Urteil des LG Krefeld vom 12.01.2000

LG Krefeld: einstweilige verfügung, juristische person, steuerberater, erblasser, fremder, beruf, rechtsberatung, akte, internet, werbung

Landgericht Krefeld, 11 O 158/99
Datum:
12.01.2000
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 158/99
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 41/00
Tenor:
1. Unter Aufhebung des Beschlusses der Kammervorsitzenden vom
14.10.1999 wird der Antrag der Antragsteller auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung vom .13.10.1999 zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallenden Antragstellern zur Last.
3. Das Urteil. ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,- DM
abwenden, wenn der Antragsgegner, nicht zuvor in gleicher Höhe
Sicherheit leistet. Die Sicherheiten können durch Bank- oder
Sparkassenbürgschaft erbracht werden.
TATBESTAND:
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Die Antragsteller beanstanden als wettbewerbswidrig die im Internet geschaltete
Werbung Blatt 5 der Akte, in der der Antragsgegner herausgestellt hat, Schwerpunkt
seiner steuerberatenden Tätigkeit sei unter anderem die Übernahme von
Testamentsvollstreckungen. Unter Hinweis auf die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 1993, Blatt 7 f. der Akte, nehmen die
Antragsteller den Standpunkt ein; die geschäftsmäßige Übernahme von
Testamentsvollstreckungen durch einen Steuerberater sei nicht erlaubnisfreie
Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Da dem Antragsgegner, wie unstreitig, eine
Erlaubnis nach dem RBerG nicht erteilt sei, sei sein Angebot wettbewerbswidrig im
Sinne von § 1 UWG.
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Auf Antrag der Antragsteller vom 13.10.1999 ist dem Antragsgegner durch Beschluß der
Kammervorsitzenden vom 14.10.1999 im Wege der einstweiligen Verfügung bei
Strafandrohung für den Zuwiderhandlungsfall untersagt worden,
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im Zusammenhang mit seinen übrigen steuerlichen Tätigkeiten
"Testamenstvollstreckungen" anzubieten.
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Nach Widerspruch des Antragsgegners beantragen die Antragsteller
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die einstweilige Verfügung vom .14.10.1999 aufrecht zu erhalten.
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Der Antragsgegner beantragt,
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wie erkannt ist.
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Er leugnet eine wettbewerbliche Betroffenheit auf Seiten der Antragsteller und verweist
darauf, daß gemäß §§ 57 Abs. 3 StBerG, 39 Abs. 1 Nr. 6 BOStB die Wahrnehmung des
Amtes als Testamentsvollstrecker mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar sei.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
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Auf den Widerspruch des Antragsgegners war die ergangene einstweilige Verfügung
aufzuheben und der Antrag der Antragsteller auf Erlaß der einstweiligen Verfügung vom
13.10.1999 zurückzuweisen, §§ 936, 924, 925 Abs. 2 ZPO.
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Denn ein Verstoß gegen § 1 UWG liegt richtigerweise nicht vor.
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1. Es ist schon zweifelhaft, ob die Antragsteller klageberechtigt sind. Zwar dient der
Erlaubniszwang, den Artikel 1 § 1 RBerG für die rechtsbesorgende Tätigkeit
vorsieht, auch den berufsständischen Interessen der Anwaltschaft. Daraus folgt,
daß bei einem Verstoß gegen das RBerG die Gesamtheit der Anwaltschaft
unmittelbar verletzt ist. Auf die besonderen Voraussetzungen des § 13 UWG
kommt es nicht an. Auch dann wenn sie ihre Leistungen nicht im Sinne von § 13
Abs. 2 Nr. 1 UWG auf demselben Markt wie der Verletzer vertreiben und auch
dann, wenn der Verstoß gegen das RBerG nicht geeignet ist, den Wettbewerb
wesentlich zu beeinträchtigen, können die Angehörigen der Anwaltschaft als
unmittelbar Verletzte denjenigen, der unerlaubte Rechtsberatung anbietet, gemäß
§ 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Aber das gilt nicht
uneingeschränkt. Voraussetzung ist das Vorliegen eines konkreten
Wttbewerbsverhältnisses, das nur gegeben ist, wenn durch den
Wettbewerbsverstoß der Verletzte in seinem Absatz behindert werden kann; ihm
vor allem Gefahr droht, potentielle Abnehmer/Kunden zu verlieren. Ob die
Antragsteller in diesem Sinne unmittelbar Verletzte sind, erscheint zweifelhaft.
Zwar erlaubt das Internet einen weltweiten, Gedankenaustausch. Aber Adressat
einer Werbung, die die Übernahme von Testamentsvollstreckungen anbietet, ist im
Zweifel doch nur derjenige der in räumlicher Nähe zum Werbenden wohnt.
Angesprochen werden potentielle Erblasser, also in der Regel ältere Leute. Sie
sind unbeweglich. Für sie kommt als Testamentsvollstrecker nur in Betracht
jemand der gut erreichbar ist, also annähernd in der gleichen Gemeinde bzw. der
gleichen Stadt wohnt. Der Antragsgegner hat sein Büro eingerichtet in
Gelsenkirchen, die Antragsteller unterhalten ihre Sozietät in Krefeld., Es ist nach
Auffassung der Kammer ziemlich fernliegend, anzunehmen, ein im hiesigen Raum
wohnhafter Vermögensinhaber, der als potentieller Kunde der Antragsteller in
Betracht kommt, werde sich an einen Steuerberater in Gelsenkirchen wenden, um
diesem das Amt des Testamentsvollstreckers anzutragen. Derlei tut man gemein
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hin, in dem man zurückgreift auf Personen im näheren Umkreis.
2. Letztlich mag offen bleiben die Frage der Anspruchsberechtigung der Antragsteller
Hierauf kommt es nicht an. Denn richtigerweise liegt ein Verstoß gegen § 1 UWG
nicht vor.
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a) Richtig und überzeugend legt das Oberlandesgericht Karlsruhe in seiner von den
Antragstellern in Bezug genommenen Entscheidung dar, daß die
Testamentsvollstreckung Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten darstellt.
Überzeugend legt es weiterhin dar, daß der Ausnahmetatbestand des Artikels 1 § 3
Nr. 6 RBerG - "Tätigkeit ...als Nachlaßverwalter.., sowie die Tätigkeit sonstiger für
ähnliche Aufgaben behördlich eingesetzter Personen" unmittelbar nur greift bei dem
vom Nachlaßgericht ernannten Testamentsvollstrecker (§ 2200 BGB) , nicht hingegen
bei dem vom Erblasser selbst. ernannten Testamentsvollstrecker (§ 2197 BGB).
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b) Damit ist das RBerG aber unvereinbar mit der Zielrichtung der §§ 2197 ff. BGB und
es steht überdies in Widerspruch zu den §§ 57 Abs. 3 StBerG, 39 Abs. 1 Nr. 6 BOStB.
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aa) Nach den §§ 2197 f. BGB ist generell jede inländische oder ausländische
natürliche oder juristische Person als Testamentsvollstrecker tauglich, sofern
nicht die Ausnahmevorschrift des § 2201 BGB eingreift. Das BGB
unterscheidet; nicht zwischen geschäftsmäßiger und nicht .geschäftsmäßiger
Tätigkeit. Im Vordergrund steht der zu respektierende Wille des Erblassers.
Danach hat jede von ihm ernannte Person die Befugnis, Rechtsbesorgung im
Sinne der §§ 2203 f. BGB zu betreiben, nämlich nach seinem Ableben seinen
Nachlaß zu verwalten. Mit dieser Zielrichtung des BGB, daß der Erblasser
gänzlich frei sein soll in der Wahl "seines" Testamentsvollstreckers,. ist es
unvereinbar, via RBerG den Kreis derer, die eine Testamentsvollstreckung
geschäftsmäßig betreiben können, einzuschränken mit der Folge, daß als
hierzu befähigt faktisch nur noch Rechtsanwälte übrig bleiben, ein
Personenkreis, der nicht in Anspruch nehmen kann, über mehr Fachwissen
zu verfügen und einer höheren Kontrolle zu unterliegen als Wirtschaftsprüfer
und/ oder Steuerberater.
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bb) Der Widerspruch zu den §§, 57 Abs. 3 StBerG, 39 Abs. 1 Nr. 6 BOStB liegt
auf, der Hand. Nach diesen Vorschriften ist die Wahrnehmung des Amtes als
Testamentsvollstrecker mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar. Damit ist
selbstverständlich gemeint nicht die uneigennützige/altruistische Übernahme
des Amtes als Testamentsvollstrecker, sondern die geschäftsmäßige
Wahrnehmung dieses Amtes. Eben das soll nach den Bestimmungen des
RBerG unerlaubte Rechtsberatung sein.
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c) .Der aufgezeigte Widerspruch läßt sich sinnvoll nur lösen durch eine analoge
Anwendung des Artikels 1 § 3 Nr. 6 und des Artikels 1 § 5 Nr. 3 RBerG, wie zuletzt
befürwortet von Lang in NJW 1999, 2332 f.. Die Testamentsvollstreckung ist
Vermögensverwaltung im Sinne von Artikel 1 § 5 Nr. 3 .1. Alternative RBerG, und
zwar von Todes e wegen. Zudem liegt es nahe, mit Leverenz
(Testamentsvollstreckung durch Banken und Sparkassen, ZBB 1995, 160)
anzunehmen, daß eine verdeckte Regelungslücke vorliegt, soweit der
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Gesetzgeber in Artikel 1 § 3 Nr. 6 RBerG neben dem Zwangsverwalter, dem
Insolvenzverwalter und dem Nachlaßpfleger nicht auch den
Testamentsvollstrecker genannt hat. Sie kann durch analoge Anwendung dieser
Regel geschlossen werden. Nach allem darf der Antragsgegner als Steuerberater
auch geschaItsmäßig Testamentsvollstreckungen übernehmen. Da er dies darf,
darf er auch werbend hierauf hinweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, ,708 Ziffer 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 20.000,- DM.
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