaberin durch Erwerb des Klagepatents von Y. im Mai 2007 hinsichtlich
sämtlicher geltend gemachter Ansprüche seit dem 9. Juni 2007 aktivlegitimiert.
87
Die von den Beklagten aufgeworfene Frage der Inanspruchnahme der Erfindung durch Y. nach § 6 ArbnErfG
i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EPÜ ist unerheblich für die Frage der vormaligen formellen und materiellen
Rechtsstellung von Y. als ursprüngliche Anmelderin (Art. 58, Art. 60 Abs. 3 EPÜ) und nach Patenterteilung
vormalige Patentinhaberin (Art. 64 Abs. 1, Art. 60 Abs. 3 EPÜ) wie Art. II § 5 Abs. 1 S. 2 IntPatÜbkG belegt.
Mit Erteilung des Patents hatte Y. die Stellung als Patentinhaberin erlangt, womit ein etwaiger
„Erfindungsberechtigter“ lediglich im Wege der Vindikation die Patentübertragung verlangen könnte. Die
Rechte aus dem Patent kann bis zu einer Vindikation aber der Patentinhaber geltend machen und über das
Recht am Patent verfügen (Art. 2 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 EPÜ). Ob die Klägerin als neue Patentinhaberin
etwaigen Vindikationsansprüchen ausgesetzt werden könnte, ist für die Auseinandersetzung der Parteien
ohne Belang. Insbesondere wird die Klägerin nach ihrer Eintragung derzeit als Patentinhaberin legitimiert (§ 30
PatG).
88
Darüber hinaus ist die Klägerin auch für die bis zum 08.06.2007 geltend gemachten Entschädigungs- und
diesbezüglichen Rechnungslegungsansprüche aktivlegitimiert. Die Abtretung der bei Y. entstandenen
Ansprüche steht zur freien Überzeugung der Kammer (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO) aufgrund der schriftlichen
Bestätigung durch Y. vom 05.11.2008 (Anlage K27) fest. Die darin bestätigte - auch formlos mögliche -
Abtretung von Zahlungsansprüchen erfasst bei verständiger Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der bestätigten
Abtretungsvereinbarung mit Rücksicht auf die ohnehin gegebenen Verpflichtungen des Zessionars nach § 402
BGB auch die korrespondierenden Rechnungslegungsansprüche. Einer Vorlage vertraulicher Verträge bedarf
es zur Überzeugungsbildung der Kammer nicht.
89
III. Einwendungsfreiheit der geltend gemachten Ansprüche
90
Die Klägerin ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt an der Durchsetzung der geltend gemachten
Ansprüche gehindert. Insbesondere ist deren Durchsetzung nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten (§ 242
BGB).
91
1. Soweit die Beklagten einwenden, die Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin Y. habe durch Verstoß gegen
die satzungsmäßigen Pflichten zur Notifizierung des Klagepatents gegenüber ETSI - gleichsam unlauter (§ 4
Nr. 10 UWG) - ein „Hinterhaltspatent“ erlangt, so dass die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem
Klagepatent per se rechtsmissbräuchlich wäre, vermag die Kammer diesem Ansatz nicht zu folgen. Dabei
kann dahinstehen, ob ein Übertragen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu sog. Sperrzeichen und
Markenanmeldungen zu Spekulationszwecken (vgl. zum Überblick: Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
UWG, 26. Aufl. 2008, § 4 Rz. 10.84 ff) auf Immaterialgüterrechte, welche auf eigenpersönlichen Leistungen
beruhen wie das Patent, überhaupt denkbar erscheint.
92
Die Beklagten haben nicht ansatzweise vorgetragen, weshalb durch den vorgetragene Satzungsverstoß von
Y. trotz abgegebener allgemeiner Lizenzbereitschaftserklärung die Wettbewerber überhaupt behindert seien,
also deren wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt sind. Die Beklagten behaupten nicht, dass
bei einer etwaigen frühzeitigen „Aufdeckung“ der Standardrelevanz des Klagepatents durch Y. ein anderer
Standard durch ETSI verabschiedet worden wäre. Die Beklagten führen allein an, der Satzungsverstoß
gegenüber ETSI bliebe sonst folgenlos. Dies aber genügt zur Bejahung des Tatbestands nach § 4 Nr. 10
UWG nicht und kann für sich unter Berücksichtigung der Relativität der Schuldverhältnisse auch keinen
Rechtsmissbrauchseinwand gegenüber der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Patentverletzer stützen.
93
2. Die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere der Unterlassungsanspruch, werden von der Klägerin als
Patentverwertungsgesellschaft auch nicht rechtsmissbräuchlich instrumentalisiert.
94
a) Ungehört bleiben die Beklagten und die Streithelferin hierbei mit ihren rechtsvergleichenden Erwägungen
zur equity im angelsächsischen Rechtskreis. Die Kammer ist an das geltende nationale Recht gebunden.
95
b) Die geltend gemachten Ansprüche unterfallen nicht dem Schikaneverbot (§ 226 BGB). Die Ansicht der
Beklagten und ihrer Streithelferin, es handele sich um Missbrauch einer formalen Rechtsstellung, ist im
Ansatz verfehlt. Es fehlt der Klägerin auch nicht an einem berechtigten schutzwürdigen Eigeninteresse (§§
242, 826 BGB).
96
Das Patent als subjektives vermögenswertes Recht gewährt dem Patentinhaber nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ
i.V.m. § 9 S. 2 PatG eine gegenüber jedermann wirkende ausschließliche Rechtsposition, wodurch dem
Patentinhaber verfassungsrechtliches Eigentum zukommt (Art. 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG). Der Gesetzgeber,
dem die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums obliegt (§ 14 Abs. 1 S. 2 GG), hat die
Wahrnehmung der Ausschließlichkeitsbefugnis nach § 9 S. 2 PatG nicht an eine gleichzeitige Benutzung des
Patents (§ 9 S. 1 PatG) durch den Patentinhaber geknüpft. Der nicht selbst nutzende Patentinhaber ist
ebenso geschützt und hat bereits zur Durchsetzung seiner Verwertungsabsichten durch Lizenzvergabe ein im
Patentsystem schutzwürdiges und berechtigtes Eigeninteresse an der Durchsetzung der ihm zukommenden
Ausschließlichkeitsbefugnis.
97
c) Vorliegend sind auch keinerlei Umstände vorgetragen oder ersichtlich, welche die Durchsetzung des
Unterlassungsanspruchs als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Die Kammer geht im Grundsatz zwar
davon aus, dass auch die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs unverhältnismäßig sein kann, denn
auch die Rechte aus dem Patent sind nicht schrankenlos gewährt (Art. 14 Abs. 2 GG, § 242 BGB). Nachdem
der Unterlassungsanspruch vom Gesetzgeber aber keinem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt
(anders: § 140a Abs. 4, § 140b Abs. 4, § 140c Abs. 2, § 140d Abs. 2 PatG) unterstellt ist und der
Unterlassungsanspruch gerade die verfassungsrechtlich geschützte Ausschließlichkeitsbefugnis absichert,
bleibt der Einwand der Unverhältnismäßigkeit auf atypische vom Gesetzgeber nicht vorhersehbare
Ausnahmefälle beschränkt. Dass eine Patentverwertungsgesellschaft einen Unterlassungsanspruch
durchzusetzen sucht, um Verletzer zur Lizenznahme anzuhalten, ist nach Auffassung der Kammer kein
solcher Ausnahmefall, sondern dem Patentsystem als Teil der geltenden Rechts- und Wirtschaftsordnung
immanent, zumal auch eine Patentverwertungsgesellschaft mit Rücksicht auf bestehende Lizenzverträge in
der Regel zu solch einem Vorgehen angehalten sein wird.
98
3. Die Klägerin ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und der Streithelferin auch nicht aufgrund
der FRAND-Erklärung von Y. von vornherein auf Zahlungsansprüche beschränkt.
99
a) Unterstellt man einmal die Sichtweise der Beklagten und ihrer Streithelferin, der FRAND-Erklärung der
Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin Y. gegenüber ETSI käme inhaltlich ein Verzicht auf die
Ausschließlichkeitsbefugnis aus standardessentiellen Patenten zu, so kann darin allenfalls eine rein
schuldrechtlich wirkende Erklärung gesehen werden, aber keine auf den Bestand des Patentrechts
einwirkende verfügende Handlung, die die Klägerin als Patenterwerberin unmittelbar in ihren Rechten aus dem
Patent beschränkt.
100 Die Beurteilung von Bestand und Schutz der Rechte am geistigen Eigentum und damit auch die Beurteilung
der Wirksamkeit von Verfügungshandlungen unterliegen der Anknüpfung nach dem Schutzlandprinzip und
damit vorliegend deutschem Sachrecht (vgl. zur bisherigen Rechtslage: zum Urheberrecht BGHZ 136, 380-
393 - Spielbankaffaire; für schadensbegründende Handlungen ab dem 11.01.2009: Art. 32, Art. 31, Art. 8 Abs.
1 VO (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht „ROM II“). Als Verfügungen über das Patent kennt die deutsche
Rechtsordnung aber ausschließlich die Übertragung des Patents (§ 15 Abs. 1 S. 2 PatG i.V.m. §§ 413, 398
BGB), die Belastung und Inhaltsänderung des Gesamtrechts durch Lizenzerteilung (§ 15 Abs. 2 PatG; vgl.
zum Verfügungscharakter im Urheberrecht Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl.
2009, § 31 Rz. 31), die Bestellung eines Nießbrauchs (§§ 1068, 1069 BGB, § 15 Abs. 1 S. 2 PatG), die
Bestellung eines Pfandrechts (§§ 1273, 1274 BGB, § 15 Abs. 1 S. 2 PatG) und den Verzicht über das Recht
aus dem Patent insgesamt, also am Patent selbst durch schriftliche Erklärung an das Patentamt (§ 20 Abs. 1
Nr. 1 PatG; zum Verfügungscharakter vgl. Schwendy in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 20 Rz. 11). Einen über
ein schuldrechtlich wirkendes „pactum de non petendo“ hinausgehenden teilweisen dinglichen Verzicht auf
Rechte aus dem Patent kennt die Rechtsordnung hingegen nicht und ist nach der Systematik des
Patentrechts ähnlich dem sachenrechtlichen numerus clausus auch ausgeschlossen. Überdies zeigt der
Gesetzgeber mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG, dass Voraussetzung einer solchen dinglich wirkenden
Verzichtserklärung aus Gründen der Rechtssicherheit die Amtsempfangsbedürftigkeit beim Patentamt sein
soll. Unabhängig von der dogmatischen Beurteilung der Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 Abs. 1 S. 1
PatG gibt auch dieses Institut keinen Beleg dafür, dass die Rechtsordnung daneben einen teilweisen dinglich
wirkenden Verzicht auf Rechte aus dem Patent anerkennt. Auch hier wird aus Gründen der Rechtssicherheit
eine amtsempfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Patentamt verlangt. Im Umkehrschluss zu den
Regelungen nach §§ 23, 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG ergibt sich geradezu, dass auf die Rechte aus dem Patent
anderweitig nicht mit dinglicher Wirkung verzichtet werden kann.
101 b) Soweit die Beklagten nunmehr einwenden könnten, es handele sich damit bei der FRAND-Erklärung
gegenüber ETSI jedenfalls um ein schuldrechtliches „pactum de non petendo“ (Verbotsverzicht), also eine vor
der eigentlichen einfachen Lizenznahme an Benutzungswillige erteilte „negative Lizenz“, so wird, diese
Auslegung einmal unterstellt, die Klägerin nicht gehindert, ihr Verbotsrecht durch Unterlassungsklage geltend
zu machen. Denn eine von Y. eingeräumte „negative Lizenz“ unterliegt nicht dem Sukzessionsschutz nach §
15 Abs. 3 PatG (vgl. Ullmann in Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, § 15 Rz. 111), womit die Klägerin an eine
solche „negative Lizenz“ nicht gebunden wäre. Lizenz nach § 15 Abs. 2, Abs. 3 PatG ist nur die eingeräumte
Befugnis zur positiven Nutzung der lizenzierten technischen Lehre (OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.02.1987 - 6 U
32/86, GRUR Int. 1987, 788, 789 - Offenendspinnmaschinen).
102 4. Die Klägerin ist weiter keinem „dolo-agit“ -Einwand ausgesetzt vor dem Hintergrund etwaiger aus der
FRAND-Erklärung folgender Lizenzierungspflichten. Dabei lässt die Kammer offen, ob aus der FRAND-
Erklärung gegenüber ETSI zugunsten Dritter überhaupt ein Lizenzierungsanspruch folgt und ob dieser
Einwand rechtsdogmatisch gegen den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch geführt werden kann.
103 Unterstellt man, aus der FRAND-Erklärung gegenüber ETSI folge eine Lizenzierungsverpflichtung an
benutzungswillige Dritte, so ist bereits festzuhalten, dass die Klägerin an diese Erklärung nicht gebunden ist.
104 Die Klägerin selbst ist weder Mitglied von ETSI, noch behaupten die Beklagten, die etwaigen Verpflichtungen
von Y. seien aufgrund privatautonomer Vereinbarungen mit der Klägerin (bspw. Schuldübernahme nach §§
414 ff. BGB oder Schuldbeitritt) auf diese übergegangen.
105 Die FRAND-Erklärung unterliegt ferner nicht dem Sukzessionsschutz nach § 15 Abs. 3 PatG. Diese
Bestimmung als Sonderregelung eines Bestandsschutzes gegenüber dem Grundsatz der Relativität des
Schuldverhältnisses ist einer Analogie mangels planwidriger Regelungslücke nach Auffassung der Kammer
nicht zugänglich. Überdies besteht keine vergleichbare Interessenslage bei berechtigt nutzenden
Lizenznehmern einerseits und unberechtigt Nutzenden oder lediglich Nutzungswilligen andererseits.
106 Der Verweis der Streithelferin auf die Regelungen der §§ 413, 404 BGB geht ebenso fehl. § 404 BGB findet im
Rahmen der Patentübertragung keine Anwendung. Denn das Recht auf das, an dem und aus dem Patent ist
ein absolutes Recht, das keinen Schuldner kennt (RGZ 127, 197, 205).
107 Schließlich erwächst aus Art. 81 EG selbst kein Sukzessionsschutz. Überlegungen der Beklagten und
Streithelferin hierzu de lege ferenda können nicht durchdringen.
108 5. Ausgehend von der Nicht-Bindung der Klägerin an die FRAND-Erklärung von Y. ergibt sich aber auch keine
Nichtigkeit der Patentübertragung an die Klägerin nach Art. 81 Abs. 1, Abs. 2 EG.
109 Die Übertragung des Klagepatents bezweckte weder eine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 81 Abs. 1 EG
noch wurde eine solche bewirkt. Das Verfügungsgeschäft als solches verfolgt zunächst allein den Zweck, die
Verfügungsberechtigung über einen Gegenstand zu verlagern und ist im übrigen per se als zweckfrei
anzusehen. Dass sich aus den Umständen der Patentübertragung etwas anderes ergebe, ist weder
vorgetragen noch ersichtlich. Eine Wettbewerbsbeschränkung, die sich von derjenigen unterscheidet, die
durch die mit der Standardisierung verbundene Standardessentialität eines Patents möglicherweise
hervorgerufen wurde, wird von der Patentübertragung ohne Bindung des Zessionars an eine vom Zedenten im
Standardisierungsverfahren gegebene FRAND-Erklärung aufgrund entsprechender Statuten (mit Blick auf Art.
81 Abs. 1 und Abs. 3 EG) einer Standardisierungsorganisation nicht bewirkt. Denn die etwaige Verpflichtung
eines Patentinhabers aus einer solchen FRAND-Erklärung erschöpft sich in den etwaig ohnehin aus Art. 82
EG folgenden Lizenzierungsverpflichtungen. Einer auf kartellrechtlichen Erwägungen beruhenden
Zugangsgewährung zu FRAND-Bedingungen kann sich der Patentinhaber nicht entziehen. Sonach fehlt es
aber an einer die Nichtigkeitsfolge nach sich ziehenden Wettbewerbsbeschränkung durch die
Patentübertragung.
110 6. Soweit die Beklagten letztlich den sog. kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand gegen den
Unterlassungsanspruch führen, dringen sie auch insoweit nicht durch. Ob dieser „dolo-agit“ -Einwand dem
patentrechtlichen Unterlassungsanspruch entgegengehalten werden kann, bedarf keiner Entscheidung der
Kammer. Denn soweit der Einwand als zulässig erachtet wird (vgl. in diese Richtung tendierend: OLG
Karlsruhe, Urt. v. 13.12.2006 - 6 U 175/02, InstGE 8, 14-24 - Orange Book; für den Unterlassungsanspruch
offengelassen: BGHZ 160, 67 - Standard-Spundfass), setzt dieser jedenfalls die kartellrechtswidrige
Weigerung des Patentinhabers zur Lizenzierung des standardessentiellen Klagepatents zu
kartellrechtsmäßigen Bedingungen voraus.
111 Eine solche Weigerung tragen die Beklagten jedoch schon im Ansatz nicht erheblich vor. Dass die Beklagten
um eine Einzellizenz am Klagepatent ersucht hätten und die Klägerin eine solche Einzellizenz
kartellrechtswidrig verweigerte, machen sie nicht geltend. Das Vorbringen, die Klägerin habe ein Angebot zum
Abschluss eines Lizenzvertrags über das Patentportfolio zu einer Einmalzahlung von USD … abgelehnt, ist
von vornherein irrelevant. Die Beklagten verkennen insoweit, dass sich eine kartellrechtliche Verpflichtung
zwar im Zusammenhang mit standardessentiellen Patenten ergeben könnte, jedoch das Patentportfolio - dies
ist zwischen den Parteien außer Streit - nicht ausschließlich standardessentielle Patente umfasst. Ein
kartellrechtlicher Lizenzgewährungsanspruch zu FRAND-Bedingungen an einem solchen Misch-Patentportfolio
besteht nicht. Dass die Klägerin Lizenz zu FRAND-Bedingungen an ihren standardessentiellen Patenten aus
dem Portfolio verweigert, tragen die Beklagten nicht vor. Wie die Klägerin ihr Gesamtportfolio gegenüber
Dritten verwertet ist damit ohne Belang.
112
IV. Rechtsfolgen
113 Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt nach Maßgabe der nationalen Bestimmungen (Art. 64 Abs. 1,
Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 EPÜ) die gestellten Anträge.
114 1. Die Beklagten sind der Klägerin zur Unterlassung nach § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet. Das rechtswidrige
Angebot und die rechtwidrige Lieferung der angegriffenen Ausführungsform in der Vergangenheit begründen
die erforderliche Wiederholungsgefahr für die Zukunft.
115 2. Da die Beklagten zur Unterlassung verurteilt werden, sind ihnen gemäß § 890 ZPO auf Antrag der Klägerin
die gesetzlichen Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung anzudrohen.
116 3. Durch Urteil ist festzustellen, dass die Beklagten für die begangenen Benutzungshandlungen in der Zeit
vom 13.04.2002 bis zum 08.06.2007 eine angemessene Entschädigung zu zahlen haben und für
Verletzungshandlungen seit dem 09.06.2007 zum Schadensersatz verpflichtet sind.
117 a) Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO liegen vor. Die
Klägerin kennt den genauen Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen nicht. Ohne diese Kenntnis
kann sie einen Antrag auf Zahlung von angemessener Entschädigung und Schadensersatz nicht beziffern. Da
aber die Beklagten die Benutzung der Erfindung und die Patentverletzung in Abrede stellen, hat die Klägerin
ein rechtliches Interesse daran, auch zur Hemmung der Verjährung und Herbeiführung der dreißigjährigen
Verjährungsfrist, dass das Bestehen eines Entschädigungs- und Schadensersatzanspruchs alsbald
festgestellt wird.
118 b) Der Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich aus § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagten handelten schuldhaft,
nämlich zumindest fahrlässig. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten sie spätestens
einen Monat nach Veröffentlichung der Mitteilung über die Erteilung des Klagepatents erkennen können und
erkennen müssen, dass das Klagepatent durch die angegriffene Ausführungsform verletzt wird. Die Beklagten
haften aufgrund des gemeinschaftlichen Vertriebs im Bundesgebiet als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB).
119 c) Die Entschädigungspflicht folgt aus Art. II § 1 Abs. 1 S. 1 IntPatÜbkG. Die Veröffentlichung des Hinweises
nach Art. 93 EPÜ datiert auf den 13.03.2002. Die Beklagten hätten spätestens einen Monat nach der
Offenlegung wissen müssen, dass das Klagepatent angemeldet wurde, und es sich beim Angebot und der
Lieferung der angegriffenen Ausführungsform um eine Benutzung des angemeldeten Klagepatents handelt.
120 4. Die Beklagten sind der Klägerin auch zur Rechnungslegung verpflichtet gemäß § 140b Abs. 1 PatG und
einer zu Gewohnheitsrecht erstarkten Anwendung von § 242 BGB.
121 Die Klägerin kann ihre Ersatzansprüche nicht ohne Kenntnis der Umstände, über die sie Rechnungslegung
fordert, berechnen. Da diese Umstände der Klägerin als Betriebsinterna der Beklagten naturgemäß unbekannt
sind, die Beklagten hierüber aber anhand ihrer Buchhaltung ohne unzumutbaren Aufwand Rechnung legen
können, sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet. Diese Verpflichtung hat sich auch auf den
Gewinn der Beklagten für den Zeitraum der Schadensersatzverpflichtung und die zur Berechnung des
Schadens erforderlichen Daten zu beziehen. Die Klägerin muss durch die Auskunft erst in die Lage versetzt
werden, sich für eine der möglichen Berechnungsarten ihres Schadensersatzanspruchs (Verletzergewinn,
entgangener Gewinn oder fiktive Lizenz) zu entscheiden.
122
V. Keine Aussetzung
123 Der Rechtsstreit ist nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklagen gegen den
deutschen Teil des Klagepatents auszusetzen. Die Entscheidung über die Nichtigkeitsklagen ist zwar
vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO. Die Kammer übt aber das ihr durch diese Vorschrift eingeräumte
Ermessen dahin aus, dass von einer Aussetzung abgesehen wird. Die Kammer lässt sich hierbei von
folgenden Überlegungen leiten:
124 1. Um Missbräuche zu verhindern, ist ein Verletzungsprozess nur dann auszusetzen, wenn der
voraussichtliche Erfolg einer Nichtigkeitsklage von den Beklagten glaubhaft gemacht ist. Die bloße
Möglichkeit der Vernichtung des Klagepatents genügt für eine Aussetzung nicht. Allgemein ist große
Zurückhaltung mit der Anordnung der Aussetzung geboten, damit nicht im Wege der Aussetzung letztlich eine
Suspendierung des dem Patentinhaber durch die Patenterteilung auch für die Gerichte bindend verliehenen
Verbotsrechts für eine erhebliche Zeitspanne erreicht wird. Es ist daher eine hohe Wahrscheinlichkeit der
fehlenden Rechtsbeständigkeit des Klagepatents zu verlangen (vgl. Rogge/Grabinski, a.a.O., § 139 Rz. 107).
Diese das Interesse der Klägerin zutreffend beschreibenden Gesichtspunkte überwiegen im vorliegenden Fall
das Interesse der Beklagten an einer Aussetzung des Rechtsstreits sowie das allgemein durch § 148 ZPO
geschützte Interesse an der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen.
125 2. Im einzelnen:
126 a) Die Beklagten haben der Kammer für die notwendige Überzeugungsbildung, dass den Nichtigkeitsklagen
vor dem Bundespatentgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg beschieden sein wird, nicht dezidiert
aufgezeigt, dass der in den geführten Nichtigkeitsklagen von X. und der Beklagten Ziff. 1 zitierte Stand der
Technik die patentgemäße Lehre neuheitsschädlich vorwegnimmt. Insoweit vermag die Kammer nicht zu
erkennen, dass im angeführten Stand der Technik eine Auswerteeinheit zur klagepatentgemäßen Prüfung
nach Merkmal 3a offenbart wird. Insbesondere genügt nicht der Hinweis zum GSM-Standard 0.60 in Kapitel
12.14 bei Tabelle 85, dass dort die Übertragung eines „Persistence Level Bit“ bestehend aus vier Bits, denen
ein Signalisierungsbit „L│H“ vorgelagert ist, offenbart werde. Hierdurch wird nicht die anspruchsgemäße
Prüfung nach Merkmal 3a entsprechend dem 10-Bit-Belegungsmusterbeispiel und dessen
Auswerteinformation s4 gezeigt. Hierzu müssten die Beklagten aufzeigen, dass das Belegungsmuster nach
der Entgegenhaltung Teil der Informationssignale der Basisstation ist, die stets Zugriffsberechtigungsdaten im
Sinne des Klagepatents an die Mobilstationen übermitteln und je nach Setzen des Signalisierungsbits die
Zugriffsberechtigungsdaten die Zugriffskontrolle von einem Zugriffsschwellwertvergleich in Zusammenhang
mit dem „Persistence Level“ abhängig machen oder die Zugriffsberechtigungsdaten die Zugriffsverwaltung
einem anderen Mechanismus unterstellen („Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen
Zugriffsberechtigungsdaten, ob [diese] einen Zugriffsschwellwert umfassen“). Die von den Beklagten
dargelegte Funktion des Signalisierungsbits erschöpft sich aber in dem Umstand, dass eine Bitfolge als
„Persistence Level Bit“ kenntlich gemacht wird, dass also von der Basisstation ausgesendete Signale ein
„Persistence Level Bit“ enthalten.
127 b) Soweit unter pauschaler Bezugnahme auf die Nichtigkeitsklagen die Erfindungshöhe des Klagepatents in
Frage gestellt wird, vermögen die Beklagten schon im Ansatz nicht - jedenfalls für den Nichttechniker -
aufzuzeigen, dass sich kein vernünftiges Argument mehr für die Erfindungshöhe finden lasse. Auch vor
diesem Hintergrund sind die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklagen nicht als hochwahrscheinlich
einzustufen.
128
D. Eventual-Widerklage
129 Die zulässige innerprozessuale Bedingung ist durch Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung eingetreten.
Die Widerklage gerichtet auf Feststellung einer Lizenzierungsverpflichtung der Klägerin am Klagepatent zu
Bedingungen, die nicht ungünstiger sind als die günstigsten Bedingungen, die die Klägerin oder ihre
Rechtsvorgängerin anderen einfachen Lizenznehmern gewährt hat, ist bereits unzulässig. Die Kammer lässt
dabei offen, ob der Antrag überhaupt auf Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses gerichtet ist, denn
jedenfalls fehlt es am Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Unabhängig davon, dass die Beklagten
gehalten sein könnten, unmittelbar Leistungsklage zu erheben, fehlt es an einem gegenwärtigen
Feststellungsinteresse, weil eine den subjektiven Rechten der Beklagten gegenwärtige Gefahr der
Unsicherheit durch ernstliches Bestreiten des geltend gemachten subjektiven Rechts der Beklagten nicht
droht. Eine Verweigerung der Klägerin zu einer Lizenzgewährung am Klagepatent - zu welchen Bedingungen
auch immer - tragen die Beklagten nicht vor. Dies verwundert auch nicht, ist doch unstreitig zwischen den
Parteien, dass lediglich Verhandlungen über das Patentportfolio als solches geführt worden sind.
130
E. Nebenentscheidungen
131
I. Kosten
132 Die einheitliche Kostengrundentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 100
Abs. 2, 100 Abs. 4, 101 Abs. 1 ZPO und orientiert sich an den Wertverhältnissen der zurückgenommenen
Klageansprüche im Vergleich zu den zur Entscheidung gestellten Anträgen.
133 Nachdem die Teilklagerücknahme nach Streitbeitritt erfolgte, ist die Klägerin gegenüber der Streithelferin im
entsprechenden Verhältnis als unterlegen anzusehen, § 101 Abs. 1 HS 1 ZPO.
134 Eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung der Beklagten nach § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO kommt allein
hinsichtlich der Kosten in Betracht, die anteilsmäßig durch die Schadensersatzfeststellung verursacht sind
(vgl. KG Berlin, Beschluss v. 26.02.2002 - 5 W 85/01, KGR Berlin 2002, 282), nicht aber hinsichtlich der die
Beklagten jeweils persönlich treffenden Unterlassungs- und Rechnungslegungspflichten. Insoweit hat die
Kammer das Interesse an der Schadensersatzfeststellung mit 20 % des auf die verbliebenen Klageanträge
entfallenden Teilstreitwerts geschätzt.
135
II. Vollstreckbarkeit
136 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.
137 Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen von § 712 Abs. 1 S.
1 ZPO sind weder hinreichend dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 714 Abs. 1 ZPO). Die
Beklagten tragen hierzu lediglich vor, ihnen drohten erhebliche Umsatzverluste sowie nachhaltige
Beeinträchtigungen der Lieferbeziehungen zu großen Abnehmern und hieraus folgend ein dauerhafter Verlust
von Marktanteilen in Deutschland auch über die Zeit der Zwangsvollstreckung hinaus. Ein nicht zu
ersetzender Nachteil ist hiernach aber nicht erkennbar. Die Einstellung des Vertriebs der angegriffenen
Ausführungsformen, den damit einhergehenden Verlust von Kunden und etwaigen Imageschaden und die
hieraus folgenden finanziellen Einbußen genügen nicht zur Darlegung eines nicht - im Wege des § 717 Abs. 2
S. 1 ZPO - zu ersetzenden Nachteils (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.06.2007 - I-2 U 22/06, InstGE 8,
117, 120 ff. - Fahrbare Betonpumpe). Dass mit der Produktions- und Vertriebseinstellung die wirtschaftliche
Existenz der Beklagten gefährdet wäre, weil Insolvenz drohen könnte, legen sie nicht dar und ist auch sonst
nicht ersichtlich.
138 Die Höhe der auf den Unterlassungstenor entfallenden Sicherheitsleistung bestimmt die Kammer nach ihrem
freien Ermessen (§ 108 Abs. 1 S. 1 ZPO) am zu erwartenden etwaigen Vollstreckungsschaden (§ 717 Abs. 2
S. 1 ZPO). Bei ihrer Schadensschätzung kann sich die Kammer nicht an den Umsatzangaben der Beklagten
orientieren (200 Millionen EUR in Deutschland), da nicht ersichtlich ist, welcher Betrag auf die angegriffenen
Ausführungsformen entfällt. Ohne nähere substantiierte Angaben hinsichtlich zu erwartender Schäden
erachtet die Kammer eine Sicherheitsleistung von 1 Million EUR als ausreichend.
F.
139 Die nicht nachgelassenen Schriftsätze bedürfen keiner Berücksichtigung im Urteil und veranlassen die
Kammer nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).