Urteil des LG Krefeld vom 09.04.1992

LG Krefeld (bundesrepublik deutschland, antragsteller, konkurs, begründung, zwangsversteigerung, auflage, beschwerde, antrag, konkurseröffnung, antragsrecht)

Landgericht Krefeld, 6 T 12/92
Datum:
09.04.1992
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 12/92
Vorinstanz:
Amtsgericht Nettetal, 10 K 32/91
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des
Amtsgerichts
Nettetal vom 08.01.1992 aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen,
unter Beach-tung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu
entscheiden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Beschwerdewert: 5.000,- DM.
Gründe:
1
I.
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Am 19.07.1990 wurde in den Niederlanden über das Vermögen des Schuldners durch
Beschluß des Landgerichts in Roermond der Konkurs eröffnet. Zum Konkursverwalter
wurde ein niederländischer Rechtsanwalt, der Antragsteller, ernannt.
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Unter dem 21.11.1991 hat der Antragsteller die Zwangsversteigerung des Grundstücks
des Schuldners in Brüggen, Grundbuch Blatt X, beantragt.
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Mit Beschluß vom 08.01.1992 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, daß das Verfahren nach § 172 ZVG ein besonderes
Vollstreckungsverfahren darstelle, welches grundsätzlich nur aufgrund inländischer
vollstreckbarer Entscheidungen durchgeführt werden könne. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluß, Blatt 21 ff. der Gerichtsakte, Bezug
genommen.
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Gegen den am 16.02.1992 zugestellten Beschluß legte der Antragsteller mit einem am
21.01.1992 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde ein. Er vertritt die Ansicht, daß die
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Tatsache der Anerkennung eines ausländischen Konkurses in der Bundesrepublik auch
die Rechtswirkung haben müsse, daß die Zwangsversteigerung eines Schuldner-
Grundstücks betrieben werden könne. Wegen der weiteren Begründung wird auf den
Schriftsatz vom 03.02.1992, Blatt 29 ff. der Gerichtsakte, verwiesen.
II.
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Die gemäß §§ 95 ZVG, 11 Abs. 2 Rechtspfleger-Gesetz in Verbindung mit § 793 ZPO
zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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Der Antragsteller ist berechtigt, gemäß § 172 ZVG die Zwangsversteigerung des im
Eigentum des Gemeinschuldners stehenden Grundstücks zu beantragen. Dem steht
nicht entgegen, daß der Antragsteller das Verfahren als Konkursverwalter in dem in den
Niederlanden über das Vermögen des Gemeinschuldners eröffneten Konkurses
betreibt.
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Die Konkurseröffnung nach niederländischem Recht ist ein staatlicher Hoheitsakt, der
auf den Machtbereich des Eröffnungsstaates nicht beschränkt ist. Die Kammer folgt
insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 95, 256 (264 f.), für
eine Konkurseröffnung in Belgien mit Vermögen der Gemeinschuldnerin in der
Bundesrepublik Deutschland; siehe auch Hess/Kropshofer, 3. Auflage, § 237 KO,
RndNr. 7; Böhle/Stamschräder/Kilger, 14. Auflage, § 237 KO Anm. 5.). Wie der
Bundesgerichtshof mit überzeugender Begründung ausführt, findet das sogenannte
Territorialitätsprinzip, welches davon ausgeht, dass das Inlandsvermögen des
Gemeinschuldners durch einen Konkurs nicht berührt wird, im Gesetz keine Stütze
(BGHZ 95, 256 (260 ff.)).Dies bedeutet, daß ein ausländischer Konkursverwalter, der
Inlandsvermögen des Gemeinschuldners zur Masse ziehen will, das auch nach
deutschem Recht kann, weil dieses seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über
das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners grundsätzlich anerkennt. Insoweit
besteht auch kein Anlaß, zwischen einem inländischen, einem belgischen (wie in dem
vom BGH entschiedenen Fall) und einem niederländischen Konkursverwalter zu
differenzieren.
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Geht man demnach davon aus, daß ein niederländischer Konkursverwalter berechtigt
ist, Vermögen des Gemeinschuldners in der Bundesrepublik Deutschland zur Masse zu
ziehen, so kann er auch die Verwertung eines Grundstücks durch Beantragung einer
Zwangsversteigerung gemäß § 172 ZVG betreiben. Auch in dem Antragsverfahren nach
§ 172 ZVG wird lediglich mit staatlichem Zwang dem Verfügungs- und Verwaltungsrecht
des Konkursverwalters Geltung verschafft (vgl. Zeller/Stöber, 13. Auflage, § 172 ZVG
Anm. 1.3).
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Deutsche Rechtsvorschriften stehen dem nicht entgegen. Nach den vom
Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen muß sich der Auslandskonkurs in das
Gesamtgefüge deutscher Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze eingliedern. Daraus
folge, daß ein inländischer Konkurs einem ausländischen grundsätzlich vorgehen und
gemäß § 237 KO beim Auslandskonkurs die Einzelzwangsvollstreckung in das
Inlandsvermögen aufgrund bestehender Titel weiterhin zulässig sein müsse.
Desweiteren müsse es sich bei dem Auslandskonkurs überhaupt um einen Konkurs
handeln.
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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Rechtsstellung eines
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niederländischen Konkursverwalters ist mit der eines deutschen Konkursverwalters
vergleichbar. Der niederländische Konkursverwalter wird vom Konkursgericht ernannt.
Er steht bei seiner Tätigkeit unter der Aufsicht eines Konkursrichters (Rechter-
commissaris). Der Konkursverwalter hat das Recht, angemeldeten Konkursforderungen
zu widersprechen und deren Geltendmachung in ein Gerichtsverfahren zu überführen.
Das Konkursverfahren endet, wenn die Konkursmasse durch den Konkursverwalter
vollständig verteilt worden ist (vgl. dazu Martindale-Hubbell, Law Directory, Vol. VIII,
Kapitel Niederlande, Seite 3).
Auch die weiteren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Ein Konkurs über
das Vermögen des Gemeinschuldners wurde im Inland bisher - soweit ersichtlich- nicht
eröffnet. Die Interessen inländischer Gläubiger werden nicht beeinträchtigt, weil ein
Beschluß gemäß § 172 ZVG keine Beschlagnahme des Grundstücks herbeiführt (§ 173
ZVG).
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Das Antragsrecht des niederländischen Konkursverwalters ergibt sich weiterhin daraus,
daß er auch befugt wäre, das Grundstück freihändig zu veräußern. Dies folgt aus der
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ, aaO), wonach inländisches Vermögen
des Gemeinschuldners zur Konkursmasse gezogen werden kann. Nach Artikel 176 Abs.
1 der niederländischen Konkursordnung ist der Antragsteller befugt, dem
Gemeinschuldner gehörende Gegenstände zu versteigern oder mit Zustimmung des
Konkursrichters zu veräußern. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn ein
inländischer Konkursverwalter unter Beachtung des deutschen Rechts nach den
materiell-rechtlichen Vorgaben seines Heimatlandes im Inland tätig wird. So wird
angenommen, daß ein ausländischer Konkursverwalter Forderungen des
Gemeinschuldners im eigenen Namen geltend machen kann (vgl. BGHZ, aaO),
Geschäftsanteile des Schuldners an einer inländischen Gesellschaft an sich ziehen
kann, die Eintragung des Konkursvermerks in das Grundbuch veranlassen sowie die
Herausgabe von Sachen vom Gemeinschuldner verlangen kann (vgl. Hess/Kropshofer,
3. Auflage, § 237 KO, .RndNr. 16 f.).
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß das Verfahren nach § 172 ZVG ein
besonderes Zwangsvollstreckungsverfahren ist. Zwar kommt ein
Zwangsvollstreckungsverfahren in der Regel nur aufgrund eines inländischen
Vollstreckungstitels oder eines geeigneten ausländischen Titels in Gang. Ein solcher
Vollstreckungstitel liegt hier nicht vor. Da für das Verfahren nach § 172 ZVG jedoch
keine Vollstreckungstitel notwendig ist (vgl. Zeller/Stöber, aaO, § 172 RndNr. 5), stellt
das Fehlen eines Titels keinen Grund dar, dem niederländischen Konkursverwalter das
Antragsrecht zu verweigern. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ebenfalls noch,
daß auch nach § 105 Abs. 1 KO der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des
Konkursverfahrens zuzulassen ist, wenn die Forderung des Gläubigers und die
Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners glaubhaft gemacht werden. Das
Vorhandensein eines Vollstreckungstitels ist somit auch nach deutschem Recht nicht
erforderlich.
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Die Grenze der Anerkennung eines ausländischen Konkursverfahrens ist erst dort zu
ziehen, wo der ausländische Konkursverwalter mehr Befugnisse geltend macht, als ihm
nach deutschem Recht zustehen. Insbesondere darf er keine orginären hoheitlichen
Zwangsbefugnisse ausüben (vgl. Hess/Kropshofer, aaO, RndNr. 17; Böhle/Stamm-
Schräder/Kilger, aaO, Anm. 6). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, weil der
Antragsteller lediglich die gleichen Rechte wahrnehmen will, die einem deutschen
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Konkursverwalter gemäß § 126 KO zustehen.
Das Amtsgericht wird deshalb den Antrag des Antragstellers unter Beachtung der
Rechtsauffassung der Kammer erneut zu entscheiden haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 788 ZPO.
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Die Festsetzung des Beschwerdewerts erfolgte gemäß § 131 Abs. 2, 30 Abs. 2
Kostenordnung.
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