Urteil des LG Krefeld vom 12.11.2001

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Landgericht Krefeld, 2 O 73/00
Datum:
12.11.2001
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 73/00
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 U 24/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
6.500,-- DM vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Die Kläger haben auf ihrem in HanHHhhhHang Hanglage zwischen nach rechts und
links leicht ansteigendem Gelände ein Wohnhaus aufgrund einer 1964 erteilten
Baugenehmigung errichtet. Ein Bebauungsplan bestand für dieses Gebiet nicht. Um den
Keller als Wohnraum ausbauen und vor ihm eine Terrasse anlegen zu können, war es
erforderlich, einen Teil des Hanges in einer Höhe von ca. 2,5 Metern anzugraben. Von
der Terrasse aus steigt das Grundstück bis zur 4,3 Meter entfernten Grundstücksgrenze
an, ist gärtnerisch mit einer Treppenanlage gestaltet und mit einem ca. 0,3 Meter hohen
und 0,4 Meter breiten Mäuerchen eingefriedet.
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Die hinter dem Grundstück angrenzenden Freiflächen sind ursprünglich
landwirtschaftlich genutzt worden. Zur Anlegung eines Biotops hat die Beklagte einen
ca. 8 bis 10 Meter breiten Streifen dieses Ackerlandes erworben und Sträucher, Bäume
und Wildblumen anpflanzen lassen. Das wellige Gelände weist hinter dem Grundstück
der Kläger seinen tiefsten Punkt auf.
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Nach starken Regenfällen Ende Oktober / Anfang November 1998 staute sich Wasser
auf dem Gelände der Beklagten an der Begrenzungsmauer an, floß unter der Mauer
durch und verschlammte die Terrasse der Kläger. Hierüber informierten die Kläger die
Beklagte, die ankündigte, durch ein Bodengutachten über Rückhalte- und
Versickerungsmöglichkeiten Aufschluß erhalten zu wollen.
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Im März 1999 kam es bei starkem Regen erneut zu einem Wasserdurchbruch mit einem
Erdeinbruch auf dem Hang neben der Gartentreppe. Es entstand ein Erdloch von über
einem Kubikmeter. Die Beklagte ließ die auf der Terrassenfläche abgelagerte Erde in
das Erdloch zurückschaufeln.
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Starke Regenfälle am Abend des 04.07.1999 führten wiederum zu einer
Wasseransammlung im tiefsten Punkt des hinter dem Grundstück der Kläger gelegenen
Biotops. Das Wasser durchbrach entlang der durch die früheren Ereignisse gebildeten
Störungszone die Hangböschung, überflutete die Terrasse und drang in die
Souterrainwohnung ein.
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Die hierbei entstandenen Schäden ließen die Kläger durch den Sachverständigen von
der Weien aufnehmen und begutachten. Wegen der Feststellungen im einzelnen wird
auf das zu den Akten gereichte Gutachten vom 27.07.1999 Bezug genommen.
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Zur Klärung der Schadensursache beauftragten die Kläger den Sachverständigen X mit
der Feststellung des Zustandes zur Sicherung des Beweises. Auch insoweit wird wegen
der Einzelheiten auf den Inhalt des zu den Akten gereichten Gutachtens des
Sachverständigen Poremba vom 13.07.1999 verwiesen.
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Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Wegen der
Berechnung der Schadenspositionen im einzelnen wird auf die Klageschrift Bezug
genommen.
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Zur Haftung der Beklagten führen sie aus:
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Das Biotop sei von der Beklagten mit dem Ziel angelegt worden, das von den oberhalb
liegenden Ackerflächen kommende Oberflächenwasser aufzufangen und zu verhindern,
daß es auf den unterhalb gelegenen Hausgrundstücken Schaden anrichte. Dieses Ziel
habe die Beklagte offensichtlich nicht erreicht.
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Zudem habe die Beklagte die Anlage nicht vorschriftsmäßig unterhalten, gepflegt und
beaufsichtigt und es auch hingenommen, daß spielende Kinder die Rasenabdeckung
und Sträucher herausrissen. Nach wie vor könnten Jugendliche immer noch - wie von
ihnen am 19.09.2000 wahrgenommen - durch das Biotop wandern. Die Beklagte
unterlasse jegliche Absicherung und Kontrolle. Durch Hinnahme der Beschädigungen
habe die Beklagte ihr Biotop in einen für das klägerische Grundstück gefahrvollen
Zustand geraten lassen. Besonders vorwerfbar sei, daß die Beklagte keine
Konsequenzen aus den ersten Schadensereignissen gezogen habe und auch weiterhin
untätig sei.
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Hinzuweisen sei darauf, daß sie die Gefahrenlage nicht selbst durch Anlegung des
Hauses und der Terrasse geschaffen hätten, da ihr Bauvorhaben bauordnungsrechtlich
genehmigt worden sei. Wenn ihr Vorhaben schadensursächlich gewesen sei, hätte die
Genehmigung nicht erteilt werden dürfen.
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Nunmehr hätten sie selbst Vorkehrungen getroffen, um das Eindringen von Wasser und
Schlamm auf ihr Grundstück abzuwehren.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 77.893,01 DM
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nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet die Schadenshöhe und führt zum Haftungsgrund aus:
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Wasserrechtliche Zwecke, wie von den Klägern angesprochen, seien bei der Anlegung
des Biotops nicht verfolgt worden. Es habe sich lediglich um eine
landschaftsgestaltende Maßnahme gehandelt, durch die ein Rückzugsareal für
Insekten, Vögel und Kleinsäuger der Feldflur geschaffen werden sollte. Nach Abschluß
der Maßnahme seien Veränderungen nicht mehr vorgenommen worden, das Gebiet
werde lediglich zum Zwecke von Ersatzpflanzungen genutzt.
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Zudem sei die gezielte Einleitung von Niederschlagswasser aus dem freien Feld in das
städtische Kanalnetz nicht möglich, weil dieses hierfür nicht berechnet sei und aus
wirtschaftlichen Gründen auch nicht berechnet werden könne.
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Schließlich sei das Schadensereignis vom 04.07.1999 durch außergewöhnliches
Unwetter mit orkanartigen Böen und Niederschlagsmengen von 70 mm pro
Quadratmeter innerhalb kürzester Zeit verursacht worden. Dadurch habe sich eine
größere Menge abfließenden Oberflächenwassers in der natürlich vorhandenen Mulde
des Biotops hinter dem Grundstück der Kläger gesammelt, sei in Hohlräume gelangt
und habe alsdann die Böschung durchbrochen. Der Schaden wäre folglich auch
eingetreten, wenn die Fläche weiterhin als Ackerland genutzt worden wäre.
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Schadensursächlich sei die Tatsache, daß die Kläger bei Errichtung des Hauses durch
Abgraben des Hanges die Geländeform verändert und keine Maßnahmen ergriffen
hätten, um Abschwemmungen zu vermeiden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten
gereichten Schriftsätze und Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, verwiesen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftlich erstattete
Gutachten des Sachverständigen Dr. Leischner vom 22.03.2001 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Beklagte ist den Klägern weder aus Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften
noch aus Verletzung von Sicherungspflichten und Amtspflichten
schadensersatzpflichtig.
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Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 BGB liegen nicht vor,
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da die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Der
Abwehranspruch, der Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, setzt aber
voraus, daß die Beklagte als Störer für die Beeinträchtigung verantwortlich ist. Wie indes
auch die Kläger nicht verkennen, ist der Zustrom von natürlich versickerndem
Niederschlagswasser vom Nachbargrundstück entschädigungslos hinzunehmen. Denn
ein zum Schadensersatz verpflichtender Tatbestand kommt ständiger Rechtsprechung
der Obergerichte zufolge nicht in Betracht bei Einwirkungen, die von einem Grundstück
einer Gemeinde auf ein anderes Grundstück ausgehen, aber nicht das Maß dessen
übersteigen, was der Eigentümer nach Wassernachbarrecht entschädigungslos
hinnehmen muß. Da es naturgesetzliche Gegebenheit ist, dass Wasser bergab fließt
und den natürlichen Geländeverhältnissen folgt, haben Oberlieger und Unterlieger dies
grundsätzlich hinzunehmen. § 115 Abs. 1 Satz 1 NW Wassergesetz verbietet dem
Oberlieger lediglich, den natürlichen Ablauf des Niederschlagswassers künstlich zu
verändern.
Das einsickernde Oberflächenwasser ist Grundwasser und der Zustrom des
Grundwassers ist hinzunehmen. Dies folgt schon daraus, daß es sich um ein bloßes
Naturereignis handelt, für das der benachbarte Eigentümer nicht als Störer einzutreten
hat, da die Störung nicht wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht (BGH NJW
1993/928, 1991/2771, 1985/1773). Daher sind dem Eigentümer des Grundstücks, von
dem durch Naturereignisse ausgelöste Störungen ausgehen, diese Beeinträchtigungen
nur zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht oder wenn die
Beeinträchtigung durch pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist.
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Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, daß dies vorliegend der Fall ist, weil die
Beklagte auf dem Nachbargrundstück ein Biotop angelegt hat, haben sie indes nicht
nachzuweisen vermocht, daß die Beklagte die Bedingungen dafür geschaffen hat, daß
erhebliche Wasseransammlungen im Grenzbereich stattfanden, dort für längere Zeit
verblieben und dann als sogenanntes drückendes Wasser auf das Grundstück der
Kläger gerieten. Die Beklagte hat weder bei der Herrichtung des Biotops noch bei
späteren Pflegemaßnahmen Eingriffe in das Grundstück vorgenommen, die eine
unzulässige Veränderung darstellen. Die bei landwirtschaftlichen Grundstücken
notwendige Art der Bodenbearbeitung durch landwirtschaftliche Maschinen hatten die
Kläger bis zum Erwerb der Fläche durch die Beklagte hinzunehmen, nichts anderes gilt
für die Bodenbearbeitung durch die Beklagte.
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Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen X, die auch die Kläger nicht in
Zweifel gezogen haben, steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß die Beklagte das
zuvor als landwirtschaftliche Fläche genutzte Nachbargrundstück durch Anlegung des
Biotops nicht verändert hat. Erdbewegungen, die zu wesentlichen Vertiefungen,
Verdichtungen und dergleichen hätten führen können, haben den Feststellungen des
Sachverständigen zufolge nicht stattgefunden. Die Anpflanzungen nehmen Wasser auf,
nehmen dadurch Einfluß auf die Wassermenge, führen aber nicht zu einer Veränderung
der Wasserführung. Die in diesem Zusammenhang gehegten Vermutungen und
Befürchtungen der Kläger sind mithin durch das Gutachten nicht belegt worden. Die
Beklagte hat den natürlichen Ablauf des wild abfließenden Niederschlagswassers zum
Nachteil des benachbarten klägerischen Grundstückes nicht künstlich verändert.
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Soweit die Kläger auf ungünstige Bodenverhältnisse abstellen, handelt es sich um eine
naturgegebene Beschaffenheit, die nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten
fällt.
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Insoweit verkennen die Kläger, daß sie bei der Planung und Errichtung ihres
Bauvorhabens gehalten waren, die Bodenverhältnisse und die topographischen
Verhältnisse zu berücksichtigen und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten zur
Absicherung ihres Grundstückes zu beachten. Hiergegen haben die Kläger bei der
Errichtung der Souterrainwohnung mit Terrasse verstoßen. Der Böschungswinkel ist,
wie der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, falsch angelegt. Unstreitig ist
der Schaden im Zusammenhang mit dem Bruch der Anschnittsböschung eingetreten.
Bei Anlegung der Böschung haben die Kläger zwar den üblichen Neigungswinkel
beachtet, sich aber nicht darüber vergewissert, daß der angeschnittene Boden auch die
geotechnischen Eigenschaften - mittlere Lagerungsdichte und erosionsunempfindlicher
Boden -, die unabdingbare Voraussetzung für den gewählten Neigungswinkel sind,
aufweisen. Wegen der Einzelheiten der Böschungsbruchberechnung wird auf die
nachvollziehbaren detaillierten Ausführungen des Sachverständigen, die auch die
Kläger nicht angegriffen haben, verwiesen, denen sich die Kammer in vollem Umfang
anschließt.
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Wie aufgrund des Sachverständigengutachtens weiter zur Überzeugung der Kammer
feststeht, war Ursache des Böschungsbruches allein der Katastrophenregen vom
04.07.1999 und der dadurch bedingte Wasserstau an der Grenzmauer. Begünstigt
wurde der Bruch durch die über Jahre vor der Mauer erfolgte Versickerung von
Niederschlagswasser als Folge dessen der im Untergrund anstehende Schluffboden
eine breiige und damit fließende Zustandsform angenommen hatte. Für diese
Naturereignisse ist weder die Beklagte noch der Voreigentümer verantwortlich.
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Entgegen der Auffassung der Kläger hat die Beklagte auch keine den Klägern
gegenüber bestehenden Sicherungspflichten verletzt. Die Zustandshaftung geht nicht
soweit, daß der Eigentümer unterschiedslos für alle Auswirkungen verantwortlich ist, die
rein tatsächlich von seinem Grundstück ausgehen. Hierdurch realisiert sich
grundsätzlich nur das allgemeine Lebensrisiko. Die Kläger können nicht verlangen, daß
die Beklagte Vorkehrungen trifft, die das Niederschlagswasser zurückhalten und den
Abfluß des Wassers auf ihr Grundstück verhindern. Die Kläger sind lediglich berechtigt,
Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um das Wasser von ihrem Grundstück fernzuhalten
(BGH NJW 1985/1773). Sie haben an einer Stelle gebaut, an der sie infolge der
Geländeverhältnisse für eigenen Schutz sorgen mußten. Da die Gefahr durch eigenes
Handeln entstanden ist, können sie nicht verlangen, daß die Beklagte umfangreiche
Schutzmaßnahmen zu ihren Gunsten ergreift. Abgesehen davon, daß die Gemeinden
nur nach Vorrangigkeit und Finanzierungsmöglichkeiten Maßnahmen durchführen
können, ist die Gemeinde auch nicht verpflichtet, einen schlechthin gefahrlosen Zustand
zu gewährleisten. Die Gemeinde trifft lediglich eine Duldungspflicht insoweit, als die
Kläger berechtigt sind, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um das Wasser von ihrem
Grundstück fernzuhalten.
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Der Vorwurf pflichtwidrigen Unterlassens geht damit fehl, abgesehen davon, daß der
Katastrophenregen für die Beklagte auch nicht vorhersehbar war.
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Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, bei Erteilung der Baugenehmigung, die die
Beklagte unstreitig nicht erteilt hat, hätten Auflagen erteilt werden müssen, verkennen
sie, daß das Bauamt nur zu prüfen hat, ob öffentlich rechtliche Belange der Erteilung der
Baugenehmigung entgegenstehen, nicht hingegen, ob der planende Architekt die
erforderliche Sachkunde hat. Ob die Gemeinde bei Erstellung eines Bebauungsplanes
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die Gefahrenlage hätte berücksichtigen müssen, kann vorliegend dahinstehen, weil die
Kläger unstreitig im Außenbereich, für den ein Bebauungsplan nicht vorlag, gebaut
haben. Bei Errichtung ihres Hauses hätten sie die Hanglage und die sich daraus
ergebende Gefahrenlage bei starken Regenfällen über Jahre hinweg bedenken und
entsprechend Vorsorge treffen müssen. Insbesondere hätten die Kläger nach den
beiden, dem Schadensereignis vorausgehenden Vorkommnissen Schutzmaßnahmen
ergreifen können und müssen. Die Tatsache, daß die Beklagte Hilfestellung geleistet
hat und leistet, befreite die Kläger nicht von der Eigenvorsorge.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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Streitwert: 77.893,-- DM.
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