Urteil des LG Mannheim vom 10.03.2006

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LG Mannheim Beschluß vom 10.3.2006, 1 T 20/06
Akteneinsicht im Nachlassinsolvenzverfahren: Sofortige Beschwerde gegen die Antragszurückweisung;
Einsichtsrecht des Schuldnererben in Akten des Insolvenzverwalters
Leitsätze
1. Weist das Insolvenzgericht einen Antrag auf Einsicht in die Akten des Insolvenzverwalters zurück, so steht
dem Antragsteller hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde offen.
2. Der Schuldner hat im Insolvenzverfahren ein Recht auf Einsicht in die Gerichtsakte. Ein Anspruch auf Einsicht
in die Akten des Insolvenzverwalters steht ihm darüberhinaus nicht zu.
(rechtskräftig nach Verwerfung der Rechtsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof als unzulässig)
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom
15.02.2006 - Az.: IN 722/04 -wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Ziff. 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
1
Die Beteiligte Ziff. 1 ist Tochter und testamentarische Alleinerbin des am ... verstorbenen K. Auf ihren Antrag
(AS 1 - 8) wurde über dessen Nachlass durch Beschluss vom 11.05.2005 (AS 91 f.) das Insolvenzverfahren
eröffnet. Zur Insolvenzverwalterin wurde die Beteiligte Ziff. 2 ernannt.
2
Die Beteiligte Ziff. 1 beantrage mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20.01.2006 (AS 184) ihr
sowohl Einsicht in die Gerichtsakte als auch in die Akte der Insolvenzverwalterin zu gewähren. Das Ersuchen
um Einsichtnahme in die Akte der Insolvenzverwalterin begründete sie damit, dass diese sich in destruktiver
Weise einem Informationsaustausch widersetze. Ein solcher sei im Interesse einer zügigen Abwicklung des
Verfahrens geboten.
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Der Antragstellerin geht es bei ihrem Akteneinsichtsersuchen darum, zu erfahren, was die Insolvenzverwalterin
in Bezug auf die Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Immobilie auf Mallorca veranlasst hat.
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Die Insolvenzverwalterin lehnte gegenüber dem Bevollmächtigten der Beteiligten Ziff. 1 deren Einsichtnahme in
ihre Akte ab und teilte dies dem Insolvenzgericht mit (AS 194 - 196).
5
Die Rechtspflegerin teilte der Beteiligten Ziff. 1 unter dem 27.01.2001 mit, dass die Gerichtsakte auf der
Geschäftsstelle eingesehen werden könnte und wies im Übrigen darauf hin, dass es ihr nicht obliege, Einsicht
in die Akte des Insolvenzverwalters zu gewähren oder derartiges anzuordnen.
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Nachdem die Beteiligte Ziff. 1 ihren Antrag auf Einsichtnahme in die Akte der Insolvenzverwalterin nochmals
gestellt hatte lehnte die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 15.02.2006, auf dessen Gründe verwiesen wird,
eine Einsichtnahme in die "Handakte" des Insolvenzverwalters ab.
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Hiergegen richtet sich das form- und fristgerecht eingelegte, als sofortige Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel
der Beteiligten Ziff. 1, mit dem sie ihr erstinstanzliches Begehren, Einsicht in die Akte der Insolvenzverwalterin
zu erhalten, weiterverfolgt. Wegen des Beschwerdevorbringens der Beteiligten Ziff. 1 wird auf deren Schriftsatz
vom 18.02.2006 (AS 203 bis 206) verwiesen.
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Das Amtsgericht hat dem ... Rechtsmittel mit Beschluss vom 22.02.2006 nicht abgeholfen und die Akte dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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1. Das als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss vom
15.02.2006 ist zulässig; insbesondere ist die sofortige Beschwerde statthaft.
10 Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich aus §§ 6 Abs. 1, 4 InsO, 567 Abs. 2 ZPO.
11 Die Beteiligte Ziff. 1 ist als Rechtsnachfolgerin (Erbin, § 1922 BGB) des verstorbenen K und als seine Tochter,
die gemäß § 327 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachrangige Gläubigerin ist, Beteiligte des vorliegenden
Insolvenzverfahrens.
12 Die überwiegend vertretene Meinung erachtet gegen die Ablehnung eines Akteneinsichtsersuchens eines
Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde für gegeben (Vgl. Zöller; ZPO, 24. Aufl., §
299 Rdnr. 5 a; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 63. Aufl., § 299 Rdnr.18, Münchener Kommentar, 2.te Aufl., zur
gleich lautenden Regelung nach altem Recht, hält das damals gegeben Rechtsmittel der Beschwerde für
statthaft; Frege u.a., Insolvenzrecht, Rdnr. 186). Dem steht die Regelung in § 6 Abs. 1 InsO nicht entgegen.
Diese Regelung betrifft nur diejenigen Entscheidungen, die unmittelbar nach der Insolvenzordnung gefällt
werden. Gegen solche Entscheidungen die auf Grund von der gemäß § 4 InsO analog anwendbaren ZPO
gefällt werden, sind auch die in der ZPO vorgesehenen Rechtsmittel anwendbar.
13 Zwar regelt § 299 ZPO nur die Einsichtnahme in Gerichtsakten und nicht die Einsichtnahme in die Akten
anderer Verfahrensbeteiligter. Da es sich bei dieser Vorschrift jedoch um die einzige Akteneinsicht betreffende
Vorschrift in der ZPO handelt und es vorliegend um die Frage geht, ob diese auf die Akten des
Insolvenzverwalters anwendbar ist, hat sich die Beurteilung der Statthaftigkeit des eingelegten Rechtsmittel an
der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung gemäß § 299 Abs. 1 ZPO zu richten.
14 2. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.02.2006 ist jedoch unbegründet.
15 Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Beteiligten Ziff. 1 keine Einsicht in die Akten der
Insolvenzverwalterin zu gewähren ist.
16 Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das in § 299 Abs. 1 ZPO normierte Akteneinsichtsrecht sich
nur auf die Gerichtsakte bezieht, nicht aber auf die von anderen Beteiligten geführten Akten. Zu diesen anderen
Beteiligten gehört auch der Insolvenzverwalter.
17 Darauf, inwieweit anderen Beteiligten ein Akteneinsichtsrecht in die beim Insolvenzverwalter geführten
gerichtlichen Akten(teile), wie zum Beispiel die von ihm gemäß § 174 ff. InsO zu führenden Tabellen zusteht,
kam es vorliegend nicht an, da sich das Akteneinsichtsersuchen der Beteiligten Ziff. 1 hierauf nicht bezieht.
18 Diese will vielmehr in die Akten Einsicht nehmen, aus denen diejenigen Maßnahmen der Insolvenzverwalterin
ersichtlich sind, die sich auf die Verwertung des Nachlasses beziehen, wie entsprechende Verkaufs- und
Kaufangebote und Belege über sonstige im Hinblick auf die Veräußerung des Nachlasses getätigte
Maßnahmen.
19 Die Beteiligte Ziff. 1 hat keinen Anspruch darauf, dass das Insolvenzgericht die Insolvenzverwalterin anweist,
die beanspruchte Akteneinsicht zu gewähren.
20 Der Insolvenzverwalter führt sein Amt unabhängig von Gläubiger und Schuldner (§ 56 Abs. 1 InsO). Er ist
diesen im laufenden Insolvenzverfahren nur in dem in der Insolvenzordnung geregelten Umfang zu Auskünften
und der Vorlage von Belegen verpflichtet (Vgl. z.B. §§ 66, 69 InsO). Darüber hinaus trifft ihn keine
Verpflichtung, Rechenschaft abzulegen. Insbesondere ist er nicht verpflichtet, seine gesamten Akten, aus
denen sich ja auch vorbereitende Maßnahmen, persönliche Notizen und ähnliches ergeben können, anderen
Verfahrensbeteiligten zur Verfügung zu stellen.
21 Der Schuldner, dessen Stellung derjenigen der Beteiligten Ziff. 1, als Erbin, in der Nachlassinsolvenz
vergleichbar ist, ist zwar gemäß § 97 InsO verpflichtet, mit dem Insolvenzverwalter zusammen zu arbeiten.
Dem steht jedoch keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters gegenüber, mit dem Schuldner bzw. im Fall der
Nachlassinsolvenz mit den Erben zusammen zu arbeiten, so dass insoweit auch keine über die Regelungen
der Insolvenzordnung hinausgehende Informationsverpflichtung angenommen werden kann, die eine
Ausdehnung der Regelung des § 299 Abs. 1 ZPO gebieten würde.
22 Ob und inwieweit der Insolvenzverwalter mit dem Schuldner zusammen arbeitet, inwieweit er diesen über
geplante Maßnahmen unterrichtet, entscheidet der Insolvenzverwalter in eigener Verantwortung nach
pflichtgemäßem Ermessen. Eine vollständige Unterrichtung des Schuldners dürfte in vielen Fällen, in denen
der Schuldner sich nicht kooperativ verhält, auch nicht angezeigt sein, da sie dem Schuldner die Möglichkeit
eröffnet, vom Insolvenzverwalter geplante Maßnahmen zu torpedieren.
23 Hierdurch werden weder Gläubiger noch Schuldner rechtlos gestellt. Ihnen steht neben den in der
Insolvenzordnung geregelten Einflussmöglichkeiten, für den Fall dass ein Insolvenzverwalter gegen seine
Pflichten verstößt, auch der in § 60 InsO geregelte Schadensersatzanspruch zu.
24 Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss vom 15.02.2006 war daher
zurückzuweisen.