Urteil des LG Krefeld vom 06.02.2009

LG Krefeld: grundsatz der freien beweiswürdigung, verfügungsgewalt, briefkasten, zugang, anwaltskosten, willenserklärung, postzustellung, kündigung, inhaber, akte

Landgericht Krefeld, 1 S 117/08
Datum:
06.02.2009
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 117/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 2 C 583/07
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Krefeld
vom 28.08.2008 abgeändert und der Beklagter verur-teilt, an den Kläger
€ 4.000,00 nebst Zinsen in Höhe von € 307,80 für den Zeitraum
31.03.2006 bis 09.08.2007 sowie Zin-sen in Höhe von 8 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basis-zinssatz aus € 4.000,00 seit dem 10.08.2007
sowie vorgerichtli-che Anwaltskosten in Höhe von € 338,50 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
I.
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Der Kläger betrieb als Inhaber der Fa. X in X einen Schlittschuhverleih. Durch
schriftlichen Vertrag – sog. "Firmenvertrag" (Anlage K1 zur Anspruchsbegründung vom
10.12.2007, Bl. 25 d. Akte) – verpflichtete sich der Kläger gegenüber dem Beklagten,
sein Schlittschuhgeschäft aufzugeben; im Gegenzug zahlte der Beklagte monatlich €
250,00 an den Kläger. Die Vereinbarung, die zunächst bis zum 30.04.2008 gelten sollte,
konnte von dem Beklagten gekündigt werden, wenn ihm die Stadt Krefeld in der Zukunft
keine Möglichkeit mehr zur Anmietung eines Schlittschuhverleihgeschäftes geben
würde. Bis einschließlich Februar 2006 leistete der Beklagte die vereinbarten
monatlichen Zahlungen. Mit Schreiben vom 29.06.2007 kündigte der Beklagte den
Firmenvertrag mit Wirkung zum 30.06.2007. Der Kläger begehrt für den Zeitraum März
2006 bis einschließlich Juni 2007 von dem Beklagten die monatlichen Zahlungen in
Höhe von je € 250,00.
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Der Beklagte wendet dagegen ein, das Vertragsverhältnis sei bereits mit Schreiben vom
27.01.2006, welches dem Kläger am 27.01.2006 zugestellt worden sei, zum Ende des
darauffolgenden Monats gekündigt worden. Seine Büroangestellte, die Zeugin X, habe
die Kündigung am 27.01.2006 geschrieben und am gleichen Tag bei dem Kläger
abgegeben.
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Wegen der weiteren Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Krefeld Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme, in der die
Zeugin X vernommen worden ist, am 28.08.2008 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die
Berufung des Klägers, der seinen Antrag aus erster Instanz weiterverfolgt. Der Beklagte
beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
8
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt
€ 4.000,00 (16 Monate x € 250,00) aus dem zwischen den Parteien geschlossenen
Firmenvertrag.
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Der Beklagte hat nicht – anders als vom Amtsgericht angenommen – den Beweis dafür
erbracht, dass er den Firmenvertrag bereits mit Schreiben vom 27.01.2006 wirksam zum
28.02.2006 gekündigt hat. Ungeachtet der Angriffe des Klägers gegen die
Beweiswürdigung des Amtsgerichts, die mit Blick auf den Grundsatz der freien
Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und den dadurch nur eingeschränkten Prüfungsumfang
in der Berufungsinstanz nur bei Feststellung von Rechtsfehlern, etwa Verstößen gegen
Erfahrungs- und Denkgesetze, gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit
oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen können, hat der Beklagte
hier schon nicht den Nachweis erbracht, dass dem Kläger das Kündigungsschreiben im
Januar 2006 zugegangen ist.
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Eine schriftliche Willenserklärung ist gemäß § 130 Abs. 1 BGB erst zugegangen, sobald
sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers
oder eines anderen, der ihn nach der Verkehrsanschauung in der Empfangnahme von
Briefen vertreten konnte, gelangt und für den Empfänger unter gewöhnlichen
Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Den
Beweis des Zugangs hat der Beklagte vorliegend nicht geführt, worauf die Kammer ihn
im Termin am 23.01.2009 auch hingewiesen hat.
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Zwar bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten grundsätzlich den Zugang (vgl. etwa
Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 130 Rn. 6). Nach der Aussage der Zeugin X hat sie
das Kündigungsschreiben am 27.01.2006 jedoch nicht in einen der im Hausflur
befindlichen Briefkästen des Mehrfamilienhauses geworfen, sondern das Schreiben in
ein an der Hauseingangstür angebrachtes Körbchen gelegt. Zwar kann – wenn ein
Briefkasten fehlt – auch die Platzierung des Schreibens im Hauseingangsbereich
ausreichend sein (vgl. LAG Hamm, NZA 1994, 32; LAG Düsseldorf, NZA 2001, 408). Da
im Hausinnenbereich des Mehrfamilienhauses jedoch auch nach der Aussage der
Zeugin X Briefkästen vorhanden gewesen sind, war vorliegend nicht ohne Weiteres
davon auszugehen, dass die an einzelne Hausbewohner gerichtete Schreiben durch
den Einwurf in das im Hausflur befindliche, allgemein zugängliche Körbchen in der
verkehrsüblichen Weise in den Machtbereich der jeweiligen Hausbewohner gelangt
sind. Vielmehr haben die Hausbewohner durch die einzelnen Briefkästen
Empfangsvorkehrungen getroffen, so dass die Schreiben an die einzelnen
Wohnparteien nach der Verkehrsanschauung auch erst in deren Verfügungsgewalt
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gelangen, wenn diese Empfangsvorkehrung genutzt wird. Etwas anderes ergibt sich
vorliegend auch nicht daraus, dass nach der Aussage der Zeugin X auf den Briefkästen
keine Namen aufgebracht gewesen sein sollen. Denn der für den Zugang des
Kündigungsschreibens darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat insoweit weder
dargetan, dass mit dem Einwurf in das Körbchen die gewöhnliche und im Falle des
Klägers übliche Postzustellung an ihn gewählt worden ist (vgl. LAG Düsseldorf, a.a.O.),
noch hat er substantiiert vorgetragen, dass eine Zuordnung der Briefkästen zu den
einzelnen Hausbewohnern – gleichsam einer Zugangsvereitelung (vgl. MüKo/Hesse,
BGB, 5. Aufl. 2009, Vor §§ 620 ff. Rn. 99) – nicht möglich war. Damit ist der Beklagte für
seine Behauptung, der Kläger habe das Kündigungsschreiben vom 27.01.2006
erhalten, beweisfällig geblieben.
Der Klage ist, da sich der Beklagte weder gegen die Höhe der Klageforderung noch
gegen die geltend gemachten Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gewandt hat,
vollumfänglich stattzugeben.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Streitwert: € 4.000,00
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