Urteil des LG Mainz vom 31.10.2001

LG Mainz: firma, sicherungsabtretung, berechtigte person, hinterlegung, sparkasse, berechtigung, anzeige, vollstreckung, aushändigung, rückübernahme

Bürgerliches Recht
LG
Mainz
31.10.2001
12 HK.O 50/01
Eine zur Schuldtilgung führende berechtigte Hinterlegung setzt voraus, dass beim Schuldner begründete,
objektiv verständige Zweifel über die Person des Gläubigers aufgetreten sind.
Landgericht Mainz
Aktenzeichen:
12 HK.O 50/01
Verkündet am: 31.10.2001
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Rechtsanwalts Dr. W........ P...........,. M........., als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A.........
G.......... Gesamtbauplanung GmbH,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte; Rechtsanwälte Dr. P....., u. Koll.,. M........,
gegen
die Sparkasse W........, Anstalt des öffentlichen Rechts, gesetzlich vertreten durch den Vorstand M....... W.
Sch....... und A...... H......, W........
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigter; Rechtsanwalt J............... Sch........., W...........
wegen Anspruches aus Sicherungsabtretung
hat die 12. Zivilkammer - 2.Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Mainz durch den Vorsitzenden
Richter am Landgericht E........, den Handelsrichter Dr. Z........ und den Handelsrichter D........ auf die
mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2001
für Recht erkannt:
1. Das Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil der Kammer vom 19. Juli 2001 wird für vorbehaltslos erklärt
und wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, 80.037,48 DM nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus
19.000,— DM seit dem 2.4.2001 und aus 61.037,48 DM seit dem 4.4.2001 sowie weitere 5.390,— DM Zug
um Zug gegen Aushändigung des Sparkassenbuches Sparkasse W...... Nr.: 302674876 nebst Zinsen in
Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 24.5.2001 an den Kläger zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 93.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe
Sicherheit leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft einer
deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d:
Durch Beschluss des Amtsgerichts -Insolvenzgericht- Mainz vom 1.9.2001 (Bl. 65 GA) wurde bezüglich
der Firma G........ Gesamtbauplanung GmbH mit Sitz in M.... das Insolventer fahren eröffnet und der Kläger,
Rechtsanwalt Dr. P.........., zum Insolvenzverwalter bestellt.
Herr K..... Sch..... führte bei der Sparkasse zwei Festgeldkonten über 19.000,— DM und 61.037,48 DM
sowie ein Sparkonto über 5.390,— DM. Durch Sicherungsabtretung vom 2.2.2001 (Anlage K l, Bl. 6 GA)
trat Herr K....... Sch..... die drei genannten Bankwerte an die Insolvenzschuldnerin, Firma ARC................
Gesamtbauplanung GmbH ab. Zweck dieser Abtretung war die Sicherung eines Anspruches der Firma
ARC........ gegen ihre ehemalige Mitarbeiterin, Frau Beate C......... Frau C........ war bei der Firma
ARC................ Arbeitnehmerin und sah sich einer Schadensersatzforderung der genannten Firma wegen
verschiedener benachteiligender Handlungen ausgesetzt. Die zur Sicherung derartiger Ansprüche
erfolgte Abtretung der Bankwerte des Herrn Sch..... zugunsten der Insolvenzschuldnerin Firma
ARC................ wurde der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 20.2.2001 (Anlage K 5, Bl. 10 GA) schriftlich
angezeigt. In dem genannten Anwaltsschreiben wurde auch auf die Vorschrift § 409 BGB hingewiesen.
Gleichwohl veranlasste die Beklagte am 1.4., 3.4. und 23.5.2001 die Hinterlegung der drei Bankguthaben.
Der Kläger trägt vor:
Die Beklagte sei nach unstreitig erfolgter Kündigung und Fälligstellung der drei Bankwerte über 19.000,—
DM, 61.037,48 DM und 5.390,-- DM verpflichtet, die Beträge ihm auszuzahlen. Die Beklagte sei nicht
berechtigt gewesen, die Festgelder und, Sparbeträge zu hinterlegen. Ein Hinterlegungsgrund habe nicht
bestanden, da infolge der der Beklagten vollständig zur Kenntnis gegebenen
Sicherungsabtretungsurkunde und Anzeige vom 20.2.2001 die Beklagte Gewissheit an der
Gläubigerposition der Firma ARC................ hatte.
Die Kammer hat im Termin vom 19.7.2001 ein Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil erlassen. Hierin wurde
die Beklagte verurteilt, an die damalige Klägerin, Firma ARC................ Gesamtbauplanung GmbH, Mainz,
80.037,45 DM nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus 19.000,— DM seit dem 2.4.2001
urtd aus 61.037,48 DM seit dem 4.4.2001 sowie weitere 5.390,— DM Zug um Zug gegen Aushändigung
des Sparkassenbuches Sparkasse W........ Nr. 302674876 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem
Basiszinssatz seit dem. 24.5.2001 zu zahlen. Die Beklagte hat das Nachverfahren aufgerufen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil vom 19.7.2001 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil vom 19.7.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor:
Sie sei berechtigt gewesen, die Bankwerte zu hinterlegen. Sie sei bezüglich der Person des Berechtigten
hinsichtlich der Bankwerte im Ungewissen gewesen. Herr Sch..... habe ihr am 14.3.2001 mündlich
mitgeteilt, die Sicherungsabtretung vom 2.2.2001 sei hinfällig. Am nächsten Tag, dem 15.3.2001 habe ein
Herr R......., Mitarbeiter bei der Firma ARC................, gesagt, die Abtretung vom 2.2.2001 sei nicht hinfällig.
Die Beklagte nimmt überdies Bezug auf ein Rückübernahmeschreiben vom 10.4.2001 (Bl. 46 GA), was ihr
gleichfalls zur Kenntnis gegeben worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen .
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter bezüglich der Insolvenzschuldnerin ARC................
Gesamtbauplanung GmbH nunmehr Klagepartei kraft Amtes und klagebefugt. Der Kläger hat durch
Prozesserklärung den vorliegenden Aktivprozess gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgenommen. Dies
führt dazu, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezüglich der Firma ARC................
Gesamtbauplanung GmbH zunächst eingetretene Unterbrechung wieder beendet ist (vgl. Zöller/Greger,
ZPO, 22. Aufl., § 240, Rdnr. 10 m.w.N.). Die Beklagte hat im Termin vom 18.10.2001 zu der
Aufnahmeerklärung des Klägers als Insolvenzverwalter ihrerseits erklärt, damit einverstanden zu sein,
dass der Rechtstreit nunmehr von dem Insolvenzverwalter aufgenommen und durchgeführt wird (vgl. Bl.
63 GA).
II.
In der Sache ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auf der Grundlage der geschlossenen Kontoverträge
die unstreitig mit Schreiben vom 20.2.2001 gekündigten und fällig gestellten Bankwerte, nämlich
Festgelder über 19.000,— DM und 61.037,48 DM .sowie Sparguthaben über 5.390,— DM auszuzahlen.
Die von der Beklagten am 1.4.2001 hinsichtlich der 19.000,— DM, am 3.4.2001 hinsichtlich der 61.037,48
DM und am 23.5.2001 hinsichtlich des Sparguthabens von 5.390,— DM durchgeführte Hinterlegung der
genannten Bankwerte führte nicht zur Schuldtilgung. Die schuldtilgende Wirkung der berechtigten
Hinterlegung setzt gemäß § 372 BGB voraus, dass der die Hinterlegung durchführende Schuldner aus
einem anderen als in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder infolge einer nicht auf
Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder
nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Voraussetzung für die zur Schuldtilgung führende berechtigte
Hinterlegung ist also die Ungewissheit "über die Person des Gläubigers" bei dem Schuldner. Diese
Ungewissheit liegt aber nicht schon dann vor, wenn mehrere Forderungsinhaber auftreten. Voraussetzung
für eine Ungewissheit über die Person des Gläubigers ist vielmehr die, dass beim Schuldner objektiv
verständige Zweifel über die Person des berechtigten Gläubigers aufgetreten sind (vgl. BGHZ 7, 302,
303). Nur im Falle von begründeten, objektiv verständigen Zweifeln über die Person des Gläubigers ist es
dem Schuldner nicht zuzumuten, auf eigene Gefahr die Ungewissheit über die Forderungsinhaberschaft
zu lösen. Nur in diesem Fall ist der Schuldner berechtigt, die Beträge zu hinterlegen.
Im vorliegenden Fall liegt indessen kein Sachverhalt vor, welcher objektiv verständige Zweifel über die
Person der Forderungsinhaberschaft der Insolvenzschuldnerin begründen würde. Hierbei lässt sich die
Kammer im Einzelnen von folgenden Erwägungen leiten:
Die drei Beteiligten der Sicherungsabtretung vom 2.2.2001 fixierten den Inhalt der Sicherungsabtretung,
den Inhalt der abgetretenen Bankwerte und den Sicherungszweck in der Erklärung vom 2.2.2001 (Bl. 6
GA) . Hierin wurde offenkundig, welche Bankwerte von dem bisherigen Forderungsinhaber Sch..... an die
Insolvenzschuldnerin ARC................ Gesamtbauplanung GmbH abgetreten wurden; gleichfalls wurde
hierin zu erkennen gegeben, welches der Sicherungszweck dieser Abtretung war. Die genannte
Sicherungsabtretungsurkunde vom 2.2.2001 wurde ausweislich des Anwaltsschreibens vom 20.2.2001
(Anlage K 5, Bl. 10, 11 GA) der Beklagten zur Kenntnis übersandt. In dem Anwaltsschreiben vom
20.2.2001 wurde die Abtretung der Forderung der Beklagten gegenüber angezeigt und hierin im
Einzelnen erläutert, um welche abgetretenen Bankwerte es sich handelt, wer Altgläubiger und wer
Neugläubiger ist und was der Sicherungszweck ist. Ferner wurde auf § 409 Abs. l Satz 2 BGB
hingewiesen. Hiermit hat indessen die Insolvenzschuldnerin eine Abtretungsanzeige im Sinne von § 409
Abs. 1 BGB der Beklagten gegenüber abgegeben mit der Wirkung, dass die Beklagte als Schuldnerin die
angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen muss.
Bei dieser die Abtretung der Forderung anzeigenden und die Personen der Abtretung, den Gegenstand
der Abtretung und den Abtretungszweck zum Gegenstand habenden Anzeige war die Beklagte indessen
nicht berechtigt, die Bankwerte zu hinterlegen. Denn diese die materiell-rechtliche Berechtigung der
Insolvenzschuldnerin belegenden Urkunden (Sicherungsabtretungsurkunde vom 2.2.2001; Anzeige
dieser Abtretung vom 20.2.2001) lassen objektiv verständige Zweifel über die Person des berechtigten
Gläubigers, nämlich Firma ARC................ Gesamtbauplanung GmbH, nicht zu. Diese
Forderungsinhaberschaft wird auch durch die von der Beklagten behaupteten Äußerungen der Zeugen
Sch..... und Romeos in ihrem Aussagegehalt nicht in Zweifel gezogen. Hierzu hat die Beklagte
vorgetragen, am 14.3.2001 habe Herr Sch..... bei einem Kundengespräch geäußert, die Abtretung vom
2.2.2001 sei hinfällig; am Folgetag, 15.3.2001, habe ein Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin, Herr
Romeos, erklärt, die Abtretung vom 2.2.2001 sei keineswegs hinfällig. Wenn aber die kurz zuvor am
2.2.2001 von den drei Beteiligten getätigte Abtretung "hinfällig" sein soll, also von den drei Beteiligten
rückabgewickelt worden sein soll, genügt nicht die mündliche Erklärung 'eines der drei Beteiligten, um von
der Ungültigkeit der Sicherungsabtretung ausgehen zu können. Verständige Zweifel an der Geltung und
Wirksamkeit der Sicherungsabtretung können allenfalls dann begründet sein, wenn alle drei Beteiligten,
nämlich Frau C........, Herr Sch..... und die Firma ARC................ Gesamtbauplanung GmbH,
übereinstimmend von der Sicherungsabtretung Abstand genommen hätten und dies der Beklagten als
Schuldnerin gegenüber zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht hätten. An einer solchen übereinstimmenden
Erklärung aller drei Beteiligten der Sicherungsabtretung in Richtung der Rückgängigmachung der
Abtretung fehlt es im vorliegenden Fall auch nach dem Sachvortrag der Beklagten. Denn die Beklagte
behauptet selbst nicht, von Frau C........, Herrn Sch..... und der Insolvenzschuldnerin gemeinsam informiert
worden zu sein, die Abtretung habe keine Gültigkeit mehr. Die einseitigen und widersprüchlichen
Erklärungen nur einiger der Beteiligten vom 14. und 15.3.2001 machen lediglich deutlich, dass nunmehr
unterschiedliche Personen sich der Berechtigung an den Bankwerten berühmen, sie begründen aber
keine objektiv verständigen Zweifel über die durch die Urkundenlage berechtigte Person der
Insolvenzschuldnerin an den Bankwerten.
Auch das Schriftstück vom 10.4.2001 (Bl. 46 GA), welches mit "Sicherungsabtretung-Rückübernahme vom
10.4.2001" überschrieben worden ist, konnte gleichfalls keine vernünftigen Zweifel an der
Forderungsinhaberschaft der Firma ARC................ hinsichtlich der Bankwerte begründen. Denn wie im
Termin vom 18.10.2001 erörtert, bestehen erhebliche Bedenken bezüglich der Authentizität der
Unterschriften bezüglich Rechtsanwalt Dornheim und Rechtsanwalt Schlösser. Die Schriftzüge der beiden
Personen weichen grob von den authentischen Schriftzügen der beiden Rechtsanwälte ab, was sich der
Beklagten aufdrängen musste und was die Beklagte als die Bankwerte betreuende Bank auch überprüfen
musste, wenn sie von der Authentizität der Schriftzüge des Schriftstückes vom 10.4.2001 ausgehen wollte
und dies zur Grundlage einer Hinterlegungsentscheidung machen wollte. Keineswegs durfte die Beklagte
die mit höchstwahrscheinlich grob gefälschten Schriftzügen versehene Urkunde vom 10.4.2001 ungeprüft
zur Grundlage einer Hinterlegungsentscheidung machen. Hinzu kommt, dass die Beklagte bereits am 1.4.
und 3.4. die beiden Festgeldwerte hat hinterlegen lassen, zu einem Zeitpunkt also, als das
"Rückübernahme" -schreiben vom 10.4.2001 noch nicht vorlag.
Es bestand daher mangels objektiv verständiger Zweifel über die Person der berechtigten Gläubigerin an
den Bankwerten (ARC................ Gesamtbauplanung GmbH) keine Berechtigung der Beklagten, die
Bankwerte zu hinterlegen (§ 372 BGB). Die gleichwohl veranlasste Hinterlegung der Bankwerte hatte
keine schuldtilgende Wirkung. Dies führt dazu, dass die Beklagte zur Auszahlung der unstreitig
gekündigten und fällig gestellten Bankwerte verpflichtet ist.
Die Zinsansprüche sind aus Verzug gemäß §§ 284, 288 Abs. 1 BGB begründet (vgl. zur Berechnung des
Basiszinssatzes: Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 288, Rdnr. 9 d.E.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 5 und 711 ZPO.
Der Streitwert beträgt 80.037,45 DM.
E..... D........... Dr.
Z........
VRLG Handelsrichter Handelsrichter