Urteil des LG Krefeld vom 28.02.2007

LG Krefeld: treu und glauben, einwilligung, empfang, ermessen, vermieter, kabelnetz, dach, interessenabwägung, erhaltung, verzicht

Landgericht Krefeld, 2 S 64/06
Datum:
28.02.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 S 64/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 11 C 237/06
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom
12.09.2007 – 11 C 237/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
I.
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Die Kläger begehren Feststellung, dass die beklagte Vermieterin zur Duldung der
Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach des Hauses, in dem die von ihnen
angemietete Wohnung liegt, verpflichtet ist.
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Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 ZPO
Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen.
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Dagegen wenden die Kläger sich mit ihrer form - und fristgerecht eingelegten Berufung.
Die Kläger, die der alevitischen Glaubensgemeinschaft angehören und über die
Parabolantenne die beiden nicht in das Kabelnetz eingespeisten Fernsehsender der
alevitischen Glaubensgemeinschaft empfangen möchten, meinen, die Weigerung der
Beklagten, die Parabolantenne zu dulden, stelle einen Eingriff in das Grundrecht der
freien Religionsausübung dar und sei nicht durch höhere oder gleichwertige Interessen
der Beklagten gerechtfertigt. Da die Kläger der deutschen Sprache nicht mächtig seien,
könnten sie ihre Informationen ausschließlich über die türkisch-sprachigen
Fernsehsender erhalten. Die in das Kabelnetz eingespeisten türkischen Sender seien
aber inhaltlich entweder konformistisch gegenüber dem türkischen Staatsapparat oder
an dem wenig liberalen Weltbild der Religionsgemeinschaft der Sunniten orientiert.
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Die Kläger beantragen,
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unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom 12.09.2006
festzustellen, dass die Beklagte für die Dauer des Mietverhältnisses zwischen den
Parteien verpflichtet ist, eine von den Klägern anzubringende Parabolantenne auf
dem Dach des Hauses X in X zu dulden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das amtsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Beklagte berechtigt ist, den
Klägern die Einwilligung zur Anbringung der Parabolantenne zu versagen.
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Die Erteilung oder Versagung der Einwilligung steht hier, wie auch die Kläger
anerkennen, im Ermessen der beklagten Vermieterin.
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Dieses Ermessen ist allerdings durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB) gebunden. Dieser Grundsatz von Treu und Glauben gebietet grundsätzlich, dass
der Vermieter nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen
versagt, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten können, und
durch die er als Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt und die Mietsache nicht
verschlechtert wird (BVerfG NJW 92, 493). Es ist insoweit eine Interessenabwägung
vorzunehmen, bei der die grundrechtlich geschützten Interessen des Vermieters gegen
die der Mieter abzuwägen sind.
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Die vom Amtsgericht in Einklang mit den vom Bundesverfassungsgericht und vom
Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen vorgenommene Abwägung ist nicht zu
beanstanden. Das durch Art. 14 Abs.1 GG geschützte Eigentumsinteresse der
Beklagten an der baulich und optisch ungeschmälerten Erhaltung des Wohnhauses ist
ein sachlicher Grund für die Versagung der Einwilligung. Das Optik des Hauses würde
durch die Parabolantenne und die zu ihr führenden Kabel gestört und damit letztlich
auch der Wert des Hauses geschmälert. Diesem Eigentümerinteresse steht kein
höherrangiges grundrechtlich geschütztes Interesse der Kläger gegenüber. Im
vorliegenden Fall wiegt das bei einem Verzicht auf die Parabolantenne verbleibende
ungedeckte Informationsinteresse aus Art 5 Abs.1 GG der Kläger deshalb gering, weil
ihrem Informationsinteresse über den im Haus vorhandenen Kabelanschluss bereits
hinreichend Rechnung getragen ist. Denn allein über das "Basispaket Türkei" des
Anbieters können hier 6 türkische Programme empfangen werden. Darüber hinaus
besteht noch die Möglichkeit über ein Premiumpaket drei weitere türkische Kanäle zu
empfangen. Die angebotenen Kanäle bieten sowohl Unterhaltungs- als auch
Informationssendungen.
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Selbst wenn diese Sender, wie die Kläger behaupten entweder konformistisch
gegenüber dem türkischen Staatsapparat oder an dem Weltbild der sunnitischen
Glaubensgemeinschaft orientiert sind, genügen sie in ihrer Gesamtheit dem
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Informationsinteresse der Kläger.
Der Umstand, dass die Kläger der alevitischen Glaubensgemeinschaft angehören, führt
auch im Hinblick auf ihre durch Art. 4 GG geschützten Rechte zu keiner anderen
Bewertung. Der Empfang der alevitischen Sender ist, wie das Amtsgericht mit
zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, festgestellt hat, zur
grundrechtlich in Art. 4 Abs. 2 GG geschützten Religionsausübung nicht erforderlich.
Soweit die Beklagten ihre religiösen Bedürfnisse geltend machen, sind sie auf die
alevitischen Glaubenseinrichtungen zu verweisen. Die Kläger müssen sich mit diesem
Anliegen mit anderen Konfessionen vergleichen lassen. Auch anderen
Religionsangehörigen wird es zugemutet, ihre Religion in Kirchen, Gotteshäusern,
Gemeinden, Tempeln und anderen Gemeinschaftseinrichtungen auszuüben. Ihnen wird
gleichermaßen ein Anspruch auf den Empfang von konfessionseigenen Programmen zu
verwehren sein, wenn diesen legitime Eigentümerinteressen gegenüberstehen. Und
auch der Gesichtspunkt der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, welche
ebenfalls unter dem Schutz von Art 4 GG steht, vermag an der Beurteilung nichts zu
ändern. Denn das durch Art. 4 GG geschützte Recht der Kläger, sich von Akten der
Religionsausübung fernzuhalten, bzw. ein Bekenntnis nicht zu bekunden, ist nicht
eingeschränkt.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs.1, 708 Nr.7, 713 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 1.500,- €
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