Urteil des LG Krefeld vom 21.06.2002

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Landgericht Krefeld, 1 S 16/02
Datum:
21.06.2002
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 16/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 72 C 285/01
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 20.12.2001 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Streitwert für die Berufungsinstanz: Euro 3.789,18 (= DM 7.411.--)
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
1
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht Krefeld den Beklagten
zur Zahlung von DM 7.411,-- nebst 4% Zinsen seit dem 01.02.2000 an den Kläger
verurteilt.
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In dieser Höhe hat der Kläger gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus
positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien geschlossenen
Reisevermittlungsvertrages.
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Der zwischen den Parteien anlässlich der Buchung einer Reise nach Dubai
geschlossene Reisevermittlungsvertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne
des § 675 BGB mit werkvertraglichem Charakter (LG Traunstein, NJW-RR 93, 1531 f.,
1531; Münchener Kommentar-Tonner, BGB, 3. Aufl., München 1997, § 651 a, Rdn. 29;
Eckert, Das vermittelnde Reisebüro zwischen dem Reisenden und dem
Insolvenzverwalter des Reiseveranstalters, DB 2000, 1951 ff., 1952)
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Aus diesem Geschäftsbesorgungsvertrag resultieren Sorgfalts- und Beratungspflichten
des Reisebüros. Zu diesen vertraglichen Nebenpflichten gehört auch das Bemühen um
eine korrekte Vertragsabwicklung, insbesondere auch eine im Sinne des Reisenden
sorgfältige finanzielle Abwicklung des zu vermittelnden Reisevertrages (Tonner, Der
Reisevertrag, 4. Aufl. , Neuwied 2000, Rdn. 44; Tempel aaO., S. 3660; Führich,
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Reisevertrag, 4. Aufl. , Neuwied 2000, Rdn. 44; Tempel aaO., S. 3660; Führich,
Reiserecht, Heidelberg 1990, Rdn. 518; Eckert aaO., S. 1952). Die schuldhafte
Verletzung derartiger Sorgfaltspflichten führt zu einer Haftung des Reisebüros nach den
Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (LG Traunstein aaO., S. 1531; MüKO-
Tonner, aaO., Rdn. 123).
Diese vertraglichen Nebenpflichten hat der Beklagte dadurch verletzt, dass er den zur
Weiterleitung an den Reiseveranstalter bestimmten Reisepreis in Höhe von DM 7.297,--
(= DM 7.137,-- ursprünglicher Reisepreis + DM 160,-- für Übernachtung infolge Abflugs
am 25.12.99) nicht an den Reiseveranstalter weitergeleitet, sondern statt dessen diesen
Betrag mit einem Anspruch gegen den Reiseveranstalter auf Bonusprovision, über
dessen Fälligkeit zwischen dem Beklagten und dem Reiseveranstalter Streit bestand,
verrechnet hat.
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Dass die Fälligkeit der Gegenforderung auf Bonusprovision zwischen Reiseveranstalter
und Beklagten streitig war, ergibt sich aus dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten
des Beklagten vom 13.12.1999 (Bl.19 d.A.). Aus dem Schreiben ist zusätzlich
ersichtlich, dass der Beklagte sich gegenüber dem Reiseveranstalter auf - von diesem
bestrittene - mündliche Zusagen des Reiseveranstalters beruft.
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Die Verrechnung des ihm durch den Kläger anvertrauten Reisepreises mit zumindest
hinsichtlich ihrer Fälligkeit nicht unstreitigen Gegenforderungen gegenüber dem
Reiseveranstalter gefährdete die Herausgabe der Reiseunterlagen durch den
Reiseveranstalter an den Kläger. Dies ergibt sich einerseits aus den
Agenturbedingungen (Bl. 29-30 d.A.) zwischen Beklagtem und Reiseveranstalter,
wonach der Unterlagenversand erst nach vollständiger Zahlung des Reisepreises
abzüglich der Provision des Reisebüros erfolgt. Zwar gilt diese Regelung nur für den
Fall, dass das Reisebüro dem Reiseveranstalter keine Abbuchungsermächtigung erteilt
hat. Auch erfolgte die Abbuchung des Reisepreises durch den Reiseveranstalter beim
Beklagten bereits im November 1999 und daher zu einem Zeitpunkt, zu dem der
Reiseveranstalter nach den eigenen Agenturbedingungen noch keinen Anspruch auf
den Betrag hatte, so dass der Beklagte insofern zu Recht der Abbuchung widersprochen
hat. Ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 13.12.1999 hatte der Beklagte
allerdings bereits vor Abfassung dieses Schreibens die erwähnte, und im Verhältnis
zum Reiseveranstalter strittige Verrechnung mit der Bonusprovision vorgenommen und
beharrte in diesem Schreiben auf der Rechtmäßigkeit dieser Verrechnung. Daher
konnte der Reiseveranstalter bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass er
ungeachtet der vom Beklagten erteilten Einzugsermächtigung 7 Tage vor Reiseantritt,
also am 18.12.1999, den Reisepreis abzüglich Provision vom Konto des Beklagten nicht
würde einziehen können bzw. der Beklagte auch dieser Abbuchung im Hinblick auf die
vorgenommene Verrechnung widersprechen würde.
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Andererseits ergibt sich die Gefährdung der Herausgabe der Reiseunterlagen durch den
Reiseveranstalter an den Kläger bereits aus dem Inhalt des erwähnten Schreibens des
Beklagten vom 13.12.1999. Denn aus diesem Schreiben geht klar hervor, dass der
Reiseveranstalter offensichtlich im Hinblick auf die vom Beklagten vorgenommene
Verrechnung zur Übersendung der Reiseunterlagen nicht bereit war. Ausweislich der
Agenturbedingungen erfolgt der Unterlagenversand grundsätzlich nur an das
vermittelnde Reisebüro. Eine direkte Versendung der Reiseunterlagen an den Kläger
wäre dem Reiseveranstalter auch nicht möglich gewesen, da der Reiseveranstalter
unstreitig zwar dessen Namen, nicht aber dessen Anschrift vom Beklagten mitgeteilt
erhalten hatte.
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Der Beklagte nahm, wie sich aus seinem Schreiben vom 13.12.1999 ergibt, diese
Gefährdung des Unterlagenversands sehenden Auges in Kauf, um - letztlich zu Lasten
des Klägers - seine Provisionsansprüche gegen die später in Insolvenz geratene U
GmbH durchzusetzen. Bereits darin liegt eine schuldhafte Nebenpflichtverletzung des
mit dem Kläger geschlossenen Reisevermittlungsvertrages.
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Darüber hinaus werden dem vermittelnden Reisebüro Gelder des Reisenden nicht zur
freien Verfügung übergeben, sondern treuhänderisch mit dem konkreten Ziel, damit den
vom Urlauber geschuldeten Reisepreis zu tilgen (Eckert aaO., S. 1952). Ausfluss dieser
treuhänderischen Bindung ist die Verpflichtung des Reisevermittlers, die ihm
anvertrauten Kundengelder abzüglich der Provision an den Reiseveranstalter
weiterzuleiten. Für die Folgen der nicht erfolgten Weiterleitung des Reisepreises an den
Reiseveranstalter haftet der Reisevermittler dem Kunden nach den Grundsätzen der
positiven Vertragsverletzung (Müko-Tonner aaO., Rdn. 124; Tempel aaO., S. 3660).
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Durch die nicht erfolgte Weiterleitung des vom Kläger gezahlten Reisepreises und der
an deren Stelle erfolgten, zwischen Beklagtem und Reiseveranstalter streitigen
Verrechnung mit einer Provisionsforderung hat der Beklagte diese vertraglichen
Nebenpflicht schuldhaft verletzt.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten unterliegen die dem Reisebüro vom Reisenden
überlassenen Gelder sehr wohl einer treuhänderischen Bindung, so dass
Verrechnungsstreitigkeiten zwischen Reisevermittler und Reiseveranstalter nicht auf
dem Rücken des Reisenden ausgetragen werden dürfen. Diese treuhänderische
Bindung zeigt sich eben in der grundsätzlichen Verpflichtung des Reisebüros, die ihm
anvertrauten Gelder abzüglich (unstreitiger) Provision an den Reiseveranstalter
weiterzuleiten, um die Herausgabe der Reiseunterlagen nicht zu gefährden. Insoweit hat
gerade das Reisebüro, das - wie vorliegend - eine Inkassovollmacht des
Reiseveranstalters besitzt, die Verpflichtung, auf die Wahrung der finanziellen
Interessen des Reisenden Rücksicht zu nehmen (Tempel aaO:, S. 3660). Die
treuhänderische Bindung des Reisebüros bei der Wahrung der Vermögensinteressen
des Reisenden zeigt sich umgekehrt auch darin, dass das Reisebüro Kundengelder
dann nicht mehr an den Reiseveranstalter weiterleiten darf, wenn aufgrund inzwischen
beim Reiseveranstalter eingetretener Insolvenz feststeht, dass die Reise nicht mehr
stattfinden kann (LG Traunstein aaO. 1531/1532; Eckert aaO., S. 1953).
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Der Umstand, dass der Kläger durch Zahlung des Reisepreises an den Beklagten
gemäß § 362 BGB seine Leistung aus dem Reisevertrag mit befreiender Wirkung
gegenüber dem Reiseveranstalter erbracht hat, ändert nichts an der Tatsache, dass es
unbillig ist, die internen Streitigkeiten um die Provisionsforderungen des Beklagten
gegen den Reiseveranstalter und die von ihm vorgenommene Verrechnung auf dem
Rücken des Klägers auszutragen. Vielmehr verbietet sich angesichts der Zweckbindung
der dem Reisebüro überlassenen Kundengelder nach Treu und Glauben eine
Verrechung oder Aufrechung mit Provisionsforderungen gegen den Reiseveranstalter,
über deren Berechtigung oder Fälligkeit zwischen Reiseveranstalter und Reisebüro
Uneinigkeit herrscht.
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Der Kläger kann vom Beklagten als Schadensersatz nicht nur den gezahlten
Reisepreis, sondern zudem den nutzlos aufgewendeten Reiseversicherungsbeitrag in
Höhe von DM 114,-- verlangen, insgesamt also DM 7.411,--.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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