Urteil des LG Limburg vom 30.03.2010

LG Limburg: vermittler, stille gesellschaft, gesellschafter, stillen, rendite, einlage, anlageberatung, emissionsprospekt, verjährungsfrist, gespräch

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Gericht:
LG Limburg 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 282/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 BGB, § 311 BGB, § 823
Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 851
Abs 1 S 1 BGB
Anspruchsverjährung: Beginn der kenntnisabhängigen
Regelverjährungsfrist in Übergangsfällen bei
Schadensersatzansprüchen aus fehlerhafter
Anlageberatung (atypische stille Gesellschaft)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in
gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen fehlerhafter
Anlageberatung und aus unerlaubter Handlung in Anspruch.
Der Kläger zeichnete am 22.03.1999 in seiner Wohnung eine Beteiligung als
atypisch stiller Gesellschafter der ... Er entschied sich für 2 von 3 Anlagemodellen,
nämlich das Anlagemodell „Classic“ und das Anlagemodel „Plus“ zu je 4.500,--
DM und 270,-- DM Agio. Diese wurden ihm von dem Vermittler …, der bei der …,
einer Firma im Bereich Finanzberatung und Anlagevermittlung beschäftigt war,
vorgestellt. Anwesend bei dem Gespräch war auch der Bruder des Klägers …, der
eine Vermittlertätigkeit bei der … anstrebte und geschult werden sollte. Der
Bruder des Klägers ist auch als Vermittler im Zeichnungsschein unter „Name des
Vermittlers“ eingetragen worden (Bl. 1389 d.A.). Der Kläger zahlte auf die Einlage,
die im Klageantrag zu 1. näher bezeichnete Summe. Diese setzt sich zusammen
aus Einmalanlage, Rateneinlagen und Agio. Bei Vertragsschluss lag dem Kläger
der Prospekt, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2. herausgegeben
hatte, vor (Anlage K11, Bl. 154 ff. d.A.). Dieser enthält auf den Seiten 42-45
Risikohinweise. Diese sind in einem gesondert hervorgehobenen Kästchen
zusammengefasst (Bl. 171 R d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den
Zeichnungsschein verwiesen (Anl. K1, Bl. 116 d.A.).
Die Beklagte zu 1. ist seit dem Jahre 2004 Rechtsnachfolgerin der . Die … war mit
der Prospektierung der Emission der stillen Beteiligung beauftragt.
Rechtsnachfolgerin der … ist die Beklagte zu 2.
Der Kläger erhielt jährlich Kontoauszüge der gezeichneten Anlage (Anl. K4, Bl. 119
ff. d.A.).
Der Kläger hat zunächst behauptet, der Vermittler … (sein Bruder!), habe ihn
fehlerhaft beraten. Er hat später vorgetragen, Vermittler sei Herr … gewesen. Sein
Bruder sei nur zu Schulungszwecken zugegen gewesen. Ihm sei die Anlage von
dem Vermittler als Risiko dargestellt worden. Man habe ihm eine jährliche Rendite
von ca. 11,6 % zugesichert und zusätzlich eine jährliche Ausschüttung als
gewinnunabhängige Rendite in Höhe von 10 %. Der Vermittler habe ihm
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gewinnunabhängige Rendite in Höhe von 10 %. Der Vermittler habe ihm
suggeriert, dass es sich um Gewinne handele, die einen echten Kapitalzuwachs
beim Anleger bewirkten. Der Vermittler habe sich an die Angaben im Prospekt
gehalten, die falsch gewesen seien. Auch die Anlage von Classic Plus sei ihm
fehlerhaft dargestellt worden. Man habe ihm nicht erklärt, dass die zu leistende
Einmalanlage hierfür von dem Kapitalkonto Classic verschoben würde, was sich
negativ auf dieses Konto auswirke. Er sei insbesondere nicht darauf hingewiesen
worden, dass er nicht nur mit seiner Einlage im Insolvenzfall hafte, sondern auch
mit dem noch nicht gezahlten aber gezeichneten Kapital der Anlage Classic Plus.
Insgesamt habe er durch die Art der Vermittlungstechnik den Eindruck gewonnen,
dass es sich bei der präsentierten Kapitalanlage um eine Anlage handele, welche
faktisch risikolos sei, eine überdurchschnittliche Rendite bei minimalem
Eigenkapitaleinsatz erbringe und im Gegensatz zu den herkömmlichen
konservativen Festgeldanlagen überdurchschnittlich attraktiv sei. Im Vertrauen
hierauf habe er sich dafür entschieden, diese Anlage zu zeichnen. Bei Kenntnis der
wahren Risiken hätte er dies nicht getan. Er behauptet weiter, auch der Prospekt
sei mangelhaft und in vielerlei Hinsicht falsch. Die interne Zinsfußmethode werde
nicht erläutert und auf die sogenannten „Weichkosten“ werde nicht ausreichend
hingewiesen.
Der Kläger meint, eine Aufklärungspflichtverletzung bei der Anlageberatung sei
auch daran zu sehen, dass der Vermittler ihn nicht darüber aufgeklärt habe, dass
es sich bei der Fondsbeteiligung um ein modifiziertes Schnellballsystem gehandelt
habe und dass das Vorgängermodell, die …) gescheitert sei. In Kenntnis hiervon
hätte er den Zeichnungsschein nicht unterschrieben. Ein weiterer
Aufklärungsfehler liege darin, dass der Vermittler ihn nicht darüber aufgeklärt
habe, dass die Beklagte zu 1. ein ohne die erforderliche Genehmigung verbotenes
Einlagengeschäft nach § 32 KWG betreibe. Hätte er dies gewusst, hätte er den
Vertrag ebenso wenig geschlossen.
Der Kläger meint, die Beklagten hafteten ihm nicht nur wegen fehlerhafter
Beratung im Vorfeld der Anlage, sondern auch deliktisch nach den §§ 823 Abs. 2
BGB i.V.m. § 263 und 264 a StGB und 3 Abs. 3, 32 und 54 Abs. 1 KWG, sowie § 826
BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.576,91 € nebst 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit
Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte
aus den Beteiligungen des Klägers mit der …, vormals … vom 22.03.1999 mit der
Zertifikatsnummer 12786/014 über Nominal 2300,81 € und der Zertifikatsnummer
12789/016 über Nominal 2.300,81 €;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zur weiteren Zahlung von 1.446,97 € an
ihn nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu
verurteilen;
3. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Übertragung
der Rechte an der Beteiligung gemäß Ziff. 2 seit dem 03.02.2009 in Verzug
befinden;
4. festzustellen, dass die Beklagte zu 1. aus den Beteiligungen mit den unter
Ziff. 1. genannten Zertifikatsnummern keine Ansprüche gegen ihn habe;
5. festzustellen, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, ihn von seiner Haftung
als atypisch stiller Gesellschafter nach § 236 HGB i.V.m. § 14 des
Gesellschaftsvertrags im Fall der Insolvenz der …, vormals … freizustellen;
6. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, die Zustimmung zur Lösung der
Eintragung des Klägers als atypisch stiller Gesellschafter in das Handelsregister bei
dem Amtsgericht Hamburg hinsichtlich der in dem Antrag zu 1. genannten
Beteiligungen zu erklären;
7. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm
sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm daraus entstanden ist und
noch entsteht, dass er als atypisch stiller Gesellschafter eine Beteiligung mit der
…, vormals …) eingegangen ist;
8. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm
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8. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm
von der Zahlung von Einkommenssteuer infolge der Übertragung seiner
Beteiligung mit der …, vormals … und infolge künftiger Änderungen ergangener
Steuerbescheide betreffend diese Beteiligung freizustellen;
9. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihn
von allen Forderungen, welche die Beklagte zu 1. bzw. ihre Rechtsvorgängerin
sicherheitshalber abgetreten hat, gegenüber Dritten freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten eine fehlerhafte Aufklärung durch den Vermittler mit
Nichtwissen.
Sie meinen, zwischen ihnen und dem Kläger bestünden weder vertragliche noch
quasi vertragliche Beziehungen. Der Prospekt weise deutlich auf die Risiken der
Anlage hin.
Sie vertreten ferner die Ansicht, der Kläger habe auch die erlangten Steuervorteile
bei der Schadensberechnung nicht berücksichtigt.
Sie erheben ausdrücklich die Einrede der Verjährung.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Dem Kläger stehen keine Ansprüche wegen Verletzung von Aufklärungs- und
Beratungspflichten aus dem geschlossenen Vertrag vom 22.03.1999 zu.
Vorab sei angemerkt, dass der Kläger sich bei seiner Anhörung am 19.01.2010 so
gut wie an nichts mehr, was den Inhalt des Beratungsgesprächs anbelangt,
erinnern konnte. Es fragt sich dann, wie er seine Anwälte, die er Anfang 2009
mandatiert hat, über die Verletzung der Vielzahl von Aufklärungspflichten in
Abweichung vom Prospektinhalt so umfassend wie in der Klageschrift dargestellt,
im Einzelnen informieren konnte. Es erscheint äußerst unwahrscheinlich und
geradezu lebensfremd, dass die Erinnerung des Klägers vor einem Jahr bei
Mandatierung seines Anwalts wesentlich besser war als bei seiner Anhörung, denn
der Vorgang liegt nunmehr 11 Jahre zurück. Der Kläger hat nach alldem bereits
den pauschalen und unübersichtlichen Vortrag in der Klageschrift nicht bestätigt.
Soweit der Kläger eine Haftung der Beklagten auch mit irreführenden und
unvollständigen Prospektangaben herzuleiten gedenkt, ist die Klage bereits
unschlüssig, denn der Kläger stützt seine Ansprüche ausdrücklich auf
Beratungsfehler abweichend vom Prospektinhalt, nicht auf unrichtige
Prospektangaben. Denn es kam ihm gerade nicht auf die Richtigkeit des Inhalts
des Prospekts, sondern die umfassende Aufklärung bei dem Beratungsgespräch,
die ihm den wesentlichen Prospektinhalt vollständig und umfassend vermitteln
sollte an ( S. 6 der Klageschrift, Bl. 6 d.A.).
Es kann auch dahinstehen, ob die Beklagten überhaupt wegen Verletzung
vorvertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten haften, wenn der Vermittler
… falsche Angaben gegenüber dem Kläger gemacht haben sollte und der Kläger
im Vertrauen hierauf den Zeichnungsschein unterschrieben hat. Dies ist bereits
äußerst fraglich, weil der Kläger nicht hinreichend konkret vorgetragen hat, dass
der Vermittler … vorvertraglich vor Entgegennahme des Beitrittsangebots durch
die Beklagte zu 1. als Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1. tätig geworden ist (vgl.
OLG Frankfurt vom 19.10.2009, 4 U 4/08 Bitz (76) zitiert nach Juris; BGH NJW 2001,
358). Dasselbe gilt für die Beklagte zu 2. Die bloße Verwendung eines von einem
Dritten gefertigten Prospekt kann noch nicht als ein rechtsgeschäftliches Auftreten
im Namen des Prospektherstellers erstanden werden (OLG Frankfurt a.a.O.).
Auch eine deliktische Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB
bzw. 264 a StGB ist äußerst zweifelhaft, da es sich bei den Beklagten jeweils um
juristische Personen handelt. In Betracht käme allenfalls eine deliktische Haftung
des Geschäftsführers der Beklagten zu 2. bzw. eines Vorstandsmitglieds der
Beklagten zu 1., wenn diese Personen an der Erstellung eines Prospekts mitgewirkt
und entweder durch aktives Tun unrichtige vorteilhafte Angaben im Prospekt
gemacht oder nachteilige Tatsachen verschwiegen haben (KG KGR Berlin, 2002,
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gemacht oder nachteilige Tatsachen verschwiegen haben (KG KGR Berlin, 2002,
207, 208 zitiert nach Juris; BGH-Urteil vom 18.12.2000 II ZR 84/99).
Eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG,
welches Schutzgesetz zugunsten der einzelnen Kapitalanleger ist, scheidet
deshalb aus, weil allein der Abschluss eines atypisch stillen
Beteiligungsverhältnisses in Form des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags
noch kein Bankgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG darstellt. Es
handelt sich bei der Vermögenseinlage eines stillen Gesellschafters auch weder
um die „Annahme fremder Gelder als Einlagen“ noch um die „Annahme
rückzahlbarer Gelder des Publikums“.
Bei der stillen Beteiligung liegt nach Vertragszweck und wirtschaftlichem Ziel der
Beteiligten kein Bankgeschäft vor. Denn der Einlagegläubiger tritt dem
Unternehmen, dem er beitritt, nicht etwa wie ein außen stehender Kreditgeber
gegenüber, der lediglich seine eigenen, von denen des Geschäftsinhabers
verschiedenen Interessen verfolgt. Er verknüpft vielmehr durch die Einlage seiner
eigenen Interessen mit denen seines Partners, an dessen Gewerbe er sich beteiligt
und von dessen Erfolg oder Misserfolg er das wirtschaftliche Ergebnis seines
Engagements abhängig macht (BGH BM 1984, 957). Dies gilt für den atypisch
stillen Gesellschafter wie auch für den typisch stillen Gesellschafter (OLG München,
Urteil vom 05.11.2008 20 U 2734/08 [41] zitiert nach Juris).
Es fehlt darüber hinaus an der unbedingten Rückzahlbarkeit des eingebrachten
Geldes. Vermögenseinlagen der Gesellschafter sind nach diesem Verständnis zwar
rückzahlbare Gelder, unbedingt ist die Rückzahlbarkeit aber nur dann, wenn die
Verlustteilnahme ausgeschlossen ist. Nimmt die Einlage – wie hier gemäß § 8 des
Gesellschaftsvertrages – am Verlust teil, handelt es sich um eine lediglich bedingte
Rückzahlbarkeit. Das ist keine Einlage im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG (vgl.
OLG München a.a.O [45]).
Darauf, ob eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach überhaupt vorliegt,
kommt es indes nicht an, weil die Forderung des Klägers sowohl aus vertraglichen
Ansprüchen als auch aus deliktischen Ansprüchen in jedem Fall nach den
gesetzlichen Vorschriften verjährt ist.
Vor der Schuldrechtsreform galt für Schadensersatzansprüche wegen positiver
Forderungsverletzung eine 30-jährige Verjährungsfrist. Die Verjährung begann am
Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, das war hier der 31.12.1999.
Schadensersatzansprüche aus Delikt verjährten gemäß § 852 Abs. 1 S. 1 BGB alte
Fassung frühestens in 3 Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der
Geschädigte Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen
erlangte. Etwaige Ansprüche des Klägers waren daher am 01.01.2002 noch nicht
verjährt. Der für das Verjährungsrecht geltenden Übergangsvorschrift des Artikels
229 § 6 Abs. 1 S. 1 EG BGB finden die seit dem 01.01.2002 geltenden
Verjährungsbestimmungen Anwendung, wenn die Ansprüche noch nicht verjährt
sind. Nach neuem Recht unterfallen fragliche und deliktische Ansprüche der
dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Da diese Verjährungsfrist kürzer ist,
als die bis zum 01.01.2002 geltende, ist sie gemäß Artikel 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EG
BGB vom 01.01.2002 an erneut zu berechnen, soweit der Verjährungsbeginn nicht
gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB infolge später erlangter Kenntnis oder infolge nicht
grob fahrlässiger Unkenntnis verschoben worden ist. Befestigter Rechtsprechung
des Bundesgerichteshofes ist auch in den Übergangsfällen Kenntnis oder grob
fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB maßgeblich (BGH NJW
2007, 1584). Die für den Fristbeginn erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199
Abs. 1 Nr. 2 BGB ist dann anzunehmen, wenn der Betroffene die Tatsachen kennt,
die bei zutreffender Verknüpfung und rechtlicher Einordnung die Feststellung der
Ersatzpflicht einer bestimmten Person erlauben. Unerheblich ist, inwieweit der
Geschädigte die ihm bekannten Tatsachen zutreffend rechtlich einordnet (BGH
NJW 1993, 2741). Dementsprechend ist im Hinblick auf die Kenntnis darauf
abzustellen, ab wann es dem Geschädigten unter Inanspruchnahme rechtlicher
Beratung möglich und zumutbar gewesen wäre, eine – wenn auch nicht risikolose –
Schadensersatzklage schlüssig zu begründen (BGHZ 122, 317).
Eine der Kenntnis gleichstehende grob fahrlässige Unkenntnis nach § 199 Abs. 1
Nr. 2 BGB liegt immer dann vor, wenn die Unkenntnis auf einer besonders
schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht
(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl., § 199 Rdz. 36). Eine derartige besonders schwere
Sorgfaltspflichtverletzung ist gegeben, wenn sich dem Geschädigten die den
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Sorgfaltspflichtverletzung ist gegeben, wenn sich dem Geschädigten die den
Anspruch begründenden Umstände förmlich aufdringen, er auf der Hand liegende
und leicht zugängliche, ohne nennenswerte Mühe und Kosten zu beschaffende
Informationsquellen und der Kenntnismöglichkeiten nicht nutzt und sich auf dieses
Weise den gebotenen Kenntnisstand verschließt (BGH NJW 2001, 1721; OLG
Bamberg, Urteil vom 29. Oktober 2008, 8 U 118/08). Der Gläubiger handelt immer
dann grob fahrlässig, wenn er sich die erforderliche Kenntnis in zumutbarer Weise
ohne nennenswerte Mühe hätte verschaffen können oder auf der Hand liegende
Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnutzt (so auch LG Hamburg, Urteil vom
18.11.2009, 329 O 280/09).
Hier handelte der Kläger zumindest grob fahrlässig. Kenntnis von den Anspruchs
begründenden Umständen und der Person des Schuldners hatte er bereits im
Jahre 1999 erlangt oder zumindest grob fahrlässig nicht erlangt. Er hat am
22.03.1999 eine Beitrittserklärung zur Rechtsnachfolgerin der Beklagten
unterschrieben, die in keiner Weise unklar ließ, dass es sich nicht um eine
mündlich sichere Kapitalanlage, sondern um eine Risiko behaftete
Unternehmensbeteiligung handelte. Hinweise im Zeichnungsschein sind
übersichtlich und besonders hervorgehoben. Die wichtigsten Hinweise sind sogar
unterstrichen, nämlich das Wort Unternehmensbeteiligung und im Rahmen der
rechtsverbindlichen Erklärung, dass die Risiken bekannt sind und in Kauf
genommen werden. Selbst beim Überfliegen des Zeichnungsscheins fallen diese
Hinweise deutlich ins Auge. Es wird auch ausdrücklich auf den Emissionsprospekt
verwiesen, wo die Risiken noch einmal im Einzelnen aufgeführt sind, sogar die
Seitenzahl ist genannt. Wenn sich der Kläger daher trotz dieser deutlichen
Hinweise nicht mit dem Emissionsprospekt, der jedenfalls bei Zeichnung vorlag,
befasst hat, so hat er auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht
benutzt. Aufgrund der Hinweise im Zeichnungsschein muss sich jedem
Anlageinteressenten die Lektüre des Emissionsprospekts aufdrängen (OLG
Bamberg, Beschluss vom 29.10.2008, 8 U 118/08; LG Saarbrücken, Urteil vom
30.10.2009, 12 O 46/09). Der Kläger weiß nicht mehr, ob der bei dem
Beratungsgespräch vorliegende Emissionsprospekt bei ihm verblieben ist. Dafür,
dass dem nicht so war, ist er darlegungs- und beweispflichtig. Selbst wenn der
Vermittler den Prospekt jedoch wieder mitgenommen hätte, wofür es überhaupt
keinen Anhalt gibt, so hätte der Kläger in den folgenden Tagen darauf dringen
müssen, dass ihm dieser wieder ausgehändigt wird. Der Kläger hätte dann ohne
Weiteres die Möglichkeit gehabt, die Widerrufsfrist zu wahren, aber auch, sich nach
eingehendem Studium des Prospekts und etwaigen Unklarheiten innerhalb der
Verjährungsfrist anwalt-lich beraten zu lassen .
Soweit der Kläger angibt, es sei ihm weniger auf den Inhalt des Prospekts, sondern
mehr auf das Beratungsgespräch angekommen, entband ihn dies nicht davon,
den Prospekt zu lesen. Der Prospekt war nach seinem eigenen Vortrag Grundlage
des Beratungsgesprächs und der Beitrittserklärung. Es liegt auf der Hand, dass in
einem verhältnismäßig kurzen Gespräch von einer Stunde, wie es der Kläger
angab, der umfangreiche Inhalt des Prospekts nicht in allen Einzelheiten dargelegt
werden konnte. Auch insoweit handelte der Kläger grob fahrlässig, wenn er keine
Lust hatte, den Prospekt, wenigstens in den wichtigsten Passagen, insbesondere
hinsichtlich der Risiken, zu studieren. Der Kläger hat auf ausdrückliches Befragen
des Gerichts nämlich noch angegeben, er habe die Hinweise gelesen. Umso
unverständlicher ist es, dass er in Kenntnis von Risiken den Zeichnungsschein
unterschrieben hat und die Risiken im Einzelnen auch nicht näher hinterfragt hat.
Diese Risiken sind auf wenigen Seiten in ausreichendem Umfang und verständlich
erläutert, auf S. 45 sogar noch einmal besonders übersichtlich zusammengefasst.
Der Kläger hätte auch alle weiteren behaupteten Widersprüche zwischen dem
Inhalt des Beratungsgesprächs und dem Inhalt des Prospekts bei entsprechendem
Studium des Prospekts erkennen können, insbesondere, dass keine Rendite
garantiert wurden, sondern allenfalls eine Prognose, die unter bestimmten
Umständen eine Rendite in einer bestimmten Größenordnung erwarten ließ,
aufgestellt wurde.
Für sämtliche weiteren behaupteten Aufklärungspflichtsverletzungen, die dem
Inhalt des Prospekts widersprechen, gilt das Vorgesagte. Der Prospekt ist
übersichtlich, es enthält eine Inhaltsangabe. Die einzelnen Rubriken sind schnell zu
finden und gut und verständlich, auch für einen unerfahrenen Anleger dargestellt.
Auf die Ausführungen des Landgerichts Saarbrücken im Urteil vom 20.10.2010 S.
16-23 ( Anlage B (2) 10, Bl. 1606 ff.d.A.) wird Bezug genommen. Das Gericht
schließt sich diesen Ausführungen voll umfänglich an. Das eigens bekundete
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schließt sich diesen Ausführungen voll umfänglich an. Das eigens bekundete
Desinteresse des Klägers am Inhalt des Prospekts geht daher zu seinen Lasten.
Aufgrund der oben dargestellten wenigstens grob fahrlässigen Unkenntnis des
Klägers über die behauptete fehlerhafte Beratung begann die Verjährung nach
neuem Recht am 01.01.2002 zu laufen und endete am 31.12.2004.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.