Urteil des LG Krefeld vom 04.01.2007

LG Krefeld: höchstpersönliches recht, gemeinschaftspraxis, treu und glauben, zeitliche geltung, ausdehnung, gesellschafter, orthopädie, ausschreibung, reduktion, sittenwidrigkeit

Landgericht Krefeld, 3 O 443/06
Datum:
04.01.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 443/06
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-9 U 46/07
Tenor:
Der Antrag vom 27. November 2006 auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien sind Fachärzte für Orthopädie. Im Jahr 1998 trat der Verfügungskläger als
Juniorpartner in die damalige Einzelpraxis der Verfügungsbeklagten ein. Seitdem sind
sie in einer Gemeinschaftspraxis in X miteinander verbunden. Beide Parteien sind als
Vertragsärzte für die kassenärztliche Behandlung im Zulassungsbezirk X durch die
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zugelassen.
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Die Verfügungsbeklagte hat den Gesellschaftsvertrag vom 19. Juni 1998 mit Wirkung
zum 31. März 2007 gekündigt. Der Gesellschaftsvertrag sieht unter anderem folgende
Regelung vor:
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"§ 19 Rückkehrverbot
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Einem gemäß § 17 dieses Vertrages aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschiedenen
Gesellschafter ist es für einen Zeitraum von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden
untersagt, sich im Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Bezirk X, als Arzt
in freier Praxis zur Ausübung privat- und/oder kassenärztlicher Tätigkeit
niederzulassen."
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Die Verfügungsbeklagte beabsichtigt, sich nach ihrem Ausscheiden aus der
Gemeinschaftspraxis weiterhin als Ärztin in freier Praxis zu betätigen.
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Der Verfügungskläger beantragt,
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1. der Verfügungsbeklagten zu untersagen, im Gebiet der Stadt X nach dem 31. März
2007 sich als Ärztin in freier Praxis zur Ausübung privat- oder kassenärztlicher
Tätigkeiten niederzulassen,
2. der Verfügungsbeklagten aufzugeben, gegenüber dem Zulassungsausschuss der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle X, den Verzicht auf ihre
Zulassung als Vertragsärztin der Fachgruppe Orthopädie für den
Zulassungsbezirk X und auf ihr Recht auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes
zu erklären,
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Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2., beantragt der
Verfügungskläger,
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der Verfügungsbeklagten bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im
Hauptsacheverfahren zu untersagen, auf Auflösung der Gemeinschaftspraxis mit
dem Verfügungskläger oder auf Verlegung des Vertragsarztsitzes gerichtete
Erklärungen gegenüber dem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen
Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle X, abzugeben.
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Die Verfügungsbeklagte hält das in § 19 des Gemeinschaftsvertrages aufgenommene
Rückkehrverbot für nichtig und beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den
Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte weder einen Anspruch auf
Unterlassung ihrer Ausübung als Ärztin in freier Praxis im Gebiet der Stadt X noch auf
Abgabe einer Verzichtserklärung auf ihre Zulassung als Vertragsärztin der Fachgruppe
Orthopädie für den Zulassungsbezirk X. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet.
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I. Das in § 19 des Gesellschaftsvertrages vereinbarte Rückkehrverbot, welches ein
sogenanntes Wettbewerbsverbot darstellt, ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB in Verbindung
mit Art. 12 Abs. 1 GG sittenwidrig und daher nichtig. Der Bundesgerichtshof hat in einer
Reihe von Entscheidungen Grundsätze zur Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten
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aufgestellt (BGH, NJW 1997, 3089; NJW 1997, 799; NJW 1994, 384).
Wettbewerbsverbote dürfen danach aufgrund der vor allem bei der Auslegung
zivilrechtlicher Generalklauseln zu beachtenden Wertentscheidungen der Verfassung,
hier des Art. 12 Abs. 1 GG, das örtlich, zeitlich und gegenständlich notwendige Maß
nicht überschreiten.
Das von den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot hält der nach diesen Maßstäben
anzustellenden Prüfung nicht stand. Die zeitliche Geltungsdauer des
Wettbewerbsverbots von fünf Jahren ist sittenwidrig, da hierdurch das Interesse der
Verfügungsbeklagten an ungehinderter Ausübung ihres Berufs im Vergleich zu den
Interessen des Verfügungsklägers unangemessen stark zurücktritt. Seine Rechtfertigung
findet ein Wettbewerbsverbot allein darin, den Partner des ausgeschiedenen
Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit zu
schützen. Es darf jedoch nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als
potentiellen Wettbewerber auszuschalten. Das Anliegen des verbleibenden
Gesellschafters, vor illoyalem Wettbewerb geschützt zu sein, wird nicht berührt, wenn
sich die während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft geknüpften Verbindungen
typischerweise so gelockert haben, dass ein ausgeschiedener Partner wie jeder andere
Wettbewerber behandelt werden kann (BGH, NJW 2000, 2584). Deshalb ist nach
Ansicht der Kammer in Anlehnung an § 74 a Abs. 1 Satz 3 HGB ein Wettbewerbsverbot
für einen Zeitraum von allenfalls zwei Jahren im vorliegenden Fall sachgerecht und
angemessen (vgl. BGH, NJW 2004, 66; NJW-RR 96, 741; LG Limburg, MedR 1997, 160;
LG Hannover, BB 1998, 1501). Die Kammer hat bei der im Rahmen des § 138 Abs. 1
BGB vorzunehmenden und auf den konkreten Einzelfall zu beziehenden Wertung
berücksichtigt, dass ein Facharzt von den von ihm zu behandelnden Patienten meist nur
in größeren zeitlichen Abständen aufgesucht wird, so dass mit dem Ausscheiden der
Verfügungsbeklagten aus der ehemaligen Gemeinschaftspraxis die Gefahr eines
Patientenabzuges für einen längeren Zeitraum gegeben ist als bei einem
Allgemeinmediziner. Auf der anderen Seite war für die Kammer jedoch maßgeblich,
dass die Verfügungsbeklagte über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren am Ausbau
des Patientenstammes mitgewirkt hat und ein teilweiser Abzug des Patientenstammes
daher nicht unbillig erscheint. Zudem hat der Verfügungskläger den Vorteil, durch
Fortführung seiner Praxis an der selben Örtlichkeit eine große Anzahl derjenigen
Patienten, die aus Gewohnheitsgründen die selben Praxisräume aufsuchen werden,
weiterhin an sich zu binden. Überdies musste berücksichtigt werden, dass anders als
bei einem Verkauf der Praxis aus Alters- oder Gesundheitsgründen, bei dem der
ausscheidende Gesellschafter hierfür ein erhebliches Entgelt erhält, die
Verfügungsbeklagte im vorliegenden Fall aus wirtschaftlichen Gründen ein erhebliches
Interesse an der weiteren Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit hat.
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Das in § 19 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Wettbewerbsverbot ist aber auch
aufgrund seiner unangemessen weiten räumlichen Ausdehnung sittenwidrig. Da es sich
auf den gesamten kassenärztlichen Zulassungsbezirk X bezieht, hat die
Verfügungsbeklagte als ausscheidende Gesellschafterin keine Möglichkeit mehr, von
ihrer vertragsärztlichen Zulassung Gebrauch zu machen und sich an einem anderen Ort
des Planungsbereichs niederzulassen. Aufgrund der räumlichen Ausdehnung wird ein
ausscheidender Gesellschafter nach dieser vertraglichen Regelung für einen Zeitraum
von fünf Jahren faktisch an einer Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehindert. Denn
es ist davon auszugehen, dass der ausscheidende Arzt infolge der auch in den
angrenzenden Planungsbereichen für das Fachgebiet der Orthopädie geltenden
Niederlassungssperren nicht ohne weiteres eine neue vertragsärztliche Zulassung
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erhält. Da eine Tätigkeit in einem Krankenhaus aufgrund der bekanntermaßen
schlechten Arbeitsmarktlage nicht ersichtlich möglich ist, muss sie, um ihren Beruf
ausüben zu können, von ihrer Zulassung Gebrauch machen und in Konkurrenz zu ihrer
bisherigen Praxis arbeiten, um überhaupt als Ärztin tätig sein zu können. Überdies liegt
dem streitgegenständlichen Wettbewerbsverbot entgegen der Auffassung des
Verfügungsklägers kein Radius in Größe von lediglich ca. 5 - 7 km zugrunde. Da sich
die Praxis im Norden X befindet, handelt es sich bei einer Ost-West Ausdehnung von
10,7 km und einer Nord-Süd Ausdehnung von 14 km um einen weitaus größeren
Radius, dessen Mittelpunkt am Standort der Praxis anzusetzen ist. Eine derartige
räumliche Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auf eine Länge von über 10 km ist
angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Stadt X mit ca. 220.000 Einwohnern um
ein dichtbesiedeltes Gebiet handelt, von vornherein unzulässig (vgl. LG Hannover, BB
1998, 1501; OLG Stuttgart, Urteil vom 13.03.1998/ 2 U 21/98).
Auch gegenständlich ist das Wettbewerbsverbot zu weit gefasst und damit unwirksam.
Es umschließt generell die Niederlassung als Arzt in freier Praxis zur Ausübung privat-
und/oder kassenärztlicher Tätigkeit. Weder ist es auf die kassenärztliche noch auf die
Tätigkeit als Facharzt für Orthopädie begrenzt, sodass dem ausscheidenden
Gesellschafter keine Möglichkeit bleibt, seinen Beruf weiterhin auszuüben.
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Die hier vertraglich geregelte räumlich, zeitliche und gegenständliche Ausdehnung führ
dazu, den ausscheidenden Gesellschafter dauerhaft als Konkurrenten auszuschalten.
Dieser nachhaltige Eingriff in die grundgesetzlich verbürgte Freiheit der
Berufsausübung der Verfügungsbeklagten ist nicht gerechtfertigt, zumal sich das
Wettbewerbsverbot nicht allein auf die bereits vorhandenen Patienten der
Gemeinschaftspraxis, sondern auch auf alle weiteren Personen in dem genannten
Raum erstreckt, die im Zulassungsbezirk X eine orthopädische Facharztpraxis
aufsuchen werden.
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Eine geltungserhaltende Reduktion kommt insoweit nicht in Betracht. Zwar kann die
zeitliche Geltung im Wege der geltungserhaltenden Reduktion in entsprechender
Anwendung des § 139 BGB auf ein zulässiges Maß reduziert werden kann. Dies gilt
jedoch nicht für die hier in Rede stehende zeitliche, räumliche und gegenständliche
Unwirksamkeit der Wettbewerbsverbote. Nach der Rechtsprechung des BGH findet eine
geltungserhaltende Reduktion ihre Grenzen nämlich dort, wo die Sittenwidrigkeit einer
wettbewerbsbeschränkenden Regelung nicht allein in der zeitlichen Ausdehnung liegt,
sondern weitere zur Anwendbarkeit des § 138 BGB führende Gründe hinzutreten ( BGH,
NJW 1997, 3089; OLG Düsseldorf, ZIP 1999, 311). Dann geht es nicht mehr nur um die
Reduzierung einer bloß quantitativ zu weitgehenden, im übrigen aber von dem
anzuerkennenden Willen der Parteien getragenen Regelung. Vorliegend überschreiten
neben der zeitlichen Geltungsdauer auch die örtliche und gegenständliche Ausdehnung
den notwendigen und damit zulässigen Umfang. Eine Rückführung der vertraglichen
Vereinbarungen auf das zulässige Maß, um den Einklang mit der Rechtsordnung
herzustellen, würde daher ein rechtsgestaltendes Eingreifen des Gerichts auf den
übrigen Inhalt des sittenwidrigen Geschäfts bedeuten. Dies überschreitet nicht nur den
richterlichen Gestaltungsspielraum, sondern widerspricht auch dem mit § 138 BGB
verfolgten Zweck, den Betroffenen das Risiko zuzuweisen, dass eine zwischen ihnen
getroffene Vereinbarung sittenwidrig und somit nichtig ist.
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Entgegen der Ansicht des Verfügungsklägers stellt sich die Berufung der
Verfügungsbeklagten auf die Sittenwidrigkeit des vertraglichen Wettbewerbsverbots
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nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ist
vielmehr von Amts wegen zu beachten. Sie kann sogar von demjenigen geltend
gemacht werden, der selbst sittenwidrig gehandelt hat. Es sei denn, es handelt sich um
einen einseitigen Sittenverstoß. Dies gilt jedoch nur in besonders gelagerten
Ausnahmefällen, da sittenwidrige Geschäfte auf dem Umweg über den Grundsatz von
Treu und Glauben im praktischen Ergebnis nicht ihre Wirksamkeit erlangen sollen. Ein
solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Auch wenn die vertraglichen Formulierungen
etwa von der Verfügungsbeklagten vorformuliert waren und der Verfügungskläger in die
Praxis der Verfügungsbeklagten als Juniorpartner eingetreten war, bedeutet dies nicht,
dass er keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung hätte nehmen können. Fest steht,
dass auch der Verfügungskläger den streitgegenständlichen Vertrag unterschrieben und
damit abgeschlossen hat, so dass ein einseitiger Sittenverstoß nicht gegeben ist.
II. Der im Klageantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Abgabe einer
Verzichtserklärung auf die Zulassung durch die Verfügungsbeklagte ist ebenfalls
unbegründet. Ein derartiger Anspruch ist vertraglich weder ausdrücklich geregelt noch
kann er im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dem Sinn und Zweck des
Gesellschaftsvertrages entnommen werden.
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Zwar mag der Verfügungskläger ein berechtigtes Interesse an dem Erhalt der zweiten
Vertragsarztstelle haben. Diesem Interesse des Verfügungsklägers steht jedoch das
Grundrecht der Verfügungsbeklagten auf Berufsfreiheit gegenüber. Dieser
Interessenskonflikt ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen,
welcher fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt wird,
sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BGH, NJW 2002, 3536).
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Auch wenn die Ausschreibung einer Vertragsarztstelle in einem
zulassungsbeschränkten Planungsbereich, wie von dem Verfügungskläger vorgetragen,
an den Verzicht eines bisherigen Zulassungsinhabers anknüpft und die Erteilung der
Neuzulassung in "Nachfolge" des bisherigen Zulassungsinhabers geschieht, erfolgt die
Erteilung der Zulassung nicht für eine bestimmte Praxis oder Praxisgemeinschaft,
sondern rein personengebunden. Sie stellt ein höchstpersönliches Recht des Inhabers
dar, in dessen Nutzung dieser grundsätzlich frei ist. Die Partner einer
Gemeinschaftspraxis sind daher im eigenen Interesse gehalten, zivilrechtliche
Vereinbarungen zu treffen, wenn sie verhindern wollen, dass ein ausscheidender
Gesellschafter seine Zulassung anderweitig nutzt. Eine Verpflichtung, im Falle des
Ausscheidens aus der Praxis die Zulassung zurückzugeben, wurde hier aber nicht
ausdrücklich vereinbart. Da eine solche Verpflichtung zum einen ein höchstpersönliches
Recht des Zulassungsinhabers berührt und zum anderen in einschneidender Weise
sein durch Art. 12 GG geschütztes Recht auf Berufs- und Berufsausübungsfreiheit und
damit seine berufliche Existenz berührt, kann diese hier nicht im Wege der ergänzenden
Auslegung dem Sinn und Zweck der vertraglichen Regelungen entnommen werden.
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Zwar ist dem Verfügungskläger als verbleibenden Partner in der Gemeinschaftspraxis
ein berechtigtes Interesse daran, eine zweite Vertragsarztstelle und somit die
Praxisstruktur zu erhalten, grundsätzlich zuzuerkennen, zumal eine Praxisverkleinerung
erhebliche wirtschaftliche Nachteile zur Folge hat. Dieses Interesse überwiegt jedoch
nicht das Interesse der Verfügungsbeklagten an einem Erhalt ihrer Zulassung. Denn
müsste sie ihre Zulassung zurückgeben, ist eine weitere berufliche Zukunft im
Planungsbereich nicht mehr möglich, da ungewiss ist, ob und wann eine
Vertragsarztstelle als Orthopäde zur Ausschreibung kommt. Die Verfügungsbeklagte
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wäre gezwungen, den Planungsbereich ganz zu verlassen und sich örtlich neu zu
orientieren, wobei zu berücksichtigen ist, dass wegen Zulassungsbeschränkungen in
anderen Bezirken die Niederlassungsmöglichkeiten beschränkt sind und eine freie
Ortswahl nicht besteht. Gerade in Anbetracht der Angaben der Verfügungsbeklagten im
Verhandlungstermin vom 21. Dezember 2006, dass sie lediglich für einen kurzen
Zeitraum von einigen Jahren ihren Beruf als Ärztin noch ausüben möchte, ist eine somit
erforderliche örtliche Neuorientierung der Verfügungsbeklagten nicht zuzumuten.
Demgegenüber bleibt es dem Verfügungskläger unbenommen, einen bereits
niedergelassenen Arzt in die Praxis aufzunehmen.
Zwar hat der BGH in seinem Urteil vom 22. Juli 2002 (NJW 2002, 3536) einen
Zulassungsverzicht auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung für zulässig
erachtet. Mangels vergleichbaren Sachverhalts kommt eine entsprechende
vertragsimmanente Verpflichtung ohne ausdrückliche Absprache hier nicht in Betracht.
So konnte der Ausscheidende Arzt in dem vom BGH entschiedenen Fall wegen der
relativ kurzen Zeit seiner Mitarbeit die Gemeinschaftspraxis nicht entscheidend
mitprägen. Zudem hatte er die Zulassung als Kassenarzt gerade als Nachfolger seines
Vorgängers in der Gemeinschaftspraxis erhalten. Hier ist aber der Verfügungskläger als
Juniorpartner in die bereits bestehende Praxis der Verfügungsbeklagten eingetreten und
die Parteien haben die Gemeinschaftspraxis über einen Zeitraum von mehr als acht
Jahren betrieben, so dass die Verfügungsbeklagte den derzeit bestehenden
Patientenstamm entscheidend mitaufgebaut und geprägt hat.
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III. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch hat ebenfalls keinen Erfolg. Mangels
Erfolgsaussichten des Verfügungsklägers in der Hauptsache kann der
Verfügungsbeklagten aufgrund der damit verbundenen Nachteile nicht untersagt
werden, auf Auflösung der Gemeinschaftspraxis mit dem Verfügungskläger oder auf
Verlegung des Vertragsarztsitzes gerichtete Erklärungen gegenüber dem
Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung abzugeben.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 6, 711 Satz 1, 2 ZPO.
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