Urteil des LG Krefeld vom 20.12.2006

LG Krefeld: satzung, umwandlung, geschäftsjahr, erhöhung des grundkapitals, corporate governance, aufsichtsrat, unternehmen, stimmrecht, auflage, hinterlegung

Landgericht Krefeld, 11 O 70/06
Datum:
20.12.2006
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 70/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Die Nebenintervenienten
tragen ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,-- Euro
vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 50.000,-- Euro.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Nichtigerklärung, hilfsweise Nichtigkeit- bzw.
Unwirksamkeitsfeststellung der in der Hauptversammlung der Stamm- und
Vorzugsaktionäre der Beklagten am 26. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 5
gefassten Beschlüsse, durch welche den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern Entlastung
für das Geschäftsjahr 2005 erteilt wurde sowie des unter Tagesordnungspunkt 7.1.
gefassten Beschlusses über die Umwandlung der Vorzugsaktien in stimmberechtigte
Stammaktien mit den daraus folgenden Änderungen der Satzung sowie des unter
Tagesordnungspunkt 7.2 gefassten Sonderbeschlusses der Stammaktionäre über die
Umwandlung.
2
Der Kläger ist Aktionär der Beklagten und war zur Hauptversammlung angemeldet. Er
hält eine Vorzugsaktie und war bereits im Zeitpunkt vor der Bekanntmachung der
Tagesordnung Aktionär der Beklagten. Er wurde in der Hauptversammlung von einem
anderen Aktionär vertreten, der in seinem Namen gegen die streitgegenständlichen
Beschlüsse Widerspruch zu Protokoll erklärte.
3
Die Einladung zur Hauptversammlung und zur gesonderten Versammlung der
Vorzugsaktionäre erfolgte am 28.03.2006 im elektronischen Bundesanzeiger unter
Bekanntmachung der Tagesordnung. Als Teilnahmebedingung war in der Einladung
4
angegeben, dass diejenigen Aktionäre zur Teilnahme berechtigt seien, die sich bis zum
Ablauf des 19. Mai 2006 unter Vorlage eines Nachweises ihres Aktienbesitzes, der sich
auf den Beginn des 05. Mai 2006 beziehe, anmelden. In der Einladung wurde ferner
bestimmt, dass im Falle einer Hinterlegung die von der Hinterlegungsstelle
auszustellende Bescheinigung bis zum Ablauf des 08. März 2006 bei der Beklagten
einzureichen sei. Laut § 18 der Satzung der Beklagten ist zur Teilnahme an der
Hauptversammlung berechtigt, wer seine Aktien spätestens bis zum 5. Werktag vor der
Hauptversammlung bei einer Hinterlegungsstelle hinterlegt und die
Hinterlegungsbescheinigung am 1. Werktag nach Ablauf der Hinterlegungsfrist bei der
Gesellschaft eingereicht hat.
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Krefeld, deren
Grundkapital eingeteilt ist in 13.800.000 Stamm- und 9.200.000 Vorzugsaktien. Die für
die Vorzugsaktien vorgesehene Vorzugsdividende in Höhe von 0,21 Euro wurde seitens
der Beklagten für einem Zeitraum von fünf Jahren nicht mehr ausgezahlt. Ca. 99,64 %
der Stammaktien und ca. 94 % des Grundkapitals hält das Vorstandsmitglied X als
Geschäftsführer der Y Verwaltungs-GmbH. Die Beklagte ist zum amtlichen Markt an der
Düsseldorfer Börse zugelassen. Sie verfügt über einen Vorstand und drei
Aufsichtsratmitglieder sowie vier Beschäftigte.
5
Wegen vorangegangener schlechter Geschäftsjahre weist die Bilanz der Beklagten für
das Geschäftsjahr 2005 noch einen erheblichen Bilanzverlust von rund 5,4 Millionen
Euro aus, obwohl in diesem Jahr ein Konzernjahresüberschuss erwirtschaftet wurde.
6
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Entlastungsbeschlüsse seien nichtig bzw. anfechtbar,
da dem Aufsichtsrat keine Entlastung habe erteilt werden dürfen. Zum einen habe sein
Bericht für das Geschäftsjahr 2005 nicht den gesetzlichen Anforderungen an die
Berichtspflichten einer börsennotierten Gesellschaft entsprochen, da er formelhaft sei
und weitgehend Passagen aus den Berichten vorangegangener Geschäftsjahre
übernehme. Auch habe der Aufsichtsrat nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl
von vier Sitzungen in dem Geschäftsjahr abgehalten, sondern - wie unstreitig ist -
lediglich drei Sitzungen. Im Übrigen sei die Entsprechungserklärung unvollständig, da -
wie ebenfalls unstreitig ist - in Abweichung zu den Empfehlungen des Deutschen
Corporate Governance Kodex (im folgenden DCGK) die Gesamtvergütung der
Aufsichtsratsmitglieder nicht fixe und variable Bestandteile, sondern lediglich -
entsprechend der Satzung der Beklagten - fixe Bestandteile erhalte. Es fehle an einem
Abweichungsvermerk in der Entsprechendserklärung. Auch seien die Grundzüge des
Vergütungssystemes bezüglich der Vorstandsmitglieder nicht erläutert. Die
Entsprechendserklärung sei zudem lediglich für das Jahr 2005 zugänglich gemacht,
nicht aber für die vorherigen Jahre.
7
TOP 7 sei anfechtbar, weil der Vorstand sich keine Erkenntnisse über den Wert der
verschiedenen Aktiengattungen beschafft habe.
8
Der Kläger beantragt,
9
1.
10
den am 26. Mai 2006 von der Hauptversammlung der Beklagten unter dem
Tagesordnungspunkt 5 "Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder
des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2005" gefassten Beschluss dem Mitglied
11
des Aufsichtsrats Herrn X für das Geschäftsjahr 2005 Entlastung zu erteilen für
nichtig zu erklären,
2.
12
den am 26. Mai 2006 von der Hauptversammlung der Beklagten unter dem
Tagesordnungspunkt 5 "Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder
des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2005" gefassten Beschluss dem Mitglied
des Aufsichtsrats Herrn Z für das Geschäftsjahr 2005 Entlastung zu erteilen für
nichtig zu erklären,
13
3.
14
den am 26. Mai 2006 von der Hauptversammlung der Beklagten unter dem
Tagesordnungspunkt 5 "Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder
des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2005" gefassten Beschluss dem Mitglied
des Aufsichtsrats Herrn A für das Geschäftsjahr 2005 Entlastung zu erteilen für
nichtig zu erklären,
15
4.
16
den am 26. Mai 2006 von der Hauptversammlung der Beklagten unter dem
Tagesordnungspunkt 7.1 gefassten Beschluss über die Umwandlung der
Vorzugsaktie in stimmberechtigte Stammaktien durch die Aufhebung des
Vorzugs sowie die sich hieraus ergebenden Änderungen der Satzung
17
a)
18
Die von der Gesellschaft ausgegebenen Vorzugsaktien werden da-
19
durch in Stammaktien mit Stimmrecht umgewandelt, dass der in § 27
20
Abs. 3 der Satzung geregelte Vorzug der Vorzugsaktien aufgehoben
21
wird.
22
b)
23
Aus Anlass der Umwandlung gemäß lit. A werden folgende Vorschriftender
Satzung geändert:
24
aa)
25
§ 4 Abs. 2 der Satzung erhält die folgende Fassung:
26
"Es ist eingeteilt in 23.000.000 Stückaktien".
27
bb)
28
§ 4 Abs. 3 der Satzung wird gestrichen.
29
cc)
30
§ 4 Abs. 4 der Satzung wird § 4 Abs. 3 und erhält die folgendeFassung:
31
"Der Vorstand ist gemäß §§ 202 ff. AktG ermächtigt, bis zum 18. Mai
32
2010 das Grundkapital der Gesellschaft mit Zustimmung des Aufsichtsrats
einmalig oder mehrfach um bis zu insgesamt Euro 15.000.000 durch Ausgabe
von bis zu 10.000.000 neuen auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem
auf die einzelne Aktie entfallenden anteiligen Grundkapital von Euro 1,50 gegen
Bar- oder Sacheinlagen zu erhöhen (Genehmigtes Kapital 2005). Ausgegeben
werden dürfen jeweils auf den Inhaber lautende Stammaktien. Dabei ist den
Aktionären grundsätzlich ein Bezugsrecht einzuräumen. Die neuen Aktien
können auch von einem durch den Vorsand bestimmten Emissionsunternehmen
im Sinne des § 186 Abs. 5 AktG mit der Verpflichtung übernommen werden, sie
den Aktionären anzubieten (mittelbares Bezugsrecht).
33
Der Vorstand ist jedoch ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das
Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Ein Bezugsrechtsausschluss ist nur
für folgende Zwecke zulässig:
34
Wenn die Aktien gegen Bareinlagen ausgegeben werden, um Unternehmen,
Beteiligungen an Unternehmen oder Unternehmensteile zu erwerben; zur
Gewinnung von Sacheinlagen in Form von Unternehmen, Beteiligungen an
Unternehmen bzw. Unternehmensteilen; zu Sanierungszwecken; zur Ausgabe
von Belegschaftsaktien, auch an Arbeitnehmer der Tochterunternehmen der
Gesellschaft; für den Ausgleich von Spitzenbeträgen; wenn die Aktien gegen
Bareinlagen zu einem Ausgabebetrag ausgegeben werden, der den
Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet und der Bezugsrechtsausschluss für
neue Aktien erfasst, deren rechnerischer Wert 10 % des Grundkapitals nicht
übersteigt (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG); auf diesen Tatbestand darf im Rahmen
der Ausnutzung des Genehmigten Kapitals 2005 ein Bezugsrechtsausschluss
nur einmal gestützt werden. Über den weiteren Inhalt der Aktienrechte und die
Bedingungen der Aktienausgabe entscheidet der Vorstand mit Zustimmung des
Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, die Fassung von § 4 Absätze 1,
2 und 3 der Satzung (Höhe und Einteilung des Grundkapitals, Genehmigtes
Kapital 2005) nach teilweiser oder vollständiger Durchführung der Erhöhung
des Grundkapitals oder nach Ablauf der Ermächtigungsfrist entsprechend
anzupassen".
35
dd)
36
§ 21 der Satzung erhält die folgende Fassung:
37
"§ 21 Stimmrecht
38
Jede Aktie gewährt in der Hauptversammlung eine Stimme. Falls Aktien nicht
voll eingezahlt sind, beginnt das Stimmrecht mit der Leistung der gesetzlichen
Mindesteinlage".
39
ee)
40
§ 27 Abs. 3 der Satzung wird gestrichen. Die nachfolgenden Absätze des § 27
rücken jeweils um einen Absatz vor, für nichtig zu erklären,
41
5.
42
den am 26. Mai 2006 von der Hauptversammlung der Beklagten unter dem
Tagesordnungspunkt 7.2 gefasste Sonderbeschluss der Stammaktionäre mit
dem Wortlaut:
43
"Die Stammaktionäre der Gesellschaft stimmen dem heutigen
Hauptversammlungsbeschluss über die Umwandlung der Vorzugsaktien in
stimmberechtigte Stammaktien durch die Aufhebung des Vorzugs sowie die
sich hieraus ergebenden Änderungen der Satzung gemäß Tagesordnungspunkt
7.1 zu".
44
für nichtig zu erklären.
45
6.
46
Hilfsweise zu den zu 1) bis 5) gestellten Anträgen werden wir beantragen,
festzustellen, dass diese Beschlüsse unwirksam sind.
47
Die Beklagte beantragt,
48
die Klage abzuweisen.
49
Sie vertritt die Ansicht, die Beschlüsse seien wirksam gefasst. Ferner fehle es dem
Kläger an einer Anfechtungsbefugnis zu TOP 7.2, da dieser Beschluss alleine von den
Stammaktionären gefasst worden sei. Im übrigen fehle es diesbezüglich - sowie auch zu
TOP 7.1 - am Tatsachenvortrag innerhalb der Anfechtungsfrist. Auch sei die Klage
rechtsmissbräuchlich, da der Kläger "Berufskläger" sei und ausschließlich für den
eigenen Vorteil handele, was sich schon daraus ergebe, dass er lediglich über eine
einzige Vorzugsaktie verfüge.
50
Bezüglich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen verwiesen.
51
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
52
I.
53
Die Klage ist zulässig. Es mangelt ihr nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Unabhängig von
der Frage, ob das Fehlen dieser Voraussetzung - wie bei der Nichtigkeitsklage - zur
Unzulässigkeit der Klage oder - wie im Falle der Anfechtungsklage - lediglich zu ihrer
Unbegründetheit führen würde (vgl. OLG Stuttgart in DB 2001, 321 (330)), ist ein
Rechtsmissbrauch der Klage im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Grundsätzlich
bedarf es - sofern die formalen Voraussetzungen erfüllt sind - eines berechtigten
Eigeninteresses zur Klageerhebung nicht. Demgemäss kann die Klageerhebung nur in
Ausnahmefällen, für die die Beklagte die Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich
angesehen werden (vgl. OLG Stuttgart a. a. O., Seite 329).
54
Ein solcher Ausnahmefall kommt nach ständiger Rechtsprechung dann in Betracht,
wenn der Kläger in Wahrheit weder berechtigte Interesse als Teilhaber des
Unternehmens noch allgemeine Aktionärsinteressen verfolgt, sondern wenn er sein
Klagerecht in zweckentfremdender Weise dazu nutzt, eigennützige Interessen zu
verfolgen. Davon ist dann auszugehen, wenn er die Gesellschaft in grob eigennütziger
Weise zu einer Leistung zu veranlassen sucht, auf die er keinen Anspruch hat und die er
billigerweise nicht verlangen kann (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; Tielmann in HAB,
Handbuch zum Aktienrecht, 2. Auflage, Abschnitt 18.01 d) m.w.N.).
55
Entscheidend für diese Beurteilung ist dabei eine Gesamtbetrachtung, wobei auf die
Verwerflichkeit gegebenenfalls nur aus Indizien geschlossen werden kann. In der Regel
sind mehrere Indizien für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit erforderlich (vgl.
OLG Stuttgart a.a.O. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Diese Indizien sind im
vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Lediglich der Umstand, dass - die Richtigkeit dieser
Behauptung der Beklagten unterstellt - der Kläger bereits mehrere Anfechtungsprozesse
angestrengt hat, reicht angesichts des Umstandes, dass ein berechtigtes Eigeninteresse
nicht erforderlich ist, nicht aus, auch wenn man berücksichtigt, dass er lediglich eine
einzige Vorzugsaktie besitzt. Weitere Indizien werden seitens der Beklagten nicht
vorgetragen.
56
II.
57
Die Klage ist indes unbegründet. Zwar liegt die Anfechtungsbefugnis des Klägers in
überwiegendem Umfange vor. Hierbei handelte es sich nicht um eine
Sachurteilsvoraussetzung; vielmehr hat die Anfechtungsbefugnis materiell-rechtlichen
Charakter mit der Folge, dass bei ihrem Fehlen die Klage als unbegründet abzuweisen
ist (BGH AG 1992, 448; OLG Karlsruhe WM 1987, 533). Unstreitig ist der Kläger
Vorzugsaktionär der Beklagten. Durch Vorlage einer entsprechenden
Bankbescheinigung hat er zudem nachgewiesen, dass er die Aktionärsstellung bereits
vor Bekanntgabe der Tagesordnung zu der Hauptversammlung vom 26.05.2006 am
28.07.2006 inne hatte. Er war zur Hauptversammlung angemeldet und wirksam
vertreten. Der Vertreter hat in seinem Namen gegenüber den streitgegenständlichen
Beschlüssen Widerspruch zu Protokoll erklärt.
58
Indes fehlt es ihm an der Anfechtungsbefugnis, soweit er den unter TOP 7.2 gefassten
Zustimmungsbeschluss der Stammaktionäre zu dem unter Tagesordnungspunkt 7.1
gefassten Hauptversammlungsbeschluss über die Umwandlung der Vorzugs- in
Stammaktien angreift. Wie unstreitig ist, ist der Kläger lediglich Vorzugsaktionär. Er ist
somit nicht anfechtungsbefugt, da er nicht zu den Stammaktionären gehört, die allein
diesen Beschluss gefasst haben (vgl. dazu Hüffer in Hüffer, Aktiengesetz, 7. Auflage, §
179, Randnummer 48 m.w.N.). Soweit zu dieser Frage die Ansicht vertreten wird, dass
bei der Anfechtung eines Sonderbeschlusses jeder Aktionär klagebefugt sein soll (vgl.
Zöllner in KK, Aktiengesetz, 7. Auflage, § 138 Randnummer 14), folgt die Kammer
dieser Auffassung nicht, da danach die Klagebefugnis unnötigerweise auf eine
Aktionärsgattung erweitert würde, die an der Beschlussfassung nicht beteiligt war. Eine
solche Erweiterung zum Schutze der Vorzugsaktionäre ist auch nicht geboten, da in
dem Fall einer Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien Sonderbeschlüsse jeder
Aktionärsgattung getroffen werden müssen, so dass eine Anfechtungsbefugnis sowohl
der Stamm- als auch der Vorzugsaktionäre jeweils für den von dieser Gattung
betroffenen Sonderbeschluss gegeben ist.
59
Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht der Gesichtspunkt, dass gleichzeitig
60
Satzungsänderungen beschlossen worden sind. Zum einen sind diese Änderungen
bereits unter TOP 7.1 gefasst worden und unterliegen in diesem Zusammenhang der
Anfechtungsbefugnis des Klägers. Zum anderen hat der Kläger insoweit keine
Anfechtungsgründe gegen diesen Beschluss binnen Monatsfrist vorgetragen. Vielmehr
lässt sich aus seiner Begründung zu der Unwirksamkeit des unter TOP 7.1 gefassten
Beschlusses entnehmen, dass er sich lediglich gegen die Umwandlung der Vorzugs- in
Stammaktien wendet und im Übrigen die Beschlussfassung nicht angreifen will.
61
Insoweit ist die zulässige Klage als unbegründet abzuweisen.
62
III.
63
Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Nichtigkeit der mit der Nichtigkeitsklage
angegriffenen Beschlüsse nicht gegeben. Die Nichtigkeitsgründe sind aufgezählt in §
241 Aktiengesetz. Einziger von den Klägern in das Verfahren eingeführter Mangel ist ein
Einberufungsmangel, zu dem die Kläger 2 – 5 geltend machen, die Beklagte habe die
Frist zur Einreichung der Hinterlegungsbescheinigung falsch berechnet und hierdurch
die Rechte derjenigen Aktionäre verkürzt, die sich im Wege der Hinterlegung zur
Teilnahme an der Hauptversammlung legitimieren wollten. Zudem seien diejenigen
Aktionäre, die ihre Aktien entsprechend der Satzung hinterlegen, nicht gleich behandelt
worden mit denjenigen, die entsprechend den neuen Teilnahmebedingungen lediglich
einen Nachweis erbringen, da dieser noch bis zum 19.05.2006 gestattet gewesen sei.
64
Dieser von den übrigen Klägern vorgetragene Grund ist jedoch kein sich aus § 241 Nr. 1
in Verbindung mit § 121 Abs. 3 AktG ergebender Nichtigkeitsgrund, sondern dieses
Vorbringen würde lediglich die Anfechtbarkeit des Beschlusses gemäß § 123 AktG
begründen (vgl. dazu Hüffer, Aktiengesetz, 6. Auflage, § 241, Randnummer 11 m.w.N.
aus der Rechtsprechung). Obwohl der Kläger auf diesen Unwirksamkeitsgrund nicht
näher eingeht, ist - unabhängig von der Frage, ob er sich das Vorbringen der übrigen
Kläger zu eigen machen kann - nicht von einer Verfristung auszugehen. Entsprechend
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich die Kammer anschließt, ist für
den Umfang der Darlegungslast ausreichend, wenn der Kläger den maßgeblichen
Lebenssachverhalt, aus dem er die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will,
vorträgt (vgl. dazu BGH in AG 2005, 395, 397 a.E.). Dies hat der Kläger mit der
Aufzählung der Teilnahmebedingungen in der Einladung zur Hauptverhandlung erfüllt.
65
Indes ist nicht ersichtlich, dass ein Verstoß gegen § 123 Aktiengesetz durch eine
Verkürzung der Rechte der Aktionäre vorliegt. Zum einen ist festzustellen, dass in der
Einladung als Voraussetzungen zur Teilnahme an der Hauptversammlung alternativ die
bis zum 19. März 2006 mögliche Anmeldung oder die Einreichung einer von der
Hinterlegungsstelle auszustellenden Bescheinigung bis zum Ablauf des 08. März 2006
genannt sind. Da auch jedem Aktionär die Möglichkeit offen stand, sich durch
Einreichung eines besonderen Nachweises bis zum 19. Mai 2006 zu legitimieren, kann
angesichts dieses tatsächlich existierenden Wahlrechts eine Verkürzung von
Aktionärsrechten nicht gesehen werden. Diese Nachweismöglichkeit stand auch
denjenigen Aktionären offen, die ihre Aktien in Depotverwahrung haben, da auch in
einem solchen Falle eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt wird.
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Zum anderen entsprechen die von der Beklagten genannten Teilnahmebedingungen
der Satzung der Beklagten. Die weitere Geltung der Satzung ist in der
Übergangsvorschrift des § 16 Satz 2 AktG gestattet mit der Maßgabe, dass für den
Zeitpunkt der Hinterlegung oder der Ausstellung eines sonstigen
Legitimationsnachweises auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung
abzustellen ist. Diese Maßgabe wurde durch die Formulierung der
Teilnahmebedingungen eingehalten. Die Übergangsvorschrift des § 16 AktG enthält
hingegen keine Bestimmung für den Tatbestand der Hinterlegung, so dass hier die
Satzung weiter Anwendung finden kann. Soweit hiermit eine Benachteilung der sich
durch Hinterlegung Anmeldenden erreicht wird, ist diese Ungleichbehandlung im
Hinblick darauf hinzunehmen, dass sie zum einem vom Gesetzgeber bewusst in Kauf
genommen und zum anderen wegen des Überganges und der notwendigen Anpassung
der Satzungen zwangsläufig zeitlich kurz begrenzt ist. Der Gesetzgeber wollte vor allem
die Gefahr einer Doppelvertretung vermeiden.
67
IV.
68
Die Klage ist zudem unbegründet, soweit der Kläger die unter TOP 5 gefassten
Entlastungsbeschlüsse anficht. Nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung, der
sich die Kammer anschließt, unterliegt ein Entlastungsbeschluss der Anfechtung, wenn
Gegenstand der Entlastung ein Verhalten des Vorstandes im zurückliegenden
Geschäftsjahr ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder
Satzungsverstoß darstellt oder wenn bei der Entlastungsentscheidung die Teilnahme-
und Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch einen Verstoß gegen
Rechnungslegungs-, Rechenschafts- und Auskunftspflichten verletzt werden (vgl. nur
OLG Stuttgart in AG 2006, 379 (380) m.w.N. aus der Rechtsprechung; BGH in NJW
2005, 828 (829)).
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Ein solcher Verstoß liegt nicht in der von dem Kläger gerügten angeblichen Verletzung
der Berichtspflichten gemäß § 171 AktG. Nach dieser Vorschrift hat der Aufsichtsrat in
seinem Bericht über das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses, des
Lageberichts und des Vorschlages über die Verwendung des Bilanzgewinnes auch
mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfange er die Geschäftsführung der
Gesellschaft während des Geschäftsjahres geprüft hat. Sinn und Zweck dieser
Berichterstattung ist die Informations- und Rechenschaftsfunktion als
Entscheidungsgrundlage für die Aktionäre in der Hauptversammlung bei der Ausübung
ihrer gesetzlichen Rechte.
70
Eine Verletzung des § 171 AktG ist im vorliegenden Fall indes nicht ersichtlich. Nach
einer differenzierten Betrachtungsweise, der die Kammer folgt, ist eine in der Praxis
übliche verkürzte Berichterstattung, die sich darstellt als Wiedergabe floskelhafter
Bezeichnungen, dann ausreichend, wenn das Geschäftsjahr entsprechend den
Planungen verläuft und die finanzielle Situation der Gesellschaft gesichert ist. Eine
Intensivierung der Überwachungspflicht wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten
einhergehend mit einer Intensivierung der Berichtspflicht ist dagegen nur dann geboten,
wenn sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet oder
risikoträchtige, wichtige Entscheidungen zu treffen sind (vgl. dazu OLG Stuttgart, a.a.O.,
Seite 381).
71
Unter Abwägung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall keine intensivierte
Berichtspflicht notwendig. Der Kläger zeigt keinerlei Besonderheiten auf, die auf
72
wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens oder risikoträchtige Entscheidungen
hinweisen. Die Beklagte trägt demgegenüber unwidersprochen vor, die noch vor drei
Jahren das Unternehmen beherrschenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien einer
erfolgreichen Geschäftstätigkeit gewichen.
Darüber hinaus besteht der Bericht des Aufsichtsrates nicht nur aus einer floskelhaften
Bestätigung, wie sie in der Praxis weit verbreitet ist. Vielmehr geht daraus hervor, dass
der Aufsichtsrat verschiedene Geschäftsführungsmaßnahmen wie den Erwerb der
Geschäftsanteile an der B GmbH & Co. KG sowie der C GmbH und den Weiterverkauf
beaufsichtigt und geprüft hat .
73
V.
74
Aufgrund der oben dargestellten Situation ist eine Verletzung der Aufsichtspflicht des
Aufsichtsrates auch nicht darin zu sehen, dass er trotz der im Gesetz vorgeschriebenen
vier Aufsichtsratssitzungen im vergangenen Geschäftsjahr lediglich drei Sitzungen
abgehalten hat. Hier gelten nach Ansicht der Kammer die gleichen Maßstäbe, die für
eine Intensivierung der Berichtspflicht angelegt werden müssen. Die gesetzlich
vorgesehenen Sitzungen sind unbedingt erforderlich, sofern wirtschaftliche
Schwierigkeiten eine intensivierte Überwachung gebieten. Liegen diese jedoch
ersichtlich nicht vor, so führt der Umstand, dass entgegen der gesetzlichen Vorgaben
lediglich drei Sitzungen abgehalten wurden, nicht zu dem Ergebnis, dass der
Aufsichtsrat seiner Aufsichtspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist. Bestätigt wird
diese Auffassung durch die Entscheidung des Gesetzgebers, an einer Verletzung der
Pflicht, vier Sitzungen abzuhalten, keine Sanktionen zu knüpfen. Bisher gibt es lediglich
Überlegungen dazu, die Einkünfte der Aufsichtsratsmitglieder entsprechend zu kürzen.
75
Im übrigen fanden - wie seitens des Klägers nicht bestritten wurde - die
Aufsichtsratssitzungen jeweils im Vorfeld der zu treffenden
Unternehmensentscheidungen des Geschäftsjahres 2005 statt. Auf diesen wurden
diese Maßnahmen durch den Vorstand erläutert, vom Aufsichtsrat geprüft und von ihm
nach Billigung beschlossen. Ferner fand im Vorfeld der ordentlichen Hauptversammlung
die Bilanzsitzung des Aufsichtsrates statt. Bei diesem Sachverhalt - die Kläger tragen
nicht die Notwendigkeit einer weiteren Aufsichtsratssitzung vor, sondern berufen sich
lediglich auf den starren Gesetzestext - kann die Verletzung der Vorschrift angesichts
der Anforderungen, die einen Entlastungsbeschluss anfechtbar machen, nicht als
ausreichend angesehen werden, um diese Anfechtbarkeit zu begründen.
76
Da zudem nicht ersichtlich ist, inwieweit die unterlassene 4. Sitzung ein für die
Urteilsfindung des Klägers wesentliches Element bildete, ist auch keine Verletzung von
Informationspflichten ersichtlich, die im Lichte der von der Rechtsprechung entwickelten
Wesentlichkeitstheorie Bestand haben könnte.
77
VI.
78
Die Anfechtungsklage des Klägers hat in der Sache auch nicht deshalb Erfolg, weil die
von der Beklagten veröffentlichte Entsprechungserklärung unvollständig ist. Von einer
solchen Unvollständigkeit ist auszugehen, soweit die Vergütung des Vorstandes
betroffen ist, da sie eine Darstellung der Grundzüge des Gesamtvergütungssystemes
nicht enthält. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Gesellschaft ein oder
mehrere Vorstandsmitglieder hat. Der Wortlaut der Vorschrift bietet für eine
79
unterschiedliche Behandlungsweise keine Handhabe, denn der Begriff des
"Vergütungssystemes" beinhaltet entgegen der Auffassung der Beklagten nicht
zwangsläufig die Beschränkung auf mehrere Vorstandsmitglieder. Auch ist keine
sachliche Rechtfertigung für eine Unterscheidung gegeben, da nicht ersichtlich ist, dass
das Interesse der Anteilseigner an der Darlegung des Vergütungssystems geringer ist,
wenn es lediglich um die Vergütung eines Vorstandsmitgliedes geht. Angesichts der
klaren Fassung der Anforderungen der DCGC vermag auch der Hinweis auf eine
Unvereinbarkeit der Anforderung mit §§ 286 Abs. 5, 314 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht zu
überzeugen. Diese Disharmonie bestände im übrigen nicht nur bei einem
Alleinvorstand, sondern auch bei mehreren Vorständen.
Die Beklagte hat den Empfehlungen des DCGC auch nicht Genüge getan mit der
Mitteilung, dass Erklärungen zum Vergütungssystem nicht abgegeben würden. Allein
80
diese negative Mitteilung ist keine Darstellung des Vergütungssystemes in allgemein
verständlicher Form. Doch gilt auch insoweit die bereits dargestellte, von der
Rechtsprechung aufgestellte Einschränkung, dass ein Verhalten des Aufsichtsrates nur
dann der Entlastung entgegensteht, wenn es einen schwerwiegenden Gesetzes - oder
Satzungsverstoß darstellt. Die Kammer stuft indes den Verstoß gegen die
Empfehlungen nicht als schwerwiegend ein.
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Nicht vorzuwerfen ist den Aufsichtsratsmitgliedern, dass ihre Vergütungsregelung von
den Empfehlungen des Kodex abweicht, da dieser insoweit unverbindliche
Verhaltensempfehlungen enthält und den Unternehmen Möglichkeiten bietet, von den
Kodexregeln abzuweichen, wovon die Beklagte Gebrauch gemacht hat. Soweit sie dies
nicht in der Entsprechungserklärung veröffentlicht hat, liegt hierin zwar eine
Pflichtverletzung. Eine solche Pflichtverletzung muss jedoch - wie bereits ausgeführt -
einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhalten, um einen
Entlastungsbeschluss anfechtbar zu machen (vgl. nur BGH in NJW 2003, 1032 (1033)).
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Wie bereits ausgeführt, ist die grundsätzliche
unternehmerische Entscheidung nicht zu überprüfen, da der Kodex insoweit eine
Abweichung von den Empfehlungen gestattet. Die Nichtabgabe der
Entsprechungserklärung ist nicht schwerwiegend, denn aus der im Internet
veröffentlichten Satzung der Beklagten ist ohne weiteres erkennbar, dass die
Vergütungsregelung des Aufsichtsrates von den Empfehlungen des Kodex abweicht.
Ein Nachteil zu Lasten der Aktionäre ist durch die Regelung als solche schon nicht
ersichtlich und würde im übrigen dadurch aufgehoben, dass jeder Aktionär durch
Einsichtnahme in die Satzung die Abweichung erkennen kann. Soweit der Kläger
moniert, dass die Veröffentlichungen der letzten Jahre fehlen, hat die Beklagte durch
den Ausdruck ihrer Webseite nachgewiesen, dass sie die Entsprechungserklärungen
der Vorjahre auf der Webseite tatsächlich zugänglich macht. Gegenteiliger Vortrag
seitens des Klägers ist daraufhin nicht mehr erfolgt.
82
VII.
83
Die Klage des Klägers hat auch keinen Erfolg, soweit er sich gegen den unter TOP 7.1
gefassten Hauptversammlungsbeschluss der Vorzugsaktionäre wendet. Grundsätzlich
ist zu berücksichtigen, dass ein Hauptversammlungsbeschluss keiner sach-
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lichen Rechtfertigung bedarf (vgl. BGH a.a.O., Seite 1035). Er hat allein
unternehmerischen Charakter und ist von der Hauptversammlung zu treffen. Somit steht
85
es im Ermessen der Aktionäre zu entscheiden, ob ihnen die Maßnahme im Interesse der
Gesellschaft zweckmäßig und geboten erscheint. Der Schutz der Minderheitsaktionäre
ist durch die aktienrechtlichen Klagemöglichkeiten sowie durch die die einzelnen
Aktionäre treffende Treuepflicht hinreichend gewahrt.
Allerdings kann ein solcher Beschluss anfechtbar sein, wenn - wie der Kläger hier
geltend macht - das Informationsrecht der Aktionäre verletzt wird. Gemäß § 131 Abs. 1
Satz 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand
Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit dies zur
sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist; das
heißt, als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt wird (vgl. BGH in NJW
2005, 228 (229)). Insoweit macht der Kläger geltend, der Vorstand habe sich nicht
hinreichend informiert, ob das Umtauschverhältnis 1:1 der Vorzugsaktien in
Stammaktien den Marktverhältnissen entspreche. Dies stellt jedoch keine Verletzung
des Informationsinteresses des Aktionärs dar, da eine wahrheitsgemäße Information
seitens des Vorstandes erteilt und ihm keine Informationen vorenthalten wurden, die zu
einer sachgerechten Beurteilung der Beschlussfassung erforderlich waren. In der
Antwort des Vorstandes ist auch keine Auskunftsverweigerung zu sehen, denn
angesichts der – wie noch auszuführen sein wird – kaum zu bemessenden
Wertdifferenz zwischen den Aktiengattungen ist dem Vorstand nicht vorzuwerfen, dass
er keine näheren Auskünfte erteilen konnte.
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Daher hat die Beklagte auch nicht gegen ihre Pflicht verstoßen, die Wertdifferenzen
zwischen den Vorzugsaktien und den Stammaktien zu berücksichtigen. Der Kläger hat
nicht substantiiert vorgetragen, dass eine solche Wertdifferenz tatsächlich besteht. Der
Vortrag, dass es - sofern beide Aktienwertungen zum Börsenhandel zugelassen seien -
fast ausschließlich zu unterschiedlichen Marktpreisen komme, die entweder der einen
oder der anderen Aktienwertung einen höheren Wert zusprechen, reicht hierfür nicht
aus. Vielmehr zeigt dieser Vortrag, dass die Kursverläufe der Stamm- und
Vorzugsaktien sowohl in die eine Richtung als auch in die andere Richtung gehen
können, so dass eine Benachteiligung der Vorzugsaktionäre nicht zwingend ist. Soweit
der Kläger vorträgt, für den offensichtlich höheren Wert der Vorzugsaktien spreche der
Kursrückgang nach Bekanntgabe der Tagesordnung, kann dies angesichts der
ständigen Kursschwankungen nicht als zwingendes Argument angeführt werden.
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Infolge dessen ist auch das von dem Kläger zu 3) angebotene
Sachverständigengutachten nicht einzuholen, da es sich mangels greifbarer
Anhaltspunkte hierbei um eine Beweiserhebung ins Blaue hinein handeln würden.
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Auch eine Ungleichbehandlung gemäß § 53 a Aktiengesetz ist in dem
Umwandlungsbeschluss nicht zu sehen. Grundsätzlich kann ein
Umwandlungsbeschluss, der eine Satzungsänderung darstellt, wirksam gefasst werden,
wenn - wie hier - die Zustimmung der Vorzugsaktionäre mit ausreichender ¾-Mehrheit
vorliegt. Einer besonderen materiellen Rechtfertigung bedarf es nicht. Lediglich eine
sachwidrige Bevorzugung bzw. willkürliche Ungleichbehandlung von Aktionären darf
nicht vorliegen. Diese kann eventuell vorliegen, wenn die Vorzugsaktien einen höheren
Kurswert haben, dieser aber bei der Umwandlung nicht berücksichtigt wird. Hierzu fehlt
es indes - wie bereits ausgeführt - an substantiiertem Vortrag. Hinzu kommt, dass das
Gesetz selbst die Grundvoraussetzungen in § 141 Abs. 1 Aktiengesetz festlegt. In dieser
Vorschrift ist nicht die Rede davon, dass den Vorzugsaktionären eine Entschädigung für
den Wegfall ihres Dividendenvorzuges zu gewähren ist. Auch die Satzung der
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Beklagten bestimmt dies nicht. Die Forderung des Klägers würde indes eine solche
Entschädigung als weitere Voraussetzung in das Gesetz hinein interpretieren.
Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass eine solche Entschädigungspflicht, wie der
Kläger sie fordert, in der Praxis die Erlangung der Zustimmung der Stammaktionäre zu
einem solchen Umwandlungsbeschluss sehr erschweren würde, da mit der
Beschlussfassung eine finanzielle Sonderlast der Aktiengesellschaft begründet würde,
die den Stammaktionären keinen Vorteil brächte. Der Umwandlungsbeschluss führt im
Gegenteil dazu, dass ihr Stimmrecht durch die Vielzahl der hinzukommenden Stimmen
verwässert wird.
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Schließlich ist zu berücksichtigen, dass den Vorzugsaktionären der Vorzug gewährt
wird als Gegenleistung für ihren Verzicht auf ihr Stimmrecht. Da mit der Umwandlung ihr
Stimmrecht jedoch wieder auflebt, ist nicht ersichtlich, warum der Vorzug, sollte er sich
tatsächlich auf den Kapitalmarkt niederschlagen, ausgeglichen werden soll.
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Letztendlich ist - wie sich bereits aus dem Vortrag des Klägers hierzu ergibt- ohnehin
kaum zu ermitteln, wie das Verhältnis der Vorzugsaktien zu den Stammaktien zu
bewerten ist, wenn nicht beide Gattungen börsennotiert sind. Infolgedessen kann der
Beklagten nicht vorgeworfen werden, diese am Kapitalmarkt nicht zu treffende
Unterscheidung nicht gekannt zu haben. Eine Ungleichbehandlung lässt sich jedenfalls
daraus nicht herleiten.
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Ein Aktionär muss zudem in gewissen Grenzen Eingriffe in sein Mitgliedschaftsrecht, die
ihn in unter den konkreten Umständen des Einzelfalles ungleich stärker als andere
Gesellschafter belasten, hinnehmen, wenn eine genügend große Anzahl der Aktionäre
es im Gesamtinteresse des Unternehmens für notwendig hält, der Gesetzgeber das
damit verfolgte Ziel als schutzwürdig anerkennt und Willkür ausgeschlossen ist (vgl.
BGH in NJW 1978, 540 (541)). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Grundsätzlich ist die
Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien möglich. Die genügend große
Mehrheit ist im vorliegenden Fall erreicht. Diesem Gesichtspunkt wird bereits mit dem
¾-Mehrheitserfordernis in § 141/179 Aktiengesetz Genüge getan. Zur Willkür liegen
weder Anhaltspunkte vor noch hat der Kläger hierzu substantiiert vorgetragen.
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Nicht ausreichend hierfür ist allein der Umstand, dass der Hauptaktionär mit seiner
Mehrheit die Umwandlung beschließen kann. Er ist durch die gesellschaftsrechtliche
Treuepflicht der Aktionäre untereinander gebunden. Dass er mit seiner Stimmabgabe
hiergegen verstoßen hat, ist nicht ersichtlich, denn aus unternehmerischer Sicht ist der
Umwandlungsbeschluss durchaus sinnvoll. Da ihn auch keine erhöhten
Rücksichtspflichten treffen (vgl. hierzu OLG Frankfurt in ZIP 2006, 370 (373)), hindert ihn
alleine der Umstand, dass mit diesem Beschluss zwangsläufig ein Vorteil für ihn erreicht
wird, nicht an der Stimmabgabe.
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Schließlich wird dem Kläger sein Recht, die Aktie jederzeit zu veräußern, nicht
genommen. Deren Verkehrsfähigkeit bleibt erhalten.
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VIII.
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Soweit der Kläger dem Hauptaktionär der Beklagten vorwirft, durch die Aufhebung des
Gewinnvorzuges einen Sondervorteil erlangt zu haben, greift diese Rüge nicht durch.
Zwar mag der Beschluss rein faktisch zu einem finanziellen Vorteil des Hauptaktionärs
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führen, doch ist dieser Vorteil lediglich eine Folgewirkung des gesetzlich vorgesehenen
und zulässig gefassten Beschlusses der Umwandlung von Vorzugsaktien in
Stammaktien. Dieser Vorteil ist lediglich Folge, nicht jedoch eine sachwidrige, mit den
Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre unvereinbare Bevorzugung. Die
Durchsetzung der Mehrheitsherrschaft oder der Egoismus des damit verfolgten Zweckes
macht alleine noch keinen verbotenen Sondervorteil aus (vgl. Karsten Schmidt,
Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, § 28 I b; OLG Frankfurt a.a.O., Seite 373).
Darüber hinaus ist bereits zu berücksichtigen, dass ein Sondervorteil ohne Rücksicht
auf die Art seiner Erlangung jedweder Vorteil ist, sofern es bei einer Gesamtwürdigung
der Fallumstände als sachwidrige, mithin Interessen der Gesellschaft oder ihrer
Aktionäre unvereinbare Bevorzugung erscheint, dem Aktionär oder einem Dritten
Vorteilserwerb zu gestatten. Hiervon kann jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein,
denn eine Gesamtwürdigung der Umstände ergibt, dass die Abschaffung der
Vorzugsaktien keineswegs sachwidrig ist, sondern von wirtschaftlicher Vernunft
getragen ist. Allgemein lässt sich erkennen, dass die Vorzugsaktie an Bedeutung
verloren hat. Zum einen ist sie im neuen Markte bereits nicht mehr zum Handel
zugelassen. Zum anderen kann lediglich eine Aktiengattung an der Börse notiert
werden. Zudem hat die Deutsche Börse den bereits international geltenden Grundsatz
übernommen, dass bei der Auswahl der Werte eine Aktie für einen bestimmten Index
jede Aktiengattung eines Unternehmens separat gewertet wird. Hinzu kommt aus Sicht
der Gesellschaft, dass das Bestehen unterschiedlicher Aktiengattungen einen
rechtlichen Aufwand mit sich bringt, der im vorliegenden Fall anhand der geringen
Größe bei der Beklagten besonders ins Gewicht fällt.
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IX.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I , 101 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 709 ZPO.
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