Urteil des LG Mainz vom 08.01.2004

LG Mainz: verrechnung, gegenforderung, kommanditeinlage, aufrechnung, firma, erlöschen, erfüllung, kommanditgesellschaft, rechtsgeschäft, konkurseröffnung

Bürgerliches Recht
Gesellschaftsrecht
LG
Mainz
08.01.2004
12 HK.O 83/99
1.)
Gegenüber einer fälligen Kommanditeinlageverpflichtung kann wirksam nur mit einer wirtschaftlich
werthaltigen Forderung aufgerechnet/verrechnet werden. Hierfür ist die bloße juristische Existenz einer
Gegenforderung nicht ausreichend, ebenso wenig der bloße nominelle Nennwert der Gegenforderung.
Vielmehr muss die wirtschaftliche Substanz und Werthaltigkeit der Gegenforderung feststehen
(wirtschaftliche Betrachtungsweise)
2.
Eine infolge Konkurses/Insolvenz des Schuldners der Gegenforderung nicht mehr realisierbare
Gegenforderung ist wirtschaftlich nicht mehr werthaltig und kann die Einlagezahlungspflicht daher nicht
zum Erlöschen bringen.
Landgericht Mainz
12 HK.O 83/99
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt Dr. J. B. als Konkursverwalter über das Vermögen der M. Special Engeneering GmbH & Co.
KG W., in W.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. F. in W.
gegen
I. International Consultants S.A., vertreten durch den geschäftsführenden Verwaltungsratsvorsitzenden R.
L., in L.,
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G., in M.,
wegen Klage auf Zahlung der Kommanditeinlage
hat die
12. Zivilkammer -2. Kammer für Handelssachen-
Vorsitzenden Richter am Landgericht
E., den Handelsrichter S. und den Handelsrichter
D. auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2003
für
R e c h t
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
132.935,88 Euro (= 260.000,-- DM)
nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 28.7.1998 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von 171.000,-- Euro vorläufig
vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft einer
deutschen Großbank, Volksbank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
Mit Beschluss des Amtsgerichts Alzey vom 8.7.1998 (N 41/98) wurde das Anschluss-Konkursverfahren
über das Vermögen der Firma M. Special Engineering GmbH & Co. KG mit Firmensitz in W. eröffnet. Der
Kläger wurde zum Konkursverwalter bestellt. Kommanditistin bei der Gemeinschuldnerin, Firma M. GmbH
& Co. KG, ist die Beklagte, eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts (societe anonyme). Die Beklagte
war als Kommanditistin bei der Gemeinschuldnerin mit einer Kommanditeinlage von 300.000,-- DM be-
teiligt. Diese Kommanditeinlage erwarb die Beklagte ca. zwei Jahre zuvor, nämlich auf der Grundlage des
notariellen Kaufvertrages vom 18.7.1996 (vgl. Anlage zur Klageschrift K 4) von den vorherigen
Kommanditisten He. und Hu.. Die beiden Herren verfügten über Kommanditanteile in Höhe von je
150.000,-- DM. Sie hatten ihre Einlagen jedoch nicht vollständig erbracht, sondern lediglich in Höhe von
insgesamt 40.000,-- DM waren die Kommanditeinlagen bei dem Erwerb durch die Beklagte geleistet, im
Übrigen standen sie noch offen. Die von der Beklagten an die Gemeinschuldnerin (Fa. M. GmbH & Co.
KG) bislang noch nicht geleisteten Kommanditeinlagen (300.000,-- DM abzüglich 40.000,-- DM =
260.000,-- DM) sind Gegenstand der vorliegenden Zahlungsklage.
Der Kläger trägt vor:
Der für die Gemeinschuldnerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Kommanditeinlage sei nach
wie vor begründet und nicht durch Aufrechnung/Verrechnung erloschen. Insbesondere habe es keine
Verrechnung/Aufrechnung mit etwaigen Gegenansprüchen der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin
gegeben. Eine Verrechnung mit Honoraransprüchen sei zwischen der Beklagten und der Gemeinschuld-
nerin 1997 allenfalls beabsichtigt gewesen, nicht aber wirklich erfolgt. Auch der notarielle Kaufvertrag vom
18.7.1996 enthalte keine Anhaltspunkte für eine Verrechnungsregelung; im Gegenteil: der Vertrag
spreche ausschließlich von einer vollen Einlagezahlungsverpflichtung der Beklagten. Auch sei die von der
Beklagten vorgelegte "Übersichtsliste" (Bl. 33 GA) über geltend gemachte Gegenforderungen auf
Honorierung sachlich nicht nachvollziehbar; überdies datieren die geltend gemachten Gegenforderungen
aus der Zeit 2.4.1996 bis 3.10.1997; die Verrechnung selbst sei aber allenfalls im November 1997
beabsichtigt gewesen.
Überdies gelte: Sofern überhaupt es zu einer Verrechnung mit Honorarforderungen der Beklagten
gekommen sei, habe diese eigenkapitalersetzenden Charakter und sei daher nicht geeignet, die be-
gründete Einlageschuldverpflichtung der Beklagten zum Erlöschen zu bringen. Dies ergebe sich daraus,
dass die Gemeinschuldnerin sich seit Oktober 1997 in einer finanziellen Krise befunden habe; sie sei
zahlungsunfähig gewesen und habe weder ihre Lohn- noch ihre Sozialversicherungsverpflichtungen
mehr erfüllen können. In dieser Zeit habe die Beklagte ihre geltend gemachten angeblichen
Gegenforderungen nicht ernsthaft eingefordert, sondern vielmehr insoweit eine Stundung vorgenommen.
Hierbei handele es sich um eine Form der Mittelgewährung zugunsten der Gemeinschuldnerin, welche
eigenkapitalersetzenden Charakter habe. Diese "Verrechnung" werde daher angefochten.
Hinzu komme der Umstand, dass eine Befreiung der Beklagten von einer Einlageschuldverpflichtung
schon deswegen entfalle, weil die zur Verrechnung/Aufrechnung gestellten Gegenforderungen keinen ob-
jektiven Wert hätten. Denn nach der Konkurseröffnung bezüglich der Gemeinschuldnerin sei eine
angebliche Gegenforderung der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin nicht mehr realisierbar und
daher nicht wirtschaftlich werthaltig. Der Verrechnung komme daher rechtlich keine Bedeutung zu.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 132.935,88 Euro (= 260.000,-- DM) nebst 4% Zinsen seit
dem 28.7.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor:
Es habe mit entstandenen Gegenforderungen auf Honorierung für Fördermittelberatung eine
Verrechnungsvereinbarung gegeben. Ihr, der Beklagten, stünden entsprechende Honoraransprüche zu,
welche in der Übersichtsliste (Bl. 33 GA) aufgelistet seien. Mit den Honoraransprüchen in Höhe von
294.000,-- DM hätte die Beklagte einerseits und die Herren Hu. (Verkäufer) und Sch. eine Ver-
rechnungsvereinbarung getroffen. Dies sei auch in der Besprechungsnotiz vom 5.11.1997 zum Ausdruck
gekommen (K 10). Dieser Verrechnung käme kein eigenkapitalersetzender Charakter zugute. Denn eine
Stundungsgewährung oder ein sonstiges Rechtsgeschäft, welches einer Darlehensgewährung
vergleichbar wäre, habe es nie gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat als Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, Firma M. GmbH & Co.
KG, gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer noch fälligen und noch nicht geleisteten
Kommanditeinlage in Höhe von 132.935,88 Euro (= 260.000,-- DM) gemäß §§ 171, 172 HGB.
Kommanditeinlage in Höhe von 132.935,88 Euro (= 260.000,-- DM) gemäß §§ 171, 172 HGB.
Die Einlagezahlungsverpflichtung der Beklagten ist nicht erloschen, sondern nach wie vor begründet und
fällig.
Die Kammer lässt sich hierbei von folgenden Erwägungen leiten:
I.
Ob es 1997 eine Verrechnungsvereinbarung des Inhalts gegeben hat, dass gegenüber dem fälligen
Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Einlagezahlung mit Ansprüchen der Beklagten auf Honorierung für
eine Fördermittelberatungstätigkeit und Auftragsvermittlungstätigkeit gegeben hat oder nicht, kann offen
bleiben. Selbst wenn es eine solche Verrechnungsvereinbarung mit fälligen und begründeten
Gegenansprüchen auf Honorierung gegeben hat (Beklagtenvortrag) und selbst wenn es im
Zusammenhang mit den geltend gemachten Gegenansprüchen keine Stundungsvereinbarung gegeben
hat (Beklagtenvortrag) und demgemäß ein eigenkapitalersetzender Charakter der Verrechnung nicht
beigemessen werden kann, wäre eine solche Verrechnung nicht geeignet, die fällige
Einlagezahlungsverpflichtung zum Erlöschen zu bringen.
Dies ergibt sich aus den folgenden unter II. erläuterten Gründen:
II.
Die Kammer legt ihrer Entscheidung die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 8.7.1985 (II ZR
269/84; BGHZ 95, 188 bis 198) zugrunde. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt:
Ein Kommanditist wird durch die Verrechnung seiner Einlageschuld mit einer Forderung gegen die
Kommanditgesellschaft, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nicht mehr vollwertig
ist, nur in Höhe des objektiven Werts der Forderung von seiner Haftung gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern frei.
Nach der Entscheidung des BGH, welcher die Kammer sich anschließt, ist zwar grundsätzlich von der
Zulässigkeit einer Verrechnungsabrede als der Erfüllung dienliches Rechtsgeschäft im Zusammenhang
mit Einlagezahlungsverpflichtungen auszugehen. Zu einer Tilgung (Erfüllung) der
Einlagezahlungsverpflichtung gelangt der Verrechnende aber nur, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungs-
weise von einer vollen Werthaltigkeit der aufgerechneten Forderung ausgegangen werden kann. Zwar, so
der BGH (BGHZ 95, 188 bis 198), besteht im Recht der Kommanditgesellschaft für die Gläubiger keine
Kapitalgarantie in dem Sinne, dass die Kommanditeinlagen in die Gesellschaft eingebracht werden
müssen. Indessen steht den Gesellschaftsgläubigern vielmehr grundsätzlich nur in Höhe der Haftsumme
der Zugriff auf die Kommanditisten offen, die sich von ihrer Haftung durch Leistung der Einlage an die
Gesellschaft befreien können. Aus § 172 Abs. 3 HGB ergibt sich indessen, dass das Prinzip der
Kapitalaufbringung gilt und dass eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten
die Einlage erlassen oder gestundet wird, den Gläubigern gegenüber unwirksam ist. Hieraus leitet der
BGH den Grundsatz her, dass bei der Zahlung der Einlagepflicht stets eine wirtschaftliche Be-
trachtungsweise vorzunehmen ist und die wirtschaftliche Werthaltigkeit der aufgerechneten
Gegenforderung analysiert werden muss. Nicht nur der nominelle Nennwert, ebenso nicht die bloße
juristische Existenz einer Gegenforderung, sondern deren wirtschaftliche Substanz ist Voraussetzung für
die Erfüllung der Einlagezahlungsverpflichtung des Kommanditisten durch Verrechnung. Daher muss es
auch bei der Aufrechnung oder Verrechnung der Einlageschuld, welche als solche grundsätzlich zulässig
ist, für die Haftungsbefreiung auf den objektiven Wert der Verbindlichkeit ankommen. Denn im Interesse
des Gläubigerschutzes ist diese wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten und erforderlich.
Die Kammer schließt sich dieser Bewertung durch den Bundesgerichtshof an und gelangt im vorliegenden
Fall zu folgendem Ergebnis:
Nach der Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens bezüglich der Firma M. GmbH & Co. KG am
8.7.1998 ist eine etwaige Gegenforderung der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin (deren rechtliche
Existenz unterstellt) wirtschaftlich nicht mehr realisierbar. Eine etwaige Forderung der Beklagten gegen
die Gemeinschuldnerin, sofern diese überhaupt entstanden ist, hat daher nach der Konkurseröffnung
bezüglich der Gemeinschuldnerin wirtschaftlich keinen objektiven Wert. Infolgedessen (BGHZ 95, 188 ff.)
vermag eine Verrechnung/Aufrechnung durch die Beklagte mit einer solchen objektiv nicht werthaltigen
Gegenforderung die fällige Einlagezahlungsverpflichtung der Beklagten nicht zum Erlöschen zu bringen.
Der Klage ist daher stattzugeben.
Der Zinsanspruch ist aus Verzug gemäß §§ 284, 288 BGB a.F. begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert beträgt 132.935,88 Euro.
E. S. D.
Vors. Richter Handelsrichter Handelsrichter
am Landgericht