Urteil des LG Mainz vom 17.07.2002

LG Mainz: vergütung, wohnung, heim, hilfsperson, weisung, kontrolle, quelle, form, rlg, scheidung

Betreuungsrecht
LG
Mainz
17.07.2002
8 T 182/02
Die Zeit, die der mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmungsrecht betraute Betreuer damit zubringt,
gemeinsam mit dem Betroffenen ein Heim bzw. eine Wohnung zu besichtigen, ist grundsätzlich
vergütungsfähig. Ein Dritter kann mit der Auswahl der geeigneten Wohnform nicht betraut werden.
In dem Betreuungsverfahren betreffend
Herrn C. M., geb. am ............,
wohnhaft ......................,
an dem weiter beteiligt sind:
1. Herr S. R., .......................,
- Betreuer und Beschwerdeführer -
2. die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Mainz
- zu ...... E ..../02 -
hier: Festsetzung der Betreuervergütung
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz durch den Präsidenten des Landgerichts Dr. H., den
Richter am Landgericht E. und die Richterin am Landgericht S. am 17. Juli 2002
b e s c h l o s s e n :
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers wird der Beschluss des Amtsgerichts
Mainz vom 14.3.2002 teilweise abgeändert.
Dem Betreuer wird für seine Tätigkeit in der Zeit vom 4.6.2001 bis 21.1.2002 eine Vergütung in Höhe von
3.364,38 EUR zzgl. Mehrwertsteuer sowie Aufwendung in Höhe von 411,70 EUR zzgl. Mehrwertsteuer
bewilligt. Die Vergütung nebst Aufwendungen wird gegen die Staatskasse festgesetzt.
2.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
Der Betroffene leidet an einer leichten Minderbegabung und
Äthanolabusus. Mit Beschluss vom 29.5.2001 bestellte das Amtsgericht A.... den Beteiligten zu 1) zum
Betreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesund-
heitsfürsorge. Mit Schreiben vom 9.8.2001 teilte der Betreuer mit, dass der Betroffene auf eigenen Wunsch
demnächst nach M... eine betreute Wohngemeinschaft ziehen werde. Aus diesem Grund beantragte der
Betreuer die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Kündigung des Mietvertrags für die von dem
Betroffenen bewohnte Wohnung in A.... In einer Anhörung vor dem Amtsgericht A.... am 29.8.2001 erklärte
der Betreute, dass er alleine nicht zurechtkomme und aus diesem Grund besser in einer Wohngemein-
schaft leben wolle. Mit Schreiben vom 4.10.2001 teilte der Betreuer mit, dass der Betroffene nunmehr in
einer betreuten Wohngemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes unter der Anschrift .........Straße ....
wohne.
Mit Schreiben vom 18.2.2002 machte der Betreuer die Vergütung für die von ihm im Zeitraum vom
4.6.2001 bis 21.1.2002 erbrachte Tätigkeit sowie angefallene Aufwendungen in Höhe von insgesamt
4.380,37 EUR einschließlich Mehrwertsteuer geltend. Das Amtsgericht setzte die Vergütung und den
Aufwendungsersatzanspruch mit Beschluss vom 14.3.2002 auf insgesamt 4.085,73 EUR fest. Dabei
vertrat es die Auffassung, dass die von dem Betreuer für die Heimplatzsuche aufgeführten
Zeitaufwendungen durch eine kostengünstigere Hilfsperson hätten erfolgen können. Daher seien 13,5
Stunden mit einem Stundensatz von DM 30,-- berechnet worden. Der Betreuer hat gegen den ihn am
25.4.2002 zugestellten Beschluss mit am 25.4.2002 bei Gericht eingegangenen Schreiben sofortige
Beschwerde eingelegt. Er führt im wesentlichen aus, dass die Notwendigkeit eines Wechsels vom
Wohnort und Wohnform erforderlich gewesen sei. Da der Betroffene in dieser Zeit in keinerlei institutionel-
ler Anbindung integriert gewesen sei, in deren Rahmen die Heimplatzsuche zu delegieren gewesen wäre,
habe er den Betroffenen bei der Besichtigung des Heimplatzes begleitet.
Die Bezirksrevisorin hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung
führt sie aus, dass ein Berufsbetreuer seine Arbeit so kostengünstig wie vertretbar durchzuführen habe
und die Suche nach einem geeigneten Heimplatz auf eine Hilfsperson habe delegiert werden können. Die
anerkannten Kosten von 13,5 Stunden mit DM 30,-- seien als ausreichend und angemessen anzusehen.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und hat in der Sache Erfolg.
Die von dem Betreuer im einzelnen dargestellten im Abrechnungszeitraum erbrachten Tätigkeiten sind im
Rahmen des § 1836 BGB zu vergüten. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang angefallenen
Aufwendungen, die gemäß § 1835 BGB zu ersetzen sind. Da der Betroffene mittellos ist, richtet sich der
Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die von dem Betreuer abgerechneten Tätigkeiten von den
Aufgabenkreisen der angeordneten Betreuung erfasst sind. Aus der Aufgabenstellung des Betreuers er-
gibt sich, dass dieser grundsätzlich selbständig und in eigener Verantwortung handelt. Dabei hat er die
Angelegenheit des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Für die Frage, ob der Zeitaufwand für eine bestimmte Tätigkeit des Betreuers zu vergüten ist, kommt es
daher grundsätzlich auf die Sicht des Betreuers an. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit von faktischen
Maßnahmen zur Rechtsfürsorge ist ein großzügiger Maßstab anzulegen und insbesondere das Gebot der
persönlichen Betreuung zu beachten. Erst wenn die Maßnahmen des Betreuers diesen Rahmen
überschreiten oder sogar jeglichen Zug der ihm obliegenden Rechtsfürsorge vermissen lassen, besteht
keine Vergütungspflicht der Staatskasse (OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 86,87). Unter Berücksichtigung
dieser Grundsätze ist die von dem Amtsgericht vorgenommene Kürzung hinsichtlich der abgerechneten
Zeit für die Heimplatzsuche und hinsichtlich der Kürzung der Stundensätze nicht gerechtfertigt. Im
Rahmen des § 1901 Abs. 1 BGB ist der Betreuer in erster Linie dem Wohle des Betroffenen verpflichtet. So
sind wichtige Angelegenheiten vor Erledigung mit dem Betroffenen zu besprechen. Da dem Betreuer
vorliegend ausdrücklich auch der Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmungsrecht zugewiesen worden ist,
und zu den wichtigen Angelegenheiten jedenfalls solche gehören, durch die die persönlichen Lebensver-
hältnisse des Betreuten tiefgreifend oder für längere Zeit geändert oder vorbestimmt werden, muss die
Entscheidung über die Auswahl eines Heimplatzes den Wünschen des Betroffenen entsprechen. Mit der
Wahl des Heimplatzes bzw. der Wohnform kommt es zu einer tiefgreifenden Festlegung der
Lebensverhältnisse. Aus der Wahl der Wohnung bez. des Heimplatzes ergeben sich vielfältige
Auswirkungen auf das tagtägliche Leben des Betroffenen - insbesondere im Hinblick auf den
Tagesablauf, die tatsächliche Betreuung und die wichtigsten sozialen Kontakte. Von daher ist der Betreuer
geradezu gehalten, zusammen mit dem Betroffenen im Rahmen des Aufgabenkreises
Aufenthaltsbestimmungsrecht einen Heimplatz bzw. eine Wohnung auszusuchen. Dabei muss auch
berücksichtigt werden, dass der Betreuer mit Ausnahme von Notfällen und besonders gelagerten
Situationen eine Aufenthaltsbestimmung nur dann vornehmen und einen entsprechenden Heimvertrag
bzw. Mietvertrag nur dann schließen kann, wenn er sich davon überzeugt hat, dass die örtlichen
Gegebenheiten, die Versorgungslage und ähnliches mehr den Notwendigkeiten des Betreuten
entsprechen. Nur so kann sich der Betreuer ein Bild davon machen, ob die Wohnsituation den
Bedürfnissen des Betroffenen gerecht werden kann. Von daher ist es am sinnvollsten, mit dem Betroffenen
zusammen die Einrichtung anzusehen und sich vor Ort gemeinsam davon zu überzeugen, ob die
Wohnsituation den Bedürfnissen auch in tatsächlicher Hinsicht entspricht.
Da die Auswahl und der Abschluss des dann notwendigen Heimplatzvertrages bzw. Mietvertrages
unmittelbar zu dem Aufgabenkreis des Betreuers gehört und dieser die ihm übertragenen Aufgaben
grundsätzlich in eigener Person vorzunehmen hat, kann auch der Einwand des Amtsgerichts nicht
überzeugen, dass im vorliegenden Fall der Betreuer die Heimplatzsuche auf eine Hilfsperson hätte
delegieren müssen. Die Übertragung von Aufgaben im Rahmen der Betreuung ist nur dann zulässig und
auch sinnvoll, wenn es sich um untergeordnete Tätigkeiten handelt. Hinzu kommt, dass der Einsatz von
eingestellten Hilfskräften in der Regel auch nur im Bereich der Vermögenssorge zulässig ist, nicht aber im
Bereich der Personensorge. Da aber die Wahl des Lebensmittelpunktes in Form einer geeigneten
Wohnung bzw. eines Heimplatzes unmittelbar dem Bereich der Personensorge zuzuordnen ist, da sie
unmittelbar in die tatsächlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen eingreift, konnte der Betreuer
vorliegend - unabhängig von der Frage um welche Hilfskräfte es sich dabei handeln sollte - keinen Dritten
mit der Auswahl der geeigneten Wohnform betrauen. Was den von dem Betreuer geltend gemachten
Zeitaufwand für die Suche eines geeigneten Wohnraumes betrifft, so sind die von ihm abgerechneten
Zeiten nicht zu beanstanden. Eine pauschale Kürzung der Vergütungsansprüche würde dazu führen, dass
die Arbeit eine inhaltliche Reglementierung durch das Gericht erfährt, die mit dem Betreuungsgesetz so
nicht vereinbar ist. Denn der Betreuer ist eigenverantwortlich tätig und unterliegt keiner Weisung des
Vormundschaftsgerichts, auch nicht mittelbar über die Vergütungsabrechnung (Zimmermann FamRZ
1998, 521, 528). Die Kontrolle beschränkt sich daher im wesentlichen auf denkgesetzliche
Unmöglichkeiten, missbräuchlich deutlich überzogene oder sachlich völlig ungerechtfertigte Forderungen.
Gemessen an diesen Kriterien ist eine Herabsetzung der Vergütung durch Kürzung des Stundensatzes
nicht gerechtfertigt.
Der amtsgerichtliche Beschluss ist daher entsprechend dem ursprünglich gestellten Vergütungsantrag
abzuändern.
Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da den zur Entscheidung stehenden Fragen grundsätzliche
Bedeutung nicht zukommt (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG).
Die Kammer sieht sich bei der von ihr vertretenen Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit der
obergerichtlichen Rechtsprechung.
Dr. H. Dr. H. S.
für den wegen Urlaubs
an der Unterschriftsleistung
verhinderten RLG E.