Urteil des LG Krefeld vom 25.11.1987

LG Krefeld (besitz, zwangsverwaltung, grundbuch, entstehung, vertrag, beschwerde, mieter, eintragung, abtretung, sache)

Landgericht Krefeld, 6 T 317/87
Datum:
25.11.1987
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 317/87
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 42 L 87/87
Tenor:
Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 20.000,00 DM
(G r ü n d e:
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Die Gläubigerin hat die Zwangsverwaltung beantragt aus einer in Abteilung III/1 im
Grundbuch von Krefeld eingetragenen Briefgrundschuld wegen Forderungen aus
Zinsen in Höhe von 172.091,50 DM und 827.908,50 DM in die Miteigentumsanteile der
Schuldnerin an mehreren im einzelnen aufgeführten Miteigentumsanteilen. Dabei
handelt es sich um Wohnungseigentum. Das Amtsgericht Krefeld hat dem Antrag durch
den Anord- nungsbeschluß vom 31.07.19B7 stattgegeben, gegen den die
Beschwerdeführerin zunächst Erinnerung eingelegt und eingewandt hat, ihr seien
sämtliche Miet- und Pachtforderungen abgetreten. Ferner sei ihr durch notariellen
Vertrag des Notars Wolfgang Busch vom 29.05.1987 (UR.Nr.316 für 1987) ein
Nießbrauchsrecht eingeräumt worden. Der Nießbraucher sei zum Besitz berechtigt,
könne das Grundstück vermieten, verpachten und die sonstigen Nutzungen ziehen.
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Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Beschwerdeführerin durch Beschluß vom
26.08.1987 zurückgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, daß das Nießbrauchsrecht
nicht wirksam entstanden sei, weil es nicht im Grundbuch eingetragen sei.
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Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin Rechtsmittel eingelegt. Sie macht
geltend, sie befinde sich seit der notariellen Einigung über die Nießbrauchsbestellung
im Besitz der Wohnungen. Darüberhinaus sei am 24.06.1987 eine Begehung des
gesamten Objekts durch die Beschwerdeführerin durchgeführt worden, bei der sämtliche
Mieter unter Vorlage der notariellen Verträge angesprochen und auf die veränderte
Situation, hingewiesen worden seien. Da sie zur Herausgabe des Besitzes nicht bereit
sei, könne der Zwangsverwalter durch den Anordnungsbeschluß nicht in den Besitz
eingewiesen werden. Im Hinblick auf ihren Besitz müsse die betreibende Gläubigerin
einen entsprechenden Duldungstitel erlangen. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrages
wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 14. Oktober 1987 Bezug genommen.
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Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 577 zulässig. In der Sache hat sie keinen
Erfolg.
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Die Anordnung der Zwangsverwaltung ist zu Recht erfolgt.
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1.
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Wie das Amtsgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluß ausgeführt hat, führt
der zwischen den Parteien vereinbarte Nießbrauch an den hier fraglichen
Grundstücksmiteigentumsanteilen nicht zur Aufhebung des Anordnungsbeschlusses.
Zwar trifft es zu, daß der dem Nießbrauch im Rang vorgehende
Grundpfandrechtsgläubiger - das ist hier die betreibende Gläubigerin - gegen den
nachrangigen Nießbraucher, der der Zwangsverwaltung nicht zustimmt, einen
Duldungstitel erlangen müsste, um die Zwangsverwaltung zu betreiben (vgl. Zeller, 12.
Aufl., § 146 Rdnr. 9.2).
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Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Schuldnerin hat durch notariellen Vertrag
vom 29.05.1987 einen Nießbrauch an einem Grundstücksmiteigentumsanteil, also an
einem Grundstücksrecht bestellt. Dieses Recht entsteht aber erst wirksam mit der
Eintragung im Grundbuch. Der Nießbrauch ist die Belastung eines Grundstücks mit
einem Recht, so daß zur Entstehung dieses Rechts gemäß § 873 Abs. 1 BGB die
Einigung der Beteiligten und die Eintragung des Rechts im Grundbuch erforderlich ist
(vgl. auch Palandt, 46. Aufl., 1987, Einführung vor § 1030, Anm. 1). Als die
Zwangsverwaltung angeordnet wurde, war der Nießbrauch nicht im Grundbuch
eingetragen. Das Recht ist damit nicht wirksam vor Anordnung der Zwangsverwaltung
entstanden und steht ihr deshalb nicht entgegen.
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2.
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Der vom Beschwerdeführer nunmehr geltend gemachte Besitz führt ebenfalls nicht zur
Unzulässigkeit des Anordnungsbeschlusses. Ein nach § 854 BGB mögliches
Besitzverhältnis ist nicht festzustellen. Die Schuldnerin war lediglich mittelbare
Besitzerin der Wohnungen, da sie diese vermietet hatte. In dieses
Besitzmittlungsverhältnis ist weder durch den schuldrechtlichen Nießbrauchs-
Bestellungsvertrag noch durch den Abtretungsvertrag eingegriffen worden. Unter Ziff. II
des Nießbrauchsvertrages bestellt der Eigentümer, nämlich die
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Schuldnerin ein Nießbrauchsrecht beginnend mit Abschluß des Vertrages. Weiter heißt
es dann: "Im übrigen gelten für das Nießbrauchsrecht die gesetzlichen Bestimmungen".
Ein Besitzübergang ist weder in diesem Vertrag noch in dem notariellen
Abtretungsvertrag vom 29.05.1987 vereinbart. Unter Ziff. II des Abtretungsvertrages tritt
die Schuldnerin sämt- liche Miet- und Pachtforderungen aus den Mietverträgen mit
sofortiger Wirkung an die Beschwerdeführerin ab, die die Abtretung annimmt. Damit sind
lediglich die Forderungen aus dem Mietvertrag, aber nicht die besitzrechtlichen
Ansprüche abgetreten.
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3.
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Soweit die Beschwerdeführerin sich auf ein Besitzrecht beruft, das sie durch die
Begehung des gesamten Objekts erlangt und bei der sie die einzelnen Mieter persönlich
angesprochen haben will, reicht dies für die Besitzübertragung nicht aus. Wie bereits
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oben dargelegt, war die Schuldnerin lediglich mittelbare Besitzerin. Sie konnte also nur
diesen Besitz übertragen, aber nicht den unmittelbaren Besitz, der durch Erlangung der
tatsächlichen Sachherrschaft gemäß § 854 BGB erfolgt. Der mittelbare Besitz wird nach
§ 870 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen, zu der eine
rechtsgeschäftliche Einigung erforderlich ist. In der Begehung des Gesamtobjekts kann
eine solche rechtsgeschäftliche Einigung regelmäßig noch nicht gesehen werden, denn
damit wird noch nicht in das Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem Schuldner als
Vermieter und dem Mieter als unmittelbarem Besitzer eingegriffen. Eine wirksame
Besitzübertragung erfolgt im Regelfall erst durch die rechtswirksame Entstehung des
Nießbrauchs, denn nach § 1036 BGB ist der Nießbraucher erst dann zum Besitz der
Sache berechtigt. Zwar kann der Besitz auch im Vorgriff auf eine Rechtsübertragung
überlassen werden(vgl. BGHZ 96, 61). Dafür ist aber eine besondere Einigung der
Parteien erforderlich, in der zum Ausdruck kommen muß, daß der Besitz schon vor der
rechtswirksamen Entstehung des Nießbrauchs sofort übertragen werden sollte. Die
notariellen Verträge sagen hierüber nichts aus. Auch die Bestellung des
Nießbrauchsrechts "beginnend mit dem heutigen Tage" bedeutet im Zweifel nicht, daß
der Besitz schon vor Entstehung des dinglichen Nießbrauchsrechts übertragen werden
sollte. Da der notarielle Vertrag über den Nießbrauch ausdrücklich "auf die gesetzlichen
Vorschriften" verweist, ist davon auszugehen, daß auch der Besitz erst mit der
wirksamen Entstehung des Nießbrauchsrechts übertragen werden sollte.
Nach alledem ist der Anordnungsbeschluß über die Zwangsverwaltung zu Recht erfolgt,
so daß die Beschwerde zurückzuweisen war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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