Urteil des LG Krefeld vom 08.11.2006

LG Krefeld: tierhaltung, freies ermessen, vermieter, mietvertrag, widerruf, interessenabwägung, verweigerung, haustier, aufenthalt, vertragsschluss

Landgericht Krefeld, 2 S 46/06
Datum:
08.11.2006
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 S 46/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 10 C 52/06
Schlagworte:
Tierhaltung
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Krefeld
vom 23.05.2006 – 10 C 52/06 – abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Der Kläger begehrt von der Beklagten Zustimmung zur Haltung von zwei Britisch
Kurzhaarkatzen in seiner von der Beklagten angemieteten Wohnung. Die Beklagte
verweigert die Zustimmung.
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Der Mietvertrag der Parteien enthält zur Tierhaltung unter § 8 Ziffer 4 folgende
Regelung:
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"Jede Tierhaltung, insbesondere von Hunden und Katzen, mit Ausnahme von
Ziervögeln und Zierfischen, bedarf der Zustimmung des Vermieters. Dies gilt
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nicht für den vorübergehenden Aufenthalt von Tieren bis zu …Tagen. Die
Zustimmung kann widerrufen bzw. der vorübergehende Aufenthalt untersagt
werden, wenn von dem Tier Störungen und/oder Belästigungen ausgehen."
Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen in dem angefochtenen Urteil
Bezug genommen wird, hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, selbst wenn
der Beklagten als Vermieterin freies Ermessen für ihre Entscheidung zuzubilligen sei,
stelle sich ihre Verweigerung als rechtsmissbräuchlich dar. Denn die Beklagte habe in
der Vergangenheit unstreitig zwei anderen Mietern die Hundehaltung gestattet und ein
Grund für eine Ungleichbehandlung der Mieter läge nicht vor. Von Wohnungskatzen
könnten gerichtsbekannter Maßen keinerlei Beeinträchtigungen anderer Mieter oder der
Beklagten ausgehen.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, die Beklagte sei in
ihrem Ermessen nicht durch die früher erteilten Zustimmungen zur Tierhaltung
gebunden, welche im Übrigen nicht vergleichbar seien, da es sich in den anderen
Fällen um Hunde gehandelt habe und diese jeweils schon bei Mietvertragsbeginn
vorhanden gewesen seien, weshalb – wie schon in erster Instanz vorgetragen - eine nur
für die Lebensdauer des jeweiligen Hundes beschränkte Genehmigung der
Hundehaltung erteilt worden sei.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des am 23.05.2006 verkündeten Urteils des
Amtsgerichts Krefeld (10 C 52/06) abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil und vertritt die Auffassung, wegen der
vorangegangenen Genehmigungen der Tierhaltung könne eine weitere Tierhaltung nur
bei Vorliegen von sachlichen Gründen abgelehnt werden. Dass es sich in den anderen
Fällen um Hunde und nicht um Katzen gehandelt habe, spiele keine Rolle, zumal von
Hauskatzen geringere Belästigungen ausgingen als von Hunden. Ebenso sei
unerheblich, ob die vorangegangenen Genehmigungen befristet gewesen seien, was er
im Übrigen in der Berufungserwiderung erstmals bestreitet.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten
kein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu der von ihm beabsichtigten
Katzenhaltung zu.
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Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Haltung von Hunden und Katzen
in Mietwohnungen erlaubt ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
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Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es zunächst darauf an, ob die Parteien insoweit
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im Mietvertrag eine Regelung getroffen haben oder nicht. Vorliegend haben die Parteien
in § 8 des Mietvertrages ein Tierhaltungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt vereinbart. Eine
solche formularmäßige Regelung ist nach ganz herrschender Auffassung grundsätzlich
wirksam, wenn – wie hier - Kleintiere wie Ziervögel und Zierfische von dem Verbot
ausgenommen sind und für die Zustimmung kein Schriftformerfordernis aufgestellt wird
(vgl. nur Rechtsentscheid des OLG Hamm vom 13.01.1981, WuM 81, 53 f; Blank, NZM
98, 5, 8 m.w.N.).
Streitig ist bei wirksamen Klauseln dieser Art aber, ob der Vermieter die Erlaubnis nach
freiem Ermessen versagen darf oder ob hierfür Sachgründe vorliegen müssen.
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Nach der in der Rechtsprechung überwiegend, insbesondere auch vom OLG Hamm in
seinem Rechtsentscheid vom 13.01.1981 vertretenen Auffassung, unterliegt die
Entscheidung des Vermieters, ob er im Einzelfall die Zustimmung erteilt, seinem freien
Ermessen (z.B. LG Göttingen, WuM 91, 536; LG Köln, DWW 94, 185; LG Bonn, ZMR 89,
179). Hiernach wird das Ermessen des Vermieters nur durch die nach § 242 BGB
geltenden Grundsätze, insbesondere durch das Verbot missbräuchlichen oder
treuwidrigen Verhaltens begrenzt. Nach anderer Auffassung muss der Vermieter eine
Interessenabwägung vornehmen und kann die Erlaubnis zur Tierhaltung nur versagen,
wenn hierfür gewichtige und überzeugende Sachgründe vorliegen (Blank, a.a.O.
m.w.N.).
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Die Kammer schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Wenn in dem Mietvertrag
für die Erteilung der Zustimmung keine Maßstäbe gesetzt sind, kann als
übereinstimmender Wille der Vertragsparteien nur angenommen werden, dass der
Vermieter die Zustimmung nach seinem Willen erteilen oder versagen dürfe und in
seinem Willen frei sei. Eine einschränkende Auslegung der Klausel dahingehend, dass
das Ermessen des Vermieters gebunden ist, ist auch nicht deshalb geboten, weil das
Halten von Hunden und Katzen in einem Mietobjekt für den Fall, dass eine
ausdrückliche vertragliche Regelung fehlt, als vertragsgemäß anzusehen wäre und der
Mieter deshalb in Fällen wie dem vorliegenden bei Vertragschluss davon ausgehen
darf, der Vermieter werde, wenn er schon seine Zustimmung erteilen müsse, in seinem
Ermessen doch gebunden sein (OLG Hamm, a.a.O.). Denn nach zutreffender und von
der Kammer geteilter Auffassung gehört die Haltung größerer Tiere wie Katzen und
Hunde wegen der nie ganz auszuschließenden Gefahr der Gefährdung oder
Belästigung von Mitbewohnern eines Mietshauses oder Nachbarn jedenfalls in
Mehrfamilienhäusern nicht mehr zum vertragsgemäßen Gebrauch und ist daher
grundsätzlich nicht ohne Erlaubnis des Vermieters gestattet.
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Für die hier vorgenommene Auslegung spricht vorliegend zudem der Umstand, dass in
§ 8 Ziffer 4 des Mietvertrages für den Widerruf einer erteilten Zustimmung zur
Tierhaltung ausdrücklich bestimmt ist, dass dieser erfolgen kann, wenn von dem Tier
Störungen und/oder Belästigungen ausgehen. Dem Vermieter sind also für den Fall des
Widerrufs der Zustimmung ausdrückliche Maßstäbe für einen solchen Widerruf an die
Hand gegeben, während diese für den Fall einer erbetenen Zustimmung nicht genannt
werden. Auch dies spricht für den Willen der Vertragspartner, dem Vermieter solle
anders als beim Widerruf insoweit ein Ermessen schlechthin eingeräumt werden (vgl.
auch OLG Hamm a.a.O.).
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Der vom Bundesverfassungsgericht anerkannte eigentumsähnliche Charakter der Miete
steht einer solchen Auslegung ebenfalls nicht entgegen (problematisiert bei Schmidt-
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Futterer, Mietrecht, 8. Aufl. § 535 Rn. 462), da sich der Kläger als Mieter mit der
Regelung in § 8 Ziffer 4 des Mietvertrages selbst gebunden und auf das freie Ermessen
des Vermieters in dieser Frage eingelassen hat. Anders als bei der Frage der
Zulässigkeit von Parabolantennen, bei der Art. 5 GG zu berücksichtigen ist, kann sich
der Mieter vorliegend auch nicht auf weitere Grundrechte als Art. 2 und 14 GG berufen,
so dass eine Interessenabwägung mit Ermessensbindung nicht aus
verfassungsrechtlichen Gründen stattzufinden hat (so aber wohl Schmidt-Futterer,
a.a.O., § 535 Rn. 472).
Die Verweigerung der Zustimmung durch die Beklagte ist schließlich nicht als
rechtsmissbräuchlich anzusehen. Dabei kann offenbleiben, ob allein der Umstand, dass
anderen Mietern in dem Objekt die Tierhaltung gestattet wurde, überhaupt schon den
Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB begründen könnte. Denn hier liegt
jedenfalls kein Fall willkürlicher und ungerechtfertigter Ungleichbehandlung vor, weil die
Sachlage sich bei den beiden anderen Mietern, denen die Beklagte zuvor die
Zustimmung zur Hundehaltung erteilt hatte, anders darstellte. Denn abgesehen davon,
dass die Zustimmungserteilung in diesen beiden Fällen bereits vor längerer Zeit
erfolgte, besaßen jene Mieter im Gegensatz zu dem Kläger ihr Haustier schon bei
Vertragsschluss und die Beklagte gestattete die Hundehaltung im Hinblick auf die
bestehende emotionale Bindung der Mieter zu dem vorhandenen Tier. Diese Mieter
hätten den Mietvertrag mit der Beklagten nach deren unbestrittenem Vortrag jeweils
nicht abgeschlossen, wenn ihnen die Hundehaltung nicht gestattet worden wäre. Der
Kläger hat den Mietvertrag demgegenüber in dem Wissen abgeschlossen, dass eine
zukünftige Tierhaltung nur bei Zustimmung der Beklagten möglich sein würde. Es fehlt
daher an einer Vergleichbarkeit. Soweit der Kläger in der Berufung bestritten hat, dass
die zuvor erteilten Zustimmungen jeweils befristet, nämlich bezogen auf das
vorhandene Haustier, erteilt wurden, ist sein Vortrag neu und damit gemäß § 531 Abs.2
ZPO nicht zuzulassen. Davon abgesehen änderte sich selbst dann, wenn dieser Vortrag
zuträfe, wegen der anderen Ausgangslage bei Vertragsschluss nichts an der
Bewertung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 7, 711 ZPO.
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Die Revision wird gemäß § 543 Abs.2 ZPO zugelassen.
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