Urteil des LG Krefeld vom 29.03.2007

LG Krefeld: fahrzeug, kollision, polizei, einwilligung, verkehrsunfall, verschulden, reparaturkosten, beifahrer, indizienbeweis, anzeichen

Landgericht Krefeld, 3 O 433/05
Datum:
29.03.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 433/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend.
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Am 11. Juli 2005 befuhr der Zeuge X gegen 14:45 Uhr mit einem Mercedes-Benz, Typ
SL 500 mit dem amtlichen Kennzeichen X, der nach dem von der Beklagten zu 2)
bestrittenem Vorbringen der Klägerin in ihrem Eigentum stand, die Uerdinger Strasse in
Krefeld stadtauswärts. In Höhe des Hauses Nummer X dieser vielbefahrenen Straße
fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw
der Marke Fiat, Typ Uno, amtliches KennzeichenX, rückwärts aus einer Parkbucht
heraus, wodurch es zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge kam. Die
hinzugerufene Polizei nahm den Unfall auf und erteilte dem Beklagten zu 1) ein
Verwarnungsgeld in Höhe von 20,00 EUR.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 22. September 2005 wurde die Beklagte zu 2) zur
Schadensregulierung aufgefordert, welche diese mit Schreiben vom 06. Oktober 2005
ablehnte.
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Die Klägerin macht zudem aufgrund eines weiteren sich am 09. Februar 2006
ereigneten Verkehrsunfalls Schadensersatzansprüche gegen die
Versicherungsgesellschaft X geltend. Dabei hat sie angegeben, ihr Fahrzeug sei von
Herrn X gefahren worden, Beifahrer sei Herr X gewesen. Das am 6. Juni 2005 auf den
Namen der Klägerin zugelassene Fahrzeug wurde mittlerweile wieder verkauft. Das
Fahrzeug des Beklagten zu 1), welches am 30. Juli 1993 erstmals zugelassen wurde, ist
am 08. Dezember 2005 stillgelegt, am 19. September 2006 abgemeldet und mittlerweile
verschrottet worden.
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Ihren Schaden spezifiziert die Klägerin gemäß des von ihr eingeholten Gutachtens wie
folgt auf insgesamt 12.214,34 EUR:
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Reparaturkosten (netto): 9.335,60 EUR
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Wertminderung: 1000,00 EUR
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Gutachterkosten: 836,74 EUR
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Nutzungsausfall (10 Tage x 99,00 EUR) 990,00 EUR
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Pauschale 25,00 EUR
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Sie behauptet, diesen an ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden in einer Fachwerkstatt
repariert zu haben.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 11.350,60 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 05. Oktober 2005 und 419,80 EUR nicht anrechenbare Geschäftsgebühr
Nr. 2400 VV RVG zu zahlen sowie die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an den Sachverständigen X den Rechnungsbetrag von 863,74 EUR
gemäß der Rechnung X vom 20.07.2005, Gutachten Nr. 050712367 nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.
Oktober 2005 zu zahlen.
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Die Beklagte zu 2) beantragt für sich und zugleich als Nebenintervenientin für den
Beklagten zu 1),
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte zu 2) behauptet, der Unfall sei vorgetäuscht bzw. vorsätzlich mit
Einwilligung der Unfallbeteiligten herbeigeführt. Hierzu trägt sie im einzelnen vor:
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Der von den Parteien geschilderte Unfallhergang sei mit den an den Fahrzeugen
angeblich entstandenen Schäden nicht vereinbar. X auf, welcher, was zwischen den
Parteien unstreitig ist, am 01. Juni 2005 die eidesstattliche Versicherung abgegeben
hat. Die Klägerin habe den Kaufvertrag hinsichtlich des Mercedes nicht unterzeichnet
und sei deshalb nicht aktiv legitimiert. Zudem macht die Klägerin aufgrund eines
Verkehrsunfalls vom 09. Februar 2006 Schadensersatzansprüche geltend, bei dem ein
Herr X Fahrer und ein Herr X Beifahrer war. Auch dieser Unfall sei fingiert. Überdies sei
das Fahrzeug des Beklagten wertlos gewesen, so dass für ihn kein hoher Schaden
entstanden sei.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18. Mai 2006. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokoll vom 26. April 2006
sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständige X vom 05. Oktober 2006
verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den
Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin kann von den Beklagten Schadensersatz im Hinblick auf das
Unfallgeschehen vom 11. Juli 2005, das sich nach ihren Behauptungen aufgrund des
Verschuldens des Beklagten zu 1) ereignet hat, nicht verlangen.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass das Unfallgeschehen vorgetäuscht ist. Da die Kollision als solche fest steht, trägt
die Beklagte zu 2) die Beweislast dafür, dass das Unfallgeschehen abgesprochen war.
Der insoweit mögliche Indizienbeweis ist jedoch geführt, so dass der Klage der Erfolg zu
versagen war.
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An den Nachweis der Einwilligung sind nach der Rechtsprechung des BGH zwar
strenge, jedoch keine überzogenen Anforderungen zu stellen (BGH VersR 1979, 514;
OLG Düsseldorf 1996, 122). Es ist insbesondere kein logisch oder naturwissenschaftlich
zwingender Nachweis zu fordern. Deshalb kann die Überzeugungsbildung des Gerichts
durch eine Häufung unausgeräumt gebliebener, für eine Unfallfingierung typischer
Anzeichen begründet werden.
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Ein gewichtiges Indiz stellt insoweit das behauptete Unfallgeschehen dar, welches –
insbesondere nach den Ausführungen des Sachverständigen X – wenig plausibel
erscheint.
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Der Beklagte zu 1) hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben, er sei
langsam aus der Parklücke hinausgefahren. Danach habe es schon geknallt. Er habe
das Fahrzeug des HerrnX erst in dem Moment wahrgenommen, als es bereits gekracht
habe. Erst in diesem Moment habe er sein Auto abgebremst. Weiter hat der Beklagte zu
1) angegeben, dass Gefühl gehabt zu haben, es sei bereits vorbei gewesen, als er zum
Stehen gekommen sei. Auch der Zeuge X hat übereinstimmend mit der Schilderung des
Unfallhergangs in der Klageschrift sowie in den Angaben im Schreiben an die
Versicherung vom 01. September 2005 ausgesagt, der Beklagte zu 1) sei rückwärts in
den Pkw der Klägerin hineingefahren.
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Diese Schilderungen des Unfallhergangs stimmen nicht mit den Ausführungen des
Sachverständen X überein. Dieser hat in seinem Gutachten, denen zu folgen für das
Gericht keine Bedenken bestehen, überzeugend dargelegt, dass das Beklagtenfahrzeug
zum Kollisionszeitpunkt stand, da ansonsten deutliche Veränderungen in der
Eindringtiefe auf der rechten Längsseite des Klägerfahrzeugs hätten vorliegen müssen.
Wenn der Beklagte zu 1) sich, wie von den Beteiligten vorgetragen, im
Kollisionszeitpunkt noch in einer Rückwärtsbewegung befunden hätte, dann hätte die
Bewegungsenergie des Beklagtenfahrzeug zum Fahrzeugheck hin zu einer
erkennbaren Zunahme der Schadensintensität führen müssen, welche aber nicht
gegeben ist. Vielmehr bestand aufgrund der Beschädigungen am Klägerfahrzeug, wie
der Sachverständige überzeugend ausführt, keine nennenswerte Kollisionsenergie des
Beklagtenfahrzeugs .
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Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Beteiligten den Unfall konstruiert haben, da
sie den Hergang nicht der Wahrheit entsprechend geschildert haben und das Gericht
davon überzeugt ist, dass es sich bei X als auch des Beklagten zu 1) handelt. Dieser
hätte bemerken müssen, ob er das klägerische Fahrzeug näherkommen sah,
abgebremst hat und es dennoch zu einer Kollision kam, oder ob er den Mercedes, wie
von ihm angegeben, erst wahrgenommen hat, als dieser schon mit seinem Pkw
zusammengestoßen war.
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Überdies sprechen auch die weiteren von der Beklagten zu 2) angeführten Indizien für
einen fingierten Verkehrsunfall. So ist kennzeichnend für einen gestellten Unfall, dass
auf Seiten des Anspruchsgegners ein eindeutiges Verschulden vorliegt. Nach dem
geschilderten Sachverhalt ist dieses Verschulden des Beklagten zu 1) indiziert.
Ebenfalls typisch für einen fingierten Unfall ist, dass trotz der nach Unfallschilderung
eindeutigen Verschuldensfrage die Polizei hinzugerufen wurde, um den
"Verkehrsunfall" aufzunehmen. Typisch für einen manipulierten Unfall sind auch die
beteiligten Fahrzeuge. Für einen in einer Fachwerkstatt zu reparierenden Mercedes SL
können hohe Reparaturkosten und somit ein hoher Schadensbetrag geltend gemacht
werden. Zwar bestreitet die Beklagten zu 2), dass die Klägerin überhaupt Eigentümerin
des verunfallten Mercedes war. Auch nach dem klägerischen Vortrag war sie dies
jedoch nur für eine kurze Zeitspanne, da der am 06. Juni 2005 kurz vor dem
Unfallereignis auf sie zugelassene Mercedes mittlerweile wieder verkauft wurde. Der
Fiat des Beklagten zu 1) als schädigendes Fahrzeug wurde erstmals am 30. Juli 1993
zugelassen, war damit zum Unfallzeitpunkt fast 12 Jahre alt und wurde mittlerweile
verschrottet. Der wirtschaftliche Wert dieses Kleinwagen dürfte entsprechend gering
gewesen sein. Ein weiteres Indiz stellt auch der sich am 09. Februar 2006 ereignete
Auffahrunfall vor einer roten Ampel dar, auf dessen Grundlage die Klägerin ebenfalls
Schadensersatzansprüche geltend macht. Unglaubwürdig waren auch die Angaben der
Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie selber habe das Fahrzeug in eine
Fachwerkstatt zur Reparatur bringen lassen, könne sich aber nicht erinnern, wie diese
Werkstatt heißt. Auch wollte sich die Klägerin nicht dazu äußern, wo das Fahrzeug
finanziert sei. Insofern spricht einiges für die Behauptung der Beklagten zu 2), die
Klägerin sei nicht aktivlegitimiert und trete lediglich für den Zeugen X auf, welcher
unstreitig am 01. Juni 2005 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.
Letztendlich kann dies aber dahinstehen, da das Gericht bereits aufgrund der Vielzahl
der übrigen zuvor genannten Indizien davon überzeugt ist, dass es sich um einen
gestellten Unfall handelt. Die vorstehenden Indizien werden auch nicht durch den
klägerischen Vortrag entkräftet. Insbesondere ergibt sich etwas anderes nicht aus der
Tatsache, dass sich der Unfall auf einer vielbefahrenen Straße bei Tageslicht ereignet
hat. Denn insoweit bezweifelt das Gericht nicht, dass es tatsächlich zu der Kollision
gekommen ist.
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Liegt nach alledem eine Reihe von Indizien vor, die typisch für gestellte Verkehrsunfälle
sind, so führt die Gesamtheit dieser Indizien dazu, dass das Gericht zu der Überzeugung
gelangt, dass es sich um einen zum Zweck des Versicherungsbetruges bewusst
herbeigeführten Unfall gehandelt hat.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 101, 709 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 12.214,34 EUR festgesetzt.
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