Urteil des LG Krefeld vom 08.08.2007

LG Krefeld: öffentliche bekanntmachung, auflage, rechtsnatur, vergütung, lohnpfändung, nettoeinkommen, veranlagung, staat, einkünfte, begriff

Landgericht Krefeld, 6 T 65/07
Datum:
08.08.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 65/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 91 IK 57/05
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Krefeld vom 20.2.2007 wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 433,55 €
Gründe
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I.
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Über das Vermögen des Schuldners ist durch Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom
20.7.2005 wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet worden und der
Beteiligte zu 1) zum Treuhänder ernannt worden.
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Mit Schreiben vom 19.7.2006 hat der Beteiligte zu 1) dem Amtsgericht das Vorliegen
von Masseunzulänglichkeit angezeigt. Mit amtsgerichtlichen Beschluss vom 19.7.2006 (
Bl. 132 ff. d.A.) erfolgte deren öffentliche Bekanntmachung nach § 208 Abs. 2 InsO.
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Am 2.1.2007 erschien der Schuldner zusammen mit seiner Betreuerin beim Amtsgericht
Krefeld und beantragte nach § 850 i ZPO eine Belassung eines Anteils aus der
Einkommenssteuererstattung, die von der Beteiligten zu 2) mit Bescheiden vom
28.8.2006 ( Bl. 142, 143 d. A. ) festgestellt worden sei. Beide
Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005 enthielten den
handschriftlichen Zusatz: "Über die Verwendung des Guthabens erhalten Sie eine
gesonderte Mitteilung."
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Der Beteiligte zu 1) ist diesem Antrag mit Schreiben vom 15.1.2007 entgegengetreten,
da es sich bei der Einkommenssteuererstattung nicht um Arbeitseinkommen handele
und aufgrund dessen die Einkommensteuererstattung im laufenden Insolvenzverfahren
in voller Höhe zur Insolvenzmasse zu ziehen sei. Darüber hinaus habe aufgrund der
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Tatsache, dass der Schuldner die fällige Kfz-Steuer für die Zeit nach Insolvenzeröffnung
nicht geleistet habe, eine Aufrechnung mit der Steuererstattung durch das zuständige
Finanzamt stattgefunden. Dem Insolvenzanderkonto sei lediglich ein Betrag in Höhe
von 433,55 € gutgebracht worden.
Das Amtsgericht Krefeld – Rechtspfleger - hat sich mit Beschluss vom 20.2.2007 der
Argumentation des Treuhänders angeschlossen und den Antrag des Schuldners
zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der dem Schuldner am 24.2.2007 zugestellt
worden ist, hat dieser mit einem am 12.3.2007 bei Gericht eingegangenen Schreiben
ohne weitere Begründung "Widerspruch" eingelegt. Das Amtsgericht – Rechtspfleger -
hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung
vorgelegt. Wegen der von dem Schuldner in der Beschwerdeinstanz nachgeholten
Begründung wird auf sein Schreiben vom 8.3.2007 ( Bl. 159 f. d.A. ) Bezug genommen.
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Die zuständige Einzelrichterin hat das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom
5.6.2007 auf die Kammer übertragen.
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II.
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Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO zulässig. Das Amtsgericht hat
vorliegend als Vollstreckungsgericht ( vgl. Graf-Schlicker, Kommentar zur
Insolvenzordnung, § 36 Rd. 24 ) und nicht als Insolvenzgericht nach Anhörung beider
Parteien und Würdigung des Sachverhaltes eine Entscheidung getroffen. Damit ist die
sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO das richtige Rechtsmittel.
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In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Steuererstattung
des Schuldners ist kein Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 850 ff. ZPO, so dass auch
die Pfändungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff. ZPO i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO nicht
anwendbar sind ( vgl. AG Dortmund, Beschluss vom 21.3.2002 in NZI 2002, 448 f.
m.w.Nw. ).
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Der Begriff des Arbeitseinkommens ist in den Absätzen 2 bis 4 des § 850 ZPO näher
erläutert. Die Steuerrückzahlung fällt nicht unter die fortlaufenden Einkünfte aus einem
Dienst- oder Arbeitsverhältnis ( § 850 Abs. 2 ZPO ), ebenso wenig unter die speziellen
Fälle des § 850 Abs. 3 ZPO. Es handelt sich auch nicht um eine sonstige Vergütung
i.S.d. § 850 Abs. 4 ZPO. Auch § 850 i ZPO greift nicht ein, denn bei der
Steuerrückzahlung handelt es sich nicht um eine nicht wiederkehrende zahlbare
Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste.
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Gegen die Annahme der Rechtsnatur als Arbeitseinkommen sprechen auch die
steuerrechtlichen Vorschriften. Mit dem Zufluss des Arbeitslohns an den Arbeitnehmer
wandelt sich die Rechtsnatur des vom Arbeitgeber einbehaltenen und abzuführenden
Teils des Arbeitseinkommens. Es entsteht der Lohnsteueranspruch des Staates als
Anspruch aus dem Steuerverhältnis. Dies ergibt sich auch aus § 850 e Nr. 1 ZPO. Die
pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens bestimmen sich bei der gewöhnlichen
Lohnpfändung nach dem Nettoeinkommen des Schuldners ( vgl. Stöber,
Forderungspfändung, 14. Auflage, Rd. 1132 ). Stellt sich bei der späteren Veranlagung
heraus, dass zuviel Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden ist, besteht ein
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen aus § 37 AO gegen den
Staat. Die Erstattungsleistung ist mithin kein Teil des Arbeitseinkommens. Ihr kommt
daher auch der für Arbeitseinkommen geltende Pfändungsschutz ( §§ 850 ff, ZPO ) nicht
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zu ( vgl. Stöber, Forderungspfändung, 14. Auflage, Rd. 380, Fn. 67 m.w.Nw. ).
Diese Beurteilung ist weder treu- noch sittenwidrig. Der Schuldner hätte durch Eintragen
von Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte das Entstehen von Überzahlungen verhindern
können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 ZPO zuzulassen, da diese Rechtsfrage
grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.
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