Urteil des LG Krefeld vom 01.04.2003

LG Krefeld: juristische person, ordentliche kündigung, dienstleistung, beratungsleistung, abnahme, lohnanspruch, dienstverhältnis, werkvertrag, beratungsvertrag, sicherheitsleistung

Landgericht Krefeld, 12 O 146/02
Datum:
01.04.2003
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 146/02
Tenor:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
5.011,20 EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem je-
weiligen Basiszinssatz seit dem 23.04.2002 zu
zahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 93% dem
Beklagten, im übrigen der Klägerin zur Last.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die
Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Sie kann
die Zwangsvollstreckung seitens des Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40,00 EUR
abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Voll-
streckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin hat mit dem Beklagten nach einer am 06.03.2002 für 300,00 EUR netto
durchgeführten Vorprüfung am 20.03.2002 den Beratungsvertrag Bl. 4 d.A.
abgeschlossen. Er sieht eine Vergütung von 2.160,00 EUR netto je 8-stündigen
Manntag sowie eine Spesenpauschale von 150,00 EUR netto je Tag vor und bestimmt,
daß der Beratungsaufwand bei 2-3 Tagen liege, daß die Beratung beginne am
27.03.2002 und daß sie ein "Bankgespräch" vom 08.04.2002 umfasse.
2
Mit Schreiben Bl. 17 d.A. vom 22.03.02 kündigte der Beklagte den Vertrag. Die Klägerin
widersprach am 15.04.02 (Bl. 19 d.A.) und forderte zur Vertragserfüllung auf. Hierauf
antwortete der Beklagte, indem er am 18.04.02 eine außerordentliche Kündigung des
Vertrages aussprach (Bl. 30 d.A.).
3
Die Klägerin hält die Kündigungen für unwirksam. Sie beantragt,
4
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.359,20 EUR
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nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz
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seit dem 23.04.2002 zu zahlen Zug um Zug gegen Ab-
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nahme von 16 Beratungsstunden,
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2. festzustellen, daß sich der Beklagte mit der Ab-
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nahme einer durch sie zu erbringenden 16-stündigen
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Beratung in Verzug befindet.
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Der Beklagte bittet um
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Klageabweisung.
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Er meint, wirksam gekündigt zu haben, und wendet überdies ein, der Beratungsvertrag
sei wegen Wuchers nichtig.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Beklagte unterliegt ganz überwiegend.
17
I.
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Das Vertragsverhältnis ist einzustufen als Dienst-, nicht als Werkvertrag, denn die
Klägerin hat eine Beratung als solche übernommen, nicht, wie es für den
erfolgsbezogenen Werkvertrag typisch wäre, die Herbeiführung eines gegenständlich
faßbaren Arbeitsergebnisses.
19
II.
20
Der Beklagte hat den Dienstvertrag, bevor es noch zu einer Dienstleistung durch die
Klägerin gekommen ist, nicht wirksam gekündigt.
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1.
22
Der auf § 621 Nr. 1 BGB gestützten Kündigung vom 22.03.2002 kommt keine Wirkung
zukommt.
23
a)
24
§ 621 Nr. 1 BGB findet analoge Anwendung, wenn der Dienstlohn, wie hier, nach
Stunden bemessen ist.
25
b)
26
Der Beklagte konnte auch schon kündigen, noch ehe die Klägerin ihre Dienstleistung
aufnahm (Palandt, BGB, 62 Aufl., Vorb. vor § 620, RdNr. 29).
27
c)
28
Aber gemäß § 620 Abs. 2 BGB findet § 621 BGB nur Anwendung bei unbestimmter
Dauer des Dienstverhältnisses, nicht hingegen bei Dienstverhältnissen, die auf
bestimmte Zeit eingegangen sind. Mit der Klägerin ist davon auszugehen, daß
vorliegend ein solches auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis in Frage
steht.
29
aa)
30
Zwar ist richtig, daß auf bestimmte Zeit eingegangene Dienstverhältnisse i.d.R.
kalendermäßig befristet sind, etwa "vom 01.05. bis 30.06.02" oder dergleichen. Die
Angabe 2-3 Manntage ist dagegen zu unbestimmt. Zwar dürfte unschädlich sein, daß
sie offen läßt, ob nur 2 Manntage oder 3 Manntage oder Beratungsstunden in einer Zahl,
die zwischen 16 und 24 liegt, geleistet werden sollten. Denn maximal sollten es drei
Manntage bzw. 24 Stunden sein.
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Diese Befristung auf maximal drei Manntage oder 24 Beratungsstunden ist jedoch im
Grundsatz ungeeignet, wenn unklar bleibt, wann sie geleistet werden sollen. Lag es bei
der Klägerin, frei zu bestimmen, wann sie die übernommenen Beratungsstunden
ableisten wollte, d.h. in welcher Dichte sie ab dem 27.03.2002 beraten wollte, war nicht
abzusehen, wann ihre Dienstleistung enden würde. Dann war die Dauer ihrer
Dienstleistung unbestimmt.
32
bb)
33
Jedoch trägt der Vertrag den handschriftlichen Eintrag "Bankgespräch 08.04.02" und
unwidersprochen trägt die Klägerin zur Bedeutung dieses Eintrags vor, es habe die
Beratung enden sollen mit einem für den 08.04.2002 vorgesehenen Gespräch mit der
Hausbank des Beklagten. Ist das aber richtig, sollten die 16 bis 24 zu leistenden
Beratungsstunden erbracht werden zwischen dem 27.03. und dem 08.04.2002. Es war
folglich für die Dienstleistung ein exakter kalendermäßig bestimmter Beginn und ein
ebenso kalendermäßig bestimmter Schlußtag vorgesehen. Damit war das
Dienstverhältnis i.S.v. § 620 Abs. 1 BGB auf Zeit eingegangen, so daß die auf § 621 Nr.
1 BGB gestützte ordentliche Kündigung des Beklagten vom 22.03.2002 unbeachtlich ist.
34
2.
35
Es ist auch nicht wirksam die außerordentliche Kündigung, die der Beklagte, gestützt
auf § 627 BGB, am 18.04.2002 ausgesprochen hat.
36
a)
37
Die Klägerin sollte zum Beklagten nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen
Bezügen stehen, die ihr ein regelmäßiges Einkommen verschafft hätten.
38
b)
39
Die Klägerin hatte, wie ja schon die nicht bescheidene Honorierung, die sie sich
ausbedungen hat, vermuten läßt, Dienste höherer Art zu erbringen. Daß der
Wirtschaftsberater (BGHZ 47, 303/305) Dienste höherer Art i.S.v. § 627 BGB erbringt, ist
anerkannt. Nichts anderes kann für einen Unternehmensberater gelten.
40
c)
41
Aber die Anwendung des § 627 BGB scheitert daran, daß es vorliegend nicht um
Dienste geht, die der Beklagte der Klägerin "auf Grund besonderen Vertrauens
übertragen" hat.
42
Die Klägerin ist keine natürliche, sondern eine juristische Person. Ihr Geschäftsführer,
Herr M, berät nicht selbst, sondern er hat eine Vielzahl von Beratern an der Hand, die er
je nach Bedarf hier oder dort einsetzt.
43
Zwar hat das OLG Schleswig (MDR 1977, 753) angenommen, man könne auch in eine
Institution bzw. in eine juristische Person i.S.v. § 627 BGB besonderes Vertrauen
setzen. Diese Entscheidung ist aber vereinzelt geblieben. Die überwiegende
Rechtsprechung nimmt hingegen an, daß § 627 BGB besonderes persönliches
Vertrauen voraussetzt, also gerichtet auf eine bestimmte natürliche Person (BGH LM §
627 BGB Nr. 6; OLG Celle in NJW 1981, 2762 und NJW-RR 1995, 1465). Dem folgt die
Literatur (v. Staudinger-Preis, 2002, § 627 BGB RdNr. 22). Das überzeugt. Nur wer in
die Fähigkeit einer bestimmten, ihm von Person bekannten natürlichen Person
besonderes Vertrauen gesetzt hat, kann, geht es um Dienste höherer Art, jederzeit aus
wichtigem Grund kündigen, wenn er meint, das besondere Vertrauen in den in Aussicht
genommenen Dienstleister verloren zu haben.
44
d)
45
Da § 627 BGB nicht einschlägig ist, erübrigt sich die weitere Frage, ob die "freie"
Kündigungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift für den Beklagten zwischen den Parteien
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nicht bereits dadurch konkludent abbedungen worden ist, daß man nur Dienste
verabredet hat, die an maximal 24 Stunden zu leisten waren (verneinend v.Staudinger-
Preis, aaO, RdNr. 7 unter Hinweis auf RGZ 80,30).
47
III.
48
Auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrages des Beklagten kann nicht festgestellt
werden, daß der abgeschlossene Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist.
49
1.
50
Ein Anwendungsfall des § 138 Abs. 2 BGB ist ersichtlich nicht gegeben. Der Beklagte
51
ist, wie er nicht in Abrede stellt, Vollkaufmann. Die besonderen persönlichen
Voraussetzungen, die das Gesetz in § 138 Abs. 2 BGB verlangt, liegen auf seiner Seite
schwerlich vor; jedenfalls hat er hierzu nicht vorgetragen.
2.
52
Auch § 138 Abs. 1 BGB greift nicht ein.
53
Nach ganz herrschender Ansicht liegt ein wucherähnliches Geschäft i.S.v. § 138 Abs. 1
BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem ganz ungewöhnlichen Maß
zueinander außer Verhältnis stehen. Ein solches grobes Mißverhältnis, das auf Seiten
dessen, zu dessen Vorteil es gereicht, auch auf eine rechtsmißbräuchliche Gesinnung
schliessen lasse, soll vorliegen, wenn die eine Leistung zumindest oder mehr als
doppelt so viel wert ist als die andere. Daß es sich vorliegend so verhält, kann nicht
festgestellt werden. Die Klägerin berechnet, werden Stundensatz netto,
Spesenpauschale und Mehrwertsteuer einbezogen, den Tag mit (2.160 + 150) x 1,16 =
2.679,60 EUR ab, gelangt damit zu einem Bruttostundensatz von 334,95 EUR. Das ist,
um den Volksmund zu zitieren, durchaus "happig".
54
a)
55
Aber es fehlt von Seiten des Beklagten jedweder Vortrag dazu, welche Stundensätze
denn sonst üblich (§ 612 Abs. 2 BGB) sind, nimmt man die Dienste eines
Unternehmensberaters in Anspruch. Nur dann, wenn üblich wäre ein Lohn von weniger
als 168,00 EUR/Stunde/brutto incl. Spesen, könnte eine Anwendung des § 138 Abs. 1
BGB in Betracht gezogen werden. Es besteht vor allem kein Anlaß, zu der Frage,
welcher Lohn sonst üblich ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das liefe auf
eine unzulässige Ausforschung hinaus.
56
b)
57
Hinzukommt, daß ggf. noch einzubeziehen wären Besonderheiten des vorliegenden
Falles, zu denen bisher zwar von der Klägerin nicht vorgetragen ist. Selbst wenn der
von ihr beanspruchte Lohn den sonst üblichen Lohn um 100% übersteigen würde,
müßte dies noch nicht zwingend zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB führen, sofern
durch sie dargelegt wäre, daß die Mitarbeiter, die sie einsetzt, über eine so besonders
hohe Qualifikation verfügen, daß es berechtigt erscheint, vom sonst üblichen Lohn nach
oben abzuweichen.
58
IV.
59
Bereits mit seiner ersten Kündigung vom 22.03.2002 hat der Beklagte eindeutig und
abschliessend zu erkennen gegeben, daß er die Leistung der vorleistungspflichtigen (§
614 BGB) Klägerin nicht annehmen wollte. Das eröffnete es der Klägerin, den Beklagten
mit dem wörtlichen Angebot seines Schreibens vom 15.04.2002 gemäß § 293 BGB zum
23.04.2002 in Annahmeverzug zu setzen.
60
V.
61
Der Annahmeverzug des Beklagten führt dazu, daß die Klägerin den Lohnanspruch
nach § 615 BGB gewinnt. Sie hat Anspruch auf den vollen Bruttolohn, hier also
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zumindest 16 x 270,00 EUR netto = 4.320,00 EUR netto = 5.011,20 EUR brutto.
1.
63
Bei gegenseitigen Verträgen, bei denen den Berechtigten neben der Verpflichtung, den
Pflichtigen zu vergüten, auch die Verpflichtung trifft, dessen Leistung abzunehmen, führt
der Annahmeverzug des Gläubigers auch dazu, daß er mit der Abnahme der ihm
angebotenen Leistung in Schuldnerverzug gerät (vergl. Palandt, BGB, § 293 RdNr. 6)
m.d.F., daß dann der Schuldner die Möglichkeit gewinnt, auf Zahlung Zug-um-Zug
gegen Abnahme zu klagen. Daran richtet sich die Klägerin bei ihrem Antrag aus.
64
2.
65
Das ist verfehlt. Eine Verurteilung zur Zahlung Zug-um- Zug gegen Abnahme der
Beratungsleistungen der Klägerin liefe darauf hinaus, die Beklagte mittelbar, nämlich
über den Zug-um-Zug-Vorbehalt, dazu zu verurteilen, die Beratungsleistung der
Klägerin gegen Zahlung des vollen Honorars doch abzunehmen. Das geht nicht an.
Denn anders als beim Kaufvertrag oder beim Werkvertrag sieht das Gesetz für den
Dienstvertrag nicht vor, daß der Dienstherr gegen seinen Willen gezwungen werden
kann, die ihm nicht genehme Dienstleistung in Anspruch zu nehmen: ihn trifft nicht die
Pflicht zur Annahme der ihm angebotenen Leistung (Preis in Erfurter Kommentar zum
Arbeitsrecht, 2. Aufl, § 611 RdNr. 825).
66
3.
67
Da der Beklagte zur Annahme der ihm angebotenen Beratungsleistung nicht verpflichtet
ist, erschöpfen sich die Ansprüche der Klägerin in dem Lohnanspruch des § 615 BGB.
Sie hat Anspruch auf vollen Bruttolohn, muß sich hierauf aber anrechnen lassen
anderweitigen Erwerb, Ersparnisse und dergleichen.
68
a)
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Erspart hat sie Aufwendungen, die mit der Dienstleistung einhergegangen wären, wie
Fahrtkosten des Beraters, Hotelkosten, etc.. Daraus folgt, daß für den Ansatz der 2
Spesenpauschalen von je 150,00 EUR netto, die die Klägerin in ihren Zahlungsantrag
einbezieht, kein Raum ist.
70
b)
71
Im übrigen sind Abzüge nicht geboten. Darlegungspflichtig ist der Beklagte. Er trägt
hierzu nicht vor.
72
VI.
73
1.
74
Aus den Gründen unter V. entfällt der Zug-um-Zug-Vorbehalt.
75
2.
76
Da er entfällt, ist unzulässig der Feststellungsantrag der Klägerin. Ein schützenswertes
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Interesse, den Annahmeverzug des Beklagten festzustellen, hätte sie nur, wenn es zu
einer Zug-um-Zug-Verurteilung käme.
VII.
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Fällig geworden ist der Lohnanspruch der Klägerin am 08.04.02 als dem Tage, an dem
ihr Berater nach ursprünglicher Planung seine Beratungsleistung hätte beenden sollen
(Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 615 BGB RdNr. 80). Mit seiner
Kündigung
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vom 18.04.02 hat sich der Beklagte im Wege der Selbstmahnung in Schuldnerverzug
gesetzt, nämlich nach Fälligkeit eindeutig verlautbart, nicht zahlungsbereit zu sein.
Folglich hat er den Betrag von 5.011,20 EUR brutto antragsgemäß seit dem 23.04.2002
gemäß § 288 BGB mit 5 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
80
VIII.
81
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Ziff. 11, 709, 711 ZPO.
82
Streitwert: bis 6.000,00 EUR
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