Urteil des LG Krefeld vom 17.01.2007

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Landgericht Krefeld, 11 O 77/06
Datum:
17.01.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 77/06
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I - 20 U 20/07
Sachgebiet:
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
Rechtskraft:
seit 26.02.2007
Tenor:
1.
Der Beklagte wird verurteilt,
a)
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise
Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den
Betriebsfunk des Klägers abzuhören und/oder über ein Display
abzulesen und die so enthaltenen Kenntnisse und Daten bezüglich
bestellter Funktaxifahren an Fuhrunternehmen weiter zu leiten, die dann
die von Kunden des Klä-gers bestellten Funktaxifahrten durchführen;
b)
dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfange der
Beklagte die vorstehend in Ziffer 1 bezeichneten Handlungen begangen
hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunktes und der Anzahl der
durchgeführten Funktaxifahrten.
2.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen
Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Ziffer 1. bezeichneten
Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,00 €
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Streitwert: 20.000,00 €.
Tatbestand:
1
Der Kläger betreibt seit einigen Jahren eine Funktaxivermittlungszentrale in X unter der
Bezeichnung "Y Funktaxi-Besitzerverein". Dem Verein sind zur Zeit 132 Fahrzeuge
angeschlossen, die von selbständigen Fahrunternehmern betrieben werden. Nach der
Bestellung eines Taxis durch einen Kunden bei dem Kläger werden die
aufgenommenen Daten mittels eines Computers an einen Funkarbeitsplatz weiter
geleitet und von dort halb automatisch über eine dem Kläger zugeteilte
Betriebsfunkfrequenz an ein Fahrzeug vergeben.
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Der Beklagte, der zunächst Mitglied des Klägers war, betreibt seit dem 01.01.2004
gleichfalls eine Funktaxivermittlungszentrale unter der Bezeichnung "X". In den
Betriebsräumen befindet sich ein Betriebsfunkgerät des Klägers.
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Der Kläger behauptet, seit dem 01.01.2004 habe der Beklage seine Mitarbeiter
mehrfach aufgefordert, mit diesem Betriebsfunkgerät den Funkverkehr des Klägers
abzuhören und über das umgebaute Display des Klägers die Adressen, Namen und
gegebenenfalls Festpreise der Kunden des Klägers aufzunehmen und zu registrieren.
Als Grund für diese Aktion habe er angegeben, dass er vorhabe, die Kunden des
Klägers gezielt abzuwerben und – soweit Festpreise vereinbart worden seien – diese zu
unterbieten. Dieser Anweisung seien die Mitarbeiter systematisch gefolgt. Die Abhörung
und die gezielte Abwerbung dauere noch an. Am 21.05.2006 hätten nämlich Kunden
des Klägers gegen 1.00 Uhr nachts zwei Taxen zu der Gaststätte A auf der B Straße in
C bestellt. Es sei dann ein Taxi des Beklagten erschienen, in das die Gäste
eingestiegen seien. Erst im Taxi hätten sie bemerkt, dass es sich nicht um ein Taxi des
Klägers handelte.
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Eine geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung gab der Beklagte – unstreitig –
nicht ab.
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Der Kläger beantragt,
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1. der Beklagte wird verurteilt,
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a. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 300.000,00, ersatzweise Ordnungshaft
oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
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Mitbewerber gezielt zu behindern;
einer gesetzlichen Vorschrift zuwider zu handeln, die auch dazu bestimmt ist, im
Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln; insbesondere, wenn
dies dadurch geschieht, dass der Betriebsfunk des Klägers in unlauterer Weise
abgehört und/oder über einen Display abgelesen wird und die so erhaltenen
Kenntnisse und Daten bezüglich bestellter Funktaxifahrten an Fuhrunternehmer
weitergeleitet werden, die dann die von Kunden des Klägers bestellten
Funktaxifahrten durchführen und dabei Irrtümer über die Inhaberschaft des
Funktaxis aufrechterhalten und/oder hervorrufen;
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b. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang der Beklagte die
vorstehend in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter
Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der durchgeführten
Funktaxifahrten;
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2.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu
ersetzen, der diesem durch die in Ziffer 1. bezeichneten Handlung entstanden ist
und künftig noch entstehen wird.
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Der Beklagte behauptet, er habe bis ca. Ende Februar 2004 den Betriebsfunk des
Klägers abhören lassen, um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Zentrale anhand eines
Vergleiches von Aufwand und Häufigkeit der Fahrten überprüfen zu können. Dann habe
er die Abhörtätigkeit eingestellt. Er habe die so gewonnenen Daten nicht genutzt. Im
Übrigen erhebt er die Einrede der Verjährung.
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Am 21.05.2006 sei gegen 0.13 Uhr und 0.20 Uhr die Zentrale des Beklagten angewählt
und zwei Taxen zur A bestellt worden. Beide Fahrten habe er durchgeführt. Später habe
er kein Taxi mehr zu der Gaststätte gesandt.
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Die Kammer hat Beweis erhoben aufgrund des vorbereitenden Beweisbeschlusses vom
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10.10.2006 (GA 51). Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 20.12.2006 (GA 80) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage des Klägers hat in vollem Umfange Erfolg. Ihm steht gegenüber
dem Beklagten, der mit ihm auf dem gleichen räumlichen Markt in Wettbewerb steht,
einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 10 UWG zu.
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Soweit der Tenor in Ziffer 1. von dem klägerischen Antrag abweicht, ist diese
Abweichung geboten durch das Bestimmtheitsgebot. Die Kammer hat den
Wettbewerbsverstoß klar gefasst, um einer Ausuferung zu begegnen. Darin liegt jedoch
kein Minus gegenüber dem klägerischen Antrag.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass
der Beklagte über einen längeren Zeitraum seit 2004 unter Benutzung des
Betriebsfunkgerätes des Klägers, zu dessen Nutzung er nicht mehr berechtigt war, den
Funkverkehr des Klägers abgehört und die auf einem umgebauten Display sichtbar
gemachten Daten, die der Kläger bei seinen Kunden abgefragt hatte, notierten ließ.
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Dies steht zunächst fest aufgrund der eigenen Einlassung des Beklagten, der
eingeräumt hat, über einen Zeitraum von Anfang Januar bis Ende Februar 2004 den
Betriebsfunk des Klägers abgehört zu haben. Des weiteren steht dies fest aufgrund der
in ihrem Kern übereinstimmenden Aussagen der Zeugen D, F und G. Sie alle haben
bekundet, dass sie entweder angewiesen wurden, den Funkverkehr abzuhören oder
gesehen haben, dass Mitarbeiter des Beklagten den Funkverkehr mit dem
Betriebsfunkgerät des Klägers abgehört und die entsprechenden Daten notiert haben.
Allen Zeugen war klar, dass diese Datenaufnahme der Abwerbung von Kunden dienen
sollte. Ausdrücklich bestätigt wurde dies durch den Zeugen F, dem gegenüber der
Beklagte ausdrücklich bekundet hatte, er benötige die Daten, um die Kunden gezielt
anzusprechen. Die Anweisung hatte der Beklagte erteilt.
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Die Kammer hat keine Bedenken, den insoweit übereinstimmenden Aussagen zu
folgen. Alle Zeugen waren ersichtlich um die Wahrheit bemüht und ließen keinerlei
Belastungstendenzen erkennen. Auch haben sie an dem Ausgang des Rechtsstreits
kein eigenes Interesse, auch wenn sie zwischenzeitlich wieder Mitglieder des Klägers
sind. Ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht ihnen durch einen positiven Ausgang des
Prozesses nicht.
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Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Beklagte die Daten in der Absicht
aufgenommen hat, gezielt Kunden des Klägers abzuwerben. Dies ergibt sich – wie
bereits ausgeführt – aus den Aussagen der Zeugen. Soweit der Beklagte dem
gegenüber einwendet, er habe die Daten lediglich nutzen wollen, um Aufwand und
Häufigkeit der Fahrten zu vergleichen, ist dies un-glaubwürdig, denn der Beklagte war
selbst lange genug Mitglied bei dem Kläger, um dies selbst beurteilen zu können.
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Der Beklagte hat die Daten jedoch nicht nur genutzt, um sich mit den Kunden in
Verbindung zu setzen, sondern auch, um sich direkt in Transporte einschalten zu
können und diese dem Kläger weg zu nehmen, wie der Vorfall vom 21.05.2006 zeigt.
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H zu einem späteren Zeitpunkt als 0.13 Uhr oder 0.20 Uhr zwei Taxen unter der
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Rufnummer des Klägers zur A bestellte. Tatsächlich erschien kurze Zeit nach dem Anruf
ein Taxifahrer, der dem Beklagten angeschlossen ist, in der Gaststätte und nahm den
Zeugen H und seine Ehefrau auf.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen H, der als
Unbeteiligter am Ausgang des Rechtsstreites keinerlei Interesse hat und einen
glaubwürdigen Eindruck hinterließ.
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Zudem steht dieser Aussage nicht die Aussage der Zeugin I entgegen, die bekundet hat,
es seien an diesem Abend nach 24.00 Uhr zwei Taxen zu der Gaststätte A bestellt
worden. Dies erscheint durchaus möglich, da der Zeuge H bekundete, es sei eine
größere Gruppe von ca. 50 Personen in dieser Gaststätte gewesen. Alle – bis auf ihn
und seine Frau – seien bereits früher gegangen. Wie die Telefonaufnahmen des
Beklagten zeigen, wurden diese Taxen um 0.13 Uhr und 0.20 Uhr bestellt und sind
damit nicht identisch mit der Taxe, die die Ehefrau des Zeugen H zu einem späteren
Zeitpunkt zu der Gaststätte bestellte.
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Das Erscheinen eines Taxis des Beklagten in der Gaststätte kann nicht auf einem Zufall
beruhen, sondern ist zurückzuführen auf ein Abhören des Funkverkehres. Eine andere
Möglichkeit, wie der Beklagte an die Information gekommen sein könnte, dass Taxen in
der Gaststätte gegen 1.00 Uhr gewünscht waren, sieht die Kammer nicht. Eine solche
wird von dem Beklagten auch nicht vorgetragen.
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Damit steht gleichzeitig fest, dass der Beklagte sein Verhalten bis mindestens zum
21.05.2006 fortsetzte, so dass die von ihm erhobene Einrede der Verjährung nicht greift.
Die Verjährung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen aufgrund einer
Dauerhandlung kann nämlich nicht beginnen, solange der Eingriff noch fortdauert (vgl.
Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wett-bewerbsrecht, 23. Aufl., § 11 UWG, Rdnr. 1.2
m.w.N. aus der Rechtsprechung).
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Das Verhalten des Beklagten erfüllt den Tatbestand der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Es stellt
eine Wettbewerbshandlung dar, die den Kläger als Mitbewerber gezielt behindert, denn
die Handlungen waren darauf ausgerichtet, systematisch Kunden des Klägers
abzuwerben. Wenn auch eine solche Abwerbung grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig
ist, so kann sie es im Einzelfall sein, wenn besondere Unlauterkeitsmerkmale
hinzutreten (vgl. Köhler, a.a.O., § 4 UWG, Rdnr. 10.33). Solche Merkmale sind im
vorliegenden Fall festzustellen. Zum einen nutzte der Beklagte das ihm von dem Kläger
zur Verfügung gestellte Funkgerät, dessen Weiterbenutzung ihm seit 2003 untersagt
worden war, um den Funkverkehr des Klägers systematisch abzuhören. Zum anderen
drängte sich der Beklagte mit seinen Fahrern in die Kundenbeziehung ein und nutzte
deren Irrtum, der erschienene Fahrer sei ein Fahrer des Klägers, aus, um ein Geschäft
zu tätigen. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H, der bekundete, erst im
Wagen festgestellt zu haben, dass das erschienene Taxi kein Taxi des Klägers war.
Dies erscheint nachvollziehbar, da – sofern nach dem Ruf nach einem Taxi ein
Taxifahrer erscheint – der Bestellende in der Regel nicht nachfragen wird, wer dieses
Taxi geschickt hat.
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Da – wie die obigen Ausführungen zeigten – es tatsächlich zu einem
Wettbewerbsverstoß gekommen ist, streitet eine tatsächliche Vermutung für die
Wiederholungsgefahr, die der Beklagte nicht ausgeräumt hat, denn er hat die
Unterschrift unter eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verweigert (vgl. Bornkamm
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in Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 8, Rdnr. 1.33).
Dagegen hat der Beklagte mit seinem Verhalten den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG
nicht erfüllt. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Mitbewerber einer gesetzlichen
Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer
das Marktverhalten zu regeln. Davon kann man bei den Strafvorschriften nur unter
engen Voraussetzungen ausgehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die von dem Beklagten
verletzten Vorschriften besagte Verhaltensregeln darstellen, denn sie dienen ersichtlich
nicht dem Schutze der Mitbewerber oder der Verbraucher (vgl. Köhler, a.a.O., § 4 UWG,
Rdnr. 11.179).
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2.
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Dem Kläger steht ebenfalls ein Anspruch auf Auskunft darüber zu, in welchem Umfange
der Beklagte Daten abgehört und die so erworbenen Daten an Fuhrunternehmen
weitergeleitet hat, die dann die von den Kunden des Klägers bestellten Fahrten
durchführten. Dieser Anspruch besteht als Teil des Schadensersatzanspruches gemäß
§§ 9, 3 UWG.
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Der Beklagte hat – wie ausgeführt – gegen §§ 3, 4 Nr. 10 UWG verstoßen. Dieser
Verstoß geschah bewusst, denn ihm war klar, dass er weder den Funkverkehr abhören
noch die erhaltenen Informationen verwenden durfte, um den Kläger aus dem Markt
herauszudrängen. Zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches ist der Kläger
auch auf Angaben zu den durchgeführten Taxifahrten angewiesen. Diesem
Auskunftsanspruch steht kein besonderes schutzwürdiges Interesse des Beklagten
entgegen, da er es sich als Verletzer selbst zuzuschreiben hat, wenn er Daten aus
seinem Bereich offen legen muss (vgl. Köhler, a.a.O., § 9, Rdnr. 4.18).
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3.
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Der Beklagte ist ebenfalls gemäß §§ 3, 9 UWG verpflichtet, dem Kläger jeglichen
Schaden zu ersetzen, der ihm durch die unlauteren Wettbewerbshandlungen des
Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird. Das erforderliche
feststellungsfähige Rechtsverhältnis ist die mögliche zukünftige
Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger, wobei genügend
ist eine Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes. Da davon auszugehen ist, dass der
Beklagte nicht nur ein einziges Mal die Daten genutzt hat, um sich in Fahrten
hineinzubringen, erscheint es wahrscheinlich, dass dem Kläger ein weiterer Schaden
des entgangenen Gewinns entstanden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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