Urteil des LG Krefeld vom 31.01.2006

LG Krefeld: firma, internationale zuständigkeit, anleger, verbraucher, gefahr, auflage, schiedsvereinbarung, broschüre, form, vermittlungsvertrag

Landgericht Krefeld, 5 O 502/04
Datum:
31.01.2006
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 502/04
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I - 17 U 40/06
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) € 37.967,15 nebst 4 %
Zinsen
aus € 5.934,72 vom 30.11.1999 bis 16.12.1999,
aus € 15.723,29 vom 17.12.1999 bis 10.01.2000,
aus € 25.478,25 vom 11.01.2000 bis 08.03.2000 und
aus € 37.967,15 seit dem 09.03.2000
zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) einen Betrag von €
680,11 zu zahlen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) € 5.112,91 nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus seit dem 12.01.2000 zu zahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) einen Betrag von €
254,85 zu zahlen.
5.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 3) € 21.365,03 nebst 4 %
Zinsen
aus € 6.006,75 vom 22.12.1999 bis 22.02.2000,
aus € 12.064,53 vom 23.02.2000 bis 09.03.2000,
aus € 17.307,87 vom 10.03.2000 bis 19.04.2000,
aus € 22.641,57 vom 20.04.2000 bis 20.09.2001 und
aus € 21.365,03 seit dem 21.09.2001 zu zahlen.
6.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 3) einen Betrag von €
487,08 zu zahlen.
7.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz von Verlusten in Anspruch, die er in
Zusammenhang mit Börsentermingeschäften erlitten hat.
2
Die Beklagte ist ein amerikanisches Brokerhaus ohne eigenen Firmensitz in
Deutschland. Sie führte für den Kläger Börsentermingeschäfte aus. Die Firma X GmbH
stellte den Kontakt zwischen den Parteien her. In diesem Zusammenhang wurde ein
Konto des Klägers bei der Beklagten eröffnet, wobei zwischen den Parteien streitig ist,
ob die Eröffnung des Kontos auf Vermittlung durch die X GmbH vom Kläger selbst oder
von der Firma X GmbH für den Kläger erfolgte. Als von dem Kläger beauftragter Anlage-
und Abschlußvermittler reichte die X GmbH in der Folge dessen Aufträge zur
Ausführung an die Beklagte weiter, wobei die einzelnen Aufträge seitens der X GmbH
ausdrücklich im Namen des Klägers erteilt wurden.
3
Zwischen der Firma X und der Beklagten bestand eine Rahmenvereinbarung nach der
die Firma X GmbH der Beklagten Kunden zwecks Eröffnung eines Aktienkontos
vermittelt. Die einzelnen Kundenkonten sollten mit einer Kommission von US-Dollar 45
belastet werden, wozu sämtliche anderen Abgaben, (Fees, ticket-charge, postage etc.),
welche dem Kunden ebenfalls direkt belastet werden, hinzukommen sollten. Von den 45
US-Dollar sollten 35 Dollar an die X GmbH zurückvergütet werden. In diesem
Zusammenhang wird wegen der weiteren Einzelheiten auf ein Schreiben der Y
4
INTERNATIONAL AG vom 18.03.1998 (Blatt 141 der Akten) Bezug genommen.
Ausweislich der Buchungsbescheinigungen (Anlagen K 5 ff. zum Schriftsatz der
Klägerseite vom 06.07.2005) zahlte der Kläger am 11.05.2000 einen Betrag von 6.000
US-Dollar, am 23.06.2000 einen Betrag von 15.000 US-Dollar und am 15.09.2000 einen
weiteren Betrag von 13.000 US-Dollar ein. Mit Scheck vom 23.10.2001 erhielt der
Kläger von der Beklagten einen Betrag in Höhe von 665,23 Euro seinem damaligen
Kontoguthaben in Höhe von 599,77 US-Dollar entsprechend zurück.
5
Der Kläger hatte von der Firma X GmbH jedenfalls die Broschüre "Putting the investor
first" Stand Februar 1998 erhalten. Wegen des näheren Inhaltes dieser Broschüre wird
auf die Anlage K 9 vom Schriftsatz der Klägerseite vom 01.08.2005 Bezug genommen.
6
Von der Beklagten erhielt er das in englischer Sprache verfaßte Schriftstück "Cash &
Margin Agreement", das in den Ziffern 28 und 29 eine Schiedsvereinbarungsregelung
und in Ziffer 20 eine Regelung hinsichtlich der Vereinbarung des Rechtes des US-
Staates New York enthält. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung wird
auf ihre zu den Gerichtsakten gereichte Kopie (Anlage B 1 zum Schriftsatz der
Beklagtenseite vom 21.06.2005) Bezug genommen. Darüber hinaus erhielt der Kläger
jedenfalls Kontoeröffnungsunterlagen bestehend aus der Account Application und der
Account Agreement Signature Page. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die zu
den Gerichtsakten gereichten Kopien (Blatt 104 ff. der Akten) Bezug genommen.
7
Der Kläger behauptet, jeder einzelne Auftrag, den er erhalten habe, sei bereits bis auf
seine Unterschrift ausgefüllt gewesen; welche Optionsgeschäft für ihn,den Kläger bei
der Beklagten getätigt hätte werden sollen, sei in dem jeweiligen Auftrag bereits
angegeben gewesen, ebenso, ob der Kaufpreis durch eine Einzahlung des Klägers zu
Lasten dessen Kontoguthaben bezahlt werden solle; die einzelnen Aufträge seien ihm
von der Firma X GmbH lediglich zur Unterschrift durchgefaxt worden; die Firma X habe
ihm, dem Kläger, beim Erwerb der einzelnen Optionsgeschäfte auch nicht beraten; die
Beklagte hafte gemäß § 826 BGB wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken
von Optionsgeschäften aber auch wegen Verschleierung einer zwischen ihr und der
Firma X GmbH getroffenen kick-back-Vereinbarung. Kenntnis von seinem Schaden und
der Person des Ersatzpflichtigen habe er erst in dem Moment erlangt, indem er seine
jetzigen Prozeßbevollmächtigten beauftragt habe, das Mandat gegen die Beklagte zu
übernehmen; dies sei am 13.10.2003 geschehen. Insoweit hat er die Kopie einer auf
diesen Zeitpunkt datierenden Vollmacht als Anlage K 8 zum Schriftsatz vom 06.07.2005
zu den Gerichtsakten gereicht.
8
Der Kläger beantragt,
9
1.
10
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) € 37.967,15 nebst 4 %
Zinsen
11
aus € 5.934,72 vom 30.11.1999 bis 16.12.1999,
12
aus € 15.723,29 vom 17.12.1999 bis 10.01.2000,
13
aus € 25.478,25 vom 11.01.2000 bis 08.03.2000 und
14
aus € 37.967,15 seit dem 09.03.2000
15
zu zahlen.
16
2.
17
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) einen Betrag von €
680,11 zu zahlen.
18
3.
19
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) € 5.112,91 nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus seit dem 12.01.2000 zu zahlen.
20
4.
21
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) einen Betrag von €
254,85 zu zahlen.
22
5.
23
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 3) € 21.365,03 nebst 4 %
Zinsen
24
aus € 6.006,75 vom 22.12.1999 bis 22.02.2000,
25
aus € 12.064,53 vom 23.02.2000 bis 09.03.2000,
26
aus € 17.307,87 vom 10.03.2000 bis 19.04.2000,
27
aus € 22.641,57 vom 20.04.2000 bis 20.09.2001 und
28
aus € 21.365,03 seit dem 21.09.2001 zu zahlen.
29
6.
30
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 3) einen Betrag von €
487,08 zu zahlen.
31
7.
32
Die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
33
Die Beklagte beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Sie rügt die Zuständigkeit des Landgerichts Krefeld und erhebt die Einrede des
Schiedsvertrages.
36
Sie trägt vor, der Kläger habe auch das Merkblatt wichtige Information über
Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften (Blatt 111 ff. der Akten) und eine Bestätigung
über Ausschluß der Beratung (Blatt 119 der Akten) erhalten und unterschrieben; auch
von der Firma X GmbH habe er weitere Vertragsunterlagen erhalten, so einen
Vermittlungsvertrag, eine Kundenvereinbarung, eine Schrift "Risiken von
Termingeschäften" im Überblick, eine Information gemäß § 23 a Abs. 1 Satz 3
Kreditwesengesetz sowie eine Handlungsvollmacht; für den Kläger sei es offensichtlich
gewesen, daß die Zahlungen an die Firma X GmbH über die Beklagte erfolgten;
entsprechendes ergebe sich im übrigen auch aus den Seiten 15 ff. der
Informationsschrift "Putting the investor first"; zudem sei der Kläger auch durch die
Kundenvereinbarung der X GmbH über die Form ihrer Vergütung informiert; vor allem
sei die Art und Weise der Vergütung auch in dem vom Kläger und der X
abgeschlossenen Vermittlungsvertrag ausdrücklich geregelt gewesen; für ein kollusives
Zusammenwirken der Beklagten mit der X GmbH bestünden daher nicht die geringsten
Anhaltspunkte. Im übrigen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und trägt
hierzu vor, es müsse davon ausgegangen werden, daß der Kläger bereits seit langem
mit der Verfolgung seiner vermeintlichen Ansprüche gegen sie, die Beklagte, befaßt sei;
er sei jedenfalls bereits im Vorfeld seines Vorgehens gegen den Zeugen Y anwaltlich
beraten gewesen und habe diesem angeboten, sich zu vergleichen, um im Anschluß
gegen sie, die Beklagte, vorzugehen. Bereits vor dem Jahre 2001 sei der Kläger zudem
von Herrn Z auf das Bestehen vermeintlicher Ansprüche gegen sie, die Beklagte,
hingewiesen worden; Herr Z kooperiere seit Jahren mit der Kanzlei der
Prozeßbevollmächtigten des Klägers und habe seinerzeit sämtliche ehemaligen
Kunden der X GmbH kontaktiert.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten und zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
38
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39
Die Klage hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg.
40
I.
41
Die Klage ist zulässig.
42
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz seines geltend
gemachten Schadens in Höhe von 36.984,01 Euro gemäß den §§ 826, 830 Abs. 2 BGB.
43
1.
44
Die erhobene Klage ist zulässig.
45
a)
46
Die internationale Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO. Nach Rechtsprechung des BGH
(BGH, NJW 1999, 1395) sind die deutschen Gerichtsstandsvorschriften grundsätzlich
doppelfunktional. Sie verteilen nicht nur die Rechtsprechungsaufgaben nach örtlichen
Gesichtspunkten, sondern legen auch den Umfang der deutschen internationalen
Zuständigkeit fest. Die Voraussetzungen von § 32 ZPO, der nach Auffassung des BGH
47
allerdings keine internationale Zuständigkeit Deutschlands für vertragliche Ansprüche
begründet (BGH, NJW 1974, 410; BGH, NJW 1996, 1411) liegen vor. Der Kläger macht
nämlich gegen die Beklagte deliktsrechtliche Ansprüche gemäß §§ 826, 830 BGB
geltend, wobei er - wie dies bereits für eine Bejahung von § 32 ZPO ausreichend
gewesen wäre - nicht nur schlüssige Tatsachen behauptet, aus denen sich das
Vorliegen einer im Gerichtsstand begangenen unerlaubten Handlung ergibt (vgl. zu
diesem Erfordernis BGH, NJW, 1984, 1413). Vielmehr ist die aus §§ 826, 830 Abs. 2
BGB gestützte Klage, wie im folgenden darzulegen sein wird, sogar begründet. Die hier
in Rede stehenden unerlaubten Handlungen sind auch im Sinne von § 32 ZPO in
Deutschland begangen, da in diesem Land der bereits durch die Überweisungen des
Klägers an die Beklagte entstandene Schaden eingetreten ist (vgl. Geimer,
Internationales Zivilprozeßrecht, 4. Auflage, 2001, Randnummer 1524).
b)
48
Der gegen die Beklagte gerichteten Klage steht auch nicht die Einrede des
Schiedsvertrages entgegen. Der Kläger und die Beklagte haben keine wirksame
Schiedsvereinbarung geschlossen. Die Schiedsvereinbarung ist nämlich bereits wegen
Formmangels nach § 1031 V ZPO unwirksam. Nach dieser Vorschrift darf eine Urkunde,
die eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher enthält andere Vereinbarungen
als solche, die sich auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen, nicht enthalten.
Hieran fehlt es vorliegend.
49
§ 1031 V ZPO ist auch anwendbar. Der Kläger ist Verbraucher i.S.v. § 13 BGB. Die
Schiedsvereinbarung ist nach deutschem Recht zu beurteilen. Zwar ist in Ziffer 20 des
Cash & Margin Agreement (Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom
21.06.2005) vorgesehen, daß das Recht des US-Staates New York anwendbar ist.
Diese Rechtswahlklausel ist jedoch unwirksam. Nach Rechtsprechung des OLG
Düsseldorf (WM, 1994, 376; 1995, 1349; 1996, 1489), der sich das Gericht anschließt,
ist die Vereinbarung der Anwendung englischen Rechts mit einem vorformulierten
Vertrag zwischen einem englischen Broker und einem deutschen Anlageinteressenten,
den ein deutscher Vermittler in Deutschland zur Durchführung von
Börsentermingeschäften erworben hat unwirksam. Dies muß aber für den vorliegenden
Fall, in dem es um einen amerikanischen Broker geht, der wie hier im Rahmen eines
Cash & Margin Agreement das Recht des US-Staates New York zur Anwendung
bringen möchte genauso gelten. Hintergrund für die Rechtsprechung des OLG
Düsseldorf ist nämlich, daß ein solcher vorformulierter Vertrag gemäß Artikel 29 EGBGB
in Verbindung mit § 3 EGBGB a.F. unwirksam ist. Nach diesen Vorschriften darf bei
Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, die weder beruflichen noch
gewerblichen Zwecken dienen, eine Rechtswahl nämlich nicht dazu führen, daß dem
Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts seines
Heimatstaates gewährte Schutz entzogen wird (OLG Düsseldorf, WM 1996, 1492). Zu
diesen zwingenden Bestimmungen gehört aber auch § 3 EGBGB, wonach
ungewöhnliche, nach dem Erscheinungsbild des Vertrages von dem Verbraucher nicht
zu erwartende Bestimmungen in vorformulierten Verträgen nicht Vertragsbestandteil
werden. Eine das Recht des US-Staates New York für anwendbar erklärende Klausel in
einem Vertrag über die Durchführung von Börsentermingeschäften ist aber eine derart
überraschende Bestimmung, da wie die Beklagtenseite selber ausführt, nach dem Recht
des Staates New York keine Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber dem Kläger
vorliegt. Deshalb bietet das Recht des Staates New York für den in
Börsentermingeschäften spekulierenden privaten Anleger im Gegensatz zum deutschen
50
Recht mit seinen Grundsätzen hinsichtlich einer Haftung wegen unzureichender
Aufklärung über die Risiken von Börsentermingeschäften praktisch keinen Schutz.
Darauf, daß das Cash & Margin Agreement in englischer Sprache verfaßt wird kann es
dabei nicht ankommen, da unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage
inwieweit der Kläger die englische Sprache beherrscht die vorgenannte
Rechtsprechung an die Frage der Schutzmöglichkeit privater Anleger auf der Grundlage
verschiedener Rechtsordnungen anknüpft. Gemessen an diesem Prüfungsmaßstab läßt
sich aber aus dem Umstand, daß der Text der Cash & Margin Agreement in englisch
verfaßt ist nichts gegen die Annahme einer überraschenden Klausel herleiten.
Der vorstehenden Betrachtung steht auch nicht die Vorschrift des Artikel 29 Abs. 4 Nr. 2
EGBGB entgegen, wonach Artikel 29 EGBGB für Verträge über die Erbringung von
Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen
ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der
Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nicht anwendbar ist. Das Gericht hält
es bereits für zweifelhaft, ob Artikel 29 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB für Börsentermingeschäfte
überhaupt gilt. Immerhin ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, daß insoweit nur
an Hotelunterbringung und an Sprachkurse im Ausland gedacht war (vgl. BGHZ 123,
388). Deshalb spricht mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte viel dafür die
Vorschrift einschränkend in dem Sinne auszulegen, daß Finanzdienstleistungen, wie
sie vorstehend von der Beklagten erbracht worden sind, nicht von Artikel 29 Abs. 4
erfaßt werden (Staudinger-Reinhart, 13. Auflage, Artikel 29, Randnummer 112). Letztlich
bedarf diese Frage vorliegend aber keiner Entscheidung, da die Voraussetzungen von
Artikel 29 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EGBGB, selbst wenn man ihn für anwendbar halten würde,
nicht vorliegen. An ein Durchgreifen dieser Vorschrift sind nämlich strenge
Anforderungen zu stellen, die sich an dem "ausschließlich" im Wortlaut der Norm fest
machen: Bereits das kleinste Dienstleistungselement, das sich im Aufenthaltsstaat des
Verbrauchers verwirklicht, schließt eine Anwendung dieser Vorschrift aus (Mankowski,
Anwaltsblatt, 2001, Seite 252; Soergel/van Hoffmann, Artikel 29 EGBGB, Randnummer
27). Es darf während des Erfüllungsstadiums überhaupt keine Berührung zum
Aufenthaltsstaat des Verbrauchers vorliegen (Mankowski, Anwaltsblatt, 2001, Seite 252;
Soergel/van Hoffmann, Artikel 29 EGBGB, Randnummer 27). Derartige Berührungen
fanden vorliegend aber gerade statt. Schon die Einzelanweisungen des Klägers an den
Beklagten, bestimmte Geschäfte durchzuführen stellten nämlich nichts anderes dar als
eine grenzüberschreitende Koordination des Artikel 29 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EGBGB
ausschließt (vgl. Markowski, a.a.O.). Schließlich ergibt sich die fehlende Anwendbarkeit
von Artikel 29 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EGBGB aber auch aus dem Umstand, daß diese
Vorschrift nur Verträge erfaßt bei der Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen
Staat erbracht werden müssen, als demjenigen, in dem der Verbraucher seinen
gewohnten Aufenthalt hat. Im Hinblick auf die zwischen der Beklagten und der Firma X
GmbH getroffenen Rückvergütungsvereinbarung bestand aber seitens der Beklagten
gegenüber dem Kläger eine eigenständige Auskunftspflicht unabhängig von den die
Firma X GmbH treffenden Offenlegungsverpflichtungen (vgl. BGHZ 146, 239; Barta,
BKR, 2004, Seite 438; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht 2002, Randnummer
8.51). Darüber hinaus besteht im Hinblick der auch bei Offenlegung der
Rückvergütungsvereinbarung geschaffenen Gefährdung für die Interessen des Anlegers
eine Verpflichtung Vorsorge gegen den Mißbrauch dieser Vertragskonstruktion durch
den Vermögensverwalter zu treffen und in diesem Zusammenhang den Anleger
gegebenenfalls zu warnen(vgl. BGH, WM 2004, 1771). Dabei ändert sich an dieser
Betrachtung auch nichts, wenn man das Beklagtenvorbringen als wahr unterstellt,
wonach der Kläger am 02.05.2000 eine mit "Bestätigung über Ausschluß der Beratung"
51
überschriebene Erklärung unterschrieben hat (Blatt 119 der Akten), geht es doch bei
den oben beschriebenen Verpflichtungen nicht um Beratungsleistungen, sondern um
Informationen über die Preisgestaltung und hiermit verbundene Warnpflichten, die
unabhängig von einer Beratungspflicht bestehen (Lenenbach, Kapitalmarkt- und
Börsenrecht, 2002, Randnummer 8.12; Barta, BKR, 2000, Seite 438). Bestanden aber
gegenüber dem Kläger die oben beschriebenen Hinweis- und Warnpflichten, waren
diese durch etwaige Hinweise an den Kläger in dessen Aufenthaltsstaat, also in der
Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen. Dann musste die Beklagte ihre
Dienstleistungen aber gerade nicht nur in den USA, sondern auch in der
Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Kläger erbringen, so daß für eine
Anwendbarkeit von Artikel 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB kein Raum ist.
2.
52
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen
Schadensersatzanspruch in Höhe von 36.984,01 Euro.
53
a.) Es kann dahinstehen, ob sich die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gemäß
§ 826 BGB bereits aus dem Umstand ergibt, daß sie ihre, nach dem oben Gesagten
bestehende, Pflicht zur Offenbarung der Rückvergütungsvereinbarung nicht
nachgekommen ist - immerhin hat der BGH bereits entschieden, daß eine vorsätzliche
Verheimlichung einer kick-back-Vereinbarung in Bereicherungsabsicht einen
Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1
StGB auslöst (BGH, MDR, 1990, 715). Dabei erscheint es fraglich, ob es darauf ankäme,
ob man die zwischen der Firma X GmbH und der Beklagten getroffene Vereinbarung als
"Kick back" bezeichnet, ergeben sich doch jedenfalls aus ihr, wie noch zu zeigen sein
wird, beträchtliche Gefahren für den Anleger. Ebenfalls kann offen bleiben, ob sich die
Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gemäß § 826 BGB unter dem
Gesichtspunkt der Verletzung von Überwachungspflichten begründen lässt, wofür
spricht dass eine Verletzung derartiger Pflichten ebenfalls ein eigenständiges
Rechtswidrigkeitsurteil begründet (Barta, BKR, 2000, Seite 439).
54
b.) Jedenfalls ergibt sich die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus § 826 BGB
in Verbindung mit § 830 Abs. 2 BGB.
55
Die Beklagte hat der Firma X GmbH bei deren vorsätzlich sittenwidriger Schädigung
gegenüber dem Kläger nämlich jedenfalls Beihilfe im Sinne von § 830 Abs. 2 BGB
geleistet.
56
(1)
57
Seitens der X GmbH liegt der Tatbestand des § 826 BGB vor.
58
Nach der Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, macht sich derjenige nach §
826 BGB schadensersatzpflichtig, der einen Anleger ohne hinreichende
Risikoaufklärung zu dessen Warentermingeschäften veranlaßt (BGH, MDR 1994, 367;
MDR 1999, 621; OLG Düsseldorf, WM 1996, 1494). Zu einer ausreichenden
Risikoerklärung in diesem Sinne ist es dabei erforderlich, daß über die wesentlichen
Grundlagen sowie die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken des
Optionsgeschäfts aufgeklärt wird (BGH, WM 1991, 128; WM 1994, 150; WM 1994, 454).
59
Zu der notwendigen Aufklärung gehört es unter anderem, daß dem Anleger die Höhe
der Optionsprämie genannt und er ferner darauf hingewiesen wird, daß die Prämie den
Rahmen eines Risikobereiches kennzeichnet, der vom Markt noch als vertretbar
angesehen wird, weil die Option nach Einschätzung der Kursentwicklung durch den
Börsenhandel eine Gewinnchance hat, die den Optionspreis wert ist. In diesem
Zusammenhang muss der Käufer auch darüber aufgeklärt werden, daß jeder Aufschlag
auf die Börsenprämie - wie etwa eine zusätzliche Provision oder Gebühr - die
Gewinnaussichten verschlechtert, weil ein höherer Kursschlag als der vom
Börsenfachhandel für realistisch angesehen und notwendig ist, um überhaupt in die
Gewinnzone zu kommen. Die insoweit erforderliche Darstellung muß zutreffend,
vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her geeignet sein, einem
unbefangenen, mit derartigen Geschäften nicht vertrauten Leser einen realistischen
Eindruck von deren Eigenarten und Risiken zu vermitteln (vgl. BGH, NJW, 1992, 1880).
Wichtige Hinweise, wie etwa solche auf die geschäftsspezifischen Risiken und die
Verschlechterung der Gewinnaussichten durch höhere als die üblichen Gebühren,
dürfen dabei drucktechnisch oder durch ihre Plazierung nicht in den Hintergrund treten
(BGH, NJW, 1992, 1880), sondern müssen schriftlich und in einer für den flüchtigen
Leser auffälligen Form erfolgen, wobei die Hinweise weder durch Beschönigungen,
noch durch Werbeaussagen noch auf andere Weise beeinträchtigt werden dürfen (BGH,
WM, 1994, 454; WM, 1994, 1747). Diesen Anforderungen wird der dem Kläger von der
Firma X GmbH unstreitig zur Verfügung gestellte Prospekt mit dem Titel "Putting the
investor first" in der Fassung von Februar 1998 nicht gerecht. Das Gericht folgt insoweit
der vom OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 05.07.2002, Aktenzeichen 17 U 200/01
vertretenen Auffassung, wonach dieser Prospekt nicht ausreicht. Einerseits fehlt es an
drucktechnisch hervorgehobenen Warnhinweisen mit markantem und einfachem
verständlichen Hinweis. Andererseits werden Warnhinweise durch Werbeaussagen
wieder entkräftet. So lautet das Vorwort: "Wir möchten Ihnen mittels dieser Broschüre
Aufklärung über die Risiken geben und ihnen zeigen, was sie bei ihrem ganz
persönlichen Börsengang erwartet. Wir bieten Ihnen, unter dem Motto "zuerst der
Investor" eine faire und erfolgreiche Partnerschaft an".
60
Bereits durch dieses Vorwort wird aber der Eindruck erweckt, die mit den
Optionsgeschäften verbundenen Risiken seien durch Anleger bzw. die X GmbH
aufgrund ihrer Seriösität und Erfahrungen im Anlagegeschäft beherrschbar, was zu
einer Verschleierung der tatsächlich vorhandenen Risiken führt. Aber auch in der unter
6.3. "Selbsterkenntnis" im Prospekt gewählten Formulierung, die Spekulation sei ein
Spiel, dieses Spiel habe in der wirklichen Welt der Wirtschaft einen hohen
Unterhaltungswert und Reiz, es sei auch lehrreich, verharmlost die Risiken angesichts
der tatsächlichen Chancen und Risikoverteilung der von der Firma X GmbH
angebotenen Anlagegeschäfte, ist es doch tatsächlich so, daß das Verlustrisiko
exorbitant hoch, ein Verlust daher kaum vermeidbar und eine Gewinnerzielung nahezu
ausgeschlossen ist. Nach alledem haftet die Firma X GmbH daher wegen
unzureichender Risikoaufklärung dem Kläger auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB.
Zu ersetzen sind dabei die vom Kläger an die Beklagte getätigten Zahlungen. Soweit
die Beklagte die vom Kläger insoweit in Ansatz gebrachten Umrechnungskurse von US-
Dollar in Euro bestreitet, bedurfte es für deren Richtigkeit keines Beweises, da es sich
insoweit um offenkundige Tatsachen gemäß § 291 ZPO handelt. Die
Umrechnungskurse zu den jeweiligen Tagen der Überweisungen lassen sich nämlich
ohne weiteres der Internetseite des Bankenverbandes "www. Bankenverband.de".
entnehmen. Dann handelt es sich aber um Tatsachen, die aus allgemein zugänglichen,
zuverlässigen Quellen wahrnehmbar, also offenkundig sind. Das Gericht konnte die sich
61
aus der Internetseite ergebenden Umrechnungsdaten auch ohne richterlichen Hinweis
der Entscheidung zugrunde legen. Bei offenkundigen Tatsachen ist ein Hinweis nämlich
dann entbehrlich, wenn es sich um Umstände handelt, die allen Beteiligten ohne
weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen
(BGHZ 31, 45). So liegt der Fall im Hinblick auf die bestrittenen Umrechnungskurse aber
hier.
Soweit die Beklagte vorträgt, es seien höhere Kompensationszahlungen erfolgt, als vom
Kläger vorgetragen, fehlt es an einem Beweisangebot, was zu Lasten der insoweit
beweisbelasteten – letztlich geht es um die Erfüllung eines bereits entstandenen
Schadensersatzanspruches- Beklagten geht.
62
Die zwischen dem schädigenden Verhalten der Firma X GmbH und der Einzahlung der
Beträge, also dem entstandenen Schaden erforderlichen Kausalität wird im Falle einer
hier in Rede stehenden Aufklärungspflichtverletzung vermutet (BGHZ 61, 118, 121;
BGH, NJW-RR, 1998, 1271). Diese Kausalitätsvermutung hat die Beklagte im
vorliegenden Fall nicht widerlegt.
63
(2)
64
Die Beklagte haftet gemäß § 830 Abs. 2 BGB wegen ihrer Beteiligung an der vorsätzlich
sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch die Firma X GmbH, in dem letztere den
Kläger durch nicht ausreichende Aufklärung zur Auszahlung der entsprechenden
Beträge an die Beklagte veranlaßte.
65
Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne des §
830 Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die
Teilnahme verlangt demgemäß neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in
groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich
mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. Objektiv muß eine
Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren
Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muß ein
Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in das fremde
Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die
Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGH, NJW, 1998, 377; NJW,
2004, 3425). Da in Fällen der vorliegenden Art sich nur ausnahmsweise eine
ausdrückliche Verabredung der Beteiligten zur Vornahme der sittenwidrigen Handlung
ohne eine ausdrückliche Zusage eines Beteiligten zur Hilfeleistung feststellen lassen,
ist es entscheidend, ob sich aus den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls
ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten
ergeben (BGH, NJW, 2004, Seite 3425). Vorliegend ergibt sich aufgrund dieser
Umstände zur Überzeugung des Gerichtes (§ 286 BGB), daß sowohl die objektiven als
auch die subjektiven Merkmale einer nach § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB
haftungsrechtlich relevanten Teilnahmehandlung vorliegen.
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Die objektiven Merkmale liegen vor. Die insoweit erforderliche Förderung der Tat ergibt
sich bereits aus dem Umstand, daß durch nicht ausreichenden Informationen bedingt
die Zahlungen des Klägers an die Beklagte erfolgten, also ohne Mitwirkung der
Beklagten als Broker die von der Firma X GmbH beabsichtigte Vorgehensweise, die
gem. Ziffer 9 des Prospektes "Putting the investor first" die Beteiligung eines Brokers mit
einschloß überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Es kommt hinzu, daß infolge der
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zwischen der Firma X GmbH und der Beklagten vereinbarten Rückvergütungsabrede
die aufgrund des sittenwidrigen Vorgehens, nämlich der nicht ausreichenden
Risikoaufklärung, erzielten Provisionen der Firma X GmbH zufielen. Der
Gesamtvorgang war also durch die Mitwirkung der Beklagten mitgeprägt.
Auch das Vorliegen der subjektiven Merkmale für die Teilnahmehandlung der Beklagten
ist zu bejahen.
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Das Gericht ist davon überzeugt, daß der Beklagten die mit der
Rückvergütungsvereinbarung verbundene Gefahr, daß die Firma X unter außer
Achtlassung der Anliegerinteressen im eigenen Provisionsinteresse möglichst häufig
Provisionen wechselte, bekannt war. Die Beklagte macht insoweit selbst nicht geltend,
dieser Gefahr in irgendeiner Weise durch geeignete Schutzmaßnahmen
entgegengewirkt zu haben und dies, obwohl bereits das Bestehen dieser Vereinbarung
für die Beklagte die Verpflichtung begründete, Vorsorge gegen den Mißbrauch dieser
Vertragskonstruktion durch die Firma X zu treffen, insbesondere die Seriosität der Firma
X zu überprüfen (vgl. BGH, NJW, 2004, Seite 3427). Dabei wäre eine solche
Überprüfung schon aufgrund der zwischen der Beklagten und der Firma X GmbH
getroffenen Rückvergütungsvereinbarung, angesichts des Umstandes, daß sie eine vom
Anleger kaum zu kontrollierende Möglichkeit des churning., also der Möglichkeit für die
Firma X ohne Rücksicht auf die Anlage- und Investmentziele des Anlegers durch eine
übermäßige Anzahl von Transaktionen Provisionen zu erzielen beinhaltete, geboten.
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Dabei ergab sich diese für die Beklagte ohne weiteres erkennbare Gefahr auch wenn
die Beklagte insoweit nur Zahlstelle war, wie dies die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom
24.10.2005 vorträgt. Der Umstand, dass gem. der Rückvergütungsvereinbarung ein
Betrag an die Beklagte gezahlt wird und diese dann die Provisionen an die Firma X
GmbH zurückzahlt birgt nämlich die nahliegende Gefahr mit sich, dass dem Anleger die
Höhe der Provisionen bei Auftragserteilung und damit auch deren Auswirkung auf die
Gewinnaussicht genauso wenig bewusst wird, wie das -auf Grund der Provisionshöhe-
anlegerwidrige Interesse der Firma X GmbH an möglichst vielen Transaktionen.
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Insoweit wird dem Anleger durch die Rückvergütungsvereinbarung( Bl. 141 d.A.) daher
verschleiert, dass von gezahlten 45 US-Dollar, 35 US-Dollar als Provisionen
rückvergütet werden.
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Schon wegen dieser Umstände hätte sich der Beklagten aber hinsichtlich der Seriosität
der Firma X GmbH die Frage aufdrängen müssen, ob der Kläger von der Firma X in
ausreichender Weise aufgeklärt worden ist. Erscheint es doch angesichts des
Umstandes, daß das Verlustrisiko so exorbitant hoch ist, daß ein Verlust kaum
vermeidbar und eine Gewinnerzielung nahezu ausgeschlossen ist kaum verständlich,
daß jemand der hierüber eindeutig und unmißverständlich ohne jegliche
Verharmlosungen und Beschönigungen aufgeklärt worden ist, überhaupt entsprechende
Anlagen tätigt. Ein Brokerhaus, wie die Beklagte, das unter den gegebenen Umständen
die naheliegende Gefahr der praktizierten Rückvergütungsvereinbarung für den Anleger
kennt und sie gleichwohl ohne jedwede Schutzmaßnahme praktiziert, nicht einmal die
Seriosität des Beratungsunternehmens überprüft, leistet aber zumindest bedingt
vorsätzliche Hilfe zu dem sittenwidrigen Handeln des Beraters (vgl. auch BGH, NJW
2004, Seite 3425). Ob die Hilfeleistung der eigentliche oder einzige Beweggrund des
Brokers ist, ist dabei für die Haftung unerheblich (BGHZ 70, 277, 286).
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Diese Betrachtungsweise wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die
Rückvergütungsvereinbarung durch die Firma XGmbH offengelegt war und wie die
Beklagtenseite vorträgt, derartige Provisionsabreden absolut üblich sein mögen. Die
Gefahr, daß die vorliegend getroffene Vereinbarung dem Berater die vom Anleger nicht
zu kontrollierende Möglichkeit eines churning bot, bestand nämlich gleichwohl. Gleiches
gilt angesichts des Vorgesagten hinsichtlich der nicht ausreichenden Risikoabklärung,
die auch für die Beklagte auf der Hand liegen mußte.
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(3)
74
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Eine Verjährung ergibt sich nicht aus § 37 a
WpHG, da diese Norm nur deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche wegen
fahrlässiger Fehlberatung erfaßt. Vorliegend stehen jedoch Ansprüche wegen
Vorsatzes der Beklagten in Rede.
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Der Anspruch ist auch nicht nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften verjährt.
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Gemäß Artikel 229 § 6 EGBGB Abs. 2 richtet sich die Verjährung nach § 852 BGB a. F.
da es sich deswegen um eine gegenüber §§ 195, 199 BGB n. F. kürzere Verjährung
handelt, weil nach § 199 Abs. 1 BGB n. F. die Verjährungsfrist erst mit dem Schluß des
sich aus dieser Vorschrift ergebenden maßgeblichen Jahres beginnt. Eine Verjährung
gemäß § 852 BGB liegt jedoch nicht vor. Die insoweit beweisbelastete Beklagte (vgl.
Palandt-Heinrichs, 62. Auflage, 2002, § 199 Randnummer 46) hat nicht bewiesen, daß
der Kläger vor dem 13.10.2003 Kenntnis von seinem Schaden und der Person der
Beklagten als Ersatzpflichtigen erlangt hat. Zwar verlangt § 852 Abs. 1 BGB nicht die
Kenntnis des Schadenshergangs in allen Einzelheiten, es reicht für den
Verjährungsbeginn im allgemeinen eine solche Kenntnis aus, die es dem Geschädigten
erlaubt, eine hinreichend und aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose und ihm daher
zumutbare Feststellungsklage zu erheben (BGH, NJW 1988, 1446; NJW 1994, 3093).
Erforderlich ist jedoch, daß der Geschädigte aufgrund seines Kenntnisstandes in der
Lage ist, eine auf einer deliktischen Anspruchsgrundlage gestützte
Schadensersatzklage schlüssig zu begründen (BGH, NJW, 1994, 3093). Dabei ist zu
berücksichtigen, daß die wirtschaftlichen Abläufe und Zusammenhänge, die bei
Warenterminoptionsgeschäften zu Verlusten führen für den Nichteingeweihten in der
Regel nicht durchschaubar sind (BGH, NJW, 1994, 3093). Dann kann aber offenbleiben,
ob gemäß dem Beklagtenvorbringen der "Sachverständige" Öfele und der Zeuge
Spitzle den Kläger auf das Bestehen vermeintlicher Ansprüche gegen die Beklagte
bereits vor dem Jahre 2001 hingewiesen haben. Angesichts der Komplexheit der
wirtschaftlichen Abläufe und Zusammenhänge bei Warentermingeschäften könnte eine
Kenntnis des Klägers nämlich frühestens bejaht werden, wenn durch diese beiden
Personen die Sachverhaltselemente klar herausgestellt worden wären, aus denen sich
die Tatumstände für die objektive und subjektive Seite der Haftung der Beklagten ergibt
(vgl. BGH, NJW 1994, 3093). Hierfür läßt sich dem Vorbringen der insoweit darlegungs-
und beweisbelasteten Beklagten jedoch nichts entnehmen. Auch eine Zurechnung der
Kenntnis der maßgeblichen Umstände durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten des
Klägers kommt vorliegend vor dem zugestandenen Zeitpunkt, nämlich dem 13.10.2003
nicht in Betracht. Erst ab diesem Zeitpunkt lag nach dem Klägervortrag nämlich eine
Beauftragung vor. Einer Partei kann das Wissen seines Prozeßbevollmächtigten aber
erst ab dem Zeitpunkt von dessen Beauftragung zugerechnet werden (LG Frankfurt, WM
1993, 331). Soweit die Beklagtenseite vorträgt der Kläger sei jedenfalls bereits im
Vorfeld seines Vorgehens gegen den Zeugen Scharnbeck anwaltlich beraten und habe
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diesem entsprechend der üblichen und der Beklagten mittlerweile bekannten
Vorgehensweise seiner Prozeßbevollmächtigten angeboten, sich zu vergleichen, um im
Anschluß gegen die Beklagte vorzugehen, läßt sich diesem Vorbringen schon nicht
entnehmen, wann Herrn Scharnbeck das Angebot genau unterbreitet worden ist. Es ist
nicht einmal ersichtlich, ob das Angebot von dem Kläger selbst oder seinem
Prozeßbevollmächtigten abgegeben worden sein soll. Im übrigen könnte eine
Zurechnung gemäß § 852 Abs. 1 BGB nach dem oben Gesagten auch nur dann
erfolgen, wenn der Kläger seine Prozeßbevollmächtigten zum damaligen Zeitpunkt
auch bereits hinsichtlich eines Vorgehens gegen die Beklagte mandatiert hätte. Nicht
einmal dies wird aber beklagtenseits behauptet.
Schließlich kehrt sich entgegen der Auffassung der Beklagtenseite hinsichtlich der
Verjährungsfrage auch nicht die Darlegungslast um. Diese liegt vielmehr bei der
Beklagten, da diese sich auf den Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist berufen hat (
vgl. nur Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 2. Auflage, § 852 BGB, Rdnr. 1)
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II
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Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 849, 291, 288, 246 BGB.
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Dabei war zu berücksichtigen, daß die Zinsvorschrift des § 849 lediglich auf den
gesetzlichen Zinsfuß des § 246 BGB verweist, so daß nur eine Verzinsung von 4 % in
Betracht kommt. Erst ab Rechtshängigkeit kann der Kläger daher den von ihm
begehrten Zinssatz gemäß §§ 891, 288 BGB geltend machen.
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III
82
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. II, 709 ZPO.
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Relevanter Streitwert: 36.984,01 Euro.
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