Urteil des LG Krefeld vom 06.06.1984

LG Krefeld (käufer, verkäufer, kaufpreis, urkunde, gemeinde, gebühr, beschwerdegegner, grundstück, erwerber, zahlung)

Landgericht Krefeld, 6 T 53/84
Datum:
06.06.1984
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 53/84
Tenor:
Unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Kostenrechnung
werden die von den Beschwerdeführern an den Beschwerdegegner zu
leistenden Gebühren und Auslagen zu UR-Nr. 1118/83 auf 675,47 DM
festgesetzt.
G r ü n d e
1
Am 21. April 1983 schlossen die Firma X Baugesellschaft mbH & Co. KG als Verkäufer
und die Beschwerdeführer als Käufer vor dem Beschwerdegegner einen
Grundstückskaufvertrag ab. Auf die Urkunde Nr. 1118 vom 21. April 1983 des Notars Dr.
Kremer, Kempen,( in Hülle Blatt 3 der Akten) wird Bezug genommen.
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Unter II der vorgenannten Urkunde ist bestimmt, daß der Kaufpreis 90,-- DM je
Quadratmeter des verkauften Grundbesitzes, bei der angenommenen Flächengröße von
574 qm somit 51.660,—— DM betrage. Ferner enthält die Urkunde unter II unter
anderem die Klausel, daß sich die Käufer dem Verkäufer gegenüber wegen der in der
Urkunde übernommenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung
aus der Urkunde mit der Maßgabe unterwerfen, daß dem Verkäufer jederzeit ohne
weiteren Nachweis eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt werden kann.
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Unter IV der Urkunde ist sodann unter anderem folgendes bestimmt:
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Die Erschließung des Kaufobjektes wird im Auftrage der Gemeinde X durch die
Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis X Aktiengesellschaft in X
durchgeführt. Der Käufer verpflichtet sich gegenüber der Gemeinnützigen
Wohnungsgesellschaft Aktiengesellschaft als Erschließungsträger zur Zahlung der
Erschließungskosten auf das Konto des Erschließungsträgers bei der, Konto Nr.,
Verwendungszweck .
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Die Erschließungskosten betragen voraussichtlich bei einer eingeschossigen Bauweise
44,51 DM je qm der Grundstücksfläche und bei einer zweigeschossigen Bauweise
62,15 DM je qm der Grundstücksfläche. Das Kaufobjekt wird eingeschossig gebaut, so
daß die voraussichtlichen Erschließungskosten 44,51 DM x 574 = 25.548,74 DM
betragen.
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Die voraussichtlichen Erschließungskosten sind wie folgt fällig:
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a)
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zu 90 % unverzüglich nach Eingang der Bauerlaubnis für das auf dem gekauften
Grundstück zu errichtende Gebäude, spätestens jedoch zu dem gemäß b) festgelegten
Zeitpunkt,
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b)
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zu 10 % vier Wochen nach Aufforderung durch den Erschließungsträger aufgrund der
von der Gemeinde X genehmigten Abrechnung für den jeweiligen Bauabschnitt.
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Dem Käufer ist bekannt, daß die Gemeinde X über die voraufgeführten
Erschließungskosten hinaus Kanalanschlußbeiträge nach dem zum Zeitpunkt der
Entstehung der Beitragspflicht geltenden Ortsrecht erhebt. Die Beitragspflicht entsteht,
wenn die Entwässerungsanlage betriebsfertig hergestellt ist und das gekaufte
Grundstück an das Entwässerungsnetz angeschlossen werden kann. Die Beteiligten
sind darüber einig, daß alle Erschließungsbeiträge und sonstigen Anliegerbeiträge
sowie der Kanalanschlußbeitrag zu Lasten des Käufers gehen.
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Am 02.01.1984 erteilte der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern zu UR—Nr. vom
21.01.1983 — Kaufvertrag — folgende Kostenrechnung:
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Wert: 51.660,-- DM+ 25.548,74DM
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Gebühr § 36 II KostO 390,00 DM
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Gebühr § 146 KostO 82,50 DM
16
Gebühr § 147 KostO 82,50 DM
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Gebühr § 136 KostO 96,00 DM
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Gebühr § 137 KostO 85,54 DM
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10 % MWSt 85,54 DM
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743,54 DM.
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Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, daß bei der Ermittlung des
Geschäftswertes künftige Erschließungskosten in Höhe von 25.548,74 DM
berücksichtigt worden sind.
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Der Beschwerdegegner hat vorgetragen:
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Da die Gemeinde X nach § 123 Abs. 3 Bundesbaugesetz die Erschließung durch
Vertrag der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft AG übertragen habe, müsse der
Erwerber eines Baugrundstückes die Verpflichtung zur Zahlung der
Erschließungskosten vertraglich übernehmen. Die vertragliche Übernahme der
Erschließungskosten gegenüber dem privaten Erschließungsträger sei Bedingung des
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Vertrages gewesen. Der Erschließungsträger habe einen Titel gegen die einzelnen
Käufer haben wollen. Auch die Fälligkeit der Erschließungskosten habe vereinbart
werden müssen. Die Verkäuferin, Firma X Baugesellschaft mbH & Co. KG habe sich
gegenüber dem Erschließungsträger verpflichtet, in jeden Kaufvertrag die
Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Erschließungsträger ausdrücklich
aufzunehmen. Bei der Vereinbarung in dem Kaufvertrag handele es sich also nicht um
einen Hinweis auf eine gesetzlich bestehende Pflicht zur Zahlung von
Erschließungskosten sondern um eine vertraglich festgelegte Verpflichtung.
Der Beschwerdegegner ist deshalb der Ansicht, daß die Erschließungskosten bei der
Berechnung der Gebühren dem Kaufpreis zuzurechnen seien.
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Der Präsident des Landgerichts als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars vertritt
demgegenüber die Auffassung, dass auch in diesem Falle noch nicht fällige
Erschließungsbeiträge dem Kaufpreis nicht hinzugerechnet werden könnten. Im
einzelnen wird auf die Stellungnahmen vom 19.03.1984 und 27.04.1984 verwiesen.
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Die gemäß § 156 Abs. 1 zulässige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die
Kostenberechnung ist begründet.
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Nach § 20 Abs. 1 KostO ist beim Kauf eines Grundstückes grundsätzlich der Kaufpreis
für die Kostenberechnung maßgebend. Hinzuzurechnen sind die vom Käufer
übernommenen oder die ihm sonst infolge der Veräußerung obliegenden Leistungen.
Dabei muß es sich um Leistungen handeln, die ebenso wie der Kaufpreis dem
Verkäufer zugute kommen. Durch die in § 20 KostO vorgesehene "Hinzurechnung" von
sonstigen Leistungen außerhalb des nominellen Kaufpreises soll nämlich erreicht
werden, dass der Gebührenberechnung der tatsächliche wirtschaftliche Wert der
Käuferleistung für den Verkäufer zugrunde gelegt wird.
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Die Abreden der vertragschließenden Parteien über die Erschließungskosten unter IV
des notariellen Vertrages vom 21.04.1983 stellen keine zusätzliche Leistung dar, die der
Käufer zugunsten des Verkäufers übernommen hat. Der Erschließungsbeitrag ruht
gemäß § 134 Abs. 2 Bundesbaugesetz als öffentliche Last auf dem Grundstück.
Beitragspflichtig ist derjenige, der zum Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides
Eigentümer des Grundstücks ist (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Bundesbaugesetz). Den Erwerber
eines noch unerschlossenen und nicht bebauten Grundstücks, für das ein
Beitragsbescheid noch nicht zugestellt worden ist, trifft daher die Beitragspflicht für noch
vorzunehmende Erschließungsmaßnahmen. Der Erwerber haftet für künftige
Erschließungsbeiträge und der Veräußerer ist von solchen befreit, ohne daß eine
entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertragschließenden getroffen werden
muß. Die Übernahme künftig fällig werdender Erschließungsbeiträge durch einen
Grundstückskäufer ist daher dem Kaufpreis nicht hinzuzurechnen.
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Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil sich die Käufer gegenüber der
gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft AG als Erschließungsträger zur Zahlung der
Erschließungskosten auf das Konto des Erschließungsträgers verpflichtet haben.
Wirtschaftlich haben die Käufer damit nicht mehr übernommen, als sie ohnehin aufgrund
gesetzlicher Vorschrift zu tragen haben. Für die Käufer hat sich nur der Adressat der
ohnehin von ihnen zu erbringenden Erschließungsbeiträge geändert. Auch die Abrede
über die Fälligkeit der Erschließungsbeiträge stellt keine echte Zusatzleistung dar. Auch
für den Fall, dass die Gemeinde selbst die Erschließung vornimmt, kann sie
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Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag verlangen, wenn ein Bauvorhaben auf
dem Grundstück genehmigt wird (§ 133 Abs. 3 Bundesbaugesetz). Da eine von der
Gemeinde genehmigte Abrechnung für die Erschließungskosten vorliegen muß,
bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Käufer in dem notariellen Vertrag
höhere Beitragslasten übernommen haben, als von ihnen ohne die Abrede zu Gunsten
der Erschließungsträgerin gegenüber der Gemeinde geschuldet würden.
Andererseits handelt es sich bei den Zusatzabreden über die Erschließungsbeiträge zu
Gunsten der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft AG nicht um eine Leistung an den
Verkäufer, durch die wirtschaftlich der Grundstückskaufpreis erhöht wird. Die
Verkäuferin hat zwar, wie der Beschwerdegegner dargelegt hat, sich vertraglich
verpflichtet, mit allen Grundstückseigentümern die Zusatzabrede über die
Erschließungskosten zu Gunsten der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft und für
den Kreis X AG zu schließen. Dies dient einer reibungslosen und möglichst schnellen
Aufschließung des gesamten Baugebietes. Dadurch werden auch die Verkaufs- und
Bebauungsmöglichkeiten seitens der Verkäuferin sicherlich gefördert. Solche Vorteile
bei der technischen Abwicklung eines größeren Verkaufs und Bauvorhabens stellen
aber keine dem Kaufpreis zuzuschlagende Leistung dar. Der Kaufpreis ändert sich
durch eine Vertragsgestaltung, die die Abwicklung eines Großbauvorhabens durch
einen Bauträger o.ä. erleichtert, nicht. Im Sinne von § 20 KostO sind dem Kaufpreis nur
solche Leistungen des Käufers an den Verkäufer hinzuzurechnen, die sich konkret aus
dem Grundstücksgeschäft an sich ergeben und deshalb Kaufpreischarakter haben. Dies
ist bei Abreden darüber, an wen und in welcher Form vom Käufer zu erbringende
Erschließungsbeiträge zu leisten sind, nicht der Fall. Es handelt sich nicht um dem
Kaufpreis zuzurechnende echte Leistungen des Käufers an den Verkäufer wegen des
konkreten Grundstücksgeschäftes sondern um Zusatzabreden über die
Zahlungsmodalitäten der jedenfalls geschuldeten Erschließungsbeiträge. Für letztere ist
auch mit der notariellen Urkunde zugunsten der Erschließungsträgerin kein Titel
geschaffen worden. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in Ziffer
III des notariellen Vertrages betrifft eindeutig nur die vorausgehenden
Kaufpreisansprüche. Die Regelung über die Erschließungsbeiträge folgt unter IV nach
und ist bereits deshalb von der Unterwerfungsklausel nicht umfaßt.. Es verbleibt dabei,
dass die Erwerber die künftigen Erschließungsbeiträge in bestimmter Weise unmittelbar
an die Erschließungsträgerin zu leisten haben, der reibungslosen Durchführung des
Großbauvorhabens in einem Neubaugebiet dient. Die Abrede über die Zahlungsweise
der Erschließungsbeiträge kommt damit Verkäufer, Käufer und Erschließungsträger in
gleicher Weise zugute, ohne dass sich dadurch das Gewicht der Leistungen von Käufer
und Verkäufer bei dem eigentlichen Grundstücksgeschäft verschiebt. Für die Ermittlung
des Geschäftswertes sind daher die unter IV des des notariellen Vertrages geregelten
"Erschließungsbeiträge" von 25.548,74 DM nicht zu berücksichtigen. Nach § 20 KostO
ist maßgeblich allein der Grundstückskaufpreis von 51.660,-- DM. Nach diesem Wert
sind folgende Gebühren entstanden:
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Beurkundungsgebühr § 36 Abs. 2 KostO
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(2 x 165,-- DM) 330,-- DM
33
Vollzugsgebühr § 146 KostO
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(1/2 von 165.-- DM) 82,50 DM
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Gebühr für Nebentätigkeit § 147 KostO
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(z.B. Feststellung der Fälligkeitsvoraus-
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setzungen (1/2 von 165,-- DM) 82,50 DM
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Schreibauslagen gemäß § 136 KostO 96,00 DM
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Sonstige Auslagen wie Porto etc.
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gemäß § 137 KostO 7,00 DM
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13 % MWSt 77,74 DM
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675,74 DM.
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Auf diesen Betrag war die Kostenrechnung vom 2.1.1984 zu der Urkundennummer
118/83 vom 21.04.1983 abzuändern.
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Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Von der Auferlegung gerichtlicher Auslagen
wird abgesehen (§ 156 Abs. 4 Satz 2 und 4 KostO).
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