Urteil des LG Limburg vom 07.10.2009

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Gericht:
LG Limburg 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 T 106/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Nr 3201 RVG-VV
Kostenfestsetzungsverfahren nach Berufungsrücknahme:
Erstattungsfähige Verfahrensgebühr für den
Beklagtenanwalt bei Antrag auf Zurückweisung der
Berufung vor Kenntnis der Rechtsmittelbegründung
Orientierungssatz
Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten die Zurückweisung der
Berufung, bevor ihm die Rechtsmittelbegründung zur Kenntnis gebracht wurde, so ist
dem Berufungsbeklagten nur 1,1-Gebühr gemäß VV RVG 3201 zu erstatten.
Tenor
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Limburg a. d.
Lahn wird dahingehend abgeändert, dass aufgrund des rechtskräftigen Urteil des
Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn vom 10. März 2009 und des Beschlusses des
Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 20. Mai 2009 Kosten in Höhe von 1.767 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.
Juni 2009 von dem Beklagten an die Klägerin zu erstatten sind.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat 7/10, die Klägerin hat 3/10 der Kosten des Beschwerdeverfahrens
zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 540,80 €.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte hat zunächst gegen das am 10. März 2009 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn am 08. April 2009 Berufung eingelegt und in
Berufungsschrift darauf hingewiesen, dass Anträge und Begründung einem
gesondert Schriftsatz vorbehalten blieben. Die erstinstanzliche
Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde darüber von dem Berufungsgericht
durch Übersendung des Schriftsatzes am 15. April 2009 in Kenntnis gesetzt. Die
Berufungsbegründung ist bei dem Landgericht Limburg a. d. Lahn am 12. Mai
2009 eingegangen. Eine Zustellung an die Berufungsbeklagte ist nicht
vorgenommen worden, vielmehr hat der Berufungskläger die Berufung am 19. Mai
2009 zurückgenommen und auch der Bevollmächtigten der Berufungsbeklagten
eine dahingehende Mitteilung – datierend vom 19. Mai 2009 – übersandt, wobei die
Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten hierzu behauptet, diesen
Schriftsatz erst am 21. Mai 2005 erhalten zu haben. Durch Beschluss der Kammer
vom 20. Mai 2009 sind dem Berufungskläger die Kosten der Berufung auferlegt
und der Streitwert auf 5.141,72 € festgesetzt worden. Dieser Beschluss,
verbunden mit dem Schriftsatz über die Berufungsrücknahme ist der
Prozessbevollmächtigten der Berufungsbeklagten am 03. Juni 2009 zugestellt
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Prozessbevollmächtigten der Berufungsbeklagten am 03. Juni 2009 zugestellt
worden. Der Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung datiert vom 19. Mai
2009 und ist bei dem Landgericht am 25. Mai 2009 eingegangen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin u. a. eine 1,6
Verfahrensgebühr gemäß VV 3200 RVG in Höhe von 540,80 € gegen den
Beklagten festgesetzt.
Gegen diesen, dem Beklagten am 27. Juli 2009 zugestellten
Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die am 05. August 2009 bei dem
Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, mit der geltend gemacht wird,
die Bevollmächtigung für das Berufungsverfahren durch die Berufungsbeklagte sei
nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei im Übrigen von der Verfahrensgebühr
abgedeckt.
II.
Die gemäß §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in
der Sache teilweise Erfolg. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist im
tenorierten Umfang abzuändern. Danach kann die Berufungsbeklagte die
Festsetzung von 1.767 € gegen den Berufungskläger verlangen.
Die Beschwerdegegnerin kann lediglich für das Berufungsverfahren eine 1,1
Gebühr gemäß VV RVG 3201 aus einem Gegenstandswert von bis zu 6.000 €
geltend machen. Das sind dann 371,80 €. Ein darüber hinausgehender
Erstattungsanspruch nach VV RVG 3200 (1,6) besteht nicht, weil der Sachantrag
der Prozessbevollmächtigten auf Zurückweisung der Berufung nicht notwendig im
Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO war.
Rechtsanwältin … war zweitinstanzlich von der Berufungsbeklagten bevollmächtigt.
Dies ergibt sich aus der von der Kammer angeforderten Prozessvollmacht vom 17.
April 2009. Dafür, dass diese etwa gemäß der Mutmaßung der Beschwerdeführerin
im Datum verfälscht worden ist, bestehen keine Anhaltspunkte. Die
Vollmachterteilung passt in den zeitlichen Ablauf. Sie wurde ersichtlich erteilt,
nachdem der Klägerin die Berufungsschrift am 15. April zugestellt worden war.
Die Kammer geht für das Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit der
Rechtsauffassung des BGH für das vergleichbare Revisionsverfahren (vgl.
Beschluss vom 17.12.2002 – X ZB 27/02 -, veröffentlicht u. a. in NJW 2003, 1324 f.,
dort m. umf. Nachw.; ferner für das RVG Müller – Rabe in Gerold u. a., RVG, 17.
Aufl., Rz. 61, VV 3200 m. w. N.) davon aus, dass es eines Sachantrages im
Berufungsverfahren durch die Berufungsbeklagte nur bedarf, wenn bereits eine
fristgerechte Berufungsbegründung und damit ein Sachantrag des
Berufungsklägers eingegangen ist. Nur dann entspricht es zweckgerechter
Rechtsverteidigung, sich durch einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung und
mit entsprechender Begründung zu verteidigen. Soweit sich der BGH in der oben
in Bezug genommenen Entscheidung mit § 32 BRAGO auseinander gesetzt hat,
ergibt sich zu der hier zugrunde zu legenden VV RVG Nr. 3201 Nr. 1 kein
Unterschied.
Es ist im Übrigen unerheblich, ob – wie hier - die Berufungsbegründung bereits vor
dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung bei dem Berufungsgericht
eingegangen ist oder – wie bei dem von dem BGH entschiedenen Fall in Bezug auf
die Revisionsbegründung - überhaupt nicht. In beiden Fallkonstellationen hat die
Berufungsbeklagte nämlich keine Kenntnis von einer etwaigen
Berufungsbegründung, so dass es zu diesem frühen Zeitpunkt auch keines
Sachantrages bedurft hätte. Sollte die Berufungsbeklagte mangels Übersendung
einer Berufungsbegründung etwa mutmaßen, diese sei nicht fristgerecht bei
Gericht eingegangen, bedarf es keines Sachantrages – schon gar nicht in Form der
Zurückweisung der Berufung, sondern allenfalls der Verwerfung -, weil die Kammer
hierüber von Amts wegen gemäß § 522 Abs. 1 ZPO allemal zu befinden hätte.
Danach ist der Sachantrag der Berufungsbeklagten mangels Zweckdienlichkeit
gebührenrechtlich ohne Bedeutung (vgl. BGH a. a. O., S. 1324). Ein
Erstattungsanspruch entsteht daher nur gemäß VV RVG 3201 in Höhe einer 1,1
Gebühr. Es kann danach offen bleiben, ob die Prozessbevollmächtigte der
Berufungsbeklagten bereits zum Zeitpunkt der Fassung der Antrags auf
Zurückweisung der Berufung Kenntnis von der (beabsichtigten) Rücknahme der
Berufung hatte und, ob diese Kenntnis ausreichte (vgl. hierzu Müller-Rabe, a. a. O.,
Rz. 15, VV 3201).
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Von den ansonsten nicht angegriffenen Positionen des
Kostenfestsetzungsbeschlusses ist danach wegen des Berufungsverfahrens eine
Gebühr nach VV RVG Nr. 3210 Nr. 1 in Höhe von 371,80 € festzusetzen, so dass
insgesamt 1.767 € festzusetzen sind:
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert beträgt 540,80 €. In dieser Höhe ist der
Kostenfestsetzungsbeschluss angegriffen.
Die Rechtsbeschwerde ist angesichts der oben angeführten eindeutigen
Rechtsauffassung des BGH nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 574
Abs. 1 – 3 ZPO nicht vorliegen. Dass die Kammer hier nach Übertragung gemäß §
568 Nr. 1 ZPO entschieden hat, steht dem nicht entgegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.