Urteil des LG Krefeld vom 12.02.2010

LG Krefeld (erblasser, grundstück, vermächtnis, erbmasse, haus, ehefrau, bruder, grundbuch, nachlass, anordnung)

Landgericht Krefeld, 5 O 352/09
Datum:
12.02.2010
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 352/09
Tenor:
Der Beklagte wird - gesamthänderisch mit den weiteren Miterben X und
X (die außergerichtlich zur Auflassung bereit sind) - verurteilt, aus dem
Nachlass des am 27.07.2007 verstorbenen X das im Grundbuch von X,
Blatt 1686, eingetragene Grundstück in der Gemarkung X, Flur 19,
Flurstück 215/9, Hof und Gebäudefläche, X, mit einer Größe von 1.007
qm, an die Klägerin aufzulassen und die entsprechende
Eigentumsänderung im Grundbuch zu bewilligen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Parteien sind – neben einem weiteren Bruder - die Kinder des am 27.07.2007
verstorbenen Erblassers. Auch die Mutter der Parteien ist zwischenzeitlich verstorben,
zuvor hatte sie den Nachlass nach ihrem Ehemann ausgeschlagen.
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Der Erblasser war Eigentümer zweier Grundstücke, nämlich X und in X. Deren
Eigentümer ist nunmehr die Erbengemeinschaft, bestehend aus den Parteien und ihrem
Bruder.
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Der Erblasser hatte handschriftlich als Zusatz zu seinem Testament (Bl. 9 GA) – mit dem
er seine Ehefrau zur unbeschränkten Vorerbin eingesetzt hatte - verfügt: "das Haus X
geht an X (…) und darf nicht verkauft werden. im Verkaufsfalle in Erbmasse."
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Der nicht verklagte weitere Bruder der Parteien ist mit der Grundstücksübertragung auf
die Klägerin einverstanden.
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Die Klägerin ist der Auffassung, mit dem Testamentszusatz habe der Erblasser zu ihren
Gunsten ein Vermächtnis angeordnet. Hintergrund sei, dass ihre Brüder bereits zu
Lebzeiten Häuser finanziert erhalten hätten. Das Ziel des Erblassers sei gewesen, dass
jedes seiner Kinder ein Haus habe. So habe der Beklagte 1991 den Betrag von 180.000
DM vom Erblasser erhalten.
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Es sei dem Erblasser darauf angekommen, dass sie, die Klägerin, auf jeden Fall das
o.g. Grundstück erhalte: Den Nachtrag habe er aufgesetzt, um zu verhindern, dass das
Haus unter die Vorerbschafts-Regelung falle und seine Ehefrau ggf. darüber verfüge.
Sie, die Klägerin, sei unstreitig 1988/89 auf Wunsch der Eltern – auch mit ihrer Kanzlei –
in dieses Haus gezogen. Unstreitig habe der Erblasser 1993 – da ihr die
Räumlichkeiten zu eng geworden seien - den Mietern des Dachgeschosses gekündigt
und dieses ab Sommer 1994 an sie vermietet. Es habe ihr daher vorab – nicht erst im
Nacherbfall – zukommen sollen.
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Mit einer Teilungsanordnung sei dieser Zusatz nicht vereinbar, da es bei der
Vorerbschaft ja keinen auf die Kinder zu teilenden Nachlass gegeben habe.
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Mit der Klausel "Darf nicht verkauft werden" habe sich der Erblasser allein an seine
Ehefrau gewandt. Nur wenn sie, die Klägerin, das Vermächtnis ausgeschlagen hätte,
hätte das Grundstück veräußert werden dürfen und der Erlös wäre in die Erbmasse
gefallen.
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Sie beantragt,
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den Beklagten - gesamthänderisch mit den weiteren Miterben X und X (die
außergerichtlich zur Auflassung bereit sind) - zu verurteilen, aus dem Nachlass
des am 27.07.2007 verstorbenen X das im Grundbuch von X, Blatt 1686,
eingetragene Grundstück in der Gemarkung X, Flur 19, Flurstück 215/9, Hof und
Gebäudefläche, X, mit einer Größe von 1.007 qm, an sie aufzulassen und die
entsprechende Eigentumsänderung im Grundbuch zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, bei dem Zusatz zum Testament handele es sich um eine bloße
Teilungsanordnung. Denn da der Erlös im Veräußerungsfalle der Erbmasse zufallen
solle, habe der Erblasser gewollt, dass der Wert des Hauses wirtschaftlich gesehen
allen drei Miterben zu gleichen Teilen zustehe.
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Entgegen der Darstellung der Klägerin habe er seine Immobilie aus eigenen Mitteln
finanziert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den
Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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1.
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Die nur gegen den Beklagten gerichtete Klage ist zulässig, es bedurfte nicht der Klage
gegen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft.
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Die Klage auf Auflassung eines Grundstücks kann gegen einen einzelnen Miterben
gerichtet werden, sofern die übrigen leistungsbereit sind (OLG Naumburg, Urteil vom
16.01.1997, NJW-RR 1998, 308 f.).
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Der weitere Bruder der Parteien ist mit der Auflassung des streitgegenständlichen
Grundstücks auf die Klägerin einverstanden. Der Beklagte hat sein hierauf bezogenes
anfängliches Bestreiten nicht mehr aufrechterhalten, nachdem die Klägerin unter
Vorlage der Vertragsentwürfe dargelegt hat, dass ihr Bruder zunächst gewollt habe,
dass der Bürovorsteher des Notars als vollmachtloser Vertreter für ihn auftrete und
sodann sogar erklärt habe, den Notartermin selbst wahrnehmen zu wollen.
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2.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks
und Umschreibung im Grundbuch aus Vermächtnis, §§ 2150, 2174 BGB.
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Der Erblasser hat zugunsten der Klägerin ein Vermächtnis angeordnet.
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Dies folgt aus der Auslegung seiner Verfügung, das Haus X gehe an die Klägerin und
dürfe nicht verkauft werden, im Verkaufsfalle in Erbmasse.
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Bei der Auslegung, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis gewollt gewesen
ist, sind für die Abgrenzung wesentlich der Begünstigungswille und der
Vermögensvorteil, also die vom Erblasser gewollte wertmäßige Verteilung des
Nachlasses: Wollte der Erblasser einem Miterben einen Mehrwert zusätzlich zu seinem
Erbteil zuwenden, so liegt ein (Voraus-)Vermächtnis vor. Sollte nach dem Willen des
Erblassers eine solche Wertverschiebung ausgeschlossen sein, indem der betreffende
Miterbe einen entsprechenden Ausgleich aus seinem eigenen Vermögen zahlen muss,
handelt es sich um eine Teilungsanordnung. Hierbei braucht eine Ausgleichspflicht
nicht ausdrücklich oder konkludent vom Erblasser bestimmt worden zu sein. Vielmehr
spricht das Schweigen des Testaments immer für einen Wertausgleich. Ist der
Erblasserwille nicht zu ermitteln, muss seiner Regelung der Sinn zugrunde gelegt
werden, der seinem mutmaßlichen Willen am ehesten entspricht. Ein dem Erblasser
bekannter objektiver Vermögensvorteil wird dabei Indiz für einen Begünstigungswillen
sein (Palandt/Edenhofer, BGB-Komm., 68. Aufl., § 2058 Rz. 5 f.)
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Der von dem Erblasser mit der Zusatzklausel verfolgte Zweck kann nicht unmittelbar
ermittelt werden. Er hat sich zu dieser Klausel nicht zu Lebzeiten erklärt.
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Daher ist sein mutmaßlicher Wille zu ermitteln.
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Der Erblasser war Kaufmann. Er wusste, dass er der Klägerin (im Nicht-Verkaufsfall) ein
bestimmtes Vermögensobjekt und damit einen gesonderten Vorteil zuwendete, da er für
die Verteilung seines übrigen Vermögens keine Anordnung traf. Allein für den Fall des
Verkaufs des streitgegenständlichen Grundstücks sollte dessen Wert / Erlös in die
Erbmasse fallen und somit allen Miterben zugute kommen. Auf diese Weise schloss der
Erblasser eine Ausgleichspflicht der Klägerin für den Nicht-Verkaufsfall aus. Bei der
Nichtveräußerung des Grundstücks sollte insoweit keine wertmäßige Verteilung auf alle
Miterben erfolgen.
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Des Weiteren fügt sich die Zusatzklausel zeitlich in die unstreitige Anmietung weiterer
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Räume in dem Objekt X durch die Klägerin. Die klägerische Behauptung, der Erblasser
habe aus diesem Grund mit der Zusatzklausel sicherstellen wollen, dass sie auf jeden
Fall das Haus bekomme, ist schlüssig und nachvollziehbar.
Schließlich sind die weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers zu
berücksichtigen: Seine Ehefrau sollte – so die ausdrückliche Anordnung -
unbeschränkte Vorerbin sein. Sie hätte also gemäß §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB
unentgeltlich über das streitgegenständliche Grundstück verfügen können – es somit
letztlich der Klägerin entziehen können. Denn eine nur auf dieses Grundstück bezogene
beschränkte Vorerbenstellung folgt auch nicht aus der Zusatzklausel "darf nicht verkauft
werden", da sie sonst dem weiteren Passus "im Verkaufsfall in Erbmasse"
widerspräche. Der Erblasser wollte nicht seine Ehefrau in der Verfügungsmacht
hinsichtlich dieses Grundstücks beschränken, sondern vielmehr dieses Grundstück von
vornherein der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft entziehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Streitwert: 51.000,00 Euro.
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