Urteil des LG Krefeld vom 02.04.2009

LG Krefeld: unerlaubte handlung, internationale zuständigkeit, örtliche zuständigkeit, anleger, beihilfe, kauf, gefahr, vermittler, wahrscheinlichkeit, erwerb

Landgericht Krefeld, 5 O 269/08
Datum:
02.04.2009
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 269/08
Tenor:
Die Kos¬ten des Rechts¬streits hat die Beklagte zu tra¬gen.
Das Ur¬teil ist vor¬läu¬fig vollstreck¬bar.
Der Streit¬wert wird auf 10.105,27 Euro fest¬ge¬setzt.
Tatbestand
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Die Beklagte ist ein amerikanisches Brokerhaus. Sie führte für den Kläger ein
Brokerkonto (Nr. 109-30129-1-0), das ihm von der X& Partner GmbH, in X vermittelt
worden war.
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Der Kläger überwies auf das genannte Brokerkonto Geldeinlagen, die zum An- und
Verkauf von Optionen benutzt wurden. In diesem Zusammenhang schloss die
X&Partner GmbH mit dem Kläger einen Geschäftsbesorgungsvertrag und führte als
dessen Vertreterin Optionsgeschäfte durch: Sie übermittelte dem Kläger von ihr bereits
ausgefüllte Handelsaufträge zur Durchführung von Optionsgeschäften, die der Kläger
nur noch zu unterzeichnen und an die X&Partner GmbH zurückzuschicken hatte. Der
Kläger selbst verfügte über keine Erfahrung im Bereich von Optionen und
vergleichbaren Produkten. Die X & Partner GmbH gab ihm also jeweils vor, wann er
welche Geschäfte zu tätigen habe und steuerte so den An- und Verkauf von Optionen. In
dem Anlagezeitraum von Februar 1998 bis März 1999 wurden mit den Einlagen des
Klägers - er hatte am 17.02.1998 10.392,55 DM und am 21.04.1998 9.858,20 DM
eingezahlt - ungewöhnlich häufige An- und Verkäufe getätigt, nämlich um Gebühren zu
schinden (Churning).
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Denn des weiteren bestand zwischen der X&Partner GmbH und der Beklagten eine
Gebührenrückvergütungsabrede, wonach die Beklagte Anlegern wie dem Kläger je
Kontrakt zwischen 90 und 97 US Dollar je round-turn/Option als Gebühr belastete.
Mindestens 70 US Dollar hiervon erhielt die X&Partner GmbH als Innenprovision.
Zusätzlich sollte die X&Partner GmbH 10 % der jeweiligen Einlagesummen der Anleger
als Agio erhalten.
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Über die mit der gewählten Anlageform einhergehenden Risiken - insbesondere das
Verlustrisiko, das mit den beaufschlagten Gebühren einhergeht - oder den
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Interessenkonflikt, der sich auf seiten der X&Partner GmbH zwischen dem Interesse des
Anlegers an einer wirtschaftlich sinnvollen Kapitalanlage / an wirtschaftlich sinnvollen
Transaktionen und dem Gebührenerzielungsinteresse des Vermittlers ergibt, nicht
aufgeklärt worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung (hierzu genügt die Broschüre
"Putting the Investor first" nicht) hätte der Kläger keine Gelder angelegt.
Durch die Gebührenschinderei hat der Kläger seine Einlage bis auf einen Betrag von
243,66 € verloren.
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Die Beklagte als professionelles Brokerhaus konnte und musste die auf
Gebührenschinderei ausgerichtete Handelsaktivität sowie den Interessenkonflikt der
X&Partner GmbH erkennen. Zudem wusste sie, dass ohne ihre Mithilfe als
Brokerunternehmen das Geschäft mit dem Kläger nie zustande gekommen wäre.
Dennoch traf sie keine Maßnahmen, um eine Gebührenschinderei zu verhindern und
nahm jedenfalls billigend in Kauf, dass eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung des
Klägers nicht erfolgt war. Vielmehr partizipierte sie an den von der X&Partner GmbH für
den Kläger getätigten An- und Verkäufen.
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Mit Schreiben vom 11.06.2008 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung seiner
verlustigen Einlagesumme unter Fristsetzung bis zum 11.07.2008 auf. Die Beklagte
lehnte eine Einstandspflicht ab.
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Die Klageschrift (mit der der Kläger nun auch vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren
geltend macht) nebst prozessleitender Verfügung (vom 21.08.2008) ist der Beklagten
am 19.02.2009 zugestellt worden. Eine Verteidigungsanzeige durch die Beklagte ist
nicht erfolgt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.105,27 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 12.07.2008 sowie weitere 1.564,85 € nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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I. Zulässigkeit
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Das Landgericht Krefeld ist gem. § 32 ZPO international wie auch örtlich zuständig.
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1. Da die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Verhältnis von
Deutschland und den USA nicht speziell geregelt ist, entspricht es ständiger
Rechtsprechung, dass insoweit die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit
heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urt. vom 22.11.1994, Az: XI ZR 45/91; OLG Düsseldorf,
Urt. vom 09.02.2007, Az: I – 17 U 257/06, zit. nach juris). Dies bedeutet, dass indiziert
wird, dass ein deutsches Gericht, das örtlich zuständig ist, auch international zuständig
ist.
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Danach ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus § 32 ZPO. Dieser Gerichtsstand
ist eröffnet, wenn das Klagevorbringen die Möglichkeit einer unerlaubten Handlung
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nahe legt. Hierfür genügt, dass der Kläger das Vorliegen einer unerlaubten Handlung
schlüssig behauptet (vgl. BGH NW, 1984, 1413). Die Beklagte hat mit der Firma X &
Partner GmbH aus X, die dem Kläger hochriskante Optionsgeschäfte vermittelte- ihre
geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise zum Nachteil des Klägers
ausgenutzt- und mit der X & Partner kollusiv zusammengewirkt. Daher ist Tatbestand
einer unerlaubten Handlung gem. § 826 BGB in Hinblick auf die Firma X & Partner
GmbH gegeben. Diesen Tatbeitrag muss sich die Beklagte als Mittäterin nicht nur im
Rahmen von § 830 BGB, sondern auch im Rahmen des § 32 ZPO zurechnen lassen
(vgl. BGH Urt. vom Urt. vom 22.11.1994, Az: XI ZR 45/91).
Die Klage ist auch begründet.
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Im vorliegenden Fall kommt Deutsches Recht zur Anwendung:
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Gem. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung
grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Dies ist
vorliegend Krefeld, da die unerlaubte Handlung der X & Partner in Krefeld begangen
wurde.
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1. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe
von 10.105,27 € aus §§ 826, 830 Abs. 2 BGB wegen Beihilfe zur vorsätzlichen
sittenwidrigen Schädigung zu.
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a) Eine unerlaubte Handlung gem. § 826 BGB seitens der X & Partner GmbH liegt im
vorliegenden Fall vor.
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aa) Die X & Partner GmbH hat den Kläger im Sinne von § 826 BGB in sittenwidriger
Weise geschädigt. Sie hat den Kläger dazu veranlasst, Geld in Aktienoptionsgeschäften
anzulegen, obwohl er über die hiermit verbundenen Risiken nicht ausreichend
aufgeklärt worden war. Dies begründet nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung eine Haftung gem. § 826 BGB (vgl. BGH WM 2005, 28 f.; BGH WM
2002, 1445 f.; BGH WM 2003, 975 f.).
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Zur notwendigen Aufklärung gehört unter Anderem, dass dem Anleger eine
Optionsprämie genannt und er darauf hingewiesen wird, dass diese Prämie den
Rahmen des Risikobereichs kennzeichnet, der vom Markt noch als vertretbar
angesehen wird, weil die Option nach Einschätzung der Kursentwicklung durch den
Börsenfachhandel eine Gewinnchance hat, die den Optionspreis wert ist.
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In diesem Zusammenhang muss der Anleger darüber aufgeklärt werden, dass jeder
Aufschlag auf die Börsenprämie, wie etwa zusätzliche Kommissionen, Provisionen oder
Gebühren, die Gewinnaussichten verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der
vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone
zu kommen.
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Dieser Hinweis ist geboten, um dem Anleger deutlich zu machen, dass es sich bei dem
Aufschlag auf die Börsenprämie nicht nur um eine Erhöhung des Preises handelt,
sondern dass sich dadurch die Grundlagen des Geschäfts entscheidend verändern und
verschlechtern können. Dabei ist auch unmissverständlich darüber aufzuklären, dass
höhere Aufschläge vor allem Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben,
aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Die
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Aussagekraft dieses Hinweises, der schriftlich und in auch für den flüchtigen Leser
auffälliger Form zu erfolgen hat, darf weder durch Beschönigungen noch auf andere
Weise beeinträchtigt werden (vgl. BGH WM 2005, 28, 29).
Ein solcher Hinweis ist vorliegend nicht erfolgt. Insbesondere erfüllt auch die seitens der
X & Partner GmbH vorgelegte Broschüre "Putting the investor first" diesen
Anforderungen nicht, denn dieses Dokument enthält den notwendige Hinweis darauf,
dass höhere Aufschläge auf die Optionsprämie vor allem Anleger, die mehrere
verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis
chancenlos machen, nicht.
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bb) Die X & Partner GmbH hat auch vorsätzlich gehandelt. Als Vermittler war sie für die
Aufklärung verantwortlich und musste Sorge dafür tragen, dass die Aufklärung in
ordnungsgemäßer Weise erfolgte. Hierbei traf sie auch die Pflicht, sich mit den – für eine
ordnungsgemäße Aufklärung - erforderlichen Anforderungen auseinander zu setzen.
Dies hat sie indes missachtet und sich somit bewusst den erforderlichen Erkenntnissen
verschlossen und damit auch vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt.
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cc) Aufgrund der von der X & Partner GmbH begangenen sittenwidrigen Schädigung ist
dem Kläger ein Schaden entstanden der darin besteht, dass er sich infolge des
deliktischen Verhaltens auf die Anlagegeschäfte eingelassen hat und er somit das
eingesetzte Kapital zum Teil, nämlich in Höhe eines Betrags von 10.105,27 €, verloren
hat.
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b) Zu dieser von der X & Partner GmbH begangenen unerlaubten Handlung hat die
Beklagte vorsätzlich Beihilfe geleistet.
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Beihilfe setzt weder kommunikative Verständigung von Haupttäter und Gehilfen auf
einen gemeinsamen Tatplan, noch eine Mitwirkung des Gehilfen bei der Tatausführung
voraus. Auch eine Mitverursachung des Taterfolges durch den Gehilfen ist nicht
erforderlich. Vielmehr ist jede bewusste Förderung der fremden Tat ausreichend (vgl.
BGH WM 2005, 28, 29).
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aa) Die Beklagte hat die durch die X & Partner GmbH begangene sittenwidrige
Schädigung im Sinne von § 826 BGB gefördert. Als Brokerunternehmen hat sie den
Zugang zur Börse verschafft und die Durchführung der vermittelten Anlagegeschäfte
dadurch erst ermöglicht. Zudem hat sie die Konten der Anleger geführt und die
Gebühren abgerechnet.
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bb) Die Beklagte handelte auch vorsätzlich. Sie hat zumindest billigend in Kauf
genommen, dass der Kläger nicht ausreichend über die mit dem Erwerb der
Aktienoptionen verbundenen Risiken aufgeklärt wurde und deshalb einen Schaden
erlitt.
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Als Brokerhaus konnte es der Beklagten nicht verborgen bleiben, dass die von ihr
durchzuführenden Geschäfte beim Kläger zwangsläufig zu erheblichen Verlusten führen
mussten. Insbesondere musste ihr das deshalb auffallen, weil sie bei jeder Aktion eine
Gebühr von 70 USD einbehielt, von der sodann ein Großteil an die X & Partner zurück
geleitet wurde. Somit wusste sie, dass der Kläger hohe Aufschläge auf die
Optionsprämien zu entrichten hatte. Die Beklagte als Fachunternehmerin wusste auch,
dass der Kläger bei der Durchführung der Geschäfte, insbesondere im Falle mehrerer
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Geschäfte, praktisch chancenlos war. Für sie musste es daher auf der Hand liegen, dass
der Kläger von der X & Partner GmbH über die mit den Optionsgeschäften verbundenen
Risiken nicht hinreichend aufgeklärt worden war, da er sich – trotz der Chancenlosigkeit
– auf diese Geschäfte einließ.
Die Beklagte hätte daher die Geschäfte nicht ohne jedwede Vorsorge gegen einen
Missbrauch durchführen dürfen, sondern hätte sich bei der X & Partner GmbH über
deren Art der Aufklärung informieren müssen (vgl. BGH NJW 2004, 3423, 3424 f., OLG
Düsseldorf, Urt. vom 28.04.2008).
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Dies hat die Beklagte jedoch versäumt. Die Beklagte konnte allein auch nicht aufgrund
des Umstands, dass die X & Partner GmbH über die erforderliche Erlaubnis nach dem
Kreditwesengesetz verfügte, darauf vertrauen, dass sie ihren Aufklärungspflichten
nachkam. Denn zur Erlangung der Erlaubnis werden nur gesetzliche, formale
Mindestvoraussetzungen geprüft. Der Umstand, dass hohe Gebühren anfielen, die die
Gewinnchancen nahezu ausschlossen, hätte demgegenüber eine konkrete Überprüfung
des von der X & Partner GmbH verwendeten Informationsmaterials erfordert.
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Ein Brokerhaus, das unter solchen Umständen die naheliegende Gefahr der
missbräuchlichen Ausnutzung der geschäftlichen Überlegenheit des Vermittlers
unbeachtet lässt und die die Interessen des Anlegers gefährdende
Gebührenverteilungsvereinbarung ohne jedwede Schutzmaßnahme praktiziert, nimmt
die Verwirklichung der Gefahr in Kauf und leistet damit zumindest vorsätzlich Hilfe zu
dem sittenwidrigen Handeln des Vermittlers (OLG Düsseldorf, Urt. vom 28.04.2008).
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Ob die Hilfeleistung der eigentliche oder einzige Beweggrund des Brokers ist, ob er
andere Absichten und Ziele als der Vermittler verfolgt oder ob er dessen Handeln sogar
innerlich ablehnt, ist für die Haftung unerheblich (vgl. BGH NJW 2004, 3423, 3425).
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Aufgrund ihrer Beteiligung an der von der X & Partner GmbH begangenen
sittenwidrigen Schädigung des Klägers ist die Beklagte gem. §§ 830 Abs. 2, 840, 249
BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
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c) Die Beklagte hat den Kläger nach § 249 BGB so zu stellen, als ob die mit ihrer
Beteiligung begangene sittenwidrige Schädigung nicht begangen, der Kläger also vor
Abschluss der Anlagegeschäfte ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Dies hätte
nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens dazu geführt, dass der Kläger vom
Erwerb der Aktienoptionen abgesehen hätte. Umstände die dies widerlegen, hat die
Beklagte nicht vorgetragen.
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Der Kläger kann somit von der Beklagten Erstattung des Geldeinsatzes beanspruchen,
den er für die Aktienoptionsgeschäfte aufgewandt hat. Insgesamt hat der Kläger einen
Betrag in Höhe von 10.348,93 € aufgewandt. Er hat von der Beklagten einen Betrag in
Höhe von 243,66 € ausbezahlt bekommen, so dass sich sein Schaden somit auf
10.105,27 € beläuft.
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2. Der Zinsanspruch ist aus §§ 826,830 Abs. 2, 849 BGB gerechtfertigt, die
vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren sind als Verzugsschaden zu erstatten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 2 ZPO.
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Streitwert: 10.105,27 €
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