Urteil des LG Krefeld vom 30.09.2003

LG Krefeld: mwst, angemessene entschädigung, aufwand, händler, unterlassen, halter, reparatur, unterliegen, verkehr, nebenpflicht

Landgericht Krefeld, 12 O 84/03
Datum:
30.09.2003
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 84/03
Tenor:
1. Unter Klageabweisung im übrigen werden die Be-
klagten verurteilt,
es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbe-
werbs Autohäusern und/oder Kraftfahrzeughänd-
lern und/oder KFz-Reparaturbetrieben "Aufwands-
entschädigungen" für die Erteilung eines Gut-
achtensauftrags auf dem Gebiet von Kraftfahrzeug-
schäden anzubieten bzw. anzukündigen und/oder ge-
mäß den Ankündigungen zu verfahren, insbesondere
wenn dies wie folgt geschieht:
" Für jeden vermittelten Gutachtensauftrag er-
halten Sie nach Rechungsstellung eine Auf-
wandsentschädigung von 50 EURO zuzügl. MWSt."
2. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird den Beklagten
ein Ordnungsgeld von jeweils 250.000 EURO und für
den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden
kann, wird den Geschäftsführern der Beklagten zu 1)
bzw. dem Beklagten zu 2) eine Ordnungshaft oder an-
stelle des Ordnungsgeldes den Geschäftsführern der
Beklagten zu 1) bzw. dem Beklagte zu 2) sofort eine
Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Die Kosten des Verfahrens fallen den Beklagten
zur Last.
4. Das Urteil ist gegenüber beiden Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von je 6.000,00 EURO
vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) versteht sich als bundesweiter Sachverständigenservice. Sie wird
werbend in zweierlei Richtung tätig:
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a)
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Zum einen wendet sie sich an Kfz-Sachverständige. Mit Anschreiben Bl. 50 d.A. bietet
sie ihnen eine Zusammenarbeit an. Dem "A-Stützpunktpartner" offeriert sie örtlichen
Gebietsschutz im Umkreis von 25 km. Sie betreibe für ihn Werbung und Marketing und
vermittele ihm sämtliche in seinem Gebiet eingehenden Gutachtensaufträge gegen
einen Beitrag von 39,90 EURO monatlich und gegen 69,00 EURO je vermitteltem
Auftrag als Aufwandsentschädigung und Bearbeitungsgebühr.
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b)
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Zum anderen wendet sie sich an Autohäuser bzw. Kfz-Händler und/oder Kfz-
Reparaturbetriebe. Ihr Ziel sei es, qualifizierte Sachverständige zu vermitteln. Sie bitte,
Fälle, in denen zu Unfallschäden Gutachten einzuholen seien, ihr mitzuteilen.
Umgehend werde sich dann ein von ihr vermittelter Sachverständiger melden, um den
Schaden aufzunehmen. Für jeden so vermittelten Gutachtensauftrag zahle sie nach
Rechnungstellung eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 EURO zuzügl. MWSt..
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Die Klägerin hält das Vorgehen unter b) für wettbewerbswidrig. Es sei unvereinbar mit
einem freien Leistungswettbewerb. Die Beklagte verleite die angesprochenen
Autohäuser, Kfz-Händler und Kfz-Reparaturbetriebe dazu, bei der Auswahl des
Sachverständigen nicht im Interesse ihres Auftraggebers, des geschädigten Halters,
nach Sachkunde oder dergleichen Kriterien zu entscheiden, sondern sich leiten zu
lassen von dem Interesse, von der Beklagten 50 EURO zuzügl. MWSt. als
"Aufwandsentschädigung" zu kassieren. Ein zu entschädigernder Aufwand liege nicht
vor. Es gehe, ähnlich wie bei einer Bestechung, darum, durch finanziellen Anreiz einen
Entscheidungsprozeß in unsachlicher Weise zu beeinflussen.
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Die Klägerin beantragt,
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1.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen.
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es zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
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"Aufwandsentschädigungen" oder sonstige Vorteile für
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die Erteilung eines Gutachterauftrages auf dem Gebiet
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von Kraftfahrzeugschäden zu unterbreiten und/oder
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gemäß den Ankündigungen zu verfahren, insbesondere
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wenn dies wie folgt geschieht:
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" für jeden vermittelten Gutachtenauftrag erhalten
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Sie nach Rechnungsstelle eine Aufwandsentschädigung
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in Höhe von 50 EURO zuzügl. MWSt.".,
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2.
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den Beklagten für jeden Fall des Verstoßes gegen die
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vorstehende Verpflichtung Ordnungsgeld oder Ordnungs-
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haft in jeweils gesetzlich höchstzulässiger Höhe, die
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Ordnungshaft bezüglich der Beklagten zu 1) zu voll-
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ziehen an ihren Geschäftsführern, anzudrohen.
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Die Beklagten
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bitten um Klageabweisung.
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Sie leugnen einen Wettbewerbsverstoß. Der Betrag von 50 EURO zuzügl. MWSt. sei
eine angemessene Entschädigung für die angesprochenen Betriebe, denen Aufwand
entstehe bei der gebotenen Untersuchung der beschädigten Kraftfahrzeuge, bevor sie
den Schaden bei ihr meldeten, um sich von ihr geeignete Sachverständige vermitteln zu
lassen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klägerin obsiegt ganz überwiegend.
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I.
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Die Klägerin hat nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 umfassende Verbandsklagebefugnis (vergl.
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BGH GRUR 1995, 122), wie die Beklagten nicht in Zweifel ziehen.
II.
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Beide Beklagten sind passivlegitimiert. Ist der verfolgte Unterlassungsanspruch gegen
die Beklagte zu 1) gegeben, ist auch der Beklagte zu 2) zur Unterlassung verpflichtet.
Denn als Organvertreter der Beklagten zu 1) ist er ggf. Mitstörer (vergl. die Nachweise
bei Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., UWG Einl. RdNr. 329).
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III.
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Der Antrag der Klägerin war in mehrerer Hinsicht korrekturbedürftig.
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1.
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Da ein Unterlassen in Frage steht, gibt es keine Gesamtschuldnerschaft der Beklagen.
Beide können nur selbstständig - ein jeder für sich - zur Unterlassung verurteilt werden.
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2.
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Der Antrag der Klägerin läßt offen, an wen sich die Beklagte zu 1) mit ihren
Werbeschreiben Anl. K 1 und K 1a gewandt hat. Daß Autohäuser, Kfz-Händler und Kfz-
Reparaturbetriebe die Angesprochenen sind, war klarstellend aufzunehmen.
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3.
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Eine "Aufwandsentschädigung" hat die Beklagte zu 1) den Angesprochenen angeboten.
Deshalb hat die Kammer in dem Antrag zu 1. der Klägerin das Wort "zu unterbreiten"
ersetzt durch die Worte "anzubieten bzw. anzukündigen".
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4.
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Der Diktatfehler "nach Rechnungsstelle" statt nach "Rechnungsstellung" war zu
berichtigen.
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5.
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Der Antrag der Klägerin ist aber auch zu weit gefaßt. Die Beklagte hat ausschließlich
eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 EURO zuzügl. MWSt. angeboten, nicht
auch "sonstige Vorteile", wie es etwa sein könnten ein Präsent, Geneigtheit einer
jungen Dame oder andere Dinge, die als angenehm empfunden werden. Soweit die
Klägerin in ihrem Klageantrag zu 1. auch das Anbieten "sonstiger Vorteile" verboten
sehen will, löst sie sich von der konkreten Verletzungsform. Insoweit ist ihr Antrag nicht
gerechtfertigt. Es geht nur um die Zuwendung von Geld, bisher angeboten in Höhe von
50,00 EURO zuzügl. MWSt..
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IV.
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Nach Maßgabe der Richtigstellungen unter III.- 1. bis 4. und in der Begrenzung, die sich
aus dem unter III.5. Gesagten ergibt, obsiegt die Klägerin.
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Die Kammer folgt ihr darin, daß ein Verstoß gegen die Grundsätze des freien
Leistungswettbewerbs und damit ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegt.
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Zentraler Grundgedanke des Leistungswettbewerbs ist es, daß im Wettbewerb der eine
Wettbewerber den anderen auf Dauer durch die bessere Leistung (Baumbach-
Hefermehl, aaO, Allg. RdNr. 22) überflügelt. Daraus folgt, daß Wettbewerbshandlungen
unzulässig sind, die darauf angelegt sind, die Entscheidung nach sachlichen, an der
Leistung anknüpfenden Kriterien von vorneherein zu unterbinden. Auf eben das läuft
das Vorgehen der Beklagten zu 1) hinaus. Durch das Unfallgeschehen Geschädigter ist
der jeweilige Kfz-Halter. Ihm geht es darum, durch einen Gutachter, den er beauftragt,
feststellen zu lassen, wie hoch der Schaden ist, um Klarheit zu gewinnen über die Art
und Weise, in der der Schaden ggf. gegenüber Kaskoversicherer oder Unfallgegner
abzurechnen ist. Da er i.d.R. Laie ist, der darum, welcher Sachverständige tunlichst
gewählt werden sollte, nicht weiß, wendet er sich an "sein" Autohaus, "seinen" Kfz-
Händler bzw. "seinen" Kfz-Reparaturbetrieb, durch das/den er ggf. die Reparatur, so sie
noch lohnt, vornehmen lassen will, m.d.B., ihm einen geeigneten Sachverständigen zu
beschaffen. Aus dem Vertragsverhältnis zu dem Geschädigten ist der jeweilige Betrieb
in Form einer vertraglichen Nebenpflicht gehalten, nach sachlichen Kriterien
auszuwählen, d.h. ausschließlich ausgerichtet an den Fragen, (1) welche Güte des
Gutachtens der Sachverständigen erwarten läßt, (2) binnen welcher Zeit er - die Sachen
sind naturgemäß eilbedürftig - zur Verfügung steht und (3) wie hoch er ggf. liquidieren
wird. Die "Aufwandsentschädigung" von 50 EURO zuzügl. MWSt., die die Beklagte
offeriert, ist keine Entschädigung für Aufwand, der den Angesprochenen entsteht. Das
schon deshalb nicht, weil diese aus dem Vertragsverhältnis mit dem jeweiligen
Geschädigten, ihrem Auftraggeber, verpflichtet sind, sich selbst vor Benennung eines
geeigneten Sachverständigen klug zu machen über den annähernden Umfang der
Schäden, und, kommt es zur Reparatur, diesen Aufwand einfliessen lassen in die
Reparaturkostenrechnung, die sie dem Geschädigten erteilen und die letztlich beglichen
werden soll entweder von diesem selbst oder von dessen Kasko-Versicherer oder vom
Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Da ein von Seiten eines Dritten
auszugleichender Aufwand auf Seiten der Angesprochenen folglich nicht besteht, wirkt
das Angebot der Beklagten zu 1) wie ein Bestechungsgeld. Es verleitet die
Angesprochenen gegenüber den Geschädigten, ihren Auftraggebern, zu nicht
vertragsgerechtem Verhalten, nämlich dazu, sich bei der Auswahl des
Sachverständigen, den sie dem Geschädigten vorschlagen bzw. den sie in dessen
Vertretung beauftragen, pflichtwidrig nicht nach den o.g. sachlichen Kriterien
auszurichten, sondern sich leiten zu lassen von dem finanziellen Vorteil, der ihnen
entsteht, empfehlen sie bzw. beauftragen sie über die Beklagte zu 1) deren "A-
Stützpunktpartner". Das Angebot der Beklagten zu 1) verspricht ihnen einen Vorteil in
Höhe von 50,00 EURO zuzügl. MWSt., weil sie selbstverständlich die Zahlung der
Beklagten nicht anspruchsmindernd - als von dritter Seite schon geleistet auf die
Verbindlichkeit des Geschädigten - in die Abrechnung mit ihrem Auftraggeber
aufnehmen, sondern ihren Aufwand gegenüber dem geschädigten Kfz-Halter voll
abrechnen werden, um die angebotene "Aufwandsentschädigung", wie der Beklagten
zu 1) bewußt ist, als angenehm empfundenes und gerne entgegengenommenes
"Aufgeld" für sich zu vereinnahmen.
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V.
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Der Ausspruch unter Ziff. 2. des Tenors beruht auf § 890 ZPO.
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VI.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 100 Abs. 1, 709 ZPO. Mit den Kosten
waren gänzlich die Beklagten zu belasten. Die Korrekturen unter III. 2. bis 4. sind nur
klarstellender Art. Daß die Beklagten, wie unter III.1. dargelegt, selbstständig haften -
jeder für sich - und nicht als Gesamtschuldner, führt nicht zu einem Teil-unterliegen der
Klägerin. Ein teilweises Unterliegen der Klägerin liegt nur vor, soweit die Kammer in das
Unterlassungsverbot aus den Gründen unter III.5. nicht das Anbieten "sonstiger Vorteile"
aufgenommen hat. Dieses Teilunterliegen kann gemäß § 92 ZPO bei der
Kostenverteilung vernachlässigt werden.
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VII.
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Streitwert: 10.000 EURO
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