Urteil des LG Mannheim vom 19.07.2002

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LG Mannheim Urteil vom 19.7.2002, 1 S 354/01
Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung: Abrechnung zahnärztlicher Mehrschichtrekonstruktionen mit dentinadhäsiven
Kunststofffüllungen
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 12.11.2001 (4 C 231/01) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
1 Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen gem. § 543 ZPO a.F.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Das Amtsgericht hat die Klage des Klägers auf Zahlung restlichen Zahnarzthonorars zu Recht abgewiesen. Es wird insoweit auf die nach eigener
Prüfung für zutreffend erachteten Entscheidungsgründe des Amtsgerichts verwiesen.
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Auch die Berufungsbegründung des Klägers rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Insbesondere hat das Amtsgericht nicht über
Tatsachen entschieden, für deren Beurteilung ihm die Sachkunde gefehlt hat. Das Amtsgericht hat zu Recht davon abgesehen, ein
Sachverständigengutachten zu den entscheidungserheblichen Fragen einzuholen. Ein Sachverständigengutachten ist auch in der
Berufungsinstanz entbehrlich. Dies beruht darauf, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig sind.
Soweit die Parteien die unstreitigen Tatsachen unterschiedlich bewerten, handelt es sich um Rechtsfragen und keine tatsächlichen Fragen.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen über den bereits gezahlten Betrag hinausgehenden Honoraranspruch mehr. Die Voraussetzungen
für die vom Kläger vorgenommene Abrechnung seiner Leistung (Füllung von 8 Zähnen mit dentin-adhäsiven Kunststoffkompositfüllungen)
analog der Gebührenziffer 217 GOZ liegen nicht vor. Der Kläger kann diese Leistung vielmehr nur gemäß Ziffer 209 GOZ abrechnen. Das hierfür
anfallende Honorar hat der Beklagte unstreitig bereits gezahlt.
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Voraussetzung für eine analoge Abrechnung ist zum einen, dass die zahnärztliche Leistung gem. §§ 6 Abs. 2 i.V.m. 4 Abs. 2 GOZ eine
selbständige Leistung darstellt, die nicht von einer Gebührenziffer der GOZ erfasst wird und erst nach Inkrafttreten der GOZ auf Grund
wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt worden ist, und zum anderen, dass die erbrachte Leistung nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit der
zugrunde gelegten Gebührenziffer vergleichbar ist.
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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
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Fraglich ist bereits, ob hinsichtlich der dental-adhäsiven Komposittechnik eine unbewusste Regelungslücke vorliegt, die zur analogen
Abrechnung gemäß § 6 Abs. 2 GOZ berechtigt. Nach der amtlichen Begründung können Leistungen, die der Verordnungsgeber in Kenntnis der
bisher gebräuchlichen Analogieliste nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen hat, nach Erlass der GOZ nicht mehr in Rechnung gestellt
werden. Aus Sicht des Verordnungsgebers decken die nach der GOZ abrechenbaren Leistungen nämlich das Spektrum der bei Erlaß bekannten
wissenschaftlich allgemein anerkannten zahnärztlichen Leistungen vollständig ab (Liebold/Raff/Wissing GOZ-Kommentar § 6 Rn. 12 f). Hier
ergibt sich aus der Stellungnahme des Verordnungsgebers, nämlich des innerhalb der Bundesregierung zuständigen Bundesministeriums für
Gesundheit, vom 22.01.1997 (I, Bl. 65 f), dass dieser die wissenschaftliche Entwicklung der Schmelz-Adhäsivtechnik bei Erlass der GOZ kannte,
wenngleich die Technik auch im Nachhinein verbessert und für den Seitenzahnbereich weiterentwickelt worden ist. Er hat für diese Technik
bewusst keinen eigenständig abrechenbaren Gebührentatbestand geschaffen. Es besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, sich über den Willen
des Verordnungsgebers durch Anwendung einer Analogie hinwegzusetzen.
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Darüberhinaus ist die dental-adhäsive Komposittechnik keine selbständige Leistung i.S. von §§ 6 Abs. 2 i.V.m. 4 Abs. 2 GOZ. Die vom Kläger
erbrachte Leistung wird dem eindeutigen Wortlaut nach von Ziff. 209 der GOZ erfasst. Unter diese Gebührenziffer fällt das "Präparieren einer
Kavität, Füllen mit plastischem Füllmaterial einschließlich Unterfüllung, Anlegen einer Matrize oder Benutzen anderer Hilfsmittel zur Formung der
Füllung, dreiflächig". Welches Material verwendet wird, ergibt sich nicht aus dieser Gebührenziffer. Damit fällt jedes plastische Füllmaterial
darunter. Bei der Komposittechnik wird Kunststoff verwendet, welcher ein plastisches Füllmaterial darstellt. Dadurch, dass die
Kunststoffkompositfüllung in mehreren Lagen und damit mehreren Arbeitsschritten aufgebracht wird, verändert sich nicht der Charakter der
Leistung als solcher. Es handelt sich vergleichbar zur Herstellung einer Amalgamfüllung auch um die Füllung einer Kavität mit plastischem
Füllmaterial.
10 Die Schwierigkeiten und der Zeitaufwand einer besonderen Ausführung der einzelnen Leistung sind gem. § 5 Abs. 2 GOZ durch die Höhe des
Gebührensatzes auszugleichen. Dies hat der Beklagte durch den Ansatz des 3,5-fachen Satzes der Gebührenziffer 209 bei der Berechnung
seiner Zahlung auf die Rechnung des Klägers getan.
11 Bei der Beurteilung der Frage der Selbständigkeit der dental-adhäsiven Komposittechnik bedurfte es entgegen der Ansicht des Klägers auch
nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zwischen den Parteien ist unstreitig, welche Arbeitsschritte zur Anfertigung einer
solchen Kompositfüllung erforderlich sind. Ebenso ist auch unstreitig, welche Arbeitsschritte zur Fertigung einer Einlagefüllung gemäß Ziff. 217
der GOZ erforderlich sind. Das Gericht ist aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes in der Lage, den Inhalt der erbrachten Leistung mit der
Leistungsbeschreibung der betreffenden Gebührenziffern der GOZ zu vergleichen.
12 Aufgrund des Leistungsinhalts der Fertigung einer Einlagefüllung gemäß Ziff. 217 GOZ ergibt sich, dass keine Vergleichbarkeit zwischen einer
Einlagefüllung und einer dentin-adhäsiven Kompositfüllung besteht. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist eine Einlagefüllung damit
verbunden, dass nach Präparierung der Kavität ein Abdruck gefertigt werden muss, nach dem die Einlage nachgebildet wird. In einer zweiten
Sitzung muss sodann diese Einlage in die Kavität eingebracht werden. Durch die Herstellung der Einlage entsteht somit erheblicher
Mehraufwand gegenüber der Füllung einer Kavität mit plastischem Füllmaterial in einer Sitzung.
13 Nach alledem hat das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.