Urteil des LG Krefeld vom 16.01.2008

LG Krefeld: entgangener gewinn, höhe der anlage, satzung, firma, geschäftsführer, erlass, gemeinde, abtretung, windenergieanlage, stadt

Landgericht Krefeld, 2 O 427/06
Datum:
16.01.2008
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Grundurteil
Aktenzeichen:
2 O 427/06
Tenor:
Der Anspruch des Klägers gerichtet auf Schadensersatz wegen der
Versagung der am 13.02.2002 beantragten Genehmigung zweier
Windenergieanlagen durch die Beklagte ist dem Grunde nach
gerechtfertigt.
Tatbestand:
1
Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht der Firma X GmbH Schadensersatz wegen
behaupteter rechtswidriger Versagung einer Baugenehmigung.
2
Am 13.02.2002 beantragte die Firma X die Genehmigung zur Errichtung von zwei
Windenergieanlagen auf im Außenbereich der Stadt X gelegenen Grundstücken, die im
Eigentum eines Herrn X stehen und mit dem die antragstellende Firma am 17.01.2001
einen entsprechenden Nutzungsvertrag abgeschlossen hatte. Durch
Gesellschaftsvertrag vom 12.07.2002 erfolgte die Gründung der Firma X GmbH mit Sitz
in X (im Folgenden: XGmbH), deren Geschäftsführer der Kläger war. Am 16.07.2002
teilte die X GmbH (Bl. 360 d.A.) der Beklagten mit, dass X in eine Kapitalgesellschaft
umgewandelt werde. Ein weiteres Schreiben der Klägerin (Bl. 482) an die Beklagte
datiert vom 16.07.2002. Die Nutzungsvereinbarung zwischen der X und dem
Grundstückseigentümer X wurde durch eine der Beklagten bekannt gemachte und
mitgeteilte Vereinbarung vom 12.07.2002 auf die X GmbH übertragen. Der Kläger wurde
durch Gesellschafterbeschluss vom 31.03.2006 als Geschäftsführer der X GmbH
abberufen.
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Die ursprünglich von der X zur Genehmigung gestellten Anlagen verfügten bei einer
Nennleistung von jeweils 1,5 MW über eine Nabenhöhe von 100 m und einen
Rotordurchmesser von 77 m. In der Nähe der Grundstücke, auf denen die
Windenergieanlagen errichtet werden sollten, befindet sich das auf dem X betriebene
Pferdegestüt X.
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Im damals gültigen Flächennutzungsplan war die Fläche, auf der die
Windenergieanlagen geplant wurden, als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt.
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Die Bezirksregierung Düsseldorf erteilte am 31.05.2002 eine luftverkehrsrechtliche
Genehmigung zum Bau der Anlage mit einer Höhe von maximal 176 m über Normal
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Null.
Am 25.03.2002 beschloss der Rat der Beklagten die "Satzung der Stadt X über örtliche
Bauvorschriften gemäß § 86 BauO NRW für die Bereiche außerhalb der Ortslage des
Stadtgebietes X". Nach deren § 2 müssen Windenergieanlagen im Geltungsbereich der
Satzung unter einer maximalen Bauhöhe von 100 m einschließlich Rotoren bleiben.
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Mit Versagungsbescheid vom 30.07.2002 lehnte die Beklagte die Erteilung der
beantragten Baugenehmigung ab und verwies zur Begründung auf die Satzung vom
23.02.2002.
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In der Sitzung vom 27.06.2002 beschloss der Rat der Beklagten die 51. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beklagten. Der Flächennutzungsplan sieht auf der
Grundlage dieser Änderung nunmehr im nord-östlichen Stadtgebiet eine
Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen vor. Mit dieser Ausweisung wurde der
ausdrückliche Ausschluss von Windenergieanlagen an anderer Stelle des
Gemeindegebietes entsprechend § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB verbunden. Die von der
Bezirksregierung am 12.09.2002 genehmigte Änderung des Flächennutzungsplanes
wurde durch Bekanntmachung am 24.09.2002 wirksam.
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Der gegen die Versagung der Baugenehmigung gerichtete Widerspruch wurde durch
Bescheid vom 31.01.2003 unter Hinweis auf die 51. Änderung des
Flächennutzungsplanes zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage auf
Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung und hilfsweise auf
Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung bis
zum Inkrafttreten der 51. Flächennutzungsplanänderung wurde mit Urteil des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24.05.2004 (25 K 869/03) abgewiesen. Das Urteil
des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig.
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Mit Schreiben vom 04.05.2005 meldete die X gegenüber der Beklagten den hier
rechtshängigen Schadenseratzanspruch wegen Nichterteilung der begehrten
Baugenehmigung an. Durch Vereinbarung vom 27.03.2006 (Anlage K 10) trat die X
GmbH dem Kläger die ihr gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzansprüche
ab, wobei die Parteien u.a. um die Wirksamkeit dieser Abtretung streiten.
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Die Klägerin macht folgende – von der Beklagten im Einzelnen – bestrittene
Schadenspositionen geltend:
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Entgangener Gewinn hinsichtlich Verkauf des Projektes: 1.375.881,00 €
Entgangener Gewinn durch Betriebsführung: 62.333,00 €
Zinsen 5 % über dem Basiszinssatz für 3 Jahre: 284.610,00 €
Anwalts- und Gerichtskosten: 40.000,00 €
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14
Der Kläger ist der Ansicht, das Projekt sei als nach § 35 BauGB privilegiertes Vorhaben
zu genehmigen gewesen, weil ihm öffentliche Belange nicht entgegengestanden hätten.
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Die Satzung vom 25.03.2002 stelle keinen entgegenstehenden öffentlichen Belang dar.
Sie sei unwirksam, weil rechtswidrig. Ihr habe einzig die Absicht zugrunde gelegen, das
beantragte Bauvorhaben unmöglich zu machen. Eine Ermächtigungsgrundlage für ihren
Erlass gebe es nicht. Sie sei von § 86 BauO NW nicht erfasst. Der Geltungsbereich der
streitgegenständlichen Satzung umfasse den gesamten Außenbereich des
Gemeindegebietes der Beklagten. Die in § 35 BauGB vorgesehene Privilegierung der
Windenergienutzung werde durch die Satzung für das gesamte Gemeindegebiet der
Beklagten eingeschränkt. Auch die Regelung der Höhe der Anlage sei im Wege der
Gestaltungssatzung nicht zulässig. Solche Festlegungen dürften allein in
Flächennutzugs- oder Bebauungsplänen getroffen werden. All dies sei der Beklagten
bekannt gewesen. Sei aber die Satzung unwirksam gewesen, so habe die Beklagte die
Anlage mangels entgegenstehender öffentlicher Belange genehmigen müssen. Die
luftverkehrsrechtliche Genehmigung beziehe sich auf beide Anlagen. Keine Rolle spiele
auch, dass die Anlage auf dem Flurstück 325 letztlich nach den Bauunterlagen eine
Gesamthöhe von 176,10 m über NN aufgewiesen habe, während die
luftverkehrsrechtliche Genehmigung nur von einer zulässigen Gesamthöhe von 176 m
über NN ausgeht. Wie sich aus dem Schreiben der Bezirksregierung vom 31.05.2002
ergebe, handele es sich hierbei um nur um einen offensichtlichen Schreib- bzw.
Übertragungsfehler, der letztlich darauf beruhe, dass die tatsächliche Geländehöhe
keine Berücksichtigung gefunden habe. Bei einer Genehmigung der Anlage mit einer
Gesamthöhe von nur 176 m hätte man die Anlage problemlos 10 cm tiefer eingraben
können. Die Anlagen seien auch emissionsschutzrechtlich genehmigungsfähig
gewesen. Der von der X selbst erstellte schalltechnische Bericht vom 20.02.2002 sei
bereits wenige Tage nach Erstellungsdatum zur Bauakte der Beklagten gereicht
worden, wie sich aus einem Fax des Staatlichen Umweltamtes vom 25.05.2002 ergebe.
Der Bericht selbst sei nach fachlichen Vorgaben des Landesumweltamtes NRW erstellt
und komme mit zutreffenden Berechnungen zu dem Ergebnis, dass die zulässigen
Geräuschwerte sicher und deutlich nicht überschritten würden.
Auch Belange der Pferdehaltung stünden dem Bau der Windenergieanlagen nicht
entgegen. Die tatsächliche Entfernung des Gestüts von der nächstgelegenen
Windenergieanlage betrage 550 m und nicht wie im Gutachten X dargestellt nur 300 m.
Es gebe keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse dahingehend, dass
Windenergieanlagen einen negativen Einfluss auf Pferde hätten. Diese gewöhnten sich
innerhalb kürzester Zeit an die Anlagen, wenn sie merkten, dass ihnen davon keine
Gefahr drohe.
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Sowohl die rechtswidrige Versagung der Genehmigung wie auch der rechtswidrige
Erlass der Gestaltungssatzung begründe Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB,
Art. 34 GG und § 39 OBG NW.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.762.824, 00 € nebst Jahreszinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend, die Zedentin des geltend gemachten Anspruch sei weder Bauherrin
noch Bauantragstellerin gewesen. Dies sei vielmehr Herr X gewesen. Ihr sei kein
Bauherrenwechsel angezeigt worden. Aus dem als Anlage 7 zum Schriftsatz vom
12.11.2007 (Bl. 482 d.A.) vorgelegten Schreiben ergebe sich gerade, dass die X GmbH
ein neues Unternehmen sei, das durch andere Personen als den ursprünglichen
Antragsteller gegründet worden sei. Der Versagungsbescheid sei daher bewusst an
Herrn X ergangen, der indes keinen Widerspruch eingelegt habe, weshalb der
Versagungsbescheid nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bestandskräftig geworden sei.
Die Abtretungsvereinbarung vom 27.03.2006 sei unwirksam. Der Kläger sei zum
Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Zedentin
gewesen.
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Die luftverkehrsrechtliche Genehmigung habe sich nicht auf das den Gegenstand des
Baugesuchs bildende Vorhaben Flur 325 bezogen. Die Zustimmung habe sich vielmehr
nur auf ein Vorhaben bezogen, das eine Gesamthöhe von 176 m über NN nicht
überschreite.
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Für das Baugesuch habe ein Bearbeitungszeitraum von mindestens weiteren 5
Monaten über den 30.07.2002 hinaus angesetzt werden müssen, weil weitere
Stellungnahmen einzuholen gewesen wären. Insbesondere hätte, die
Genehmigungsfähigkeit im Übrigen unterstellt, ein Gutachten über die schädlichen
Auswirkungen der Windenergieanlagen auf den privilegierten Pferdezuchtbetrieb
eingeholt werden müssen. Zudem habe die Zedentin nicht die Verfügungsbefugnis über
die zu bebauenden Grundstücke gehabt. Im Baugenehmigungsverfahren sei auch nur
eine Vorabschätzung der zu erwartenden Schallemissionen vorgelegt, nicht aber der
endgültige Schallschutzbericht vorgelegt worden, der erst in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingereicht worden sei. Die durch die
Zedentin selbst verfassten Berichte seien als Nachweis der Einhaltung der
Schallschutzwerte von vorneherein ungeeignet. Der Genehmigungsfähigkeit habe
außerdem entgegen gestanden, dass der Bauherr nicht in der Lage gewesen sei, den
mit dem Vorhaben verbundenen Eingriff in die Natur und Landschaft auszugleichen und
nach § 6 BauO notwendige Abstandsflächen einzuhalten, sowie die Erschließung
sicherzustellen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe das Baugesuch ohne Weiteres zum Anlass
nehmen dürfen, das bestehende Bauplanungsrecht zu ändern und die Realisierung der
Windenergieanlagen zu verhindern. Die Ratsvorlage vom 20.08.2002 belege gerade,
dass die Beklagte auf die Wirksamkeit der Höhenbegrenzungssatzung vertraut habe,
weil gerichtliche Entscheidungen zu deren Zulässigkeit nicht vorgelegen hätten. Die
planreifen Darstellungen des Flächennutzungsplanes hätten der baurechtlichen
Zulässigkeit des Vorhabens bereits zum Versagungszeitpunkt entgegengestanden.
Vorwirkungen des planreifen Flächennutzungsplanes seien ebenso zu berücksichtigen,
wie diejenigen von planreifen Zielen der Raumordnung weil dem privilegierten
Flächennutzungsplan ein rechtssetzender Charakter zukomme. Auch
Planungsabsichten der Gemeinde stellten zudem einen der Genehmigung
entgegenstehenden öffentlichen Belang dar.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, weshalb durch Zwischenurteil über den
Grund zu entscheiden war, § 304 ZPO. Zur Höhe des geltend gemachten Anspruches
ist dem gegenüber noch weiterer Vortrag und nachfolgend ggf. eine Beweisaufnahme
zu erwarten.
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I.
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Der Kläger ist aktivlegitimiert zur Geltendmachung des erhobenen Anspruchs.
Ursprünglicher Inhaber etwaiger Ansprüche war die X GmbH, die nach
Bauherrenwechsel in das laufende Baugenehmigungsverfahren eingetreten war. Zwar
trifft es zu, dass zunächst die Firma X Antragsteller des Baugesuches war. Offen bleiben
kann, ob, wie dies die rechtliche Ansicht des Klägers ist, die X in eine
Kapitalgesellschaft umgewandelt wurde, und bereits durch eine solche Umwandlung
ein Übergang der Rechte und Pflichten von der X auf die GmbH erfolgt ist. Denn
jedenfalls aufgrund der Übertragung des Nutzungsvertrages mit dem
Grundstückseigentümer X von der Firma X auf die X GmbH durch Vereinbarung vom
12.07.2002 (vorgelegt als Anlage K 55 Bl. 513 d.A.) war die X GmbH materiell
Berechtigte des Baugenehmigungsverfahrens. Sie allein war diejenige, die auf der
Grundlage des Nutzungsvertrages eine etwaige Baugenehmigung nutzen konnte. Der
Übergang der Nutzungsvereinbarung mit der X auf die X GmbH ist zudem der Beklagten
unstreitig auch mitgeteilt worden. Darin ist ein materieller Bauherrenwechsel zu sehen.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Beklagten eine nach § 57 BauONW formell
ordnungsgemäße Mitteilung der neuen Bauherrin vorlag. Bei § 57 BauO NW handelt es
sich lediglich um eine Ordnungs- und Formvorschrift. Sie hat keinen konstitutiven
Charakter für die Eigenschaft des Bauherren, spielt vielmehr nur eine Rolle für die
etwaige ordnungsbehördliche Inanspruchnahme im Rahmen eines Bauverfahrens und
der Durchführung eines Baues. Die eigentliche materielle Berechtigung an der
Baugenehmigung regelt demgegenüber § 75 Abs. 2 BauO NW. Danach gilt die
Baugenehmigung auch für und gegen den Rechtsnachfolger der Bauherrin oder des
Bauherrn. Durch den Eintritt der X GmbH in den Nutzungsvereinbarungen mit dem
Grundstückseigentümer ist eine solche Rechtsnachfolge eingetreten. Bauherr ist
derjenige, der aufgrund vertraglicher Regelungen mit dem Grundstückseigentümer zur
Ausführung der Baugenehmigung berechtigt ist (vgl. Gadtke, LBauO NW, 10. Aufl., § 75
Rdnr. 158). Folgerichtig sind daher auch die Widerspruchsbehörde wie auch später das
Verwaltungsgericht von einer Bauherreneigenschaft der Firma X GmbH jedenfalls im
Zeitpunkt der Versagung der Genehmigung ausgegangen.
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War aber die X GmbH Bauherrin so vermochte sie auch, vertreten durch den Kläger als
damals noch amtierenden Geschäftsführer ihre etwaigen Ansprüche aus der Versagung
der Baugenehmigung durch Abtretung vom 27.03.2006 an den Kläger weiterzugeben.
Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nach nunmehr unbestrittenem Vortrag noch
Geschäftsführer, weil er noch nicht abberufen war und seine Abberufung im
Handelsregister noch nicht eingetragen war.
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II.
32
Gegenüber der X GmbH hat die Beklagte eine ihr nach den Umständen obliegende
Amtspflicht verletzt, was zu ihrer Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG dem Grunde nach
führt.
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Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung war zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs
rechtswidrig. Die Beklagte hätte dem Kläger die Baugenehmigung erteilen müssen. Legt
man die in der VwGO vorgesehene Bearbeitungszeit von 3 Monaten, nach Ablauf derer
eine Untätigkeitsklage erhoben werden kann, als groben Anhaltspunkt für eine
angemessene Bearbeitungszeit eines Baugesuches überhaupt zugrunde, so hätte das
Baugesuch im Mai/Juni 2002 spätestens beschieden werden können und müssen. Die
letztlich die Ablehnung rechtfertigende Änderung des Flächennutzungsplanes wurde
aber erst am 24.09.2002 wirksam. Bis dahin hätte in jedem Fall – positiv – entschieden
sein müssen.
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Zwar darf generell die Gemeinde ein Baugesuch zum Anlass nehmen, ihre
Bauleitplanung zu überprüfen, zu ändern und gegebenenfalls Maßnahmen zur
Sicherung ihrer Änderungspläne zu ergreifen. Das darf aber nicht dazu führen, ein
Baugesuch zögerlich und schleppend zu bearbeiten, um erst so die Ablehnung zu
ermöglichen (s. BGH, Urteil vom 23.01.1992, III ZR 191/90) . Die Gemeinde darf
vielmehr nur die ihr zur Verfügung stehenden gesetzlich vorgesehenen Instrumente
nutzen (BGH Urteil v. 12.07.2001, III ZR 282/00). Die Beklagte würde nur dann trotz
rechtswidrigen Handelns nicht haften, wenn sie den von ihr gewünschten Erfolg, hier die
Ablehnung des Baugesuches auch auf rechtmäßige Weise hätte erreichen können (vgl.
OLG Thüringen, Urteil vom 08.02.2000, 3 U 443/99). Das ist nicht der Fall.
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Der Erlass der Höhenbegrenzungssatzung vom 25.03.2002 war offensichtlich
rechtswidrig. § 86 BauO NRW zählt abschließend auf, in welcher Hinsicht die
Gemeinden zum Erlass örtlicher Bauvorschriften als Satzung befugt sind. Das Maß der
baulichen Nutzung fällt unter diese Vorschrift nicht. Dem gegenüber regelt § 16
Baunutzungsverordnung, dass im förmlichen Verfahren des Erlasses eines
Bebauungsplanes oder Flächennutzungsplanes beispielsweise die Höhe baulicher
Anlagen geregelt werden darf. Die Beklagte hat, indem sie die Höhensatzung vom
23.02.2002 erließ, diese zwingenden gesetzlichen Vorschriften schuldhaft umgangen
und auf dieser erkennbar fehlerhaften Grundlage den Bauantrag abgelehnt. Dies wäre
nur dann unschädlich, wenn sie im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens die
Möglichkeit gehabt hätte, den gewünschten Erfolg, nämlich die Ablehnung des
Baugesuches auch auf rechtmäßige Weise zu erreichen. Das war rechtlich nicht
möglich.
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Vor Wirksamwerden der Flächennutzungsplanänderung hätte die Beklagte die
Möglichkeit der Zurückstellung des Baugesuches nach § 15 Abs. 3 BauGB nicht gehabt,
weil diese Vorschrift erst seit dem Jahre 2004 gilt. Davor bestand die öffentlich-
rechtliche Möglichkeit, zur Sicherung von Planungsabsichten Bauvorhaben
zurückzustellen oder Veränderungssperren zu erlassen, jedenfalls für den Bereich der
Änderung von Flächennutzungsplänen nicht.
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Mit dem Erlaß der Höhenbegrenzungssatzung einzig mit dem Ziel, eine
Ablehnungsmöglichkeit für entsprechende Baugesuche zu schaffen , hat die Beklagte
auch eine drittschützende ihr gegenüber dem Bauantragsteller obliegende Amtspflicht
verletzt.
38
Nach § 35 BauGB und den gleichlautenden Landesvorschriften hätte die von der WWU
GmbH geplante Windenergieanlage innerhalb der Dreimonatsfrist genehmigt werden
können und müssen. Öffentliche Belange standen dem Projekt nicht entgegen.
39
1.
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Als solche kämen zunächst Belange des Luftverkehrs in Betracht. Die erteilte
luftverkehrsrechtliche Genehmigung ist allerdings unter Berücksichtigung des
klarstellenden Schreibens der Bezirksregierung so zu verstehen, dass sie insgesamt für
das Vorhaben gilt. Grundlage des Antrags auf Erteilung dieser Genehmigung waren
beide projektierte Windräder. Dementsprechend bezieht sich auch die Genehmigung
auf beide. Dass später hiergegen Bedenken aufkamen, weil die Genehmigung eine
Gesamthöhe der Anlage von nur 176 m über NN vorsieht, die tatsächliche Höhe der
Anlagen sich aber unter Berücksichtigung der Geländehöhe auf 10 cm mehr beläuft,
ändert hieran nichts. Zudem hätte dieses Problem unstreitig unproblematisch im
Rahmen der Bauausführung gelöst werden können, indem man das Gelände
geringfügig vertieft hätte.
41
2.
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Im Ergebnis hätten der Genehmigungserteilung auch Belange des Schallschutzes nicht
entgegen gestanden. Die Klägerin legt ein Schallschutzgutachten vor, gegen das die
Beklagte bislang inhaltlich keine Einwände erhoben hat. Dass die X das Gutachten
selbst erstellt hat, ist unschädlich, weil es inhaltlich von der Beklagten nicht beanstandet
wird. Angesichts dessen kann auch offen bleiben, ob das Gutachten der Beklagten
bereits im Genehmigungsverfahren vorlag oder ob es tatsächlich erst im
verwaltungsgerichtlichen Prozess vorgelegt wurde. Lag es nämlich nicht vor, so wäre es
Sache der Beklagten gewesen, es unverzüglich im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens anzufordern. Es besteht zwischen den Parteien kein Streit
darüber, dass das Gutachten dann zeitnah hätte vorgelegt werden können und auch
vorgelegt worden wäre, weil es nämlich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bereits erstellt
war.
43
3.
44
Als weiterer entgegenstehender öffentlicher Belang kommt der Aspekt der
Pferdehaltung im benachbarten Gestüt in Betracht. Wie das allgemeine baurechtliche
Gebot der Rücksichtnahme, das als öffentlicher Belang gilt, sind generell auch
Auswirkungen einer Bauplanung auf eine bereits vorhandene Besiedelung und andere
privilegierte Betriebe zu berücksichtigen. Hierzu behauptet die Beklagte, man hätte vor
Genehmigung zunächst die Auswirkungen der Windräder auf die benachbarte
Pferdezucht gutachterlich klären lassen müssen, was jedenfalls so viel Zeit in Anspruch
genommen hätte, dass dann ohnehin die Änderung des Flächennutzungsplanes
wirksam gewesen wäre.
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Die Kammer ist demgegenüber der Überzeugung, dass die Beklagte die Genehmigung
ohne weitere Begutachtung auf der Grundlage des Gutachtens der
Landwirtschaftskammer Rheinland vom 02.04.2002 (Anlage K 25 Bl. 187 d.A.) erteilt
hätte. Danach sieht die Landwirtschaftskammer gegen die Errichtung von zwei
Windkraftanlagen keine grundsätzlichen Bedenken. Dem entspricht es, dass in der
Vorlage des Bürgermeisters der Stadt X (Anlage K 34 Bl. 364 d.A.) für die Sitzung des
Planungsausschusses vom 14.03.2002 die Aufhebung der Höhenbegrenzungssatzung
in Betracht gezogen wurde. Dabei ging die Beklagte davon aus, dass bei einer
Aufhebung der Höhenbegrenzungssatzung die beiden hier streitgegenständlichen
Windkraftanlagen umgehend zu genehmigen wären. Das widerlegt die Behauptung der
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Beklagten, man habe noch umfangreiche Ermittlungen anstellen müssen oder wollen,
bevor man über die Genehmigung entscheide. Gleiches ergibt sich aus einem Vermerk
vom 05.06.2002 (Bl. 432 d.A.), wonach die Ablehnung von Anträgen von
Windkraftanlagen nur auf der Grundlage der Höhenbegrenzungssatzung möglich sei.
Festzuhalten ist damit, dass die Beklagte eine rechtswidrige Satzung erlassen hat, um
die Genehmigung des Projektes der X GmbH nicht erteilten zu müssen, obwohl sie
selbst der Auffassung war, dass die Satzung die einzige Möglichkeit der Verhinderung
des geplanten Projektes war. An dieser Auffassung muß sich die Beklagte festhalten
lassen. Demgegenüber überzeugt die im Termin abgegebene Erklärung der
Beklagtenvertreter nicht, die Vermerke der Verwaltung bezögen sich nur auf die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Vorhaben, während die bauordnungsrechtliche
Seite noch offen gewesen sei. Die Ratsvorlage des Bürgermeisters der Beklagten für
die Sitzung des Planungsausschusses vom 14.03.2002 spricht unzweideutig von der
Notwendigkeit umgehender Genehmigung, nicht dagegen von der Notwendigkeit
weitergehender Prüfung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit der Vorhaben.
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Allein die Tatsache, dass die Beklagte entgegenstehende Planungsabsichten hegte,
hätte nicht zur Versagung der Baugenehmigung führen dürfen und können. Zwar
können generell Planungsabsichten der Gemeinde öffentliche Belange sein, die der
Erteilung einer Baugenehmigung entgegenstehen können. Dabei ist jedoch zu
berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Fall um ein im Außenbereich
privilegiertes Vorhaben handelt (vgl. Backes, Kreuzberger Löhr, BauGB, § 35 Randnr.
69). Diese Privilegierung kann nicht durch reine Planungsabsichten umgangen werden.
Daher können selbst Entwürfe zur Aufstellung oder Änderung eines
Flächennutzungsplanes einer Windenergieanlage nicht entgegengehalten werden.
(OVG Lüneburg, Beschl. V. 12.09.2003, 1 ME 212/03).
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Die Klage ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung bleibt dem
Schlussurteil vorbehalten.
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