Urteil des LG Mainz vom 05.05.2008

LG Mainz: strafverfahren, strafgericht, sachbeschädigung, unterschlagung, umkehrschluss, pflichtverteidiger, quelle, strafakte, offenkundig, strafprozessordnung

Bürgerliches Recht
LG
Mainz
05.05.2008
40 XVII 40/04
Kein Ersatz der Pflichtverteidigergebühr über §§ 1908; Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB.
Geschäftsnummer:
8 T 87/08
43 XVII 40/04 - Amtsgericht Mainz
In dem Betreuungsverfahren
betreffend Herrn Thomas Emanuel Heil, geboren am 16. November 1985, Sertoriusring 349, 55126 Mainz,
- Betroffener -
an dem weiter beteiligt sind:
1. Frau Rechtsanwältin Alexandra Kunkel-Wolf, Bergerstraße 179 / Eingang Wiesenstraße 5, 60385 Frankfurt,
- Berufsbetreuerin und Beschwerdeführerin -
2. Frau Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Mainz,
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichtes Mainz durch den Präsidenten des Landgerichtes Kestel, den Richter am
Landgericht Bergmann und die Richterin am Landgericht Karl am 05. Mai 2008
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Mainz vom 06. März 2008 wird
zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 734,83 €.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
Der Betroffene leidet unter einer reaktiven Bildungsstörung bei Lernbehinderung und Epilepsie. Mit Beschluss des
Amtsgerichtes Mainz vom 20. Februar 2004 wurde für ihn für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung,
Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Behörden- und Versicherungsangelegenheiten eine Betreuerin bestellt. Mit
weiterem Beschluss vom 09. März 2006 bestellte das Amtsgericht Mainz die Beteiligte zu 1), die als Berufsbetreuerin tätig
ist, zur Betreuerin des Betroffenen.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mainz vom 12. März 2007 wurde der Betroffene wegen zwei Fällen der
Sachbeschädigung und einem Fall der Unterschlagung vor dem Jugendrichter des Amtsgerichtes Mainz angeklagt.
Bereits im Ermittlungsverfahren hatte sich die Betreuerin mit Schreiben vom 29. Januar 2007 als Verteidigerin des
Betroffenen bestellt. In der Hauptverhandlung am 04. Juni 2007 übernahm sie die Verteidigung des Betroffenen. Mit
Urteil des Jugendrichters vom 04. Juni 2007 wurde der Betroffene wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen in
Tatmehrheit mit Unterschlagung verwarnt. Außerdem wurde ihm die Weisung auferlegt, unentgeltliche Arbeitsleistungen
zu erbringen und Schadenswiedergutmachung zu leisten. Mit Beschluss vom 05. Juli 2007 hob das Amtsgericht Mainz
den Aufgabenkreis der Vermögenssorge mangels Bedarfes auf.
Mit Schriftsatz vom 09. Januar 2008 beantragte die Betreuerin, ihr nach § 1835 Abs. 3 BGB in Verbindung mit den
entsprechenden Vorschriften des RVG, die mit dem Strafverfahren verbundenen Aufwendungen zu erstatten. Die
Bezirksrevisorin bei dem hiesigen Landgericht beantragte, den Antrag zurückzuweisen, da die Betreuerin verpflichtet
gewesen sei, ihre Beiordnung als Pflichtverteidigerin zu beantragen.
Mit Beschluss des Amtsgerichtes Mainz vom 06. März 2008 wies der Rechtspfleger den Antrag der Betreuerin auf
Erstattung von Aufwendungsersatz zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Vertretung in dem
Strafverfahren nicht von der Betreuertätigkeit umfasst gewesen sei.
Gegen diesen ihr am 26. März 2008 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27. März
2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, es habe keinen Fall der Beiordnung zur Pflichtverteidigung
vorgelegen, allerdings habe der Betroffene vor Gericht verteidigt werden müssen.
Das Amtsgericht Mainz hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt
(Beschluss vom 14. April 2008).
Das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin ist als sofortige Beschwerde gemäß § 56 g Abs. 5 FGG statthaft und auch sonst
zulässig, in der Sache aber unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht Mainz in seiner angefochtenen Entscheidung
darauf hingewiesen, dass die Betreuerin aus der Staatskasse eine pauschalierte Vergütung gemäß der §§ 4, 5 VBVG
quartalsweise erhält. Diese Pauschalvergütung deckt auch die Tätigkeit im Rahmen des gegen den Betroffenen
geführten Strafverfahrens ab, die im Übrigen auch von einem nicht juristisch gebildeten Betreuer zu leisten gewesen
wäre. Soweit die Betreuerin darüber hinaus als Verteidigerin des Betroffenen aufgetreten ist, ist dadurch ein
Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB in Verbindung mit den entsprechenden
Vorschriften des RVG nicht entstanden. Dieses ergibt sich schon daraus, dass die Betreuerin insoweit nicht im Rahmen
ihrer Betreuertätigkeit als Verteidigerin aufgetreten ist. Die Verteidigung in Strafverfahren ist von ihren Aufgabenkreisen
als Betreuerin des Betroffenen nicht umfasst. Eine solche richtet sich vielmehr nach den entsprechenden Vorschriften der
Strafprozessordnung. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO kann ein Pflichtverteidiger unter bestimmten Voraussetzungen bestellt
werden, insbesondere auch dann, wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Im
Umkehrschluss ist daraus zu entnehmen, dass in den Fällen, in denen keine Pflichtverteidigung angeordnet werden
musste, von einer notwendigen Verteidigung nicht auszugehen war, mithin der Angeklagte in der Lage war, sich selbst
zu verteidigen.
Darauf folgt, dass ein Betreuer, der über die entsprechenden juristischen Fähigkeiten nicht verfügt, bei dem zuständigen
Strafgericht eine Pflichtverteidigung beantragen kann. Das Strafgericht hat dann über diesen Antrag zu befinden. Für den
Fall der Ablehnung steht das Beschwerdeverfahren im strafgerichtlichen Instanzenzug offen. Wird der Antrag abgelehnt,
steht damit fest, dass eine Verteidigung des Angeklagten offensichtlich nicht notwendig ist. Für einen Betreuer mit
entsprechenden juristischen Kenntnissen kann nichts anderes gelten. Auch er hat in geeigneten Fällen auf eine
Pflichtverteidigung hinzuwirken. Den Fällen einer Ablehnung eines Antrages auf Pflichtverteidigung gleichzusetzen sind
die Fälle, in denen der Betreuer von vornherein auf die Stellung eines Antrages verzichtet, da die Voraussetzungen des
§ 140 Abs. 2 StPO offenkundig nicht vorliegen.
Aus der beigezogenen Strafakte 3342 Js 2204/07.jug.406 Ds – Amtsgericht Mainz – ergibt sich, dass die Betreuerin
keinen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin in dem gegen den Betroffenen geführten Strafverfahren gestellt hat.
Sie hat diesbezüglich in ihrer Beschwerdebegründung im Übrigen vorgetragen, es habe kein Fall für eine Beiordnung als
Pflichtverteidigerin vorgelegen.
Damit steht allerdings auch fest, dass ihr kein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen in dem Strafverfahren zusteht.
Der Ersatzanspruch gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB dient nicht dazu, außerhalb der Betreuungstätigkeit
entfaltete Aktivitäten, zum Beispiel als Strafverteidiger, zu vergüten. Soweit die Betreuerin den Betroffenen im
Strafverfahren im Rahmen ihres Aufgabenkreises der Vermögenssorge betreut hat, ist diese Tätigkeit bereits durch die
quartalsmäßig ausgezahlte Pauschale gemäß §§ 4 und 5 VBVG abgegolten.
Nach alledem war die Zurückweisung des Aufwendungsersatzanspruches der Betreuerin seitens des Amtsgerichtes
Mainz nicht zu beanstanden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 KostO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer gemäß § 30 KostO in Höhe der beantragten Aufwendungen nebst Auslagen
festgesetzt.
Die weitere sofortige Beschwerde war nicht zuzulassen, da den zur Entscheidung stehenden Fragen keine
grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG).
Kestel Bergmann Karl
Ausgefertigt:
Wilhelm, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle