Urteil des LG Krefeld vom 12.12.2008

LG Krefeld: fahrzeug, negative feststellungsklage, grobe fahrlässigkeit, rückzahlung, obliegenheit, widerklage, versicherer, reparaturkosten, kostenvoranschlag, entschädigung

Landgericht Krefeld, 1 S 77/08
Datum:
12.12.2008
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 77/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Nettetal, 4 C 252/06
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Nettetal
vom 24.04.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
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I.
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Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin zur Rückzahlung einer
Versicherungsleistung der Beklagten verpflichtet ist.
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Die Klägerin war Eigentümerin eines Klein-LKWs Hyundai H1, welcher ursprünglich bei
der X-Versicherung AG kaskoversichert war. Das Fahrzeug wurde im März 2005 auf der
Beifahrerseite beschädigt. Die Klägerin ließ daraufhin einen Kostenvoranschlag der
Fa.X (Inhaberin: Frau X) erstellen, die u.a. für die Neulackierung der kompletten Seite
und Instandsetzung der Seitentür rechts einen Auftragswert von € 3.056,60 brutto
errechnete. Der Schaden wurde von der X-Versicherung AG nicht reguliert, da aufgrund
Prämienverzugs kein Versicherungsschutz bestand.
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Seit dem 01.05.2005 war das Fahrzeug bei der X Allgemeine Versicherung
kaskoversichert, die im Oktober 2006 mit anderen Gesellschaften zur X Versicherung
AG, der Beklagten, fusioniert ist. Am 23.12.2005 überließ die Klägerin der Zeugin X das
Fahrzeug. Als die Zeugin X in der Hofeinfahrt der Klägerin rangierte, fuhr sie mit dem
Fahrzeug wiederholt gegen einen Torpfosten. Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte
im Rahmen der Vollkaskovereinbarung wegen Schäden ebenfalls an der rechten Seite
in Anspruch. Als Vorschaden gab sie eine "leichte Quetschung Unterboden" an (vgl.
Schadensanzeige vom 30.12.2005). Nach Erstellung eines Gutachtens durch die Fa. X
KG regulierte die Beklagte den Schaden, indem sie an die Klägerin den
Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (€ 7.500,00) abzüglich des verbleibenden
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Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (€ 7.500,00) abzüglich des verbleibenden
Restwertes (€ 2.780,00) und der vereinbarten Selbstbeteiligung (€ 300,00) und an die
Fa. Eis-KG weitere € 407,16 zahlte. Auf Aufforderung der Beklagten erstellte die
Klägerin am 26.01.2006 eine weitere Schadensanzeige. Im Januar 2005 gab die
Beklagte ein Gutachten bei der X zur Feststellung der Schadenskompatibilität und der
Plausibilität des Unfallgeschehens in Auftrag. Mit Schreiben vom 31.03.2006 forderte
die Beklagte die Klägerin zur Rückzahlung der geleisteten Zahlung wegen "bewusst
unwahrer und unvollständiger Angaben" in der Schadensanzeige auf.
Die Klägerin hat daraufhin negative Feststellungsklage erhoben, die die Parteien nach
Erhebung der auf Rückzahlung gerichteten Widerklage der Beklagten übereinstimmend
in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
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Wegen der weiteren Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Nettetal Bezug genommen.
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Das Amtsgericht Nettetal hat der auf Rückzahlung der Kaskoentschädigung gerichteten
Widerklage am 24.04.2008 stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der
Klägerin, die ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiterverfolgt. Die Beklagte
beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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II.
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
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Der Beklagten steht der im Wege der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf
Rückzahlung der von ihr zur Regulierung des Schadens vom 23.12.2005 geleisteten
Versicherungsentschädigung aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB gegen die Klägerin zu. Die
Klägerin hat den gezahlten Betrag von € 4.420,99 ohne rechtlichen Grund erlangt. Die
Beklagte ist gemäß §§ 7 AKB, 6 VVG a.F. von ihrer Leistung frei geworden und daher
zur Regulierung des Fahrzeugsschadens nicht aufgrund des geschlossenen
Versicherungsvertrages verpflichtet, weil die Klägerin vorsätzlich oder zumindest grob
fahrlässig gegen die sie treffende Aufklärungsobliegenheit verstoßen und damit die
Entschädigung zu Unrecht erhalten hat.
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Zwar kommen dem Versicherer bei der Rückforderung gezahlter Leistungen keine
Beweiserleichterungen wie im Deckungsprozess zu Gute. Der Versicherer als
Bereicherungsgläubiger muss die Voraussetzungen einer ungerechtfertigten
Bereicherung des Versicherungsnehmers vielmehr umfassend darlegen und
gegebenenfalls beweisen. Wenn er sich – wie vorliegend – auf seine Leistungsfreiheit
wegen Obliegenheitsverletzung beruft, hat er nicht nur die Darlegungs- und Beweislast
für die objektiven Voraussetzungen der Obliegenheitsverletzung, sondern auch für das
Verschulden des Versicherungsnehmers (vgl. Römer/Langheid, VVR, 2. Aufl. 2003, § 6
Rn. 127 f.; BGH, Urteil v. 14.12.1994, IV ZR 304/93, NJW 1995, 662). Die in § 6 Abs. 3
S. 1 VVG aufgestellte Vermutung für Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit gilt im
Rückforderungsprozess nicht (vgl. etwa OLG Köln, Urteil v. 18.02.1997, 9 U 103/96, r + s
1997, 140 f.; Römer/Langheid, VVR, 2. Aufl. 2003, § 6 Rn. 127 f.). Im Streitfall steht
jedoch auch nach Ansicht der Kammer fest, dass die Klägerin ihre Obliegenheit nach §
6 VVG a.F. vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig verletzt hat.
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Der Versicherungsnehmer ist nach § 7 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung
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des Tatbestandes dienlich sein kann. Wird diese Obliegenheit in der Fahrzeug- oder
Kraftfahrtunfallversicherung verletzt, so besteht Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6
Abs. 3 VVG (§ 7 V Abs. 4 AKB). Zu den Umständen, über die der Versicherer aufgeklärt
werden muss, gehören in der Kfz-Versicherung unter anderen die Angabe von
Vorschäden am Fahrzeug (vgl. etwa Römer/Langheid, VVR, 2. Aufl. 2003, § 6 Rn. 58).
Dieser Obliegenheit ist die Klägerin nicht hinreichend nachgekommen. Ungeachtet des
Umstandes, dass die Klägerin in der zweiten Schadensanzeige vom 26.01.2006 die
Frage, ob zum Unfallzeitpunkt noch Schäden am Fahrzeug vorhanden waren, verneint
hat, ist schon in der ersten Schadenanzeige vom 30.12.2005 der Vorschaden am
Fahrzeug von ihr nicht zutreffend angegeben worden. Zwar hat die Klägerin in der
Schadenanzeige vom 30.12.2005 als zum Zeitpunkt des Schadens unreparierte
Vorschäden eine "leichte Quetschung Unterboden" angegeben. Aufgrund des von der
Klägerin im März 2005 eingeholten Kostenvoranschlags sowie dem vom Amtsgericht
Nettetal eingeholten Gutachten des Sachverständigen X steht jedoch – wie auch das
Amtsgericht Nettetal ohne Rechtsfehler festgestellt hat – fest, dass das Fahrzeug im
Dezember 2005 nicht nur den von der Klägerin angegebenen leichten Vorschaden im
Unterbodenbereich aufwies.
Aus dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen X ergibt sich –
ohne dass dies erstinstanzlich von der Klägerin substantiiert angegriffen worden ist – ,
dass ein Teil der jetzt geltend gemachten Schäden nicht mit dem Unfallhergang in
Einklang zu bringen waren. Im Einzelnen hat der Sachverständige insoweit die
unregelmäßigen Oberflächenkratzer an der rechten Seitenwand und im Bereich des
vorderen rechten Kotflügels, Schürfspuren an der rechten Ecke der vorderen
Stoßfängerverkleidung sowie das eingedrückte Blech im vorderen Bereich des vorderen
rechten Kotflügels sowie das beschädigte vordere rechte Blinkerglas aufgeführt. Dem ist
die Klägerin in erster Instanz nicht konkret entgegengetreten. Ungeachtet der vom
Gutachter aufgeworfen Fragen, inwieweit die Oberflächenkratzer, die sich zwischen der
Seitenfensterunterkante und den Türgriffen von vorne nach hinten erstrecken, und die
Beschädigung an der rechten Stoßfängerecke als Gebrauchsspuren eingestuft werden
können und inwieweit die Delle im oberen Bereich des vorderen rechten Kotflügels an
dem allgemein wenig sorgsam gehaltenen Fahrzeug für einen Laien erkennbar war –
insoweit konnte der Sachverständige Jarre mangels Inaugenscheinnahme des
Fahrzeugs keine konkreten Aussagen treffen –, hat die Klägerin den bereits
vorhandenen Vorschaden am Fahrzeug nicht ausreichend angegeben, wie sich aus
dem hinsichtlich des Schadensereignisses im März 2005 eingeholten
Kostenvoranschlag der Fa. E & F Car Expert ergibt.
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Die Kostenberechnung der Fa. X weist Reparaturkosten in Höhe von insgesamt €
3.056,60 brutto – mithin nicht wesentlich weniger als der der Klägerin im Hinblick auf
das spätere Schadensereignis ausgezahlte Betrag von € 4.420,00 – auf und bezieht
sich im Einzelnen auf die Reparaturkosten für den Holm rechts, die Seitentüre rechts
sowie die Kosten für die komplette Neulackierung der Seite einschließlich des Holms.
Vor diesem Hintergrund ist die Klägerin mit ihrer Angabe in der Schadensanzeige vom
30.12.2005 nicht ansatzweise ihrer Obliegenheit zur umfassenden Mitteilung relevanter
Vorschäden gerecht geworden. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich auch
nichts anderes aus den von ihr mit Schriftsatz vom 30.03.2007 vorgelegten Lichtbildern
(Bl. 203 ff. d. Akte), die sie ihrer vorherigen Versicherung, der X-Versicherung AG,
seinerzeit hinsichtlich des Schadens übersandt hatte. Aus den Fotos wird zwar
ersichtlich, dass das Fahrzeug im Bereich des rechten Türschwellers deutlich verformt
war. Nicht zu erkennen ist jedoch, inwieweit das Fahrzeug darüber hinaus an der
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rechten Seite weitere Schäden aufwies, die u.a. eine Neulackierung der kompletten
rechten Seite einschließlich des Holms erforderlich machten, zumal mit Blick auf die auf
den Lichtbildern erkennbare deutliche Verformung der Türschweller die Angabe "leichte
Quetschung Unterboden" ohnehin nicht ausreichend gewesen wäre, so dass auch die
von der Klägerin im Schriftsatz vom 30.03.2007 benannten Zeugen Xt und X nicht zu
dem Zustand des Fahrzeugs vor Übergabe an die Zeugin X vernommen werden
mussten. Die Klägerin hat demnach durch ihre Angabe einer nur leichten Quetschung
im Bereich des Unterbodens den Vorschaden und dessen Ausmaß nicht ansatzweise
zutreffend wiedergegeben und damit ihre Aufklärungsobliegenheit gemäß §§ 7 AKB, 6
VVG a.F. verletzt.
Gegen ihre Obliegenheit zur Anzeige von Vorschäden hat die Klägerin auch vorsätzlich
oder zumindest grob fahrlässig verstoßen. Sie hat die Vorschäden aus dem
Unfallereignis aus März 2005 nicht umfassend in ihrer Schadensanzeige vom
30.12.2005 angegeben, obwohl der Vorschaden aus März 2005 weder zum damaligen
Zeitpunkt von der XVersicherung AG reguliert noch von der Klägerin auf ihre Kosten
repariert worden ist, wovon der Klägervertreter bereits in der mündlichen Verhandlung
vom 21.11.2008 auf Nachfrage des Gerichts ausgegangen ist, ohne dies jedoch sicher
angeben zu können, und die Klägerin im Schriftsatz vom 21.11.2008 sodann bestätigt
hat. Daher wusste die Klägerin auch bereits zum Zeitpunkt ihrer ersten
Schadensanzeige, dass das Fahrzeug nicht nur – wie angegeben – "leichte
Quetschungen" im Bereich des Unterbodens aufwies.
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Aufgrund der unzutreffenden Angabe in der Schadensanzeige vom 30.12.2005 hat die
Klägerin vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig gegen die sie treffende
Aufklärungsobliegenheit verstoßen und damit die Entschädigung zu Unrecht erhalten.
Die Berufung der Klägerin hat demnach keinen Erfolg.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Rechtssache hat weder
grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543
Abs. 2 ZPO).
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Streitwert: bis € 5.000,00
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