Urteil des LG Mainz vom 07.11.2007

LG Mainz: gesetzlicher vertreter, disziplinarverfahren, ergänzung, prozessfähigkeit, verwaltungsverfahren, anwendungsbereich, quelle, geschäftsfähigkeit, gesetzeslücke, lfg

Betreuungsrecht
Sonstiges
LG
Mainz
07.11.2007
8 T 158/07
Im Falle der Prozessunfähigkeit ist die Bestellung eines gesetzlichen Verteters über § 16 Abs. 1 Nr. 4 VwVerfG i.V.m. § 3
BDG nur im behördlichen, aber nicht im gerichtlichen Disziplinarverfahren möglich.
Geschäftsnummer:
8 T 158/07
11 X 3/07 – Amtsgericht Bingen
In dem Betreuungsverfahren
betreffend Herrn B. Sch., geboren am XX.XXXXXXXXX, in G.,
- Betroffener -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. A.,
in F.,
an dem beteiligt ist:
Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Mitte, in F.,
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
hier:Beschwerde des Beteiligten gegen die Zurückweisung des Antrages auf Bestellung eines Vertreters gemäß § 16
VwVfG
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichtes Mainz durch den Präsidenten des Landgerichts K., den Richter am Landgericht
B. und die Richterin am Landgericht K. am 07. November 2007
beschlossen:
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Bingen vom 19. April 2007 wird
zurückgewiesen.
Der Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Betroffenen entstandenen
außergerichtlichen Kosten.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000,-- €.
G r ü n d e
Der Beteiligte führt gegen den sich mittlerweile im Ruhestand befindlichen Betroffenen ein Disziplinarverfahren, das beim
Verwaltungsgericht Trier – 4 K 740/06.TR – anhängig ist. Mit Gutachten vom 22. Januar 2007 stellte der psychiatrische
Sachverständige, Professor Dr. G., die Prozessunfähigkeit des Betroffenen aufgrund eines schweren organischen
Psychosyndroms fest. Mit Schreiben vom 09. März 2007 beantragte der Beteiligte beim Vormundschaftsgericht des
Amtsgerichtes Bingen die Bestellung eines Vertreters für den Betroffenen, wobei der Antrag auf § 16 Abs. 2 (gemeint ist
wohl Abs. 1) Nr. 4 VwVfG gestützt wurde, der nach Auffassung des Beteiligten im gerichtlichen Disziplinarverfahren
analog anwendbar sei.
Mit Beschluss vom 27. März 2007 setzte das Verwaltungsgericht Trier gemäß § 94 VwGO, § 3 BDG das Verfahren bis zur
Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes aus. Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10. April 2007
beantragte der Betroffene, den Antrag des Beteiligten zurückzuweisen, da § 16 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG im gerichtlichen
Verfahren keine Geltung entfalte.
Nach persönlicher Anhörung des Betroffenen am 13. April 2007 hat das Amtsgericht Bingen mit Beschluss vom 19. April
2007 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Vorschrift des § 16 VwVfG weder direkt noch
in Analogie auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren anzuwenden sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass
nach § 3 BDG die Verwaltungsgerichtsordnung und das Verwaltungsverfahrensgesetz sowohl für das behördliche als
auch für das gerichtliche Disziplinarverfahren gälten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die entsprechenden
Schreiben des Beteiligten vom 22. Juni 2007 und 17. Oktober 2007 verwiesen.
Der Betroffene hat durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Juli 2007 beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen und diesbezüglich ausgeführt, der Antrag gemäß § 57 Abs. 1 ZPO sei nicht beim Vormundschaftsgericht,
sondern beim Disziplinargericht zu stellen.
Die Beschwerde des Beteiligten ist gemäß § 19 FGG statthaft und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichtes Bingen hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
Zutreffend hat das Vormundschaftsgericht eine Vertreterbestellung von Amts wegen gemäß § 3 BDG in Verbindung mit
§ 16 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG abgelehnt. Zwar kann die Norm des § 16 VwVfG - wie eine Vielzahl anderer Vorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes - über die Verweisungsnorm des § 3 BDG grundsätzlich auch Eingang in das neue
verwaltungsmäßig geprägte kontradiktorische Disziplinarverfahren finden (Gansen, Kommentar zum Disziplinarrecht in
Bund und Ländern, § 3 BDG RdNr. 1 und 7). Aus dem Wortlaut der Verweisungsnorm ergibt sich aber, dass die Normen
des Verwaltungsverfahrensgesetzes wie auch der Verwaltungsgerichtsordnung lediglich zur Ergänzung heranzuziehen
sind. Dies kann bei verständiger Auslegung nur bedeuten, dass die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes nur
zur Ergänzung des behördlichen Disziplinarverfahrens und die Normen der Verwaltungsgerichtsordnung
zur Ergänzung des behördlichen Disziplinarverfahrens und die Normen der Verwaltungsgerichtsordnung
dementsprechend zur Ergänzung des gerichtlichen Teiles des Disziplinarverfahrens herangezogen werden können.
Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber gerade im Falle des § 16 VwVfG eine Erstreckung auch auf das gerichtliche
Disziplinarverfahren beabsichtigt hat, ergeben sich nicht.
Diese bereits von dem Amtsgericht Bingen zugrunde gelegte und von der Kammer bestätigte Sichtweise ergibt sich im
Übrigen auch aus der einschlägigen Kommentarliteratur. Zutreffend hat das Vormundschaftsgericht insoweit auf die
entsprechende Kommentierung in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, § 57 RdNr. 13
hingewiesen, wo bezüglich der prozessunfähigen Partei im Verwaltungsgerichtsverfahren ausgeführt worden ist, dass
„die umfassendere und zweckmäßigere Regelung in den §§ 16 VwVfG, 81 AO und 15 SGB X (leider) nur für das
Verfahren vor Verwaltungsbehörden gelte“. Auch aus der von dem Beteiligten angeführten Kommentierung in GKÖD,
Bd. 2, DisR, Lfg. 1/05, Anhang 2 M § 20, ergibt sich nichts anderes. Dort ist unter Randziffer 13 ausgeführt, dass § 16
VwVfG in unmittelbarer Geltung die Vertreterbestellung nur im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes,
das heißt, nur für das behördliche Verwaltungsverfahren gelte. Daher sei davon auszugehen, dass das
Vormundschaftsgericht einen Vertreter nur für das behördliche Disziplinarverfahren bestellen könne.
Auch eine analoge Anwendung des § 16 VwVfG kommt vorliegend nicht in Betracht, da dies eine Gesetzeslücke
voraussetzen würde, die hier nicht zu erkennen ist. Entgegen der Auffassung des Beteiligten bedeutet die Ablehnung der
Betreuerbestellung nämlich nicht zwingend, dass das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht weitergeführt
werden kann. Es handelt sich vorliegend um ein Problem der Prozessfähigkeit. Diese allgemeine prozessuale Frage, die
für die Zulässigkeit auch von Disziplinarklagen von Bedeutung ist, muss gemäß § 3 BDG nach den Regeln der
Verwaltungsgerichtsordnung beantwortet werden. So beurteilen sich Probleme der Beteiligungs- und Prozessfähigkeit
nach § 3 BDG in Verbindung mit §§ 61 und 62 VwGO. Ist der Beamte wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nicht
prozessfähig (§ 3 BDG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGO) und ist ein gesetzlicher Vertreter nicht vorhanden, muss für
ihn ein Prozesspfleger bestellt werden (§ 3 BDG in Verbindung mit § 62 Abs. 4 VwGO in Verbindung mit § 57 ZPO;
Gansen, a.a.O., § 52 RdNr. 27 a; GKÖD, a.a.O., RdNr. 14).
Die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO erfolgt allerdings nicht durch das Vormundschaftsgericht,
sondern durch das Prozessgericht.
Nach alledem kam vorliegend die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG weder in
direkter noch in entsprechender Anwendung in Betracht, sodass der darauf gerichtete Antrag des Beteiligten von dem
Vormundschaftsgerichtes des Amtsgerichtes Bingen zurecht zurückgewiesen worden ist. Die gegen die amtsgerichtliche
Entscheidung eingelegte Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich bezüglich der Gerichtsgebühren aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, bezüglich der
Kostentragungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Den Beschwerdewert hat die Kammer gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 KostO festgesetzt.
K. B. K.