Urteil des LG Mainz vom 07.11.2006

LG Mainz: operation, lege artis, paraplegie, eingriff, zugang, patient, hausarzt, anhörung, verschluss, ermittlungsverfahren

Arzthaftungsrecht
Sonstiges
Zivilrecht
LG
Mainz
07.11.2006
2 O 420/03
Aufklärungspflicht bei Eingriffen im thoracalen Bereich.
Über das Risiko einer Paraplegie ( Querschnittslähmung ) ist spätestens seit dem Jahre 2003 bei jeder Thoracotomie
aufzuklären.
Geschäftsnummer: kr
2 O 420/03
Verkündet
am 07.11.2006
F., Justizsekretärin
als der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
W. K., in M.,
-Kläger-
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. und Kollegen, in M.,
g e g e n
1. Johannes Gutenberg-Universität M., Gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den
Verwaltungsdirektor, in M.
-Beklagte zu 1.
2. Herrn Prof. Dr. Th. J., zu laden über die Beklagte zu 1.,
-Beklagter zu 2.-
3. Herrn Dr. F. S., zu laden über die Beklagte zu 1.,
-Beklagter zu 3.-
4. Herrn M. K., zu laden über die Beklagte zu 1.,
-Beklagter zu 4.-
Prozessbevollmächtigte zu 1. bis 4.: Rechtsanwälte JR Dr. K. und Kollegen,
in W.,
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht M., den Richter am
Landgericht St. und die Richterin am Amtsgericht G. auf die mündliche Verhandlung vom 18.7.2006
für R e c h t erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Der am 14.5.1949 geborene Kläger begehrt von den Beklagten im Rahmen einer Teilklage materiellen Schadensersatz
sowie Schmerzensgeld aus der streitgegenständlichen Oesophagusoperation vom 23.10.2001. Zunächst war der Kläger
internistisch bei seinen Hausärzten Dres. D. und H. in Behandlung gewesen. Dort wurde am 19.9.2001 eine obere
Endoskopie durchgeführt, wobei unmittelbar vor der Cardia Divertikel mit Speiseresten vorgefunden wurde. Dieserhalb
erfolgte am 27.9.2001 bei dem Radiologen Dr. B. ein Oesophagus-Breischluck, wobei im unteren Drittel des Oesophagus
ein 8 bis 10 cm großes Oesophagusdivertikel diagnostiziert wurde, mit einem 8 bis 10 mm breiten Eingang. Weiterhin
wurde dort festgestellt: „Im Divertikel zahlreiche Speisereste; deutliche Innervationsstörung im unteren Oesophagus mit
unregelmäßigen Kontraktionen; deutlicher Reflux aus dem Divertikel“. Daraufhin veranlasste der Hausarzt des Klägers
mit gestellter Operationsindikation die Vorstellung in der Ambulanz der Beklagten zu 1.. Dort erfolgte am 10.10.2001 eine
obere endoskopische Untersuchung von Speiseröhre und Magen, wobei sich die zuvor bereits am 27.9.2001 getroffene
Diagnose bestätigte. Es erfolgte anschließend die Vorstellung des Klägers bei dem Beklagten zu 2., dem Chefarzt.
Gleichzeitig wurde die stationäre Aufnahme des Klägers für den 18.10.2001 vereinbart. Zuvor erfolgte am 16.10.2001 in
der DKD Wiesbaden eine Oesophagus-Manometrie bei Prof. Dr. E.. Die Oesophagus-Manometrie war ohne Nachweis
einer primären Motilitätsstörung des Oesophagus. Peristaltik und unterer Oesophagussphinkter waren normal. Nachdem
der Kläger am 18.10.2001 bei der Beklagten zu 1. stationär aufgenommen wurde, erfolgte am 19.10.2001 erneut ein
Oesophagus-Breischluck. Dort wurde festgestellt: „10 cm oberhalb der Cardia nach rechts ausladend Divertikel von 5 cm
Durchmesser; 1 cm langer und 1,5 cm breiter Stiel vom Oesophagus-Lumen zu dem Divertikel; kranial gerichteter
Reflux“. Einen Tag vor der am 23.10.2001 durchgeführten Operation wurde der Kläger am 22.10.2001 um 18.00 Uhr
aufgeklärt. Insoweit wird auf das „Einwilligungsformular für ärztlichen Eingriff“ (vergl. Anlage K 1 zum Schriftsatz der
Klägervertreter vom 17.10.2003 in Kopie) Bezug genommen. Als vorgesehene Maßnahme wurde dort handschriftlich
eingefügt: „Entfernung des Divertikels thoraco-lateral“. Zur weiteren Aufklärung wurde von dem aufklärenden Arzt auf
einem gesonderten Blatt eine Handskizze angefertigt, wobei an möglichen Komplikationen handschriftlich notiert wurde:
„Blutungen, Infektion, Revision, Verletzung umliegender Organe, Funktionsstörungen der Speiseröhre, Nahtinsuffizienz,
Thrombose/Embolie, Blutgabe mit Infektionsrisiko“. Sowohl das Einwilligungsformular als auch die Handskizze mit den
weiteren handschriftlichen Eintragungen wurden vom Kläger und dem aufklärenden Arzt jeweils unterschrieben.
Am 23.10.2001 wurde beim Kläger in Intubationsnarkose der Eingriff durchgeführt. Der am 8.11.2001 angefertigte
Operationsbericht gibt als Operateure die Beklagten zu 2. bis 4. an. Der vom Beklagten zu 2. verfasste Operationsbericht
lautet wie folgt:
„In Allgemeinnarkose und Linksseitenlage erfolgt die dorso-laterale Thoracotomie im Bett der 6. Rippe. Nach Eröffnung
des Thorax findet sich im unteren Mediastinum das etwa 5 cm große Divertikel. Das Mediastinum wird über dem
Divertikel eröffnet. Der Nervus vagus verläuft in unmittelbarer Nähe des Divertikels und wird abpräpariert. Freipräparation
des Divertikels bis zur Mündung in die Speiseröhre. Es zeigt sich, dass eine Mucosavorwölbung durch eine etwa 2 cm
große, längsverlaufende Muskellücke der Speiseröhre besteht. Das Divertikel wird in Längsrichtung abgetragen, die
Schleimhaut wird durch vorlaufende PDS-Naht Nr. 4 verschlossen. Darüber wird die Muskulatur der Speiseröhre durch
adaptierende Nähte geschlossen. Blutstillung. Es zeigt sich nun, dass am wirbelsäulennahen Wundpol eine Blutung aus
dem Intercostalraum besteht. Die Blutung wird zunächst koaguliert. Eine Sickerblutung wird für kurze Zeit tamponiert,
worauf die Blutung steht. Entfernung der Intercostalnverven. Einlegen einer Thoraxdrainage, schichtweiser
Wundverschluss. Hautnaht. Verband.“
Postoperativ wurde der Kläger auf die Intensivstation bei der Beklagten zu 1. verlegt. Ein unmittelbar durchgeführtes
neurologisches Konsil ergab die Diagnose: „Komplett motorischer und inkomplett sensibler Querschnitt“. Eine weiterhin
sofort durchgeführte Computertomographie ergab einen normal weiten Spinalkanal sowie kleinere Lufteinschlüsse im
Zugangsbereich bis in den Spinalkanal reichend ohne Einengung des
Rückenmarks. Weiterhin ergab das CT keine sicheren Blutungsnachweise. Eine weiterhin durchgeführte
Magnetresonanztomographie ergab folgende Diagnose: „Kleinere Einblutungen im Duralsack nachweisbar;
Intensitätsanhebungen im Myelon in Höhe des Operationsgebietes rechts sprechen für Infarzierung mit perifocalem
Ödem“. Eine weiterhin durchgeführte Röntgenuntersuchung des Thorax ergab einen kleinen Mantelpneu rechts bei
einliegender Drainage. Am 24.10.2001 war die Neurologie unverändert, d.h. der Kläger konnte seine Beine nicht
bewegen. Eine erneute Röntgenkontrolle des Thorax ergab, dass sich der Mantelpneu zurückgebildet hatte. Eine
weiterhin durchgeführte Computertomographie ergab: „Duralsack ohne Befund, keine Blutungshinweise“. Eine weitere
kernspintomographische Untersuchung ergab keine Einblutung und keine Raumforderung sowie eine spinale
Infarzierung zwischen Th 5 bis 7. Am 26.10.2001 kam das Ergebnis der histologischen Untersuchung des abgetragenen
Divertikels aus dem Pathologischen Institut der Universität M. mit folgenden Inhalt: „Innenauskleidung des Divertikels mit
nicht verhornendem Plattenepithel; Subepithelial lymphoplasmocelluläre Infiltrate; keine Muskulatur vorhanden, kein
Anhalt für Malignität“. Ab dem 30.10.2001 wurde der Kläger psychologisch betreut. Im Zeitraum 6.11.2001 bis 24.4.2002
wurde der Kläger im Orthopädischen Querschnittszentrum Heidelberg-Schlierbach stationär weiter behandelt. Dort
bestätigte sich die beim Kläger eingetretene Paraplegie, motorisch ab Th 12 und sensibel ab Th 4.
Der Kläger trägt vor,
es bestünde der Verdacht, dass während der Operation bei ihm auch noch die 6. Rippe entfernt worden sei, woraufhin er
nicht hingewiesen worden wäre. Die Operation sei nicht lege artis durchgeführt worden, da es zu einer
wirbelsäulennahen Blutung gekommen sei. Dies hätte bei ihm zur Paraplegie geführt. Dass solche Risiken sich hätten
verwirklichen können, habe man ihm präoperativ anlässlich der erfolgten Aufklärung nicht mitgeteilt. Dies sei fehlerhaft
gewesen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Beklagten zu 1. um ein akademisches Lehrkrankenhaus handelt, wo
höhere Maßstäbe an den Umfang der Aufklärung zu stellen wären. Außerdem sei die am Vorabend der Operation
erfolgte Aufklärung nicht rechtzeitig gewesen. Denn erst zu diesem Zeitpunkt sei ihm mitgeteilt worden, dass die
Operation über den Thorax vorgenommen werden würde. Zunächst sei ihm avisiert worden, dass die Operation über den
Bauchraum vorgenommen werden würde. Wäre die Operation im Übrigen lege artis durchgeführt worden, wären die
Intercostalgefäße nicht verletzt worden. Es läge die hohe Vermutung nahe, dass der Sperrer, mit welchem der
Zwischenrippenraum aufgedehnt worden sei, entweder an der falschen Stelle oder mit zu viel Wucht eingesetzt worden
wäre. Dies folge daraus, da ein Luxation des Rippenköpfchens aus dem Gelenk mit der Wirbelsäule eingetreten wäre.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 22.828,03 € nebst
5 % Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes hieraus seit dem 3.4.2003 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor,
ein Behandlungsfehler sei den operierenden Ärzten nicht vorzuwerfen. Insbesondere seien Blutungen im hinteren
Wundwinkel zwischen den Rippen, auch mit Verletzung der Intercostalgefäße nicht ungewöhnlich. Es sei völlig richtig
gewesen, den Zwischenrippenraum mittels Sperrer mechanisch aufzudehnen, um einen ausreichenden Zugang zum
Operationsgebiet zu schaffen. Es sei auch nicht vorwerfbar, soweit es durch die Aufdehnung mit dem mechanischen
Rippensperrer zu einer Luxation des Rippenköpfchens aus dem Gelenk mit der Wirbelsäule gekommen sein könnte. Die
eingetretene Notwendigkeit einer Blutstillung im hinteren Wundwinkel durch lokale Maßnahmen sei ordnungsgemäß und
sorgfältig vorgenommen worden. Die beim Kläger eingetretene Komplikation müsste letztendlich als schicksalhaftes
tragisches Ereignis angesehen werden. Eine Vernachlässigung der operativen Sorgfaltspflicht durch den Operateur sei
nicht zu erkennen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht läge ebenfalls nicht vor. Es sei zwar richtig, dass der Kläger
über das konkrete Risiko einer möglichen Querschnittslähmung nicht aufgeklärt worden sei; dies sei aber auch nicht
erforderlich gewesen. Denn es würde sich hierbei um ein nicht aufklärungsbedürftiges Risiko handeln. Beim Kläger sei
lediglich die Abtragung einer Aussackung der Speiseröhrendivertikel vorgenommen worden. Für eine derartige
Operation sei eine Komplikation – wie beim Kläger eingetreten – bislang in der Literatur überhaupt nicht beschrieben
gewesen. Damit sei die Komplikation, die beim Kläger eingetreten sei, nicht nur selten, sondern auch nicht
eingriffstypisch, so dass keine Veranlassung für eine präoperative Aufklärung über diese Komplikation zum damaligen
Zeitpunkt bestanden gehabt hätte.
Unter dem Aktenzeichen 3353 Js 3888/02 ermittelte die Staatsanwaltschaft Mainz gegen die Beklagten zu 2. bis 4.
wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Mit Abschlussverfügung vom 10.12.2002 wurde das
Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Im Rahmen des
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wurde am 19.11.2002 von Prof. E. ein fachchirurgisches Gutachten (vergl.
Blatt 36 ff. der Beiakten) erstattet. Dieses Gutachtens hat u.a. folgenden Inhalt:
„…
Die mir vorliegenden Röntgenbilder habe ich ausführlich studiert und mit Prof. Dr. Z., Direktor des Instituts für
Neuroradiologie gemeinsam angesehen. Danach ergibt sich folgendes Bild:
Die präoperative Kontrastmitteldarstellung des Oesophagus zeigt das große, operationswürdige Oesophagusdivertikel.
Der Vergleich der prä- und postoperativen Thoraxaufnahmen ergibt, dass die 6. Rippe rechts nicht entfernt wurde. Es
findet sich allerdings eine Verbreiterung des Zwischenrippenraumes der 6. und 7. Rippe.
In der CT kann der knöcherne Befund der Thoraxaufnahmen bestätigt werden. Zusätzlich findet sich eine Verrenkung des
Rippenköpfchens in der Gelenkverbindung mit der Wirbelsäule, die auch die Verbreiterung des Zwischenrippenraumes
auf dem postoperativen Thoraxröntgenbild erklärt. Eine Fraktur ist nicht sichtbar.
Die Kernspinuntersuchungen vom 23.10., 24.10., 29.10. und 5.11.2001 bestätigen die Diagnose einer akuten
Durchblutungsstörung des Rückenmarks in Höhe TH 7. Dies entspricht der Höhe des operativen Zuganges und der
Rippenköpfchenverrenkung.
Die präoperative Vorbereitung des Patienten erfolgte regelrecht. Es ergaben sich keine körperlichen oder
neurologischen Auffälligkeiten. Im Aufklärungsgespräch wurde der Patient entsprechend dem vorliegenden Formular
anschaulich (durch Zeichnung) über den Eingriff aufgeklärt. Die möglichen Komplikationen wurden ihm benannt. Es
wurde auch die Verletzung umliegender Organe aufgeführt, dabei aber sicher nicht an eine Querschnittslähmung
gedacht und über diese auch nicht speziell aufgeklärt. Der Patient bestätigte die Aufklärung durch seine Unterschrift.
Entsprechend dem Operationsbericht erfolgte der Eingriff regelrecht. Um einen ausreichenden Zugang zum
Operationgsgebiet zu erhalten, muss der Zwischenrippenraum durch Aufdehnung der benachbarten Rippen erweitert
werden. Wenn dies unter zu starker Spannung geschieht, kommt es in der Regel zu einer spontanen Rippenfraktur an
der seitlichen Brustkorbbegrenzung. … Blutungen im hinteren Wundwinkel zwischen den Rippen, auch mit Verletzung
der Intercostalgefäße sind nicht ungewöhnlich. Sie werden gezielt koaguliert oder umstochen. Im vorliegenden Fall kam
es durch die Aufdehnung mit dem mechanischen Rippensperrer zu einer Luxation (Verrenkung) des Rippenköpfchens
aus dem Gelenk mit der Wirbelsäule. Dies geschieht selten und wird bei komplikationslosem Verlauf wahrscheinlich nicht
registriert, führt aber nach allgemeiner Erfahrung auch nicht zu einer lokalen Durchblutungsstörung. Theoretisch denkbar
ist eine stumpfe Verletzung der Wurzelarterie durch die knöcherne Verrenkung mit Wanddissektion (Ablösung der
inneren Gefäßwand) und Gefäßverschluss. Eher wahrscheinlich ist ein Verschluss dieses Gefäßes durch Koagulation.
Eine derartige Komplikation ist aus allgemeiner Erfahrung primär nicht gefährlich. Zuständig für die Durchblutung des
Rückenmarkes ist die Arteria spinalis anterior (sog. Adamkovic-Arterie). Diese wird durch seitlich einmündende
Wurzelarterien eingespeist, in der Regel in Höhe von TH 9 – 11, also tiefer gelegen als bei dem Patienten, und über
mehrere Gefäße. Der Ausfall einer Wurzelarterie ist deshalb in der Regel folgenlos. Es kann aber im Prinzip von TH 5 – L
2 (5. Brustwirbel bis 2. Lendenwirbel) eine Variation der Hauptdurchblutung der A. spinalis anterior erfolgen. Dies ist eine
gefürchtete Komplikation in der Gefäßchirurgie (Eingriffe an der großen Körperschlagader) und bei gezielter
Embolisation von Arterien durch den Neuroradiologen. Im Rahmen von Thoracotomien (seitliche Brustkorberöffnung),
wie im vorliegenden Fall, ist diese Komplikation theoretisch vorstellbar, aber in der Praxis nicht bekannt. Ich selbst habe
sie in meiner 32jährigen chirurgischen Tätigkeit nicht erlebt.
Die Nachfrage bei versierten Thoraxchirurgen und eine persönliche Literaturrecherche ergab folgendes Ergebnis:
Verletzungen des Rückenmarkes mit mehr oder weniger ausgeprägter Querschnittslähmung sind nach seitlichen
Thoracotomien (seitliche Eröffnung des Brustkorbs im Zwischenrippenraum) extrem selten, wurden aber vereinzelt als
Kasuistiken beschrieben. Ursächlich kommen in Frage eine Verletzung der großen Körperschlagader bei
gefäßchirurgischen Eingriffen oder durch ein stumpfes Brusttrauma, die Resektion von Tumoren in der Nachbarschaft
des Spinalkanals und bei Wanderung von lokal belassenen Schwämmen zur Blutstillung in den Spinalkanal. Diese drei
Mechanismen treffen im vorliegenden Fall nicht zu, da nur eine vorübergehende Tamponade durch Mullstreifen, der
wieder entfernt wurde, stattfand.
Eine Übersichtsarbeit von S. Attar et al. In Annals Thoracic Surgery 1995; S.1410-1416 berichtet über 5 eigene und 35 in
der Literatur berichtete Fälle. Als Ursache für den neurologischen Ausfall (Querschnittslähmung) wurden beschrieben:
Blutungen im Wirbelsäulen/Rippenwinkel (9), die Wanderung von blutstillenden Substanzen in den Spinalkanal (9), eine
Thrombose der Arteria spinalis anterior (4), ein Hämatom in der Nähe des Rückenmarks (2), ein Epiduralkatheter (2), ein
metastasierendes Karzinom (1) und ein arterieller Druckabfall (1).
Von den aufgeführten Komplikationen kommen im vorliegenden Fall des Patienten K. die Blutung im
Wirbelsäulen/Rippenwinkel mit lokaler Blutstillung durch Koagulation und vorübergehender Tamponade in Frage.
Diskutiert werden muss vor allem eine Thrombose der die Arteria spinalis anterior versorgenden Wurzelarterie.
Hinzukommen müsste dann allerdings eine Gefäßvariation, die eine Blutzufuhr von anderen Wurzelarterien in die
Hauptarterie (Arteria spinalis anterior) beeinträchtigt hätte.
Aufgrund der extremen Seltenheit besteht nach Ansicht führender Thoraxchirurgen keine Notwendigkeit zur Aufklärung
dieser speziellen Komplikation bei jeder Thoracotomie. Notwendig ist eine sehr vorsichtige und sorgfältige Blutstillung
bei Blutungen im hinteren Rippenwinkel. Entsprechen dem Operationsbericht mit schneller erfolgreicher Blutstillung
wurde dies im vorliegenden Fall befolgt.
Schlussfolgerung:
Aufgrund der extremen Seltenheit besteht keine Notwendigkeit zur Aufklärung dieser Komplikation bei jeder
Thoracotomie.
Die Komplikation muss als schicksalhaftes tragisches Ereignis für Patient und Operateur angesehen werden. Eine
Vernachlässigung der operativen Sorgfaltspflicht durch den Operateur vermag ich nicht zu erkennen, auch wenn die
Kausalität von lokaler Blutstillung durch Koagulation und lokaler Durchblutungsstörung sehr wahrscheinlich erscheint.“
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 27.8.2004 (vergl. Blatt 68 bis 77 d.A.) sowie vom
27.5.2005 (vergl. Blatt 174, 175 d.A.) durch Einholung von Sachverständigengutachten. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sachverständigengutachten vom 24.3.2005 (vergl. Blatt 125 bis 156 d.A.) sowie
vom 28.6.2005 (vergl. Blatt 178 bis 190 d.A.) verwiesen. Des Weiteren wurde Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben
sowie die Parteien gemäß § 141 ZPO mündlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch
Zeugenvernehmung, der mündlichen Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung seiner Gutachten sowie der
mündlichen Anhörung der Parteien wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom
18.7.2006 (vergl. Blatt 232 bis 248 d.A.) Bezug genommen, insbesondere die als Anlage zum Sitzungsprotokoll
genommenen und vom Sachverständigen Prof. K. zur Anschauung überreichten Farbausdrucke („Querschnitt der
Wirbelsäule auf Höhe TH 6 bis 7, Arteria spinalis anterior, Anatomie des Foramen intervertebrale’“).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein ärztlich fehlerhaftes Verhalten der Beklagten konnte nach der erfolgten
Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
I.
Die vorliegend durchgeführte Oesophagus-Divertikel-Operation beim Kläger war zunächst indiziert. Unstreitig wurde
beim Kläger – präoperativ mehrfach abgeklärt – ein Oesophagus-Divertikel festgestellt. Hierzu hat der Sachverständige
nachvollziehbar ausgeführt, dass die Indikation zur Operation gestellt würde, soweit das Divertikel eindeutig
symptomatisch sei. Ein besonderes Ziel sei die Beseitigung der Dysphagie und die Beseitigung des Risikos der
Aspirationspneumonie, die in bis zu 25 % auftreten könne und in 5 % tödlich sei. Es würde sich im vorliegenden Fall um
ein symptomatisches epiphrenisches Divertikel handeln, weshalb eine eindeutige Operationsindikation bestanden
gehabt hätte. Diesen schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer in eigener
Überzeugungsbildung an, wonach für die Kammer eindeutig feststeht, dass die vorgenommene Oesophagusoperation
indiziert war.
II.
Entgegen der klägerseits vorgetragenen Auffassung steht zur Überzeugung der Kammer nach erfolgter Beweisaufnahme
darüber hinaus fest, dass der gewählte Operationszugang ebenfalls lege artis erfolgte. Hierzu hat der Sachverständige
nachvollziehbar und ausführlich dargelegt, dass die chirurgische Methodenwahl sich am Operationsziel orientieren
würde. Ohne Motilitätsstörung könnte man wahlweise einen rechts oder links thoracalen Zugang wählen. Dies
insbesondere dann, soweit das Divertikel, wie im vorliegenden Fall, etwa 10 cm oberhalb des Zwerchfelles läge. In
diesem Fall sei ein transabdomineller Zugang aufgrund des schlechten Zuganges zum Divertikel nicht sinnvoll. Üblich
sei ein postero-lateraler Zugang im 7. ICR oder im Bett der 6. Rippe. Ohne distale Motilitätsstörungen, wie im
vorliegenden Fall, sei auch eine circuläre Freipräparation des Oesophagus nicht notwendig gewesen; das Divertikel
würde dann in der Regel abgetragen werden, um die Muskellücke zu verschließen. Dies könnte geschehen durch
Handnaht oder durch Applikation eines automatischen Nahtgerätes. Dann aber steht zur Überzeugung der Kammer fest,
die auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen in eigener Überzeugungsbildung folgt, dass der beim Kläger
gewählte thoracale Zugang richtig gewählt wurde.
Ebenfalls ist die Kammer nach erfolgter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass das Einsetzen des Sperrers
im Zwischenrippenraum ordnungsgemäß erfolgte. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass es in den Unterlagen
keine Hinweise dafür gebe, dass der Sperrer nicht ordnungsgemäß eingesetzt worden sei. Es gebe auch keinen Hinweis
darauf, dass die Arteria intercostalis verletzt worden sei. Auch würde die Thoracotomie, wie im vorliegenden Fall im
Operationsbericht mit Einsetzen des Sperrers beschrieben, zu den Routineverfahren in der Thoraxchirurgie gehören.
Selbst die radiologisch beschriebene Luxation des Rippenköpfchens aus dem Gelenk mit der Wirbelsäule sei nicht
ungewöhnlich und in der Regel folgenlos. Auch diesen insoweit nachvollziehbaren Ausführungen schließt sich die
Kammer erneut in eigener Überzeugungsbildung an. Dies deckt sich ebenfalls mit den Ausführungen des
Sachverständigen Prof. E. im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, denn dieser hat hierzu ausgeführt, dass
entsprechend des Operationsberichtes der Eingriff regelgerecht erfolgt sei. Um einen ausreichenden Zugang zum
Operationsgebiet zu erhalten, müsste der Zwischenrippenraum durch Aufdehnung der benachbarten Rippen erweitert
werden. Der Zwischenrippenraum sei mittels Sperrer mechanisch aufgedehnt worden. Blutungen im hinteren
Wundwinkel zwischen den Rippen, auch mit Verletzung der Intercostalgefäße seien nicht ungewöhnlich. Im vorliegenden
Fall sei es durch die Aufdehnung mit dem mechanischen Rippensperrer zu einer Luxation des Rippenköpfchens aus
dem Gelenk mit der Wirbelsäule gekommen. Dies würde selten geschehen und würde bei komplikationslosem Verlauf
wahrscheinlich nicht registriert werden, würde aber auch nach allgemeiner Erfahrung nicht zu einer lokalen
Durchblutungsstörung führen. Eine Vernachlässigung der operativen Sorgfaltspflicht durch den Operateur sei nicht zu
erkennen, auch wenn die Kausalität von lokaler Blutstillung durch Koagulation und lokaler Durchblutungsstörung sehr
wahrscheinlich erscheinen würde. Zu dieser Problematik hat der gerichtlich bestellte Sachverständige nachvollziehbar
erläutert, dass die im Operationsbericht beschriebene Lokalisation „am wirbelsäulennahen Wundpol“ nicht die vom
Kläger vermutete tatsächliche Nähe zur Wirbelsäule beschreiben würde. Diese Bezeichnung würde lediglich zur
Orientierung dienen. Es gäbe bei einem Hautschnitt im Intercostalraum, unabhängig zum Abstand zur Wirbelsäule,
grundsätzlich zur besseren Orientierung einen wirbelsäulennahen und wirbelsäulenfernen Wundpol. Es sei falsch,
deshalb daraus den Schluss zu ziehen, dass der dorsale Wundpol tatsächlich an der Wirbelsäule gelegen habe. Dass im
Intercostalraum anlässlich von Thoracotomien Blutungen auftreten würden, sei nicht ungewöhnlich und würde zu den
üblichen Erscheinungen der Thoracotomie gehören. Ein Behandlungsfehler würde sich hieraus nicht ableiten lassen.
Denn auch bei größtmöglicher Sorgfalt seien Blutungen im Intercostalraum entweder im Bereich des vorderen oder des
hinteren Wundpoles nicht auszuschließen. Gleiches würde auch für Verletzungen von Intercostalgefäßen gelten. Weder
durch die Tatsache einer Blutung im wirbelsäulennahen Wundwinkel mit dem Erfordernis der Blutstillung noch aus dem
Operationsbericht würde hervorgehen, dass der Sperrer an der falschen Stelle oder mit zu viel Wucht eingesetzt worden
sei. Bei jeder Eröffnung des Brustkorbes könnte es im Intercostalraum zu einer Blutung kommen, die gestillt werden
müsste. Dies ist jedoch keine erkennbare Vorbedingung für eine Querschnittslähmung. Dass keine Blutung im
Rückenmark vorgelegen habe, sei postoperativ durch die bildgebenden Untersuchungsverfahren bestätigt worden. Auch
die Magnetresonanztomographie hätte nur eine Ischämie nachweisen können. Auch diesen schlüssigen und
nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer weiterhin in eigener
Überzeugungsbildung an. Insbesondere folgt die Kammer den weiteren Ausführungen des Gerichtssachverständigen,
als dieser sich mit dem Gutachten von Prof. E. auseinandersetzt. Denn hierzu hat der Gerichtssachverständige
ausgeführt, dass von Prof. E. richtig darauf hingewiesen worden sei, dass eine Blutung im hinteren Wundwinkel auch mit
Verletzung der Intercostalgefäße nichts Ungewöhnliches sei und dass die Blutstillung obligat sei und in der Regel
folgenlos bleibe. Auch könnte man dem Gutachter Prof. E. bei seiner Vorstellung folgen, dass durch die Verkantung des
Rippenansatzes am Wirbelkörper bei der Aufdehnung des Zwischenrippenraumes eine Stretch-Läsion der Arteria
intercostales entstanden gewesen sein könnte. Denn ab dem Jahre 2003 gäbe es die neueste Erkenntnis, dass es
aufgrund der ungeheuren anatomischen Vielfalt des Verlaufes von Arteriae radiculares passieren könnte, dass eine für
die segmentale Versorgung des Rückenmarks wichtige Arteria radicularis durch den Aufdehnungsvorgang des
Intercostalraumes eine Stretch-Läsion mit Intimaabriss und -verschluss erführe und weiter hinzukäme, dass dies die
einzige Arterie sei, die in diesem Segment den Blutfluss in der Arteria spinalis anterior in diesem Bereich garantieren
würde, woraufhin dann die Durchblutung des Rückenmarks gefährdet werden würde mit der postoperativen Ausbildung
einer Querschnittslähmung. Für diesen anatomischen Zufall könnte der Operateur nicht haften, denn es gebe keine
Möglichkeit für diesen, eine solche Komplikation vorauszusehen oder präventiv zuverlässig zu verhindern, außer er
würde den Eingriff überhaupt nicht durchführen. Aufgrund der Seltenheit und der komplizierten anatomischen und
pathogenetischen Zusammenhänge hätte es diese Erkenntnis im Jahre 2001 noch nicht gegeben gehabt. Selbst in den
aktuellen Operationslehren würde noch nicht auf diese mögliche Komplikation bei der Behandlung des epiphrenischen
Divertikels hingewiesen werden. Somit sei es absolute Spekulation des Sachverständigen im staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahren, soweit dieser weiterhin geschlussfolgert gehabt hätte: „Eher wahrscheinlich ist ein Verschluss
dieses Gefäßes durch Koagulation“. Denn hierzu müsste im Operationsbericht definitiv stehen, dass eine Koagulation im
costo-vertebralen Winkel durchgeführt worden sei. Eine solche Aussage sei im Operationsbericht nicht dokumentiert
worden. Im Operationsbericht würde lediglich stehen, dass eine Koagulation einer Blutung im wirbelsäulennahen
Wundpol durchgeführt worden sei. Diese beiden anatomischen Angaben seien nicht identisch. Auch diesen
nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung an,
wobei sie insbesondere dem Gerichtsgutachter darin beipflichtet, dass die Feststellung des Sachverständigen im
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, dass ein Verschluss des Gefäßes durch Koagulation wahrscheinlich
hervorgerufen worden sei, einer fundierten Grundlage entbehrt. Denn hierzu hat der Gerichtssachverständige eindeutig
erklärt, dass eine Koagulation einer Blutung lediglich im wirbelsäulennahen Wundpol durchgeführt worden sei, hierunter
jedoch nicht zu verstehen sei, dass dies im costo-vertebralen Winkel erfolgt sei. Dies ist für die Kammer verständlich,
auch vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige weiterhin ausgeführt hat – siehe Ausführungen oben -, dass bei
einem Hautschnitt im Intercostalraum unabhängig vom Abstand zur Wirbelsäule grundsätzlich zur besseren Orientierung
von einem wirbelsäulennahen und wirbelsäulenfernen Wundpol gesprochen würde. Es sei falsch, den Schluss daraus
zu ziehen, dass der dorsale Wundpol tatsächlich an der Wirbelsäule gelegen habe. Auch diesen überzeugenden
Darlegungen des Gerichtssachverständigen schließt sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung an, wobei sie in
diesem letzten Punkt dem Sachverständigen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren – wie der
Gerichtsgutachter – ebenfalls nicht folgt.
III.
Die Kammer ist weiterhin zur Auffassung gelangt – zunächst ohne Beachtung des Problems der erforderlichen
Aufklärung über das Risiko der Querschnittslähmung, vergleiche hierzu Ausführungen weiter unten -, dass der Kläger
präoperativ am Vorabend, den 22.10.2001 um 18.00 Uhr ausreichend aufgeklärt wurde. Hierbei muss die Aufklärung
grundsätzlich so weit gehen, dass der Patient im Großen und Ganzen ein zutreffendes Bild von Schwere und Risiko des
Eingriffs erhält. Maßstab für den Umfang der jeweils gebotenen Aufklärung des Patienten ist das Informationsbedürfnis
des verständigen Patienten. Wichtig sind insoweit neben dem Zustand und dem allgemeinen Bildungs- und
des verständigen Patienten. Wichtig sind insoweit neben dem Zustand und dem allgemeinen Bildungs- und
Wissensstand des Patienten vor allem die Häufigkeit und die Schwere bestimmter Risiken. Unstreitig ist im zu
entscheidenden Rechtsstreit der Kläger (vgl. “Einwilligungsformular für einen ärztlichen Eingriff“, Anlage I zum Schriftsatz
der Klägervertreter vom 17.10.2003 in Kopie) darüber aufgeklärt worden, dass bei ihm ein Oesophagus-Divertikel
entfernt werden sollte, und zwar bei gewähltem Zugang thoracolateral. Die beigefügte Handskizze mit den
handschriftlichen Eintragungen hat der Kläger um 18.00 Uhr, am Vorabend der Operation unterschrieben gehabt. Hierzu
hat der damals aufgeklärt habende Arzt und Zeuge Dr. Dünnschädel bekundet, dass er auf dem Aufklärungsformular
seine Schrift und seine Handzeichnung erkennen würde. Was dort in dem Formular aufgeführt worden sei, hierüber habe
er den Kläger aufgeklärt. Er habe eigens noch das Blatt mit der handschriftlichen Zeichnung vom Kläger unterschreiben
lassen. Die dort genannten Risiken seien diejenigen, die üblicherweise bei einer solchen Operation vorliegen könnten.
Soweit der Kläger Fragen zu den einzeln aufgeführten Risiken gehabt hätte, hätte er sie selbstverständlich diesem
beantwortet gehabt. Die eingetragene Uhrzeit auf Seite 2 des Aufklärungsprotokolls würde 18.00 Uhr lauten. Auf
ausdrückliches Befragen von Seiten des Gerichts hat der Zeuge glaubhaft bekundet, dass es nicht 19.00 Uhr heißen
würde, sondern 18.00 Uhr. Diesen schlüssigen und auch glaubhaften Ausführungen des Zeugen folgt das Gericht, wobei
es insbesondere nunmehr davon ausgeht, dass die stattgehabte Aufklärung um 18.00 Uhr erfolgte und nicht erst, wie
noch in der schriftlichen Begutachtung ausgeführt wird, um 19.00 Uhr. Weiterhin hat der Zeuge glaubhaft bekundet, dass
das Aufklärungsgespräch nicht protokollarisch vorbereitet worden sei, sondern dass es niedergeschrieben worden sei
und zwar, während oder nachdem der Patient aufgeklärt werden würde. Auch sei die handschriftlich angefertigte
Zeichnung nur dann sinnvoll, soweit man diese mit dem Patienten erarbeiten würde und Erläuterungen gleichzeitig gäbe.
Auch diesen glaubhaften Bekundungen des Zeugen folgt die Kammer. Dies deckt sich ebenfalls mit dem Ergebnis der
erfolgten Anhörung des Klägers. Denn hierzu hat der Kläger ausgeführt, dass am 22.10.2001 mit ihm der
Operationstermin abgestimmt worden sei und dass er an diesem Tag auch die Aufklärung erhalten gehabt hätte, was bei
dieser
Operation vorgenommen werden würde. Außerdem sei auch der Beklagte zu 2. bei ihm gewesen, der ihm eröffnet
gehabt hätte, dass entschieden worden sei, dass durch den Brustkorb operiert werden würde. Er sei vor dem Eingriff
auch nochmals detailliert aufgeklärt worden und er habe den Aufklärungsbogen unterschrieben gehabt. Es seien
ebenfalls noch handschriftliche Eintragungen gemacht worden. Darüber, was in dem Aufklärungsformular aufgeführt sei,
einschließlich der Zeichnung auf der zweiten Seite, sei aufgeklärt worden. Ihm sei zwar die ganze Sache ein bisschen
mulmig gewesen, aber Fragen hätte er hierzu keine mehr gehabt. Er sei davon ausgegangen, dass der Eingriff gleich
welcher Zugangsart – „ob über Bauch oder Brust“ - nicht so ganz ohne gewesen wäre und dass alles schon gut gehen
würde. Auch aufgrund dieser Ausführungen des Klägers geht die Kammer davon aus, dass der Kläger – unabhängig von
der Frage, ob hinsichtlich einer Querschnittslähmung hätte aufgeklärt werden müssen – umfassend und vollständig
aufgeklärt wurde.
IV.
Die Kammer ist auch weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger – weiterhin unabhängig von der Frage des
Aufklärungsbedürfnisses hinsichtlich einer möglichen Querschnittslähmung – rechtzeitig um 18.00 Uhr am Vorabend der
Operation aufgeklärt wurde. Grundsätzlich muss ein Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt
werden, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine
Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann. Je nach den
Vorkenntnissen des Patienten von dem bevorstehenden Eingriff kann eine Aufklärung im Verlaufe des Vortages der
Operation grundsätzlich genügen, soweit sie zu einer Zeit erfolgt, zu der sie dem Patienten die Wahrung seines
Selbstbestimmungsrechts erlaubt. Im zu entscheidenden Rechtsstreit geht die Kammer davon aus, dass die erfolgte
Aufklärung des Klägers um 18.00 Uhr am Vorabend der Operation unter Abwägung aller Umstände rechtzeitig erfolgte.
Der Kläger selbst hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hierzu erklärt gehabt, dass die Aufklärung am Tag vor der
Operation zwischen 16.00 Uhr und 20.00 Uhr erfolgt sei und dass nach dieser Aufklärung „mit dem Schlafen nichts mehr
gewesen sei“. Er habe an jenem Abend noch mit seiner Ehefrau darüber sprechen können. Nach dem Gespräch mit
seiner Ehefrau sei er dann der Auffassung gewesen, ebenfalls wie auch seine Ehefrau, dass er das „hätte lassen
machen müssen“. Hieraus folgt zum einen, dass der Kläger noch ausreichend Zeit gehabt hatte, sich noch nach der
erfolgten Aufklärung endgültig zu entscheiden. Hierbei hat auch die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger bereits
wochenlang über sein Krankheitsbild Bescheid wusste und ihm die Operationsindikation seit längerem bekannt war.
Denn anlässlich der dringlichen Überweisung in die Uniklinik M. durch seinen Hausarzt musste ihm klar gewesen sein,
dass er an der Speiseröhre aufgrund des dort vorgelegen habenden Divertikels unaufschiebbar operiert werden sollte.
Dieserhalb hatte sich der Kläger unstreitig am 10.10.2001 in der Ambulanz der Beklagten zu 1. vorgestellt gehabt. Hierzu
hat der Kläger ausgeführt gehabt, dass er anlässlich dieses Termins sämtliche Unterlagen dabei gehabt hätte. Er hätte zu
diesem Zeitpunkt ständig Beschwerden gehabt. Zuvor sei er vom Hausarzt untersucht worden und dieser habe
festgestellt, dass irgendetwas in der Speiseröhre nicht in Ordnung gewesen sei. Dieser habe ihn dann zum Röntgen
geschickt, wobei festgestellt worden sei, dass er ein etwa 10 cm großes Divertikel an der Speiseröhre gehabt hätte. Nach
dem Röntgen sei er dann erneut bei seinem Hausarzt vorstellig gewesen und dieser habe mit ihm die
Röntgenaufnahmen besprochen gehabt. Sein Hausarzt habe ihm gegenüber eröffnet, dass er operiert werden müsste
und zwar beim Beklagten zu 2.. Er hätte ihm weiter mitgeteilt gehabt, dass die Operation nicht aufgeschoben werden
dürfte, da sonst die Schwierigkeiten beim Essen und beim Schlucken immer größer auftreten würden. Sein Hausarzt
hätte ihm gesagt, dass er in das Krankenhaus gehen müsste, denn irgendwann könnte sich das Divertikel entzünden und
es könnte sogar vielleicht platzen. Alles, was in dem Divertikel sich befunden hätte, das sei wie ein kleiner Magen
gewesen und dies hätte sich dann beim Platzen in den Bauchraum ergießen können und sein Hausarzt hätte ihm auch
gesagt, dass man daran vielleicht sogar sterben könnte. Ihm sei nach diesem Gespräch klar gewesen, dass das, was bei
ihm zu machen gewesen wäre, keine einfache Angelegenheit gewesen sei und dass die Angelegenheit „böse“ hätte
ausgehen können, wie das z.B. auch bei einem Blinddarmdurchbruch passieren könnte. Er hätte auch mehrfach mit
seiner Ehefrau darüber gesprochen gehabt. Er hätte sich Gedanken gemacht, ob er diesen Eingriff hätte vornehmen
lassen sollen oder nicht, und er sei zu dem Entschluss auch in Abstimmung mit seiner Ehefrau gekommen, dass er die
Operation durchführen lassen müsste, um dieses Problem beseitigen zu lassen. Aufgrund dieser glaubhaften
Bekundungen des Klägers geht die Kammer davon aus, dass der Kläger über die Art und den Grund des geplanten
Eingriffs aufgrund der Konsultation mehrerer Fachärzte ausreichend informiert gewesen war, so dass ihm die präoperativ
eingeräumte Überlegungsfrist nach der am Vortag erfolgten Aufklärung um 18.00 Uhr ausreichen musste. Dies hat auch
der Kläger bestätigt, da er insofern ausgeführt hat, dass er sich noch am Vorabend der Operation mit seiner Ehefrau
besprochen gehabt hätte, um dann zu entscheiden, dass er sich am Folgetag operieren lassen wollte. Dass der Kläger
darüber hinaus auch schon vorinformiert gewesen war, ergibt sich aus den Krankenunterlagen, die der
Gerichtssachverständige ebenfalls ausgewertet hat. Denn dort ist dokumentiert, dass der Kläger bereits am 27.9.2001 bei
dem Radiologen Dr. B. einen Oesophagus-Breischluck hat durchführen lassen. Weiterhin ergibt sich aus der
Patientendokumentation, dass der Kläger nach der ambulanten Vorstellung am 10.10.2001 bei der Beklagten zu 1.
erneut zu einer Oesophagus-Manometrie bei Prof. E. in der DKD Wiesbaden geschickt wurde. Spätestens am 10.10.2001
musste dem Kläger daher eindrucksvoll klar gewesen sein – dies ergibt sich auch aufgrund seiner mündlichen Anhörung
-, dass er an der Speiseröhre operiert werden musste. Somit hatte er 14 Tage lang Zeit, sich hiermit
auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund war es, wie bereits oben dargelegt, ausreichend gewesen, den Kläger am
Vorabend der durchgeführten Operation um 18.00 Uhr abschließend aufzuklären. Etwas anderes folgt auch nicht aus der
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.3.1998 (VI ZR 74/97). Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich von
dem vorliegenden erheblich. Zwar hatte der BGH in dem dort entschiedenen Fall festgestellt, dass die Aufklärung am
Vorabend der Operation nicht ausgereicht hätte, um die Entscheidungsfreiheit des Patienten zu gewährleisten.
Insbesondere sei es zu spät gewesen, dem Patienten erstmals im vorabendlichen Aufklärungsgespräch mitzuteilen, dass
die Tumorentfernung möglicherweise zur umgehenden Erblindung des Auges führen könnte. Im zu entscheidenden
hiesigen Rechtsstreit liegt indes ein anderer Sachverhalt zugrunde. Denn hier war – zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls
- über das Risiko einer möglichen Querschnittslähmung nicht aufzuklären. Demnach war es geradezu nicht so, dass der
Kläger erstmals am Vorabend über das schwer wiegende Risiko einer Querschnittslähmung aufgeklärt wurde. Dies wäre
eine andere Fallkonstellation gewesen, die aber vorliegend nicht gegeben war (vergl. wiederum Ausführungen weiter
unten). Denn im zu entscheidenden Rechtsstreit war zum damaligen Zeitpunkt über das Risiko einer möglichen
Querschnittslähmung gerade noch nicht aufzuklären. Dann aber verbleibt es bei den oben getätigten Ausführungen
insoweit, dass die erfolgte Aufklärung hinsichtlich der in dem Einwilligungsformular handschriftlich dargestellten Risiken
rechtszeitig erfolgte. Hinzu kommt – wie oben bereits ausführlich dargelegt -, dass der Kläger nach seinen eigenen
Angaben sich unter Abwägung der Risiken und der Notwendigkeit der Operationsindikation frei mit seiner Ehefrau noch
hierüber besprechen konnte, dies auch vor allem im Hinblick auf die bereits dem Kläger zwei Wochen vor der Operation
bekannte Operationsindikation. Daher geht die Kammer davon aus, dass der Kläger rechtzeitig aufgeklärt wurde und
zwar in dem Umfang, wie es zum damaligen Zeitpunkt erforderlich gewesen ist.
V.
Die Kammer ist nach erfolgter Beweisaufnahme entgegen der Auffassung des Klägers weiterhin zu der Auffassung
gelangt, dass es zum damaligen Zeitpunkt – 22.10.2001 – nicht erforderlich gewesen war, den Kläger über das
tatsächlich bestanden habende Risiko des Eintretens einer Querschnittslähmung aufzuklären. Im vorliegenden Fall geht
es allein um die dem Eingriff mit Notwendigkeit vorausgehende Selbstbestimmung und der Risikoaufklärung. Wie
gezeigt, ist damit die Information des Patienten über die mit der Behandlung verbundenen Chancen und Risiken
gemeint. Die Aufklärung muss hierbei grundsätzlich so weit gehen, dass der Patient „im Großen und Ganzen“ ein
zutreffendes Bild von Schwere und Risiko des Eingriffs erhält. Maßstab für den Umfang der jeweils gebotenen Aufklärung
des Patienten ist das Informationsbedürfnis des „verständigen“ Patienten. Im Einzelnen kommt es allerdings auf die
Umstände des Falles an. Unstreitig ist im zu entscheidenden Rechtsstreit der Kläger präoperativ nicht über das
tatsächlich bei ihm bestanden habende Risiko, was sich tragischerweise verwirklicht hat, nämlich der
Querschnittslähmung aufgeklärt worden. Aufgeklärt werden kann hierbei lediglich nur über diejenigen Risiken, die zum
Zeitpunkt des durchzuführenden Eingriffs wissenschaftlich bekannt oder zumindest bei derartigen Operationen (hier:
Oesophagus-Divertikel-Operation) beschrieben sind. Hierzu hat der Sachverständige ausführlich dargelegt, dass das
Auftreten einer postoperativen Paraplegie zu den typischen Risiken einer Thoracotomie gehört, die nicht zuverlässig zu
vermeiden sei. Aufgrund der erheblichen Auswirkung auf die postoperative Lebensführung eines Patienten sei dieses
zwar seltene, aber typische Risiko der Thoracotomie nach sorgfältiger Überprüfung der Literaturdaten frühestens ab dem
Jahre 2003 nach der Veröffentlichung der Arbeit von Shamji aufklärungspflichtig. Dies gelte vor allem vor dem
Hintergrund der Tatsache, dass die Therapie einer Postthoracotomie-Paraplegie regelhaft erfolglos sei, es sein denn,
man würde in den sofort durchgeführten obligaten bildgebenden Verfahren ein operativ beseitigungspflichtiges Substrat
finden, z.B. eine Blutung im Spinalkanal. Auch dann sei die Prognose allerdings als schlecht einzuschätzen. Diesen
schlüssigen Ausführungen folgt die Kammer weiterhin in eigener Überzeugungsbildung. Damit steht für die Kammer fest,
dass erst ab dem Jahr 2003 – demnach zwei Jahre nach dem streitgegenständlichen Vorfall – eine Aufklärungspflicht
dahingehend bestand, bei durchzuführenden Thoracotomien über das postoperative Risiko der Paraplegie aufzuklären.
Soweit der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten vortragen ließ, dass eine Aufklärungspflicht auch zum Zeitpunkt
Soweit der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten vortragen ließ, dass eine Aufklärungspflicht auch zum Zeitpunkt
der streitgegenständlichen Operation bestanden hätte – aufgrund der damaligen Literatur – kann dem nach erfolgter
Beweisaufnahme eindeutig nicht gefolgt werden. Hierzu hat der Sachverständige weiterhin nachvollziehbar dargelegt,
dass bis 1995 Paraplegien nach Oesophagus-Resektionen nicht beschrieben gewesen seien. In einem Fall nach
abdomino-rechts-thoracaler Oesophagektomie wegen eines Karzinoms sei es postoperativ zu einem Spinalis anterior-
Syndrom gekommen. Hierbei sei es zum Verschluss der Arterie intercostalis gekommen gewesen, aus der die Arteria
radicularis magna hervorgegangen sei. In einer weiteren Arbeit von Zantl seien im Jahre 2000 zwei Fälle mit Paraplegie
auf 1.000 Oesophagusresektionen (0,2 %) vorgestellt worden. Vermutet worden sei einmal als Ursache einer
verzögerten Paraplegie ein thrombo-embolischer Prozess während der postoperativen Mobilisation und beim zweiten
Patienten eine Vielzahl von Möglichkeiten, u.a. eine arterielle Hypotonie, die Mobilisation eines Embolus in den
Segmentarterien, die direkte Läsion des Rückenmarks, die Ruptur eines Ramus spinalis bei der Lagerung, die
Transsektion einer oder mehrerer Segmentarterien bei der Lymphknotenresektion entlang der Aorta. In diesen
bezeichneten Arbeiten seien die Autoren zu dem Schluss gekommen, dass es keine präparativen oder intraoperativen
Maßnahmen gäbe, Risikopatienten zu erkennen und intraoperativ die Patienten vor den Folgen einer Ischämie
zuverlässig zu schützen. Boedeker hätte in seiner Arbeit aus dem Jahr 1997 empfohlen gehabt, angesichts der
Seltenheit der zwar schwerwiegenden Komplikation vor Oesophagus-Eingriffen auf eine zusätzliche Aufklärung zu
verzichten. Weiterhin hat der Sachverständige ausgeführt, dass bereits 1995 Attar fünf Fälle aus der Zeit von 1957 bis
1994 veröffentlicht gehabt hätte, bei denen postoperativ eine Paraplegie eingetreten sei. Von diesen fünf Patienten sei
bei drei eine Lobektomie der Lunge, bei einem eine Decortication der Lunge durchgeführt und bei einem anderen eine
thoracale Stichverletzung versorgt worden. Der Autor hätte über weitere 35 Fälle aus der Literatur mit ähnlichem
Schicksal berichtet gehabt. Unter diesen insgesamt 40 Patienten sei allerdings nicht ein einziger mit einem Eingriff am
Oesophagus gewesen. Deshalb seien diese Eingriffe nicht vergleichbar mit der Abtragung eines epiphrenischen
Divertikels des Oesophagus. Bis zum Jahre 2003 sei weder in der nationalen noch in der internationalen Literatur eine
postoperative Paraplegie nach einem Eingriff aufgetreten gewesen, der mit dem Fall, der hier zur Beurteilung anstünde,
vergleichbar wäre. Erst im Jahre 2003 sei ein vergleichbarer Eingriff erfolgt, und zwar eine distale Oesophagomyotomie
bei Achalasie, bei dem postoperativ eine Paraplegie aufgetreten sei. Diesen ausführlichen und auch wissenschaftlich
nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen folgt die Kammer in eigener Überzeugungsbildung. Ebenfalls
hat der Sachverständige im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens weiterhin nachvollziehbar erklärt, dass Attar eine
ganze Reihe von intraoperativen Faktoren aufgelistet gehabt hätte, von denen man geglaubt habe, dass sie zum
neurologischen Defizit postoperativ beigetragen gehabt hätten. Im Einzelnen seien dies: „Die persistierende Blutung im
costo-vertebralen Winkel, der Gebrauch und die Wanderung von oxydierter Cellulose in den Spinalkanal, die Ligatur von
Intercostalgefäßen, die Elektrokoagulation im costo-vertebralen Winkel direkt in der Nähe des Foramen intervertebrale,
die epidurale Applikation von Narkotika, Hypotensionen und Metastasen im Spinalkanal“. Hierzu hat der
Sachverständige weiterhin festgestellt, dass im vorliegenden Fall diese Möglichkeiten nicht in Erwägung hätten gezogen
werden können. Denn eine persisitierende Blutung im costo-vertebralen Winkel hätte im vorliegenden Fall nicht
vorgelegen gehabt. Ebenfalls könnte der Gebrauch von oxydierter Cellulose, die in den Spinalkanal wandern würde,
ausgeschlossen werden. Denn oxydierte Cellulose sei im vorliegenden Fall nicht angewandt worden. Selbst wenn man
sehr kritisch einwenden würde, dass intraoperativ im wirbelsäulennahen Wundabschnitt eine vorübergehende
Kompression mit Kompressen durchgeführt worden sei, so sei diese temporäre Kompression nicht geeignet gewesen,
eine Paraplegie auszulösen. Des Weiteren würde die Ligatur von Intercostalarterien als Ursache einer Paraplegie nur
dann in Frage kommen, soweit sie direkt am Abgang aus der Aorta noch vor den Abgängen der Arteriae radiculares
erfolgt wäre. Eine solche Ligatur sei im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden. Des Weiteren sei eine
Elektrokoagulation im Intercostalraum nur dann problematisch, soweit sie in unmittelbarer Nähe des Foramen
intervertebrale, also im anatomisch definierten costo-transversalen Winkel durchgeführt worden wäre. Im vorliegenden
Fall sei jedoch die Koagulation nicht im costo-transversalen Winkel, sondern im wirbelsäulennahen Wundpol
durchgeführt worden. Selbstverständlich sei es erlaubt, im Intercostalraum Arterien in einem gebührenden Abstand vom
Rückenmark zu koagulieren. Die übrigen Ursachen, von Attar aufgeführt, wie ein epidurales Hämatom, die epidurale
Applikation von Narkotika, eine Metastase im Spinalkanal und Hypotensionen würden nach den vorliegenden
Unterlagen ebenfalls weiterhin ausscheiden. Auch diesen schlüssigen ergänzenden Ausführungen des
Sachverständigen folgt die Kammer weiterhin in eigener Überzeugungsbildung. Insbesondere ergibt sich aus den
nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen, dass zum damaligen Zeitpunkt der stattgehabten Aufklärung
noch nicht bekannt gewesen war, dass ohne weitere Manipulation im Intercostalraum allein die Thoracotomie geeignet
ist, eine Paraplegie auszulösen, d.h. dass jede Thoracotomie zu einer Paraplegie führen kann. Soweit der
Prozessbevollmächtigte der Klägerseite meint, dass bei den von Attar beschriebenen Fällen ebenfalls Thoracotomien
vorgenommen worden seien, folgt hieraus für die Kammer, die insofern weiterhin sachverständig beraten war, gerade
nicht, dass hierüber damals – Risiko des Eintritts einer Paraplegie – aufzuklären war. Denn damals hatte Attar - insoweit
folgt die Kammer ebenfalls dem Sachverständigen – noch nicht erkannt, dass es einzig und allein auf den gewählten
Zugang der Thoracotomie angekommen war. Der Gerichtssachverständige hat nachvollziehbar geschildert, dass die –
unabhängig von der Thoracotomie – von Attar beschriebenen Fälle mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht
vergleichbar seien. Insbesondere sei auch eine Oesophagus-Resektion nicht mit einer Oesophagus-Divertikel-Operation
zu vergleichen. Auch hieraus folgt für die Kammer, dass damals nicht über das Risiko einer Paraplegie aufzuklären war,
da, wie bereits dargelegt, nicht bekannt war, dass allein die Thoracotomie geeignet ist, eine solche auszulösen. Dies hat
der Gerichtssachverständige insofern weiter erläutert, dass im Jahre 2003 Shamji erstmals einen mit dem vorliegenden
Fall vergleichbaren Oesophagus-Eingriff durchgeführt habe, allerdings über Links-Thoracotomie mit postoperativ
auftretender Paraplegie. Zum ersten Mal sei hier in der Literatur beschrieben worden, dass nicht der Eingriff am
Oesophagus direkt das Problem sei, sondern dass es sich um ein Zugangsproblem handeln würde, bei dem Operateur
und Patient vom Variantenreichtum der spinalen Durchblutung abhängig seien, also am puren anatomischen Zufall es
liegen würde, ob postoperativ eine Paraplegie eintritt oder nicht. Erst nach dieser Arbeit von Shamji sei es nun endgültig
klar gewesen, dass es auch nach Oesophagus-Eingriffen zu Paraplegien kommen könnte. Erst ab 2003 sei anhand einer
einzigen Kasuistik zum ersten Mal bekannt geworden, dass nicht der Eingriff am Oesophagus selbst das Problem sei,
sondern die Thoracotomie als Zugang. Es würde sich also um eine extrem seltene Komplikation bei Thoracotomien
handeln. Auch diesen ausführlichen Darlegungen schließt sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung an. Soweit
der Sachverständige im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geschlussfolgert hat, dass aufgrund der extremen
Seltenheit keine Notwendigkeit zur Aufklärung der Komplikation bei jeder Thoracotomie notwendig sei, kann dem
rechtlich nicht gefolgt werden. Die Kammer geht daher davon aus, dass seit dieser im Jahr 2003 erlangten Erkenntnis
eine Aufklärung bei jedweder Thoracotomie über das Risiko einer Paraplegie aufzuklären ist, auch wenn dieses als
extrem selten einzustufen ist. Wie bereits oben dargestellt, ist den schlüssigen Erklärungen des
Gerichtssachverständigen auch insoweit zu folgen, dass die Feststellung von Prof. E., dass ein Verschluss des Gefäßes
durch Koagulation wahrscheinlich sei, nicht richtig ist. Denn hierzu müsste im Operationsbericht definitiv stehen –
insoweit die schlüssige weitere Darstellung des Gerichtssachverständigen -, dass eine Koagulation im costo-vertebralen
Winkel durchgeführt worden wäre. Eine solche Aussage ist im Operationsbericht aber nicht dokumentiert. Diese
Problematik hat der Gerichtssachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung – auch anhand der als Anlage
zum Sitzungsprotokoll genommenen Farbskizzen – dargestellt und erläutert, dass allein die Eröffnung des
Zwischenrippenraumes genügen würde, um eine Querschnittslähmung auszulösen. Er habe eigens noch in Deutschland
nachgefragt in den thoraxchirurgischen Kliniken, bei denen dieses Problem noch nie aufgetreten gewesen wäre. Eine
Aufklärung hierüber sei auch nirgendwo erfolgt. Weiterhin hat der Sachverständige dargestellt, dass es bei jeder
Thoracotomie zu Blutungen im Zwischenrippenbereich käme. Diese würden üblicherweise gestillt werden, was zum
chirurgischen Handwerk gehörte. Dazu würde auch eine Elektrokoagulation zu zählen sein. Weiterhin hat der
Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung nochmals dargelegt, weshalb das Gutachten von Prof. E.
zwar im Ergebnis richtig aber wissenschaftlich nicht scharf getrennt hätte zwischen den Begriffen „wirbelsäulennaher
Abschnitt“ und „wirbelsäulennahe“ Operation. Insofern verweist die Kammer, die erneut und weiterhin den Ausführungen
des Sachverständigen in eigener Überzeugungsbildung folgt, auf die oben getätigten Ausführungen. Weiterhin hat der
Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit, die Arteria radicularis zu
treffen, die verantwortlich für die Versorgung der einzelnen Wirbelkörper sei, mit ca. 1 : 36 Millionen zu schätzen sei.
Soweit sie getroffen würde, könne es zu einer Minderdurchblutung kommen, die dann zu einem derartigen Querschnitt
führen könnte. Nochmals hat der Sachverständige angeführt, dass die Fälle, die von Attar in seiner Arbeit genannt
worden seien, mit dem hier zu entscheidenden Fall in keiner Weise vergleichbar seien. Auch diesen wiederholenden
und ergänzenden Feststellungen des Sachverständigen folgt die Kammer weiterhin in eigener Überzeugungsbildung.
Daher geht die Kammer abschließend davon aus, dass spätestens ab dem Jahr 2003 eine Aufklärung bei jedweder
Thoracotomie hinsichtlich des Risikoeintritts einer Paraplegie unbedingt zu erfolgen hat, auch soweit dies statistisch als
äußerst selten einzustufen ist und aktuell in den großen bundesdeutschen Thoraxchirurgieabteilungen der großen
Krankenhäuser eine solche Aufklärung immer noch nicht erfolgen sollte. Dass diese Aufklärung unbedingt erforderlich
ist, ergibt sich spätestens mit dem von dem Gerichtssachverständigen Prof. K. dargestellten wissenschaftlichen
Zusammenhängen.
Da weder in der präoperativen Aufklärung noch in der durchgeführten Operation ein Arztfehler nach durchgeführter
Beweisaufnahme festgestellt werden konnte, war die Klage insgesamt abzuweisen.
VI.
Die Klageabweisung führte zur Kostenüberbürdung zu Lasten des Klägers.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
M. St. G.
Vorsitzender Richter Richter Richterin
am Landgericht am Landgericht am Amtsgericht