Urteil des LG Krefeld vom 07.12.2007

LG Krefeld: rücktritt vom vertrag, sachmangel, beweislastumkehr, erfahrung, fahrzeug, käufer, rückabwicklung, sachmängelhaftung, gesellschafter, rückgabe

Landgericht Krefeld, 1 S 91/06
Datum:
07.12.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 91/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 82 C 406/05
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsge-richts Krefeld
vom 13.09.2006 aufgehoben und die Klage abge-wiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: bis € 900,00
Entscheidungsgründe
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I.
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Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesellschafter der X Wellness-
Wasserbetten GbR Rückabwicklung des Kaufvertrages für zwei Wasserbetten, die sie
am 01.03.2004 zum Preis von € 698,00 zuzüglich Pflegemitteln im Wert von € 75,00
erwarb.
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Nachdem die Klägerin die Matratzen erhalten hatte, stellte sie in der Folgezeit fest, dass
sich die im Wasserkern der Matratzen befindlichen Vlieseinlagen zusammenschoben
und zu Unebenheiten der Liegefläche führten. Dies rügte die Klägerin gegenüber den
Beklagten, die daraufhin wiederholt Nachbesserungen an den Matratzen vornahmen.
So wurde etwa am 24.02.2005 der Wasserkern ausgetauscht und am 02.06.2005 der
Wasserdruck verändert. Nach dem Austausch des Wasserkerns wurde die Klägerin
nach einiger Zeit erneut bei dem Beklagten zu 2) vorstellig. Sie beanstandete, dass die
Vlieseinlagen im Wasserkern wieder verrutscht seien. Daraufhin begab sich der
Beklagte zu 2) erneut zur Klägerin und brachte die Vlieseinlagen zurück in die richtige
Position.
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Die Klägerin trägt vor, die bei den Beklagten erworbenen Matratzen seien mangelhaft.
Auch wenn der Beklagte zu 2) die verrutschten Vlieseinlagen in ihrem Bett
zwischenzeitlich wieder glattgezogen habe, sei es erneut zu einem Zusammenziehen
der Vliese gekommen, nachdem sie sich in das Bett gelegt habe. Demgegenüber
wenden die Beklagten ein, nicht die Matratzen würden einen – etwa
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wenden die Beklagten ein, nicht die Matratzen würden einen – etwa
konstruktionsbedingten – Mangel aufweisen, sondern das Verrutschen der Vliese sei
vielmehr auf ein unsachgemäßes Anheben der Matratzen durch die Klägerin selbst
zurückzuführen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den
festgestellten Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom
13.09.2006 Bezug genommen.
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Das Amtsgericht Krefeld hat der Klage stattgegeben und die Beklagten als
Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 773,00 zuzüglich 4 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2005 zu zahlen Zug und Zug gegen Rückgabe der
beiden gelieferten Moonlight Wellness Wasserbetten Classic; darüber hinaus hat das
Amtsgericht festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Wasserbetten in
Verzug befinden.
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Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf
Klageabweisung weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten
hat Erfolg.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung des
Kaufpreises aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB i.V.m. § 128 HGB analog zu.
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Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die bei den Beklagten
gekauften Wasserbettmatratzen einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB aufweisen.
Dies hat die Klägerin jedoch nicht zu beweisen vermocht. Zwar steht nach dem vom
Amtsgericht eingeholten Gutachten der Sachverständigen X vom 13.06.2006 fest, dass
die sich in den Matratzen befindlichen Vliesmatten ständig verrutschen und dadurch
eine unebene Liegefläche entsteht. Ausweislich des eingeholten Gutachtens lässt sich
eine dauerhafte Rückpositionierung der Vliesmatten, die an allen Längs- und
Schmalseiten nicht unerheblich verrutscht sind, auch nicht mehr erreichen. Nicht fest
steht jedoch, worauf dieser Umstand zurückzuführen ist. In dem Gutachten vom
13.06.2006 hat die Sachverständige einen Konstruktionsfehler nicht bejaht, sondern
vielmehr ausgeführt, dass nach ihrer Erfahrung davon auszugehen sei, dass eine
Fixierung der Vliese – etwa bei der Reinigung – nicht erfolgt sei und dadurch die Vliese
hätten verrutschen können. Dagegen sei ein Zusammenziehen der Vliese ohne äußere
Krafteinwirkung nicht bekannt. Auch in der mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens im
Termin am 01.06.2007 hat die Sachverständige einen Material- bzw. Konstruktionsfehler
nicht bestätigt, sondern ausgeführt, dass nach ihrer Erfahrung das Verrutschen der
Vliese darauf zurückzuführen sei, dass der Wassersack angehoben worden ist, ohne
zugleich die Vliese innerhalb des Wassersacks beim Anheben festzuhalten.
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Ob das Verrutschen der Vliese durch einen Material- bzw. Konstruktionsfehler, mithin
einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, oder durch ein unsachgemäßes
Anheben verursacht worden ist, lässt sich nicht mehr aufklären, insbesondere kann eine
Prüfung der Wasserbettmatratzen durch Öffnung und Untersuchung der in der Matratze
befindlichen Vliese keine weitergehenden Erkenntnisse mehr vermitteln. Denn die
Wasserbettmatratzen sind nach Mitteilung der Sachverständigen entleert und derart
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"zusammengeknuddelt" worden, dass nunmehr keine schlüssigen Feststellungen auch
im Falle des Öffnens der Matratzen getroffen werden können. Eine Fortsetzung der
Beweisaufnahme ist, nachdem die Sachverständige mit Schreiben vom 07.08.2007
klargestellt hatte, dass eine weitere Untersuchung der streitgegenständlichen Matratzen
aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zustandes nicht mehr sinnvoll sei, hier
nicht geboten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin greift zu ihren Gunsten auch nicht § 476 BGB ein.
Soweit § 476 BGB für den hier gegebenen Verbrauchsgüterkauf die Beweislast zu
Gunsten des Käufers umkehrt, betrifft das nicht die Frage, ob überhaupt ein Sachmangel
vorliegt. Die Vorschrift setzt vielmehr einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang
aufgetretenen Sachmangel voraus und enthält eine lediglich in zeitlicher Hinsicht
wirkende Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs
vorlag (vgl. u.a. BGH, Urteil v. 02.06.2004, VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299). Zum
Zeitpunkt der Übergabe der Matratzen waren jedoch unstreitig die Vlieseinlagen noch
nicht verrutscht. Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile in mehreren Entscheidungen
klargestellt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem zwar nach
Gefahrübergang ein "Mangel" aufgetreten ist, der zum Zeitpunkt der Übergabe jedoch
noch nicht gegeben war, der Käufer darzulegen und zu beweisen hat, dass Ursache des
Mangels ein Schaden i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB ist.
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Im sog. Zahnriemenfall (BGH, Urteil v. 02.06.2004, VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299) lag
ein durch einen (zu lockeren) Zahnriemen verursachter Motorschaden am Fahrzeug vor,
der entweder auf einen Materialfehler oder aber auf einen Fahrfehler des Käufers
zurückzuführen war. In diesem Fall hat der BGH ausgeführt, dass § 476 BGB insoweit
keine Beweislastumkehr enthalte, sondern vielmehr hier vom Käufer darzulegen und zu
beweisen ist, dass der zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht vorhandene
Motorschaden auf einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB zurückzuführen ist. Im
sog. Turboladerfall (BGH, Urteil v. 23.11.2005, VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434) hat der
BGH die vorgenannte Entscheidung bestätigt: Den Defekt am Turbolader, der dazu
führte, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war und abgeschleppt werden musste,
hat der BGH zwar als eine nachteilige Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit
angesehen. Diese Abweichung lag bei Übergabe des Fahrzeugs am 21.01.2003 jedoch
noch nicht vor. Eine Sachmängelhaftung des Verkäufers kam daher nach den
Ausführungen des BGH auch in diesem Fall nur in Betracht, wenn der Turboladerdefekt
seinerseits auf eine Ursache zurückzuführen war, die eine vertragswidrige
Beschaffenheit des Fahrzeugs darstellte und die bei Gefahrübergang bereits vorhanden
war. In dem Fall kamen jedoch zwei Schadensursachen in Betracht: Zum einen konnte
ein schlagartiger Defekt eines Dichtungsrings innerhalb des Turboladers eingetreten
sein; zum anderen bestand die Möglichkeit, dass sich Teile einer unfachmännisch
eingebauten Papierdichtung am Ansaugkrümmer des Motors gelöst hätten und über den
Ölkreislauf in den Turbolader gelangt sein könnten. Der schlagartige Defekt eines
Dichtungsrings im Turbolader musste jedoch nicht notwendigerweise auf einem
Sachmangel, sondern konnte auch auf normalen Verschleiß beruhen. Vor diesem
Hintergrund hat der BGH in dem Fall die Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB verneint.
Zuletzt hat der BGH im sog. Zylinderkopffall (BGH, Urteil v. 18.07.2007, VIII ZR 259/06,
NJW 2007, 2621) seine Rechtsauffassung noch einmal dahingehend erläutert, dass in
den beiden vorgenannten Fällen die Vermutung des § 476 BGB deshalb nicht
eingegriffen habe, da in tatsächlicher Hinsicht nicht habe geklärt werden können, ob der
nach Übergabe aufgetretene Mangel auf einen Sachmangel oder im Zahnriemenfall auf
einen Fahrfehler bzw. im Turboladerfall auf normalen Verschleiß zurückzuführen war.
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Ein solcher Fall, in dem gerade nicht geklärt werden kann, ob der nach Übergabe der
Wassermatratzen eingetretene Schaden auf einen Sachmangel oder auf eine andere,
nicht unter § 434 BGB fallende Ursache zurückzuführen ist, ist hier gegeben. Vorliegend
steht nicht fest, dass bereits bei Übergabe der Matratzen ein Sachmangel vorgelegen
hat; vielmehr ist die Ursache dafür, dass die Vlieseinlagen nach Übergabe der
Matratzen bzw. nach dem Austausch des Wasserkerns verrutscht sind, zwischen den
Parteien streitig. Nur wenn von der Klägerin bewiesen worden wäre, dass die Ursache
für das Verrutschen der Vliese auf einen Sachmangel zurückzuführen war, käme ihr die
Beweislastumkehr des § 476 BGB zu Gute. Einen solchen Beweis hat die Klägerin –
wie oben ausgeführt – jedoch nicht erbracht.
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Auch der weitere Vortrag der Klägerin in der Berufungserwiderung vom 07.11.2006 und
dem Schriftsatz vom 20.08.2007 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Klägerin, der
zum Zeitpunkt des Kaufs der Matratzen ein Garantieschein mit Hinweisen zum Aufbau,
zur Handhabung sowie zum Entleeren der Wasserbettmatratzen überreicht worden ist
(Anlage 2 zur Berufungsbegründungsschrift vom 27.10.2006), hat weder substantiiert
dargetan, dass die Montageanleitung gemäß § 434 Abs. 2 S. 2 BGB mangelhaft war,
noch sonst Umstände vorgetragen, die zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würden.
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Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage hat daher keinen Erfolg.
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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