Urteil des LG Limburg vom 27.11.2008

LG Limburg: vergütung, laie, erbverzicht, qualifikation, genehmigung, ehescheidung, anhörung, datum, eltern, vergleich

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Gericht:
LG Limburg 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 T 134/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 67a Abs 1 FGG, § 1835 Abs 3
BGB, § 1836 Abs 1 BGB, §
1836 Abs 2 BGB, § 1 Abs 2 S 2
RVG
Vergütung des Verfahrenspflegers für eine
rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden
nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1.360,17 Euro
Gründe
Für den Betroffenen besteht seit dem 06.06.2005 in den Aufgabenkreisen
Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten,
Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Behördenangelegenheiten
eine Betreuung. Zu ehrenamtlich tätigen Betreuerinnen sind die Beteiligten zu 1.
und 2., die Schwestern des Betroffenen, bestellt.
Im Rahmen der Ehescheidung des Betroffenen war am 04.07.2006 vor dem
Amtsgericht - Familiengericht - Wetzlar ein von einem Notar entworfener Vergleich
über die Scheidungsfolgen geschlossen worden, der nach Auffassung des
Amtsgerichts gemäß § 1822 Ziffer 12 BGB der vormundschaftsgerichtlichen
Genehmigung bedurfte. Mit Beschluss vom 30.06.2006 bestellte das Amtsgericht
den Beteiligten zu 3. in den Aufgabenkreisen
"Scheidungsfolgenvereinbarung/Abschluss eines Vergleichs" zum
Verfahrenspfleger. Der Beteiligte zu 3. hat mit Schreiben vom 22.09.2006 zu dem
Scheidungsfolgenvergleich, wegen dessen Inhalt auf Bl. 60 - 68 d.A. Bezug
genommen wird, Stellung genommen. Die von ihm geäußerten Bedenken hatten
zur Folge, dass sich die Eltern des Betroffenen zu dessen finanzieller
Unterstützung verpflichteten.
Mit Beschluss vom 26.01.2007 hat das Amtsgericht schließlich die
Scheidungsfolgenvereinbarung vormundschaftsgerichtlich genehmigt.
Mit Datum vom 01.02.2007 hat der Beteiligte zu 3. für den Tätigkeitszeitraum vom
30.06.2006 bis 01.02.2007 die Festsetzung einer Vergütung aus dem Vermögen
des Betroffenen gemäß § 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. den Vorschriften des RVG
beantragt, da er im Rahmen der Verfahrenspflegschaft anwaltsspezifische Dienste
geleistet habe. Dabei ist er in Anlehnung an die Festsetzung der Gebührenwerte
durch das Familiengericht am 04.07.2006 von einem Gegenstandswert von
61.685,72 Euro ausgegangen (nämlich: Versorgungsausgleich: 2.000 Euro;
Vereinbarung über den Versorgungsausgleich: 2.000 Euro;
Kindesunterhaltsvereinbarung: 7.068 Euro; Vereinbarung über die Versicherung:
433,73 Euro; Regelung über den Erbverzicht: 3.000 Euro; Regelung über das
Guthaben vom Wachstumssparen: 45.000; Regelung über den nachehelichen
Ehegattenunterhalt: 2.184,- Euro) und hat eine 1,0 Geschäftsgebühr gemäß Nr.
2400 VV RVG a.F. (1.123,- Euro), die Telekommunikationspauschale gemäß Nr.
7002 VV RVG (20,-Euro) sowie 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG,
insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.360,17 Euro in Ansatz gebracht. Wegen der
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insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.360,17 Euro in Ansatz gebracht. Wegen der
Einzelheiten des Vergütungsantrags wird auf Bl. 84, 85 d.A. Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten zu 1. und 2. hat das Amtsgericht mit Beschluss
vom 15.05.2007 die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Der Beteiligte zu 3. sei
ausnahmsweise berechtigt, nach dem RVG abzurechnen, da er als
Verfahrenspfleger Tätigkeiten wahrgenommen habe, zu denen ein Laie in
vergleichbarer Lage einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen, mit der er geltend
macht, der Beteiligte zu 3. könne eine Vergütung nach dem RVG nicht erhalten.
Die Vergütung eines Verfahrenspflegers richte sich stets nach § 1 BVormVG,
unabhängig davon, ob ein Rechtsanwalt zum Verfahrenspfleger bestellt wurde.
Außerdem fehle in dem Beschluss betreffend die Bestellung des Beteiligten zu 3.
zum Verfahrenspfleger die Bestimmung, dass er sein Amt berufsmäßig ausübe.
Ohnehin seien anwaltliche Fähigkeiten des Verfahrenspflegers nicht erforderlich
gewesen, da sowohl er als auch seine Frau im Scheidungsverfahren anwaltlich
vertreten waren und darüber hinaus der Inhalt der Scheidungsfolgenvereinbarung
bereits von seiner Rechtsanwältin mit der Beteiligten zu 1. erörtert worden ist.
Im Übrigen sei der Gegenstandswert mit 61.685,72 Euro zu hoch angesetzt. Der
Beteiligte zu 3. habe sich in erster Linie mit der Vereinbarung über den
Versorgungsausgleich (2.000 Euro), den Kindesunterhalt (7.068 Euro) und den
nachehelichen Unterhalt (2.184 Euro) befasst. In seiner Stellungnahme vom
22.09.2006 habe er selbst ausgeführt, dass er die in der
Scheidungsfolgenvereinbarung geregelten weiteren Punkte, z.B. die
Auseinandersetzung des Guthabens vom Wachstumssparen oder den Pflichtteils-
und Erbverzicht für unproblematisch und nicht genehmigungsbedürftig halte.
Schließlich weist der Betroffene darauf hin, dass die Rechtspflegerin des
Amtsgerichts anlässlich der Bestellung des Beteiligten zu 3. zum
Verfahrenspfleger seiner Bevollmächtigten in einem Telefonat gegenüber erklärt
habe, dass sich die von ihm zu tragenden Kosten für den Verfahrenspfleger auf 50
Euro belaufen werden.
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist gemäß § 56 g Abs. 5 FGG zulässig, in
der Sache jedoch unbegründet, da die durch das Amtsgericht festgesetzte
Vergütung nicht zu beanstanden ist.
Ob die Bestellung des Beteiligten zu 3. zum Verfahrenspflegers hier erforderlich
war, ist im Rahmen der vorliegenden Beschwerde, die sich gegen die Höhe der
festgesetzten Vergütung richtet, unerheblich. Der Beteiligte zu 3. ist durch das
Amtsgericht wirksam zum Verfahrenspfleger bestellt worden mit der Folge, dass
ihm auch eine Vergütung für seine Tätigkeit zusteht.
Dass der Bestellungsbeschluss keine Feststellung darüber enthält, dass die
Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird, ist unschädlich. Zwar wird diese
Feststellung üblicherweise bereits bei der Bestellung durch das Gericht getroffen.
Es bestehen jedoch keine besonderen Formvorschriften, so dass auch eine
konkludente Feststellung, etwa durch Bewilligung einer Vergütung nach §§ 1836
Abs. 1 Satz 2, 3 BGB, 1 ff. VBVG denkbar ist (Dodegge/Roth, Betreuungsrecht, 2.
Aufl., Teil F Rn. 74).
Ohne Erfolg macht der Beschwerdeführer geltend, dass sich die Vergütung des
Verfahrenspflegers nicht nach dem RVG, sondern nach § 1 BVormVG richten
müsse.
Berufsmäßige Verfahrenspfleger erhalten den Ersatz von Aufwendungen (§ 67a
Abs. 1 Satz 1 FGG i.V.m. § 1835 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) und gemäß § 67a Abs. 2
Satz 1 FGG i.V.m. § 1836 Abs. 1 BGB zusätzlich eine Vergütung, deren Höhe sich
in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und
Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) errechnet (§ 67a Abs. 2 Satz 2 FGG).
Eine Vergütung des Beteiligten zu 3. gemäß § 1 BVormVG kommt bereits deshalb
nicht in Betracht, weil sich seit dem Inkrafttreten des VBVG zum 01.07.2005 die
Vergütung der Berufsbetreuer nicht mehr nach dem BVormVG richtet.
§ 1 Abs. 2 Satz 2 RVG eröffnet Rechtsanwälten grundsätzlich die Möglichkeit, die
Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben über § 1835 Abs. 3 BGB abzurechnen,
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Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben über § 1835 Abs. 3 BGB abzurechnen,
und zwar, trotz des Ausschlusses des § 1835 Abs. 3 BGB in § 67a Abs. 1 Satz 1
FGG, auch im Rahmen einer Tätigkeit als Verfahrenspfleger (vgl. BT-Drucks. 13/158
S. 41; BVerfG FamRZ 2000, 345, 347; BtPrax 2000, 120, 122; BGHZ 139, 309,
311f.; BayObLG FamRZ 2002, 1201).
Eine Abrechnung auf der Grundlage des RVG ist aber nur gerechtfertigt, wenn die
zu bewältigende Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten fordert und daher eine
originär anwaltliche Dienstleistung darstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 345, 348;
BGH aaO). Es muss sich um eine Aufgabe handeln, für die ein anderer
Verfahrenspfleger in vergleichbarer Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt
herangezogen hätte, weil sie eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische
Tätigkeit einschließt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280, 1282; 2000, 1284 f.).
Abzustellen ist hierbei darauf, ob gerade auch ein Verfahrenspfleger mit einer
Qualifikation, die ihm Anspruch auf Honorierung seiner Tätigkeit nach der höchsten
Vergütungsstufe gibt, im konkreten Fall einen Rechtsanwalt zu Rate gezogen hätte
(BGH NJW 2007, 844, 846; BayObLGZ 2004, 339, 345; BayObLGZ 2001, 368, 371).
Als derartige rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit anzusehen ist etwa die gerichtliche
Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1284 f.)
sowie die außergerichtliche Vertretung in rechtlich besonders schwierig gelagerten
Fällen oder Verhandlungen (vgl. BayObLGZ 2001, 368, 372).
So liegt die Sache hier.
Bei der Prüfung der Scheidungsfolgenvereinbarung handelt es sich um eine
rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung
kann nur dann erteilt werden, wenn die getroffene Regelung dem Wohl des
Betroffenen entspricht. Der Beteiligte zu 3. musste also jede einzelne in der
Scheidungsfolgenvereinbarung getroffene Regelung auf ihren rechtlichen Inhalt
und die sich daraus für den Betroffenen ergebenden juristischen Konsequenzen
überprüfen. Dabei hat er - wie sich aus seiner Stellungnahme vom 22.09.2006
ergibt - Überlegungen angestellt, die einem nicht juristisch ausgebildeten
Verfahrenspfleger mangels entsprechender juristischer Fachkenntnisse nicht
möglich gewesen wären. Ein zum Verfahrenspfleger bestellter juristischer Laie
mit Qualifikation für die höchste Vergütungsstufe hätte zur Überprüfung der
Scheidungsfolgenvereinbarung zwingend anwaltlichen Rat in Anspruch genommen.
Ob bzw. in welchem Umfang der Beteiligte zu 3. letztlich Bedenken gegen den
Inhalt der Vereinbarung vorgebracht hat, ist für die Frage, ob er
rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten entfaltet hat, ohne Bedeutung. Auch eine
komplizierte juristische Prüfung kann ergeben, dass Bedenken nicht bestehen.
Zutreffend ist bei der Berechnung des Vergütungsanspruchs auch ein
Gegenstandswert von 61.685,72 Euro zugrunde gelegt worden.
Ausweislich des Verfahrenspflegerbestellungsbeschlusses vom 30.06.2006 ist als
Aufgabenkreis die Scheidungsfolgenvereinbarung/Abschluss eines Vergleichs
bestimmt. Damit war die gesamte Scheidungsfolgenvereinbarung Gegenstand der
Prüfung durch den Beteiligten zu 3. Dass er bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis
gekommen ist, einzelne Punkte seien unproblematisch, ändert nichts daran, dass
er auch diese Punkte zu überprüfen hatte.
Die Vergütung des Verfahrenspflegers wird auf Antrag des Verfahrenspflegers
anhand der gesetzlichen Regelungen festgesetzt. Davon abweichende Auskünfte
der Rechtspflegerin, wenn sie tatsächlich erteilt wurden, sind nicht verbindlich und
können den gesetzlichen Vergütungsanspruch des Verfahrenspflegers nicht
abändern.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 FGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.