Urteil des LG Landau vom 26.03.2002

LG Landau: gefährdung der gesundheit, fristlose kündigung, treppe, zwingende bestimmung, mietzins, zugang, mietsache, zustand, mietrecht, besucher

Bürgerliches Recht
Mietrecht
LG
Landau in der Pfalz
26.03.2002
1 S 323/01
Dem Mieter eines im Obergeschoss gelegenen Büroraumes steht gemäß § 544 BGB a.F. ein Recht zu
fristloser Kündigung des Mietvertrages zu, wenn die einzige zum Büroraum führende Treppe wegen des
Fehlens eines Geländers nicht verkehrssicher ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung führt in der Sache selbst zu einem überwiegenden Erfolg. Dem Kläger steht nur für
den Zeitraum bis zum Zugang der fristlosen Kündigung ein Anspruch auf Mietzins in Höhe von 805,00 DM
zu (§ 535 BGB).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die fristlose Kündigung des Beklagten vom 18.01.2001 mit
ihrem Zugang am 19.01.2001 wirksam, so dass die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des
Mietzinses mit diesem Zeitpunkt endete.
Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das Amtsgericht die Vorschrift des § 544 BGB (a.F.)
unberücksichtigt gelassen hat. Nach dieser Vorschrift ist der Mieter zur fristlosen Kündigung berechtigt,
wenn eine Wohnung oder ein anderer zum Aufenthalt von Menschen bestimmter Raum so beschaffen ist,
dass die Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Diese zwingende
Bestimmung gibt dem Mieter aus sozialpolitischen Erwägungen ein unabdingbares Kündigungsrecht (vgl.
hierzu BGHZ 29, 289, 294). Dieses Kündigungsrecht steht dem Mieter auch dann zu, wenn er die Mängel
der Mietsache vorher kannte oder sogar auf die Geltendmachung der ihm wegen der
gesundheitsgefährdenden Beschaffenheit zustehenden Ansprüche verzichtet hatte (vgl. BGH, a.a.O.). Auf
die Frage, ob der Beklagte in entsprechender Anwendung von § 539 BGB (a.F.) wegen vorbehaltloser
Mietzinszahlung gehindert ist, wegen des Zustandes der Treppe Gewährleistungsansprüche geltend zu
machen, kommt es demnach für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nicht an.
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dem Beklagten stehe schon deshalb kein Kündigungsrecht aus §
544 BGB (a.F.) zu, weil die Treppe nicht mitvermietet worden sei. Der Kläger legt nicht dar, wie sonst als
über die Treppe der Beklagte und seine etwaigen Kunden den angemieteten Büroraum im 1. OG des
Anwesens Hochstadter Str. 14 in Offenbach erreichen sollen.
In der Literatur ist anerkannt, dass verkehrsunsichere Treppen ein Kündigungsrecht nach § 544 BGB (a.F.)
auslösen können (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. IV Rdnr.
155; Wetekamp, Kommentar zum BGB Mietrecht, § 544 Rdnr. 6). Hieran kann aus Sicht der Kammer auch
kein ernsthafter Zweifel bestehen. Zur Benutzung der Mietsache im Sinne von § 544 BGB (a.F.) gehört
auch der Zugang zur Mietsache. Wenn dieser nur mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit
möglich ist, dann muss es dem Mieter möglich sein, sich zur Beendigung des gesundheitsgefährdenden
Zustandes durch fristlose Kündigung zu entschließen (vgl. hierzu BGHZ 29, 289, 297).
Nach Auffassung der Kammer kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die fragliche Treppe in
erheblichem Maße verkehrsunsicher und damit gesundheitsgefährdend war. Der Treppe fehlte, wie die
vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder belegen, sowohl der nach § 33 Abs. 7 LBauO zwingend
vorgeschriebene feste und griffsichere Handlauf als auch das nach § 33 Abs. 8 LBauO an der freien Seite
der Treppe anzubringende verkehrssichere Geländer. Damit bestand für den Beklagten und seine
etwaigen Besucher, jedenfalls im Falle der Unachtsamkeit, die ernstzunehmende Gefahr, von der Treppe
bzw. vom oberen Flur, der nicht durch ein Geländer abgesichert war, herabzustürzen und dabei ernsthafte
gesundheitliche Schäden zu erleiden. Das kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Der Kläger kann den Beklagten auch nicht mit Erfolg auf die Möglichkeit verweisen, durch besondere
Aufmerksamkeit beim Begehen der Treppe einen Absturz zu vermeiden. Phasen der Unachtsamkeit
liegen in der menschlichen Natur und lassen sich auf Dauer nicht zuverlässig vermeiden. Der Kläger
muss sich vielmehr umgekehrt darauf verweisen lassen, dass er als Vermieter es in der Hand gehabt
hätte, durch provisorische Maßnahmen den verkehrsunsicheren Zustand zu beseitigen. Die Streitigkeiten
mit seinen Handwerkern durfte er nicht auf Kosten der Sicherheit seiner Mieter und deren Besucher
austragen. Wenn der Kläger auch nach Abmahnung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten keine
Veranlassung gesehen hat, einen verkehrssicheren Zustand herzustellen, dann muss er es sich gefallen
lassen, dass der Beklagte durch fristlose Kündigung das Mietverhältnis beendet und damit letztlich der
Gefahr entgeht, von der nicht verkehrssicheren Treppe abzustürzen.
Dem Kläger steht demnach nur für den Zeitraum vom 01.12.2000 - 19.01.2001 ein Anspruch auf
Mietzinszahlung zu (§ 535 BGB). Dieser Anspruch ist nicht wegen des verkehrsunsicheren Zustandes der
fraglichen Treppe gemindert ist (§ 537 BGB a.F.). Der Beklagte hat in analoger Anwendung von § 539
BGB (a.F.) sein Minderungsrecht wegen dieses Mangels verloren, weil er vom Mai bis November 2000
den Mietzins in ungeminderter Höhe entrichtet hat, ohne sich sein Minderungsrecht vorzubehalten. Der
Beklagte macht selbst nicht geltend, bei Zahlung des Mietzinses einen entsprechenden Vorbehalt erklärt
zu haben. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Zeitraum von 6 Monaten in der Regel ausreicht,
um Gewährleistungsansprüche des Mieters auch für die Zukunft auszuschließen (vgl. hierzu BGHR, BGB,
§ 539 Anwendung, entsprechende 1). Abgesehen hiervon war die Tauglichkeit des eigentlichen Mietob-
jekts, nämlich des Büroraumes, wegen des Zustands der Treppe auch nicht konkret beeinträchtigt.
Zwischen den Parteien war ein monatlicher Nettomietzins von 500,00 DM vereinbart. Für den Zeitraum
vom 01.12.2000 bis 19.01.2001, also für 1,61 Monate, steht dem Kläger nach alledem ein Mietzins in
Höhe von von 805,00 DM (411,59 EUR) zu.
Eine Nebenkostenvorauszahlung kann der Kläger darüberhinaus nicht (mehr) verlangen, da
zwischenzeitlich Abrechnungsreife eingetreten ist. Dem Kläger bleibt es unbenommen, für den Zeitraum
bis zur Beendigung des Mietverhältnisses die Nebenkosten abzurechnen und ein sich etwa ergebendes
Saldo vom Beklagten einzufordern.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 543 Abs.2 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 708
Nr.10, 713 ZPO; mit Rücksicht auf § 26 Nr.8 EGZPO ist die Festsetzung einer Sicherheitsleistung nicht
veranlasst.