Urteil des LG Mainz vom 01.06.2006

LG Mainz: fahrzeug, grobe fahrlässigkeit, geschäftsführer, entwendung, wegnahme, feststellungsklage, diebstahl, feststellungsurteil, leistungsklage, verkehr

Versicherungsrecht
LG
Mainz
01.06.2006
4 O 318/05
Leistungsfreitheit tritt in der Fahrzeugversicherung regelmäßig wegen grober fahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalles dann ein, wenn der Versicherungsnehmer nach Verlassen des Fahrzeugs den Schlüssel im
Zündschloss stecken lässt.
Geschäftsnummer:
4 0 318/05
Verkündet am: 01.06.06
F., Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
G. F. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer G. F., in L.
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. K., in M.
gegen
HDI Industrie Versicherung AG, Niederlassung M., vertreten durch den Vorstand, in M.
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. K. und Dr. K., in M.
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Sch. sowie den
Richterinnen am Landgericht P. und Sch. mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2
ZPO unter Berücksichtigung der bis zum 28.4.2006 eingereichten Schriftsätze
für R e c h t erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin verfolgt im Wege einer Feststellungsklage Ansprüche aus einem bei der Beklagten bestehenden
Kaskoversicherungsvertrag.
Das Fahrzeug BMW 330 D touring, erstmals zugelassen am 6.8.2004, wurde am 28.6.2005 in M./Luxemburg von einem
Unbekannten entwendet. Die Entwendung ereignete sich an einer von dem Geschäftsführer der Klägerin betreuten
Baustelle in dem vorgenannten luxemburgischen Dorf. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte beim Aussteigen aus dem
Fahrzeug den Schlüssel im Zündschloss stecken gelassen. Er hielt sich hinter dem Fahrzeug auf als ein Unbekannter
plötzlich die Tür öffnete in das Fahrzeug stieg und mit diesem flüchtete. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Parteien
unstreitig. Geteilter Auffassung sind sie lediglich darüber, ob sich das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin als
grobe Fahrlässigkeit darstellt oder nicht.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus der für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen
XXX-X XXX unter der Ver-sicherungs-Nr.: 66....... bestehenden Fahrzeugversicherung Versicherungsschutz für die am
28.6.2005 erfolgte Fahrzeugentwendung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 23.3.2006 und vom 5.4.2006 jeweils ihre Zustimmung zur Entscheidung im
schriftlichen Verfahren erteilt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Feststellungsklage ist zulässig, obwohl vorliegend bereits eine Leistungsklage möglich wäre. Ein
Feststellungsinteresse ist zu bejahen, weil bei der Beklagten zu erwarten ist, dass sie bereits auf ein Feststellungsurteil
hin leisten würde (BGH NJW 1999, 3774).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch nach § 1 des Versicherungsvertragsgesetzes auf Ersatz des durch den Diebstahl
verursachten Vermögensschadens nach Maßgabe des bestehenden Versicherungsvertrages nicht zu. Die Beklagte
wendet zu Recht ein, der Geschäftsführer der Klägerin habe sich grob fahrlässig verhalten. Die Beklagte ist gemäß § 61
VVG deshalb von der Verpflichtung zur Leistung frei.
Der Geschäftsführer der Klägerin, dessen Verhalten sich diese gemäß § 31 BGB, § 35 Abs. 1 GmbH-G zurechnen lassen
muss, hat den Versicherungsfall, also die Entwendung des Fahrzeugs, grob fahrlässig herbeigeführt. Grob fahrlässig
handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem
Maße verletzt und unbeachtet lässt, was jedem hätte einleuchten müssen, sodass ein nicht nur objektiv besonders
schwerwiegendes, sondern auch ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten vorliegt (BGH VersR 2003,
364).
Der Geschäftsführer der Klägerin hat die allgemein gültige Sicherheitsregel außer Acht gelassen, wonach beim
Verlassen eines Kraftfahrzeuges der Schlüssel nicht im Zündschloß steckend zurückgelassen werden darf, zumal dann,
wenn auch die Türen des Fahrzeugs unverschlossen gelassen werden. Der Geschäftsführer der Klägerin hielt sich nach
dem Aussteigen aus dem PKW nicht etwa unmittelbar neben der Fahrertür, sondern in dem Bereich hinter dem Fahrzeug
auf. Von dieser Stelle aus konnte er das Einsteigen eines plötzlich auftauchenden und das Überraschungsmoment
ausnutzenden Diebes in das Fahrzeug nicht mehr verhindern.
Durch das Steckenlassen des Zündschlüssels wurde dem Dieb die Wegnahme des Fahrzeugs ganz erheblich erleichtert.
Mit der Möglichkeit einer Entwendung des Fahrzeugs auf offener Straße muss erfahrungsgemäß stets gerechnet werden.
Dies gilt auch innerhalb kleinerer Ortschaften und nicht etwa nur in Großstädten. Vorliegend kommt hinzu, dass sich in
dem Baustellenbereich nicht nur ortsansässige Menschen, sondern auch Unbekannte verhältnismäßig unauffällig
aufhalten konnten und somit die Gelegenheit zu einem überraschenden Zugriff auf das Fahrzeug hatten. Das
Steckenlassen des Fahrzeugschlüssels stellt sich nicht nur als ein objektiv grob fehlerhaftes Verhalten dar, sondern ist
auch in subjektiver Hinsicht als ein erheblich gesteigertes Verschulden zu bewerten. Es handelt sich dabei um ein
geradezu typisches Fehlverhalten – was die Eigentumssicherung angeht. Deshalb mußte sich dem Geschäftsführer der
Klägerin aufdrängen, daß hierdurch die eine Wegnahme des Fahrzeugs im besonderen Maße erleichtert wurde. Gründe,
die dieses Fehlverhalten in milderem Licht erscheinen lassen könnten, sind nicht vorgetragen worden noch sonst
ersichtlich.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Sch. P. Sch.
Vorsitzender Richter am Landgericht Richterin am Landgericht Richterin am Landgericht