Urteil des LG Landau vom 31.01.2005

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Bürgerliches Recht
Verkehrsunfallrecht
Versicherungsrecht
LG
Landau in der Pfalz
31.01.2005
1 S 201/04
Berechtigung des Geschädigten zur Inanspruchnahme von Mietwagen zum Unfalltarif.
Stammdaten:
Landgericht Landau in der Pfalz
1. Zivilkammer
31.01.2005
1 S 201/04
URTEIL
In dem Rechtsstreit
1. S. G.
2. Hverb.
- Beklagte, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.S.
gegen
F. T.
- Kläger, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K.
Streithelferin des Klägers:
Fa. O. K.
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.
wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz …
auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2004
f ü r R e c h t e r k a n n t :
I. Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Landau in
der Pfalz vom 30. Juni 2004, Aktenzeichen 2 C 20/04, werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 80 %, der
Kläger 20 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin des Klägers zahlen die Beklagten als Gesamtschuldner.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
Weder die zulässige Berufung noch die ebenfalls zulässige Anschlussberufung sind begründet.
Das erstinstanzliche Urteil ist nicht zu beanstanden, insbesondere nicht unter einem der mit der Berufung
oder der Anschlussberufung geltend gemachten Gesichtspunkte.
Das Amtsgericht hat die Beklagten zu Recht zur Zahlung des überwiegenden (und hier allein noch im
Streit stehenden) Teils der geltend gemachten Mietwagenkosten verurteilt. Nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Geschädigter berechtigt, ein Ersatzfahrzeug zum - regelmäßig
erhöhten - Unfalltarif anzumieten (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1996, VI ZR 138/95, NJW 1996, Seite 1958).
Aber auch die Argumentation der Beklagten, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die
Streithelferin wegen eines Verstoßes gegen deren Aufklärungspflicht über ihre verschiedenen
Mietwagentarife zu, geht, wie bereits das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, ins Leere. Selbst wenn dies
zuträfe, was hier dahingestellt bleiben kann, könnten dies die Beklagten im Verhältnis zum Kläger diesem
gegenüber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einwenden. Im Übrigen hat der Kläger solche
eventuellen Ansprüche gegen die Streithelferin bereits lange vor Klageerhebung an die Beklagte zu 2.
abgetreten.
Letzteres führt insbesondere auch dazu, dass den Beklagten gegenüber dem Kläger auch kein
Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Mietwagenkosten zusteht. Der Kläger
hat hier das ihm im Rahmen von § 254 BGB Zumutbare getan, die Beklagten in die Lage zu versetzen, die
angeblichen Schadensersatzansprüche gegen die Streithelferin selbst durchzusetzen. Dies entspricht der
höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dort ist anerkannt, dass eine Versicherung überhöhte
Mietwagentarife nicht dem Geschädigten entgegenhalten kann, sondern in einem Regressprozess gegen
die Mietwagenfirma selbst vorgehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.1996, I ZR 10/94, NJW 1996, Seite
1965).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger den Fragebogen der Beklagten
zu 2. bezüglich des Kfz.-Mietvertrages nicht ausgefüllt und an sie zurückgesandt hat. Dieses Versäumnis
kann ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten nicht
begründen. Denn die Beklagte zu 2. hat auf die Rücksendung dieses Fragebogens keinen
Rechtsanspruch, auch nicht unter Heranziehung von § 255 BGB oder auch § 158 d VVG bzw. der in
diesen Vorschriften ihren Ausdruck findenden ratio legis konstruieren.
§ 255 BGB greift hier weder tatbestandlich - es handelt sich bei den angeblichen
Schadensersatzansprüchen gegen die Mietwagenfirma gerade nicht um Ansprüche, "die dem
Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache oder aufgrund des Rechts gegen Dritte
zustehen" - noch von seinem Regelungszweck ein. Von seinem Zweck her ist § 255 BGB u.a. Ausdruck
des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots, wodurch verhindert werden soll, dass der Ge-
schädigte sowohl den Schädiger als auch einen Dritten in Anspruch nimmt und einen doppelten
Ausgleich erhält (Heinrichs in: Palandt, BGB, 63. Auflage 2004, § 255 Rd-Nr. 1). Eine entsprechende
Bereicherung des Klägers ist - unabhängig davon, dass er selbst die Überhöhung der Mietwagenkosten
bestreitet - bereits aufgrund der Abtretung der Ansprüche an die Beklagte zu 2. ausgeschlossen.
§ 158 d Abs. 3 VVG dagegen betrifft zwar tatsächlich Auskunftspflichten des Geschädigten gegenüber
dem Pflichtversicherer, hier also der Beklagten zu 2. Diese Auskunftspflichten bestehen jedoch bereits
nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für Angaben, die zur Ermittlung der Schadenshöhe und der
Einstandspflicht notwendig sind. Die mit dem Fragebogen der Beklagten zu 2. gestellten Fragen gehen
hierüber jedoch weit hinaus. Insbesondere steht die Einstandspflicht der Beklagten zu 2. unabhängig von
den Mietwagenkosten fest, ihre Höhe ergibt sich zunächst einmal aus der Mietwagenrechnung. Die
Fragen des Fragebogens zielen dagegen auf das Konstruieren einer angeblichen Schadensersatzpflicht
des Mietwagenunternehmens. Dies ist tatbestandlich durch § 158 d Abs. 3 VVG nicht gedeckt. Aber auch
aus dem Rechtsgedanken des § 158 d Abs. 3 VVG lässt sich kein für die Beklagten günstigeres Ergebnis
herleiten. § 158 d Abs. 3 VVG muss insoweit in Zusammenschau mit § 158 e VVG gesehen werden.
Gemäß § 158 e Abs. 1 VVG beschränkt sich die Haftung des Versicherers bei einer Verletzung der Ver-
pflichtungen gemäß § 158 d Abs. 3 VVG durch den Geschädigten auf den Betrag, den der Versicherer
dem Geschädigten auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen zu leisten gehabt hätte. Nachdem
aber die Beklagte zu 2., wie oben ausgeführt, in ihrem Verhältnis zum Kläger die angebliche Überhöhung
der Mietwagenrechnung gerade nicht geltend machen kann, kann der Rechtsgedanke des § 158 d VVG
keinesfalls so verstanden werden, dass er ihr ein sich über diese Rechtslage hinwegsetzendes,
weitergehendes Zurückbehaltungsrecht verschaffen könnte.
Dem Kläger wiederum steht der mit der Anschlussberufung verfolgte Schmerzensgeldanspruch ebenfalls
nicht zu. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der vom Kläger behaupteten
"Schädelprellung" jedenfalls um eine sogenannte Bagatellverletzung gehandelt haben muss, für die ein
Schmerzensgeld nicht in Betracht kommt. Der Erstrichter hat zutreffend ausgeführt, dass von einer mehr
als nur ganz geringfügigen Körperverletzung (Bagatellverletzung) angesichts der Tatsache, dass der
Kläger sich erst vier - tatsächlich waren es sogar, wie sich aus dem vorgelegten Attest ergibt, vierzehn -
Tage nach dem Unfall überhaupt zum Arzt begeben habe, nicht ausgegangen werden kann. Darüber hin-
aus ergibt sich aus dem vorgelegten Attest auch, dass von Seiten des Arztes keinerlei objektive
Feststellungen zum Vorliegen einer Verletzung getroffen werden konnten, sondern dass lediglich der
Kläger - insoweit nicht überprüfbare - Angaben zu einem Druckschmerz gemacht hat, wie dies dann
Eingang in das Attest gefunden hat.
Diese Einschätzung des Erstgerichts bedurfte auch keines vorherigen gerichtlichen Hinweises gemäß §
139 ZPO. Zwar hat der Erstrichter den Schmerzensgeldanspruch auch deshalb abgelehnt, weil weder zum
Hergang des Unfalles insoweit vorgetragen ist, als dieser die angebliche Verletzung hätte verursachen
können, noch sonstige Angaben zu Art und Schwere der Verletzung getroffen worden sind, obwohl der
Kläger seinen Vortrag hierzu unter Beweis gestellt hatte, nämlich einerseits durch die Vorlage des
ärztlichen Attests, andererseits durch Vernehmung des behandelnden Arztes. Dies ist jedoch bereits
deshalb nicht rechtsfehlerhaft, weil diese Ausführungen des Erstrichters obiter dictum erfolgt sind. Im
Übrigen bedurfte es eines gerichtlichen Hinweises gemäß § 139 ZPO auch deshalb nicht, weil der
Beklagte den in der Tat nur kurzen und vagen Vortrag des Klägers zu Unfallhergang und Art und Schwere
der Verletzung bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich gerügt und substantiiert
bestritten hatte. Der Kläger hat es daraufhin versäumt, seine Angaben weiter zu substantiieren und
lediglich rechtliche Ausführungen hinsichtlich der Rechtsprechung zu HWS-Syndromen allgemein
nachgeschoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 3 und 4 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 543 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 708
Nr. 10, 713 ZPO (vgl. Landgericht Landau, NJW 2002, 973).