Urteil des LG Köln vom 17.01.2008
LG Köln: stille reserven, unternehmen, abfindung, akte, stillen, eigene aktien, squeeze out, rückversicherung, aktiengesellschaft, betrug
Landgericht Köln, 82 O 77/03
Datum:
17.01.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
82 O 77/03
Tenor:
Die Anträge auf gerichtliche Festsetzung des angemessenen
Ausgleichs und der angemessenen Abfindung gemäß §§ 304, 305 AktG
werden zurückgewiesen, soweit über sie nicht schon abschließend
entschieden worden war.
Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens sowie die
außergerichtlichen Kosten von sämtlichen Verfahrensbeteiligten mit
Ausnahme der Antragsteller zu 1 und 9; diese tragen ihre außergerich-
tlichen Kosten selbst.
Der Geschäftswert beträgt € 200.000,00.
GRÜNDE
1
I.
2
B1
Aktiengesellschaft, Aachen, ("
B2
geschlossen, nach dem die B2 die Leitung ihrer Gesellschaft der B1 unterstellt hat.
3
Nach § 3 des Beherrschungsvertrages garantiert die B1 den außenstehenden
Aktionären der B2 als angemessenen Ausgleich nach § 304 AktG für jedes volle
Geschäftsjahr und für jede Aktie der B2 im Nennbetrag von DM 50,00 einen
Gewinnanteil von 50 % des Betrags, der als Gewinnanteil auf eine Aktie der B1 im
Nennbetrag von DM 50,00 in dem entsprechenden Geschäftsjahr entfällt; dies entspricht
500 % des Betrages, der als Gewinnanteil auf eine Aktie der B1 im Nennbetrag von DM
5,00 in dem betreffenden Geschäftsjahr entfällt.
4
Nach § 4 des Beherrschungsvertrages verpflichtet sich die B1, auf Verlangen
außenstehender Aktionäre der B2 deren Aktien gegen eine Abfindung zu erwerben. B1
gewährt den außenstehenden Aktionären der B2 für 41 Aktien der B2 im Nennbetrag
von je DM 50,00 insgesamt 203 Inhaberaktien der B1 im Nennbetrag von je DM 5,00 mit
zeitgleicher Gewinnberechtigung, sowie eine bare Zuzahlung von DM 0,03 je Aktie der
5
B2.
Die B1 und die B2 erstatteten am 30. Juni 1997 einen gemeinsamen Bericht über den
Beherrschungsvertrag. Danach ist das angemessene Umtauschverhältnis sowie die
bare Zuzahlung für die außenstehenden Aktionäre der B2 aufgrund eines
Bewertungsgutachtens der D Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln, ("D") festgelegt worden. Am 21. Mai 1997 haben
die B1 die E und Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hamburg, ("E") und die B2
die F Deutsche Treuhand Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hamburg,
("F") als sachverständige Prüfer gemäß § 293c AktG bestellt. Hinsichtlich der
Ergebnisse wird auf die schriftlichen Berichte der D, F und E Bezug genommen.
6
Die Hauptversammlung der B2 hat am 1. September 1997 dem Beherrschungsvertrag
mit der B1 zugestimmt. Die Hauptversammlung der B1 hat am 29. Juli 1997 dem
Beherrschungsvertrag zugestimmt. Der vorbezeichnete Beherrschungsvertrag wurde am
11. September 1997 in das Handelsregister der B2 eingetragen. Die Bekanntmachung
gemäß § 10 HGB erfolgte zuletzt im Bundesanzeiger vom 15. Oktober 1997. Bereits am
25. September 1997 war die Eintragung in einem anderen Blatt bekannt gemacht
worden. Das streitgegenständliche Spruchverfahren ist im Dezember 1997 im
Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.
7
Das Grundkapital der B2 betrug nach einer am 5. Mai 1997 von ihrer
Hauptversammlung beschlossenen Barkapitalerhöhung DM 88.000.000. Es war
aufgeteilt in 440.000 Inhaberaktien im Nennbetrag zu je DM 50,00 und in 1.320.000
Namensaktien im Nennbetrag von je DM 50,00. Das Grundkapital der B2 wurde zu 75%
plus eine Aktie von der B1 gehalten, der Rest der Aktien befand sich im Streubesitz.
8
Die Inhaberaktien der B2 waren zum Börsenhandel mit amtlicher Notierung an den
Wertpapierbörsen zu Düsseldorf, Berlin und Frankfurt am Main zugelassen.
9
Die B2 bot Versicherungsschutz im direkten Geschäft an, insbesondere durch Einzel-
und Gruppen-Kapitalversicherungen sowie Risiko- und Rentenversicherungen. Darüber
hinaus bot die Gesellschaft fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen,
Berufsunfähigkeitsversicherungen sowie Unfall- und Berufsunfähigkeits-
Zusatzversicherungen an. Der Marktanteil der B2 - gemessen anhand der verdienten
Bruttobeiträge betrug gemäß Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamtes für das
Versicherungswesen in den Jahren 1996 und 1997 ca. 3,7 % und 3,8 %. Die B2 lag in
den Jahren 1996 und 1997 unter 125 Lebensversicherungsunternehmen auf Rang 7
bzw. 6 des deutschen Lebensversicherungsmarktes und war daher als großer
Lebensversicherer einzuordnen. Die verdienten Nettobeträge lagen in den Jahren 1994
bis 1996 bei DM 2.933.765.000, DM 3.169.137.000 und DM 3.360.394.000.
10
Die B1 übte die Holdingfunktion in der B-Gruppe ("
B-Gruppe
und das Bauspargeschäft wurden ausschließlich von den Tochtergesellschaften
betrieben.
11
Gemäß Verschmelzungsvertrag vom 17. Juni 1997 wurde die B
Konzernrückversicherung AG ("
B3
Vermögens auf die B1 als Ganzes mit Zustimmung der Hauptversammlung der B3 vom
28. August 1997 verschmolzen. Die Eintragung der Verschmelzung in das
Handelsregister erfolgte am 13. Oktober 1997. Mit Beschluss der Hauptversammlung
12
der B1 vom 30. August 1996 wurde der Unternehmensgegenstand um den Betrieb des
Rückversicherungsgeschäfts erweitert.
Das Grundkapital der B1 betrug DM 245.437.500 und war eingeteilt in 4.028.750
vinkulierte Namensaktien im Nennbetrag von je DM 50,00 (nominal DM 201.437.500)
und 880.000 Inhaberaktien im Nennwert von je DM 50,00 (nominal DM 44.000.000). Im
Zuge der Verschmelzung der B1 mit der B3 wurde das Grundkapital der B1 durch
Beschluss der Hauptversammlung vom 29. August 1997 durch Ausgabe von 352.485
neuen Inhaberaktien um nominal DM 1.762.425,90 auf insgesamt DM 247.199.925
erhöht.
13
Die Antragsteller sind der Meinung, der von der B1 angebotene Ausgleich gemäß § 304
AktG sowie die angebotene Abfindung gemäß § 305 AktG seien unangemessen.
14
Die B2 sei zu niedrig bewertet worden. Der Wert der B2 betrage mindestens 2 Milliarden
DM. Der Emissionspreis für die Aktie der B2 im Jahr 1991 habe deutlich über dem im
Zusammenhang mit dem Beherrschungsvertrag 1997 ermittelten Wert der Aktie der B2
gelegen. Bei dem Squeeze Out der B2 im Jahr 2002 habe der Unternehmenswert rund
75% über dem Unternehmenswert des Jahres 1997 gelegen.
15
Die Ertragsplanung für die B2 sei falsch. Die Dynamik der B2 bei
versicherungstechnischen Leistungen sei nicht berücksichtigt worden. Die
Bruttobeiträge, das Eigenkapital und das Ergebnis der B2 seien gestiegen, ihr Wert
allerdings um 50% gefallen. Die Kapitalanlagen der B2 seien fehlerhaft prognostiziert
worden, zudem seien sie nicht in vollem Umfang betriebsnotwendig. Die Abzinsung der
Kapitalanlagen mit einem Kapitalisierungszinssatz von 7,75% führe zu einer
systematischen Wertvernichtung. Stille Reserven in den Kapitalanlagen und
Synergieeffekte seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Anteil der
Versicherungsnehmer am Rohüberschuss (Direktgutschrift und Zuführung zur RfB) sei
zu hoch angesetzt worden. Die Beteiligungen der B2 seien methodisch falsch bewertet
worden. Zudem seien die Beteiligungen der B2 an der G-AG ("
G
der H S. A. ("
H
überhöht und zudem nicht einheitlich angewendet worden. Der Basiszinssatz sei
überhöht und falsch errechnet worden; es könne lediglich der zum Stichtag gültige
Basiszinssatz Berücksichtigung finden. Ein Risikozuschlag sei nicht berechtigt, da das
Unternehmensrisiko bereits in der Ertragsprognose berücksichtigt sei. Im Übrigen werde
eine Barabfindung geschuldet, da die B1 seinerzeit von der J AG abhängig gewesen
sei.
16
Die Antragsteller beantragen,
17
den angemessenen Ausgleich gemäß § 304 AktG und die angemessene
Abfindung gemäß § 305 AktG gerichtlich festzusetzen.
18
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
19
die Anträge zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerinnen sind der Auffassung, dass die Anträge teilweise bereits
unzulässig seien. Im Übrigen seien die Anträge unbegründet, da der im
Beherrschungsvertrag vom 30. Juni 1997 festgelegte Ausgleich und die Abfindung
21
angemessen seien. Die von E, D und F ermittelten Umtauschverhältnisse für den
Ausgleich und die Abfindung seien zutreffend ermittelt worden. In begründeten
Ausnahmefällen sei von der Ertragswertmethode abgewichen worden. Synergieeffekte
seien nach herrschender Meinung nicht zu berücksichtigen. Sämtliche Kapitalanlagen
seien bei Lebensversicherungsunternehmen als betriebsnotwendiges Vermögen zu
qualifizieren. Stille Reserven seien im Ertrag berücksichtigt worden, das gelte auch für
die stillen Reserven in Rückstellungen. Der Kapitalisierungszinssatz sei nicht zu
beanstanden. Es sei die auf Dauer erzielbare Umlaufrendite der letzten 15 bis 20 Jahre,
im Durchschnitt 7,25%, zur Ermittlung des Basiszinssatzes zugrunde gelegt worden. Ein
Risikozuschlag sei berechtigt, er müsse jedoch nach Versicherungssparte
unterschiedlich ausfallen. Schließlich sei die B1 nicht von der J AG abhängig gewesen,
wie sich bereits aus dem gemeinsamen Bericht zum Beherrschungsvertrag ergebe.
Daher werde keine Barabfindung geschuldet.
Das Gericht hat durch Beweisbeschlüsse vom 16. Juni 1999, 11. August 1999 und
21. November 2003 Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten.
Insofern wird auf die schriftlichen Gutachten beziehungsweise Ergänzungsgutachten
der Sachverständigen K, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft
mbH, ("
K
L, L1 & Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ("
L
Bezug genommen.
22
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dazu eingereichten
Anlagen Bezug genommen.
23
II.
24
Die Anträge sind zulässig, in der Sache aber unbegründet.
25
Zulässigkeit
26
Die noch anhängigen Anträge sind zulässig.
27
Die Anträge beurteilen sich nach den §§ 304 ff. AktG a. F. Das im Jahr 2003 in Kraft
getretene Spruchverfahrensgesetz ist auf das vorliegende Altverfahren nicht anwendbar,
§ 17 Abs. 2 SpruchG.
28
Gemäß § 304 Abs. 3 Satz 3 AktG a. F., § 305 Abs. 5 Satz 2 AktG a. F. hat das
zuständige Gericht auf Antrag der außenstehenden Aktionäre den angemessenen
Ausgleich und die angemessene Abfindung festzusetzen. Nach 304 Abs. 4 AktG a. F., §
305 Abs. 5 Satz 5 AktG a. F. ist jeder außenstehende Aktionär antragsberechtigt. Der
Antrag kann nur binnen zwei Monaten seit der nach Maßgabe von § 10 HGB erfolgten
Bekanntmachung der Eintragung des Beherrschungsvertrages in das Handelsregister
gestellt werden. Folgeanträge können noch binnen einer Frist von zwei Monaten nach
der durch das Gericht zu veranlassenden Bekanntmachung des Spruchverfahrens in
den Gesellschaftsblättern gemäß § 306 Abs. 3 Satz 2 AktG a. F. gestellt werden.
29
Die Anträge der Antragsteller zu 2, 3 und 5 sind bereits mit Beschluss der Kammer vom
30. Juni 1998 für zulässig erklärt worden. Ferner ist der Antrag des Antragstellers zu 4
30
durch Beschluss der Kammer vom 30. Juni 1998 für zulässig erklärt worden. Die
vorgenannten Beschlüsse sind bestandskräftig.
Die Anträge der Antragsteller zu 1 und 9 sind bereits durch Beschlüsse der Kammer
vom 30. Juni 1998 und 24. Juli 1998 als unzulässig zurückgewiesen worden, da diese
Antragsteller ihre Aktien erst nach der Eintragung des Beherrschungsvertrages in das
Handelsregister erworben haben. Die Beschlüsse sind ebenfalls bestandskräftig.
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Die übrigen Antragsteller haben ihre Antragsberechtigung nachgewiesen. Sie haben
urkundlich belegt, dass sie zum Zeitpunkt der Eintragung des Beschlusses zu dem
Beherrschungsvertrag in das Handelsregister Aktionäre der B2 waren.
32
Die Anträge sind auch fristgerecht bei Gericht eingereicht worden. Die zweimonatige
Antragsfrist gemäß 304 Abs. 4 AktG a. F., § 305 Abs. 5 Satz 5 AktG a. F. ist am
15. Dezember 1997 abgelaufen, da die letzte Bekanntmachung im Sinne von § 10 HGB
am 15. Oktober 1997 erfolgt war. Die Frist für die Folgeanträge ist im Februar 1998
abgelaufen, nachdem das Spruchverfahren seitens des Gerichts im Dezember 1998 im
Bundesanzeiger bekannt gemacht worden war.
33
Die Anträge der übrigen Antragsteller sind am 13. November 1997, 12. Dezember 1997,
18. November 1997 (LG Aachen) beziehungsweise 17. Dezember 1997 (LG Köln),
23. Dezember 1997 und 6. Januar 1998 bei Gericht eingegangen. Die Anträge zu 6 bis
8 sind zumindest als Folgeanträge zulässig.
34
Begründetheit
35
Die Anträge auf gerichtliche Festsetzung des angemessenen Ausgleichs und der
angemessenen Abfindung gemäß §§ 304, 305 AktG sind unbegründet. Der im
Beherrschungsvertrag vom 30. Juni 1997 angebotene Ausgleich und die dort
angebotene Abfindung sind angemessen.
36
1.
Beurteilungsgrundlage
37
38
Die Kammer hat sich in erster Linie auf das Gutachten der Sachverständigen L vom
12. Oktober 2006 gestützt, insbesondere auf das Gutachten über den
Unternehmenswert der B1 ("Gutachten B1") und das Gutachten über den
Unternehmenswert der B2 ("Gutachten B2"). Diese Einzelgutachten sind eingebettet in
die von der Sachverständigen L vorgenommene Gesamtbewertung der B-Gruppe. Es
handelt sich um ein schlüssiges und homogenes Gutachten, das weit über das
Gutachten von K hinaus geht. Das Gutachten von K wurde daher lediglich zur
Plausibilisierung des in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und in jeder Hinsicht
überzeugen Gutachtens der Sachverständigen L herangezogen. Das Gutachten der
Sachverständigen L ist von den Verfahrensbeteiligten akzeptiert worden. Jedenfalls ist
keine Kritik geäußert worden.
39
2.
Barabfindung
40
41
Die Antragsteller haben zunächst keinen Anspruch auf Barabfindung gemäß § 305 Abs.
2 Nr. 2 oder Nr. 3 AktG a. F. Nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 AktG a. F. muss der
Beherrschungsvertrag als Abfindung eigene Aktien des anderen Vertragsteils anbieten,
wenn dieser eine nicht abhängige und nicht in Mehrheitsbesitz stehende
Aktiengesellschaft ist. Falls der andere Vertragsteil eine abhängige oder in
Mehrheitsbesitz stehende Aktiengesellschaft ist und das sie beherrschende
Unternehmen eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist, müssen gemäß § 305 Abs. 2
Nr. 2 AktG a. F. entweder Aktien des anderen Vertragsteils oder der mit Mehrheit
beteiligten Obergesellschaft oder eine Barabfindung angeboten werden. In allen
anderen Fällen ist gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG a. F. eine Barabfindung vorzusehen.
Streitig ist, ob in den Fällen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 AktG a. F. das Wahlrecht bei den
Partnern des Beherrschungsvertrages oder bei den Minderheitsaktionären liegt (vgl.
Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 305 Rn. 5).
42
Die Antragsteller sind der Meinung, dass die B1 eine Barabfindung schulde, da sie zum
Stichtag von der J AG, der N Rückversicherung AG, der M Bank AG und der H
beherrscht gewesen sei. Die J-Gruppe habe das Eindringen der H in den deutschen
Markt verhindern können, indem sie der italienischen O-Gruppe die Zwei-Drittel-
Mehrheit an der B1 verschafft habe, wie auch der Presse habe entnommen werden
können. Es habe zudem ein Kooperationsvertrag zwischen der O-Gruppe und der B-
Gruppe bestanden. In einer Pressemitteilung der B1 vom 21. Dezember 1997 sei
mitgeteilt worden, die J AG und die H hätten vereinbart, sich von ihren Aktienpaketen an
der B1 zu trennen und diese an die O-Gruppe zu veräußern. Auch wenn die H in den
Hauptversammlungen der B1 nicht über die Mehrheit der Stimmen verfügt habe, sei
aber aufgrund des Abstimmungsverhaltens der H, der M Bank AG, der N
Rückversicherung AG und der J AG in den Hauptversammlungen der B1 von einer
mehrfachen Abhängigkeit letzterer auszugehen.
43
Die Antragsgegnerinnen haben erläutert, dass die B1 im Jahr 1997 nicht in
Mehrheitsbesitz stand und beherrscht wurde. Unstreitig ergab sich für die B1 zum
Stichtag folgende Aktionärsstruktur:
44
H (zzgl. weitere 6% nicht stimmberechtigte Kapitalbeteiligung)
27,5%
M Bank AG
14,7%
N Rückversicherung AG
8,6%
J AG
5,9%
Gesamt
56,7%
45
Die restlichen ca. 38,2 % des Kapitals der B1 seien von institutionellen und privaten
Anlegern gehalten worden, von denen nach Kenntnis des Vorstands der B1 keiner
46
einen Stimmrechtsanteil von mehr als 5 % gehabt habe. Die H habe weder in der B1-
Hauptversammlung des Jahres 1997 noch in den Hauptversammlungen der
vorangegangenen Jahre über eine Präsenzmehrheit verfügt. Ihr Präsenzanteil habe in
den Jahren 1994 bis 1997 bei 36,61%, 35,10%, 34,56% und 38,26% gelegen. Insofern
haben die Antragsgegnerinnen die jeweiligen Teilnehmerverzeichnisse der
Hauptversammlungen der B1 vorgelegt (Anlagen B 1 bis B 4 zum Schriftsatz vom
1. Juni 2007, Blatt 1173 ff.). Die B1 sei auch nicht durch die J AG, die M Bank AG, die N
Rückversicherung AG und die H gemeinsam beherrscht worden. Richtig sei, dass
Anfang der neunziger Jahre die M Bank AG, die N Rückversicherung AG und die J AG
als Aktionäre der B1 verhindert hätten, dass die H ihren Anteil bei der B1 ausbaut. Am
13. Oktober 1997, also circa anderthalb Monate nach dem Stichtag für dieses Verfahren,
habe die italienische O-Gruppe, die seinerzeit nicht an der B1 beteiligt gewesen sei, der
französischen H-Gruppe ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreitet. Die H habe
dieses Übernahmeangebot abwehren wollen, wie sich aus der Presse ergebe. Die J AG
habe auf Veranlassung der H am 18. November 1997 ein - aus Sicht der H -
freundliches Gegenangebot unterbreitet. Im Rahmen von Verhandlungen der J AG mit
der O-Gruppe gegen Ende Dezember 1997 sei vereinbart worden, dass die O-Gruppe
weitere Übernahmeangebote bezüglich der H nicht unterbreiten werde, sodass die J AG
zum Zuge gekommen sei. Im Gegenzug seien der O-Gruppe von der J AG die eigenen
die von der H gehaltenen B1-Anteile überlassen worden. Dies sei mit der
Pressemitteilung der B1 vom 21. Dezember 1997 bekannt gegeben worden. Die J AG
habe als größter Erstversicherer in Deutschland nach einem Erwerb der H ohnehin mit
einer Abgabe der H-Anteile an der B1 aus wettbewerbsrechtlichen Gründen rechnen
müssen. Im Mai 1998 habe die O-Gruppe die B1-Aktien erworben.
Bei dieser Sachlage kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass die B1 bei
Abschluss des Beherrschungsvertrages von der H abhängig war. Die
Antragsgegnerinnen haben die Beteiligungsverhältnisse zum Stichtag dargelegt. Diese
werden von übrigen Verfahrensbeteiligten nicht infrage gestellt. Danach verfügte die H
nicht über eine zur Beherrschung der B1 erforderliche Mehrheit der Anteile. Die B1
wurde auch nicht faktisch von der H beherrscht, da ihre Hauptversammlungspräsenzen
dazu nicht ausreichten.
47
Auch von einer mehrfachen Abhängigkeit der B1 durch die H, die M Bank AG, die N
Rückversicherung AG und die J AG kann nicht ausgegangen werden. Richtig ist zwar,
dass die vorgenannten Gesellschaften zusammengerechnet mehr als 50% der Anteile
an der B1 hielten. Eine Zusammenrechnung der Einflusspotenziale mehrerer
Unternehmen setzt aber eine Interessenkoordination voraus, etwa im Rahmen eines
Gleichordnungskonzerns oder durch vertragliche Vereinbarungen über eine einheitliche
Stimmenabgabe u. ä. (Hüffer, AktG, 7. Auflage 2006, § 17 Rn. 13 ff.). Dazu haben die
Antragsteller beziehungsweise die Vertreter der außenstehenden Aktionäre aber keine
greifbaren Anhaltspunkte geliefert, die den Antragsgegnerinnen Veranlassung hätten
geben müssen, zu dem Abstimmungsverhalten in den Hauptversammlungen der B1 im
Jahr 1997 und in den vorangegangenen Jahren näher vorzutragen. Eine begründete
Vermutung für ein abgesprochenes Vorgehen der vorgenannten Unternehmen in den
Hauptversammlungen der B1 besteht nicht. Dass die vorgenannten Unternehmen im
Einzelfall einheitlich abgestimmt hatten, etwa bei der Schaffung des Vertragskonzerns
der B-Gruppe, setzt nicht zwingend eine Interessenkoordination voraus. Dass die
vorgenannten Unternehmen durchaus unterschiedliche Interessen verfolgten, ist daraus
zu ersehen, dass zunächst eine weitere Aufstockung der B1-Anteile seitens der H von
der J AG, der M Bank AG und der N Rückversicherung AG verhindert worden war. Ob
48
die Interessenunterschiede so weit gingen, dass sich die vorgenannten Unternehmen
gegenseitig in Schach hielten, kann offen bleiben. Selbst wenn dies nicht der Fall war,
kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen im Hinblick
auf die B1 zusammengearbeitet haben.
Das kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die J AG am 18. November 1997
ein aus der Sicht der H freundliches Gegenangebot unterbreitet hat. Das kann viele
Gründe haben, auch strategische Gründe, um andere Akquisitionen vorzubereiten oder
zu unterstützen. Offenbar verfolgte die J AG bei der Abgabe der B1-Anteile an die O-
Gruppe ausschließlich eigene Interessen in dem Sinn, dass sie sich mit der O-Gruppe
zum Vorteil beider einigte, wer bei der H und wer bei der B1 zum Zuge kommen sollte.
Ansonsten wäre der H-Erwerb wahrscheinlich teuer für sie geworden. Warum es bei
dieser Konstellation undenkbar sein soll, dass bezüglich der B1 bis zum Jahr 1996
keine Interessenkoordination stattgefunden hat, erschließt sich der Kammer nicht. Bei
dieser Sachlage bestand für das Gericht trotz der Amtsermittlungspflicht keine
Veranlassung zu weiteren Nachforschungen. Es ist anerkannt, dass die Beteiligten
zunächst greifbare Anhaltspunkte, die weitere Ermittlungen rechtfertigen, liefern müssen
(vgl. OLG Düsseldorf, AG 1999, 321, 325 "Lippe-Weser-Zucker AG"; OLG Düsseldorf,
AG 2003, 688, 692 "Veba AG").
49
3.
Abfindung in Aktien
50
51
Die angebotene Abfindung in Aktien der anderen Gesellschaft ist nach § 305 Abs. 3
AktG angemessen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in denen sie bei
einer Verschmelzung der Gesellschaft mit dem anderen Vertragsteil des
Beherrschungsvertrages zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare
Zuzahlung ausgeglichen werden können. Die angemessene Barabfindung muss die
Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer
Hauptversammlung über den Beherrschungsvertrag berücksichtigen.
52
Für die Verschmelzungswertrelation ist die Bewertung beider Unternehmen erforderlich.
Dieser Wert bestimmt sich maßgeblich danach, wie die Gesellschaft ohne Abschluss
des Unternehmensvertrages wertmäßig zu beurteilen wäre. Der nach diesen
Grundsätzen ermittelte Wert stellt die angemessene Abfindung dar, weil der
ausscheidende Aktionär die Summe erhalten muss, die dem Wert seiner Beteiligung am
Unternehmen voll entspricht. Nur die volle Abfindung ist angemessen (vgl. BVerfG,
Beschluß vom 27.04.1999 - 1 BvR 1613/94, AG 1999, 566 ff.; "DAT/Altana"OLG
Düsseldorf, Beschl. vom 15. Januar 2004 - I-19 W 5/03 AktE, "Krupp Stahl/Hoesch-
Krupp", AG 2004, 212, 213 mit weiteren Nachweisen zur Rspr. und Lit.).
53
1.
Ertragswertmethode
54
55
Bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses sind die Gutachter zutreffend von der
Ertragswertmethode ausgegangen und haben fiktiv darauf abgestellt, wie sich beide
Unternehmen entwickelt hätten, wenn sie als selbstständige Einheiten fortgeführt
worden wären. Die Ertragswertmethode ist in Rspr. und Schrifttum anerkannt (OLG
Düsseldorf, Beschl. vom 14.01.2004 - 19 W 1/03 AktE, AG 2004, 614, "Agrippina-
Versicherungs-AG/Zürich Versicherungs-AG" mit weiteren Nachweisen zur Rspr. und
Lit.). Bei der Unternehmensbewertung ist primär der Barwert des betriebsnotwendigen
Vermögens unter Berücksichtigung der prognostizierten Einnahmen und
Ertragsüberschüsse zu ermitteln. Gegebenenfalls ist das Ergebnis um die gesonderte
Bewertung von Beteiligungen und von sog. nicht betriebsnotwendigen Vermögen, das
regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird, zu ergänzen. Das Ergebnis der
Prognose ist mit einem an der Rendite des öffentlichen Kapitalmarktes orientierten
Kalkulationszinsfuß zu kapitalisieren (OLG Düsseldorf, Beschl. vom 14.01.2004 - 19 W
1/03 AktE, AG 2004, 614, "Agrippina-Versicherungs-AG/Zürich Versicherungs-AG" mit
weiteren Nachweisen zur Rspr. und Lit.).
56
2.
Unternehmenswert B2
57
58
Die Sachverständige L hat unter Berücksichtigung der Ergebnisse der B2 in der Zeit von
1994 bis 1996, der Gutachten der D, E und F und der Planungen der B2 ab 1997 einen
diskontierten Unternehmenswert zum 31. Dezember 1996 in Höhe von TDM 1.685.400
wie folgt ermittelt:
59
Geschäftsjahr
Jahreserfolg in
TDM
Barwert zum 31. Dezember 1996 in
TDM
1997
80.800
75.500
1998
86.500
75.600
1999
93.300
76.200
2000
100.400
76.700
2001
108.100
77.200
2002 ff.
113.600
1.304.200
Ertragswert zum
31. Dezember 1996
1.685.400
60
Einzelheiten dazu ergeben sich aus der Anl. 1 zum B2-Gutachten.
61
Nach Aufzinsung dieses Betrages zum Stichtag 1. September 1997 beträgt der Wert der
B2 TDM 1.764.076.
62
Damit wird der dem Beherrschungsvertrag zu Grunde liegende Wert der B2 von TDM
1.515.341 zum Stichtag erheblich überschritten.
63
1.
Überschüsse B2
64
1.
Besonderheiten von Lebensversicherungsunternehmen
65
66
67
Die Sachverständige L hat die Besonderheiten bei der Bewertung von
Lebensversicherungsunternehmen berücksichtigt, vor allem die erhebliche
Beitragsrückerstattung an Versicherungsnehmer (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss
vom 20. 10. 2005 - 19 W 11/04, NJW-RR 2006, 541 ff.).
68
Die Bundesaufsichtsbehörde verlangt gemäß der Verordnung über die Berechnung und
Höhe des Rückgewährrichtsatzes, des Normrisikoüberschusses und Normzinsertrages
in der Lebensversicherung (Rückgewährquote-Berechnungsverordnung - RQV) vom 28.
März 1984 (BGBl. I, S. 496) bzw. gemäß Verordnung über die
Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (ZRQuotenV) vom 23. Juli
1996 (BGBI. I, S. 1190), dass die Lebensversicherungsunternehmen mindestens 90 %
des Überschusses den Versicherungsnehmern als Beitragsrückerstattung wieder
zukommen lassen. Als Überschuss ist dabei nicht der handelsrechtliche
Jahresüberschuss, sondern der Rohüberschuss zu verstehen. Dieser ergibt sich vor
Abzug der Überschussbeteiligung in Form der Direktgutschrift und/oder der Zuweisung
an die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB).
69
In der Lebensversicherungsbranche wurden nach der Einschätzung der
Sachverständigen L zur damaligen Zeit aus Wettbewerbsgründen etwa 95 % bis zu 98
% des Rohüberschusses an die Versicherungsnehmer zurückerstattet.
70
Der Rohüberschuss ist der Saldo der einzelnen Ergebnisquellen (im Wesentlichen
Risiko-, Storno-, Kosten- und Kapitalanlageergebnis). Er umfasst u.a. auch alle durch
Verkauf realisierten bzw. durch Zuschreibung aufgelösten stillen Reserven in den
Kapitalanlagen.
71
Durch die hohe Überschussbeteiligung erhalten die Versicherungsnehmer und nicht die
Aktionäre den weitaus größten Teil des Überschusses. Eine präzise Prognose der
Überschussbeteiligungsquote ist insofern von Bedeutung, als dass bereits geringfügige
Änderungen bei der Überschussbeteiligung zu erheblichen Auswirkungen auf den
handelsrechtlichen Jahresüberschuss und damit auch auf den maximal zulässigen
Ausschüttungsbetrag eines Lebensversicherungsunternehmens führen.
72
Die Erträge fallen sowohl aus der laufenden betrieblichen Tätigkeit des
Lebensversicherers als auch aus der Realisierung von in der Substanz gebundenen
stillen Reserven an. Der Ertragswert und damit die zu ermittelnde Abfindungsleistung
soll auch die anteiligen stillen Reserven enthalten, die - nach Zurechnung der
Überschussbeteiligung an die Versicherungsnehmer - im Unternehmen verbleiben. Die
Prognose des Zukunftserfolgswertes wird wesentlich von der Entwicklung des
Lebensversicherungsbestandes und der Entwicklung der Kapitalanlagen bestimmt.
Diese wiederum werden sowohl von unternehmensexternen Einflussgrößen (z.B.
gesamtwirtschaftliche Faktoren: Altersvorsorgebedarf, Preisentwicklungen,
Kapitalmarktzins, etc.), als auch von unternehmensinternen Einflussgrößen (z. B.
Vertrieb, Organisation und Management) determiniert.
73
2.
Risiko- und Kapitalanlageergebnisse
74
75
Die Sachverständige L hat das Risiko- und Kapitalanlageergebnis der B2 detailliert
geprüft.
76
Die Risikoergebnisse sind ausführlich und nachvollziehbar in der Anl. 3 zum B2-
Gutachten dargestellt.
77
Die Entwicklung der Gesamtergebnisse aus Kapitalanlagen sowie die Korrekturen der
Sachverständigen L sind im Einzelnen ab der Seite 51 des B2-Gutachtens näher
erläutert worden. Daraus ergibt sich, dass die Kapitalanlagen in den Jahren 1991 bis
1996, gemessen an der Bilanzsumme, einen Anteil von über 82% am Ergebnis der
Gesellschaft hatten. Auf Seite 96 und den Anl. 4a und 4 b des B2-Gutachtens wird
erläutert, wie die besonders bedeutsamen Kapitalanlageergebnisse ermittelt und
welche Korrekturen vorgenommen worden sind. Sachverständigenseits ist die
Planungsrechnung der B2 im Hinblick auf das Kapitalanlageergebnis zwischen TDM
29.500 und TDM 102.800 gekürzt worden, das entsprach relativen Veränderungen
zwischen 2,5% und 6,3%. Die Ausführungen der Sachverständigen L überzeugen.
78
3.
Stille Reserven
79
80
Die Sachverständige L hat die Einwände der Antragsteller zur Berücksichtigung der
stillen Reserven in den Kapitalanlagen wie folgt berücksichtigt:
81
Für die gesondert bewerteten Unternehmen sind die Kapitalanlageergebnisse neu
berechnet worden. Dabei sind die Marktwerte jeder Asset-Klasse mit der jeweiligen zum
Bewertungsstichtag langfristig prognostizierten Marktrendite verzinst worden. Die stillen
Reserven sind so über die Marktverzinsung in die Kapitalanlageergebnisse
82
eingeflossen.
Für die nicht gesondert bewerteten Unternehmen sind die Jahresabschlüsse analysiert
worden. Soweit das anteilige Eigenkapital des jeweiligen Beteiligungsunternehmens
den berücksichtigten Marktwert (Buchwert + anteilige stille Reserven) überstieg, ist der
übersteigende Betrag - soweit dieser als ausschüttungsfähig klassifiziert werden konnte
- in die Marktwertverzinsung einbezogen worden. Näheres ergibt sich aus den
Erläuterungen in den Anlagebänden.
83
Ferner hat die Sachverständige L die stillen Reserven auf der Passivseite der Bilanz
untersucht, insbesondere bezüglich der versicherungstechnischen Rückstellungen. Die
Schadensrückstellungen wurden von der Sachverständigen L korrigiert, soweit diese für
die Sicherstellung der Versicherungsschutzgewährung nicht erforderlich waren. Die
nicht betriebsnotwendigen stillen Reserven sind aufgedeckt und angemessen im
Rahmen der Ergebnisprognosen berücksichtigt worden.
84
4.
Schwankungsrückstellung
85
86
Die Sachverständige L hat sich mit der Kritik der Antragsteller auseinander gesetzt. Sie
ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bereinigung der Schwankungszurückstellung
im Rahmen der ursprünglichen Unternehmensbewertung nicht zu beanstanden ist.
87
Die Schwankungsrückstellung erfüllt betriebswirtschaftlich zwei Aufgaben. Mit Hilfe der
Ausgleichsfunktion werden die im Zeitablauf unterschiedlich hohen
Schadensbelastungen der einzelnen Jahre durch Zuführungen und Entnahmen auf
einen mittleren Wert hin verändert. Die Sicherheitsfunktionen hat die Aufgabe, durch
Bereitstellung eines (zusätzlichen) Risikokapitals ein angemessenes Sicherheitsniveau
für den zukünftigen Versicherungsschutz der Versicherungsnehmer zu gewährleisten. In
der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zur Unternehmensbewertung wird die
Schwankungsrückstellung zum Eigenkapital gerechnet, so dass Zuführungen und
Entnahmen nicht in das Bewertungsergebnis des Versicherungsunternehmens
einfließen. Dementsprechend werden der buchungstechnische Vorgang der Bildung
und Auflösung von Schwankungsrückstellungen in der Planungsrechnung bei der
Ermittlung des Unternehmenswertes nicht berücksichtigt.
88
5.
Synergieeffekte
89
90
Die Unternehmen der B-Gruppe sind zum Bewertungsstichtag richtigerweise auf "stand-
alone"-Basis bewertet worden. Sogenannte echte Synergieeffekte, die erst durch das
Wirksamwerden des Beherrschungsvertrages entstehen, sind nicht zu berücksichtigen.
91
Das entspricht der herrschenden und zutreffenden Auffassung in Rechtsprechung und
Literatur (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschluss vom 04. Februar 2000 - 4 W 15/98,
"Schwaben Zell/Hannover Papier", AG 2000, 428 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom
19. Oktober 1999 - 19 W 1/96 AktE, "Hoffmann's Stärkefabriken", AG 2000, 323 ff.; OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 27. Februar 2004 - 19 W 3/00 AktE, "Eisenbahn-
Verkehrsmittel-AG für Transport und Lagerung (EVA)", AG 2004, 324 ff.).
Die im Rahmen des Verschmelzungsvertrages zwischen der B1 und der B3 vom 17.
Juni 1997 prognostizierten Synergieeffekte in Höhe von TDM 9.400 sind jedoch bei der
Ermittlung der Unternehmenswerte im Rahmen des Beherrschungsvertrages zwischen
der B1 und der B2 vom 30. Juni 1997 berücksichtigt worden, da aufgrund der zeitlichen
Abfolge der Vertragsschlüsse bewertungstechnisch von einem zeitlich vorgelagerten
Wirksamwerden des Verschmelzungsvertrages auszugehen war, auch wenn die
Verschmelzung der B3 auf die B1 erst durch Eintragung in das Handelsregister zum 13.
Oktober 1997 wirksam wurde.
92
6.
Abzug der Ertragsteuern
93
94
Von den aus dem Risiko- und Kapitalanlageergebnis ermittelten Rohüberschüssen von
TDM 1.150.000 für 1997, TDM 1.251.500 für 1998, TDM 1.336.900 für 1999, TDM
1.423.500 für 2000, TDM 1.517.800 für 2001 und TDM 1.598.800 für 2002 ff. hat die
Sachverständige L die relativ geringen Ertragsteuern abgezogen.
95
7.
Persönliche Ertragsteuern
96
97
Die persönliche Ertragsteuer der Anteilseigner hat die Sachverständige L entgegen der
mittlerweile herrschenden Meinung (vgl. OLG München, Beschluss vom 11. 7. 2006 - 31
Wx 41 und 66/05, NJOZ 2006, 3010, 3015 mit weiteren Nachweisen zur Rspr. und Lit.)
weder bei der Bewertung der Überschüsse noch bei der Herleitung des
Kapitalisierungszinses einbezogen. Zum Bewertungsstichtag wurde vom Arbeitskreis
Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer diskutiert, entgegen der
bisherigen Vorgehensweise der Stellungnahme HFA 2/1983 die Auswirkungen
persönlicher Ertragsteuern bereits im Rahmen der Ermittlung objektivierter
Unternehmenswerte zu berücksichtigen. Hierfür sollte - sofern die individuellen
steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner nicht bekannt sind - ein typisierter
Einkommensteuersatz von 35 % zugrunde gelegt werden. Da sich dieser
Diskussionsstand zum Bewertungsstichtag noch nicht durchgesetzt hatte, ferner diverse
Problemkreise (z.B. die Behandlung gesondert bewerteter sowie ausländischer
Beteiligungen) noch offen waren und es darüber hinaus im streitigen Bewertungsfall an
besonderen Anlässen für die Einbeziehung persönlicher Ertragsteuern (wie z.B.
98
Verlustvorträge, nicht betriebsnotwendiges Vermögen u. a.) fehlte, hat die
Sachverständige L – ebenso wie die Vorgutachter die persönliche Ertragssteuer außer
Acht gelassen. Diese Auffassung ist nachvollziehbar und vertretbar (in diesem Sinne
auch BayObLG, Beschluss vom 28. 10. 2005 - 3Z BR 71/00, NZG 2006, 156, 158).
8.
Schätzung der Rohüberschussquote - Direktgutschriften und RfB-Quoten
99
100
Die Minderung der Rohüberschussquote führt zu einer Erhöhung des
Unternehmenswertes und ist daher für die Minderheitsaktionäre günstig.
101
Nach den vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV)
gegebenen Informationen betrugen die Rohüberschussquoten, bezogen auf alle
Lebensversicherungsunternehmen von 1995 bis 1997 im Durchschnitt rd. 97 % (1995:
97,5 %, 1996: 97,4 %, 1997: 97,3 4%).
102
Bei der B2 errechnet sich nach den der Sachverständigen L vorgelegten Unterlagen in
den Jahren 1994 bis 1996 eine Rohüberschussquote von rd. 96 % (1994: 96,4 %, 1995:
96,6 %, 1996: 96,1 %). Im Jahr 1997 wies die Gesellschaft eine Rohüberschussquote
von 94,9 % aus. Diese Rohüberschussquoten der B2 liegen eher im unteren Bereich der
Rohüberschussquoten sonstiger Lebensversicherer.
103
Für den Prognosezeitraum von 1997 bis 2001 wurden nach der Planung der B2
Rohüberschussquoten von 95,20% bis 95,0% angesetzt. Diese Werte hat die
Sachverständige L für vertretbar erachtet und übernommen, auch wenn die
Rohüberschussquote ab dem Jahr 1997 tatsächlich stärker gesunken sei. Jedenfalls
aus der maßgeblichen Sicht des Bewertungsstichtages seien die Quoten nicht zu hoch
veranschlagt worden.
104
Die Sachverständige L hat sich mit den Einwänden der Antragsteller zu den
Direktgutschriften und den RfB-Quoten auseinander gesetzt. Sie hat die Einwände im
Ergebnis für unberechtigt erachtet und dies nachvollziehbar begründet.
105
9.
Beteiligungsunternehmen der B2
106
107
Die Sachverständige L hat die Gründe und die Auswirkungen der vom Ertragswert
abweichenden Bewertungen der Beteiligungen der B2 bzw. sonstiger Unternehmen der
B-Gruppe im Einzelnen erläutert (S. 161 ff. und Anl. 3 B1-Gutachten). Diese
Ausführungen überzeugen und werden auch nicht beanstandet. Die Sachverständige L
hat bei der Bewertung der Beteiligungen der B2 und auch der übrigen Gesellschaften
der B-Gruppe folgende Grundsätze angewendet:
108
Die gesondert bewerteten in- und ausländischen Beteiligungsgesellschaften wurden
nach dem Ertragswertverfahren im Rahmen der landesüblichen Bewertungsmethoden
bewertet. Soweit bei assoziierten Unternehmen Prognoserechnungen für die
ertragswertbestimmenden Faktoren nicht zur Verfügung standen oder anhand sonstiger
Unterlagen nicht näherungsweise geschätzt werden konnten, wurden die betreffenden
Beteiligungsunternehmen anhand der kapitalisierten Bruttodividende bewertet. Dieses
Verfahren entspricht grundsätzlich dem Ertragswertansatz.
109
Beteiligungsunternehmen, auf die im Rahmen von Funktionsausgliederungsverträgen
betriebliche Funktionen von Versicherungsunternehmen ausgegliedert wurden, wurden
nicht gesondert bewertet. Gewinne entstehen dort in der Regel nicht, da das Entgelt für
die ausgegliederten Betriebsfunktionen auf Vollkostenbasis bestimmt wird. Im Rahmen
des Gutachtens wurden für diese Beteiligungsunternehmen keine wesentlichen
Gewinne festgestellt.
110
Für Beteiligungsunternehmen, die an den Bewertungsstichtagen in der Aufbauphase
waren, wurden die Bewertungsgrundsätze des Ertragswertverfahrens (gemäß
Stellungnahme HFA 2/1983) mangels abgesicherter Vergangenheitsergebnisse nicht
angewendet. In diesen Fällen wurde das zum Aufbau der am Bewertungsstichtag
vorliegenden Unternehmensstruktur investierte Kapital für die Bewertung zugrunde
gelegt.
111
Beteiligungsunternehmen ohne operatives Geschäft wurden mit dem bilanziellen
Eigenkapital bewertet. Soweit nennenswerte stille Reserven vorlagen, wurden diese mit
in die Bewertung einbezogen. Eine Investitionsplanungsrechnung (return of investment),
wie von den Antragstellern gefordert, hält die Sachverständige L nicht für sinnvoll, da
derartige Prognosen aufgrund der Besonderheiten der Unternehmen nicht zu erlangen
(Minderheitsbeteiligungen) oder nicht darstellbar waren (fehlende
Vergangenheitsdaten).
112
Beteiligungsunternehmen der B-Gruppe mit der Funktion einer Zwischen-Holding sind
auf der Basis des anteiligen Eigenkapitals/Nettovermögens bewertet worden. Dies
entspricht grundsätzlich der Bewertung der B1 als Konzern-Holding. Eigene Ergebnisse
der Zwischen-Holding-Gesellschaften sind nicht berücksichtigt worden, da diese
Gesellschaften keine eigene operative Tätigkeit entfaltet haben. Die Sachverständige L
hält das entgegen den Bedenken einiger Antragsteller für sachgerecht. Die abstrakt
bestehende Möglichkeit, dass auch diese Gesellschaften operativ tätig werden könnten,
sei unerheblich, da die Maßnahmen bis zum Stichtag weder eingeleitet noch sonst
konkretisiert worden seien. Das ist zutreffend.
113
1.
Gesondert bewertete Unternehmen
114
115
Unternehmen, die die B2 unter den Anteilen an verbundenen Unternehmen sowie unter
Beteiligungen ausweist (Anlage 7), sind gesondert bewertet worden. Die anteiligen
Unternehmenswerte dieser Beteiligungen sind von der Sachverständigen L angepasst,
116
verrentet und in das prognostizierte Kapitalanlageergebnis der B2 einbezogen worden.
Dabei ist analog der Marktrendite in Höhe von 7% der Asset-Klassen "Anteile an
verbundenen Unternehmen" und "Beteiligungen " ein Diskontierungszinsfuß in Höhe
von 7% zu Grunde gelegt worden. Das ist methodengerecht.
Die Sachverständige L hat folgende Beteiligungserträge berücksichtigt:
117
(Es folgt eine Auflistung)
118
119
Einzelheiten dazu ergeben sich aus der Anlage 7 zum B2-Gutachten.
120
2.
Nicht gesondert bewertete Unternehmen
121
122
Zusätzlich wurden die Erträge nicht gesondert bewerteter Servicegesellschaften,
Immobilienunternehmen, Fondsgesellschaften, Beteiligungsgesellschaften,
Leasinggesellschaften, Seniorenresidenzen und Pflegeeinrichtungen in die Berechnung
der Sachverständigen L eingestellt. Diese Beteiligungen werden mit ihren Erträgen in
den Anlagen 11a und 11b näher erläutert.
123
2.
Kapitalisierungszinssatz
124
125
Die Sachverständige L hat für die Planphase I (1997 bis 2001) einen
Diskontierungszinssatz von 6,97% und für die Planphase II (2002 ff.) von 6,22% zu
Grunde gelegt. Für die Phase II ist ein Wachstumsabschlag von 0,75% berücksichtigt
worden, womit sich der niedrigere Diskontierungszinssatz der Phase II gegenüber der
Phase I erklärt. Für beide Planungsphasen wurde einheitlich ein – für
Lebensversicherungsunternehmen angemessener niedriger Risikozuschlag von 0,50%
berücksichtigt. Der Kapitalisierungszinssatz ist von der Sachverständigen L zutreffend
ermittelt worden. Der Kritik der Antragsteller wurde dabei Rechnung getragen. Die
Feststellungen der Sachverständigen L sind von den Antragstellern nicht mehr
angegriffen worden.
126
1.
Basiszins
127
128
Die Sachverständige L hat die Kritik der Antragsteller gegen die Festsetzung des
Basiszinssatzes durch die D berücksichtigt und Korrekturen vorgenommen. Von der D
wurde zum Bewertungsstichtag der langfristig zu erzielender Basiszins zu je 50 % aus
den Jahresmittelwerten der Umlaufrendite der letzten 15 Jahre (1982 bis 1996) in Höhe
von 7,17 % und der letzten 20 Jahre (1977 bis 1996) in Höhe von 7,35 % abgeleitet.
Diese ausschließlich vergangenheitsorientierte Ableitung der Zinsprognose ist nach
den Ausführungen der Sachverständigen L in dem neueren betriebswirtschaftlichen
Fachschrifttum umstritten. Sie berücksichtige nicht hinreichend den mit Beginn der 90er
Jahre anhaltenden Trend sinkender Zinsen. Es sei sachgerecht, zur Bestimmung des
Basiszinses von der Rendite 30-jähriger Anleihen zum Bewertungsstichtag
auszugehen, da die Anleihen eine am Kapitalmarkt existierende langfristige risikoarme
Alternativanlage darstellen. Diese Anleihen approximierten weitestgehend die bei der
Unternehmensbewertung getroffene Grundannahme der unendlichen Lebensdauer des
Bewertungsobjektes. Diese Aussage lasse sich insbesondere durch die mathematische
Analyse eines Barwertes stützen. Hiernach ergibt sich unter Verwendung eines
Kapitalisierungszinssatzes von z.B. 8 % bereits rd. 90 % des Barwertes in den ersten 30
Jahren des Zeitraumes der "ewigen Rente".
129
Zum Bewertungsstichtag betrug die Umlaufrendite inländischer
Inhaberschuldverschreibungen börsennotierter Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten
von über 15 bis einschließlich 30 Jahren 6,34 %.Die Prognose der
Wiederanlageverzinsung nach Ablauf der 30-jährigen Laufzeit sei mit Unsicherheiten
verbunden; betriebswirtschaftlich anerkannte Verfahren existierten nicht. Gemäß
Vorschlägen in der neueren Literatur könne der Wiederanlagezins aus der Zinsdifferenz
für 10- und 30-jährige Anleihen zum Bewertungsstichtag abgeleitet werden. Es sei
daher sachgerecht, für die Bestimmung der Anschlussverzinsung auf
vergangenheitsbezogene Durchschnittsverzinsungen der 30-jährigen Anleihen
abzustellen, um eine Glättung tagesbezogener Schwankungen herbeizuführen. Der
Durchschnitt der Umlaufrenditen inländischer
lnhaberschuldverschreibungen/börsennotierter Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten
von über 15 bis einschließlich 30 Jahren betrugen laut der Sachverständigen L seit
Erfassung der Daten durch die Bundesbank in den Jahren 1988 bis 1997
durchschnittlich 7,278 %, der als Wiederanlagezins für die Berechnung des Basiszinses
herangezogen worden ist. Der Basiszins wurde sodann als Mischzins aus dem
Stichtagszins per 2. September 1997 für 30-jährige Anleihen in Höhe von 6,34 % und
dem Wiederanlagezins in Höhe von 7,278 % nach der näher dargelegten Formel
berechnet. Daraus ergab sich der von der Sachverständigen zugrunde gelegte
Basiszins von 6,47 %. Dieser liegt um 0,78 %-Punkte unter dem in der
Ausgangsbewertung verwendeten Zinssatz.
130
Diese Ausführungen der Sachverständigen L überzeugen. In der Rechtsprechung ist ein
Basiszins von 6,5% zum Stichtag 1997 anerkannt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom
27. Februar 2004 - 19 W 3/00 AktE, AG 2004, 324, 329, "Eisenbahn-Verkehrsmittel-AG
für Transport und Lagerung (EVA)").
131
2.
Risikozuschlag
132
133
Übereinstimmung besteht in Rechtsprechung und Schrifttum dahingehend, dass im
Risikozuschlag nur außergewöhnliche Ereignisse berücksichtigt werden können, da die
spezifischen Unternehmensrisiken ebenso wie die entsprechenden Chancen bereits bei
der Ermittlung des Unternehmensertrages zu berücksichtigen sind (OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 31. Januar 2003 - 19 W 9/00 AktE, AG 2003, 329, 333 "Siemens/SNI";
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Februar 2004 - 19 W 3/00 AktE, AG 2004, 324, 329,
"Eisenbahn-Verkehrsmittel-AG für Transport und Lagerung (EVA)"). Die
Wahrscheinlichkeit, von einem der genannten Risiken betroffen zu werden, ist von
Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Die Höhe des Zuschlags muss sich an
den Verhältnissen des zu bewertenden Unternehmens orientieren. In der gerichtlichen
Praxis werden Risikozuschläge von 0,5% bis 2% zu Grunde gelegt (OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 31. Januar 2003 - 19 W 9/00 AktE, AG 2003, 329, 333 "Siemens/SNI").
134
Die Sachverständige L hat sich mit der Kritik der Antragsteller auseinander gesetzt. Sie
hat dazu ausgeführt, dass sich auf der Grundlage von empirisch belegten
Aktienrenditen, die eine im Durchschnitt um 3% bis 6% höhere Rendite
(Marktrisikoprämie) als öffentliche Anleihen erzielten, und veröffentlichten Beta-Faktoren
für Versicherungsunternehmen, die überwiegend in einer Bandbreite von 0,3 bis 0,8
liegen, Risikozuschläge in einer Größenordnung von rund 1% bis 5% ergeben. Im
Rahmen neuerer Bewertungen von Versicherungsunternehmen werde von
Risikozuschlägen in einer Bandbreite von 1% bis 4% ausgegangen. Vor dem
Hintergrund, dass adäquate Beta-Faktoren für die zum B-Konzern gehörenden
Versicherungsunternehmen nicht vorhanden seien, und damit eine
kapitalmarktorientierte Ableitung von Risikozuschlägen nicht möglich sei, sind
grundsätzlich folgende Risikozuschläge angesetzt worden: Kranken 1,25%, Leben
0,50%, Sach 2,00% und Bausparkasse 2,00%. Diese Werte hat die Sachverständige L
den inzwischen vorliegenden Veröffentlichungen zu den Beta-Faktoren für
Versicherungsunternehmen entnommen.
135
3.
Wachstumsabschlag
136
137
Die Sachverständige L hat einen Wachstumsabschlag für die ewige Rente (Phase II)
von 0,75% vorgenommen. Ein Geldentwertungsabschlag sei dann zu rechtfertigen,
wenn die Feststellung zutrifft, dass die Investition in festverzinsliche Wertpapiere,
anders als die Investition in Unternehmen, durch die Inflation an Wert verliert. Ein
Wachstumsabschlag vom Kapitalisierungszinssatz für die ewige Rente sei folglich dann
begründet, falls ein Unternehmen auf der Basis seiner vorhandenen
Produktionskapazitäten in der Lage ist, zukünftige Ertragssteigerungen durch erhöhte
138
Produktion und steigenden Absatz zu realisieren.
Die Sachverständige L geht nach ihren Analysen der gesondert bewerteten
Unternehmen von einem inflationsbereinigten - Wachstum aus, da die
Versicherungsgesellschaften des B-Konzerns in den Jahren 1992 bis 1996 ein
durchschnittliches Wachstum der Beiträge in einer Bandbreite von 1% bis 3%
aufgewiesen hätten. Nach statistischen Unterlagen (Statistisches Taschenbuch der
Versicherungswirtschaft 1997) habe die Versicherungsbranche in den Jahren 1992 bis
1996 im Durchschnitt ein inflationsbereinigtes Wachstum von rund 4 % erzielt. Eine
Analyse der einzelnen Komponenten dieses Wachstums (Inflation, Erhöhung der
Beitragssätze sowie Anstieg der Anzahl der Versicherungspolicen) sei zwar nicht
möglich. Doch sei ein Wachstumsabschlag von 0,75 realistisch.
139
Diese Ausführungen überzeugen in der Sache. Die Antragsteller greifen diese
Feststellungen nicht an und legen keine Anhaltspunkte dafür dar, dass ein höherer
Wachstumsabschlag berechtigt sein könnte.
140
3.
Liquidationswert
141
142
Der Liquidationswert als mögliche Untergrenze der Bewertung hat im vorliegenden Fall
keine Bedeutung. Weder bestand die Absicht noch die finanzielle Notwendigkeit, die B2
oder die B1 zu liquidieren. Auch war die Betriebsfortführung wirtschaftlich nicht
unvertretbar.
143
Unter Berücksichtigung von bei der Liquidation anfallenden zusätzlichen Kosten
(Sozialplankosten u. ä.) läge der Liquidationswert der B2 nach Angabe der
Sachverständigen L unter dem Ertragswert oder vergleichbaren Werten. Deshalb hat sie
darauf verzichtet, diese alternative Betrachtung im Rahmen der methodischen
Erläuterungen näher zu behandeln.
144
4.
Börsenkurs B2
145
146
Der von der Sachverständigen L ermittelte durchschnittliche bereinigte Börsenkurs in
Höhe von DM 846,76 pro Aktie ergibt sich nachvollziehbar aus der Anl. 14 des B1-
Gutachtens. Danach sind die Kursnotierungen der Börsen Berlin, Düsseldorf und
Frankfurt a.M. für den Zeitraum vom 30. Mai 1997 bis zum 29. August 1997 in die
Berechnung eingeflossen. Die durchschnittliche Börsenkapitalisierung der B2 betrug
damit TDM 1.490.297,60. Sie liegt folglich schon unter dem zum 31. Dezember 1996
geschätzten Unternehmenswert von TDM 1.685.400. Folglich ist der höhere anteilige
Unternehmenswert je Aktie zu berücksichtigen.
147
3.
Unternehmenswert der B1
148
149
Der Unternehmenswert der B1 wurde methodengerecht auf die vorstehend
beschriebene Weise ermittelt. Zum 31. Dezember 1996 beträgt der Unternehmenswert
TDM 10.149.494. Aufgezinst zum Stichtag am 1. September 1997 beträgt er TDM
10.693.455.
150
Zu den maßgeblichen Bewertungsstichtagen war die B1 ausschließlich als
geschäftsleitende Holding anzusehen, die ihre Geschäftstätigkeit auf das Halten und
Verwalten ihrer Beteiligungen ausrichtete. Dementsprechend setzt sich der
Unternehmenswert der B1 aus der Summe der gesondert bewerteten Beteiligungen in
Höhe des jeweiligen Beteiligungsprozentsatzes zusammen. Das übrige Nettovermögen,
die Erträge aus Konzernumlagen usw., wurden von der Sachverständigen L in die
Rechnung einbezogen. Auf die Erläuterung dieser marginalen Beträge kann hier
verzichtet werden.
151
1.
Beteiligungswerte der B1
152
153
Der Wert der gesondert bewerteten Tochtergesellschaften der B1 und der gesondert
bewerteten Beteiligungen beträgt TDM 10.020.007 und ergibt sich wie folgt:
154
(Darstellung der Liste)
155
Zuzüglich der sonstigen Erträge von TDM 70.830, TDM 9.400 und TDM 49.257 ergibt
sich der Gesamtwert von TDM 10.149.494.
156
2.
Kapitalisierungszinssatz
157
158
Die Sachverständige L hat die zukünftigen Erträge der B1 nach den gleichen
Grundsätzen diskontiert wie die Erträge der B2. Insoweit kann auf die vorstehenden
Ausführungen verwiesen werden.
159
160
3.
Börsenkurs B1
161
Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs für den Zeitraum von drei Monaten vor dem
Stichtag beträgt DM 1.718,28 (€ 878,54) für B1-Namensaktien und DM 1.658,73 (€
848,10) für B1-Inhaberaktien. Einzelheiten ergeben sich aus den Anlagen 4a und 4b
des B1-Gutachtens. Bei 4.028.750 Namensaktien und 880.000 Inhaberaktien beträgt die
Börsenkapitalisierung TDM 8.382.202,95. Der Börsenwert der B1 liegt folglich unter
ihrem Ertragswert.
162
4.
Aufzinsung der Unternehmenswerte
163
164
Die auf den 31. Dezember 1996 ermittelten Unternehmenswerte der B1 in Höhe von
TDM 10.149.494 und der B2 in Höhe von TDM 1.685.433 sind zum 1. September 1997,
an dem die Hauptversammlung der B2 dem Beherrschungsvertrag zugestimmt hat,
aufgezinst worden.
165
Der Wert der B2 zum 31. Dezember 1996 ist mit einem Zinssatz von 6,97% um TDM
78.643 auf TDM 1.764.076 zum Stichtag aufgezinst worden.
166
Für die B1 ergibt sich ein Aufzinsungsbetrag von TDM 543.961. Der Wert zum
1. September 1997 beträgt TDM 10.693.455.
167
5.
Umtauschrelation
168
1.
Ertragswerte
169
170
171
Das Gutachten der Sachverständigen L gelangt folglich unter Anpassung der
Bewertungsparameter zu einem Umtauschverhältnis von 190 Aktien der B1 für 41
Aktien der B2. Der Wert je Aktie beträgt für die B1 DM 216,29 (DM 5,00 Nennwert) und
für die B2 DM 1.002,32 (Nennwert DM 50,00). Auf eine Aktie der B2 im Nennbetrag von
DM 50,00 entfallen 4,6341 Aktien der B1 im Nennbetrag von DM 5,00. Eine bare
Zuzahlung entfällt (B1-Gutachten, S. 151).
172
Demgegenüber betrug das im Beherrschungsvertrag festgelegte Umtauschverhältnis
203 B1-Inhaber-Aktien für 41 B2-Aktien, d. h. 1:4,95. Das im Beherrschungsvertrag
festgelegte Umtauschverhältnis ist für die Aktionäre der B2 somit günstiger als das von
der Sachverständigen L ermittelte Umtauschverhältnis. Zwar ist im
Beherrschungsvertrag eine bare Zuzahlung von DM 0,03 pro Aktie vorgesehen. Das
wirkt sich aber nicht aus. Die Wertdifferenz ist noch von dem wesentlich besseren
Umtauschverhältnis von 1:4,95 abgedeckt.
173
2.
Börsenwerte
174
175
Vorliegend ergäbe sich bei Berücksichtigung des Ertragswertes der B2 von TDM
1.764.076 und des Börsenwertes der B1 von TDM 8.382.202,95 zwar eine günstigere
Umtauschrelation als die im Beherrschungsvertrag vorgesehene von 1:4,95. Auf eine
Berechnung der Umtauschrelation auf der Grundlage des Ertragswertes der B2 und des
niedrigeren Börsenkurses der B1 haben die Aktionäre der B2 verfassungsrechtlich und
auch gesellschaftsrechtlich aber keinen Anspruch. Das wäre auch nicht
methodengerecht und würde die Aktionäre der B1 benachteiligen (vgl. dazu OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 08.07.2003 - 19 W 6/00 AktE, AG 2003, 688, 693, "Veba
AG"; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.06.2003 - 19 W 3/03 AktGE, AG 2003, 507,
508 "DAT/Altana V"; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.2003 - 19 W 9/00 AktE, AG
2003, 329, 334 "Siemens/SNI").
176
6.
Ausgleich § 304 AktG
177
178
Für die Bestimmung des Ausgleichs ist das Wertverhältnis der Aktien der B1 und der B2
maßgebend, welches in den festgestellten Umtauschverhältnissen zum Ausdruck
kommt.
179
Aufgrund des von der Sachverständigen L festgestellten Umtauschverhältnisses ergibt
sich für die außenstehenden Aktionäre der B2 eine garantierte Bardividende von
46,341% pro B1-Aktie im Nennbetrag von DM 50,00. Die im Beherrschungsvertrag
genannte garantierte Dividende liegt entsprechend dem dort zugrunde gelegten
Umtauschverhältnis von 1:4,95 bei 50% und ist daher für die B2-Aktionäre günstiger.
Eine gerichtliche Anpassung ist folglich nicht erforderlich.
180
7.
Nebenentscheidungen
181
1.
Kosten
182
183
184
Die Kostenentscheidung beruht auf § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG a. F.. Gründe, die
Verfahrenskosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, sind nicht ersichtlich.
185
Darüber hinaus entspricht es auch der Billigkeit, den Antragsgegnerinnen die
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller, die einen zulässigen Antrag gestellt haben,
aufzuerlegen, da im Rahmen des § 13 a FGG der Grundsatz des § 306 Abs. 7 Satz 7
AktG jedenfalls entsprechend anzuwenden ist. Die Antragsgegnerinnen auch mit den
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1 und 9, die unzulässige Anträge gestellt
haben, zu belasten, wäre indes unbillig.
186
2.
Geschäftswert
187
188
Die Kammer setzt den Geschäftswert auf 200.000,00 € fest.
189
Der gerichtliche Geschäftswert ist gem. § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen zu
bestimmen. Zu ermitteln ist deshalb der sog. Beziehungswert. Dieser wird grundsätzlich
bestimmt durch den Wert des betroffenen Wirtschaftsgutes und das Ausmaß, in
welchem es durch das zu bewertende Geschäft betroffen wird. Für den Fall, dass die
angebotene Abfindung zu Gunsten der Aktionäre abgeändert wird, kann das Produkt
aus der Anzahl der von außenstehenden Aktionären gehaltenen Aktien und des
festgesetzten Unterschiedsbetrages ein Anhaltspunkt für die Wertfestsetzung sein . Eine
solche Vorgehensweise kommt jedoch nicht in Betracht, wenn wie hier eine Differenz
zwischen vertraglich angebotener und angemessener Abfindung nicht besteht, da in
diesem Fall der Geschäftswert mit "Null" anzusetzen wäre. Andererseits kann der
Geschäftswert nicht höher liegen als bei einem auch nur minimalen Erfolg des Antrags.
Es verbietet sich auch, auf ein eventuell beziffertes Interesse eines oder mehrerer
Antragsteller auf Feststellung einer baren Zuzahlung abzustellen. Nach § 30 Abs. 1
KostO ist der objektive Wert eines Geschäftes maßgebend, zum anderen wirkt die
Entscheidung ausweislich des Beherrschungsvertrages für und gegen alle Aktionäre, so
dass das subjektive Interesse nur eines Beteiligten lediglich nur einen Teil des
gesamten Geschäfts ausmacht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2004 - 19 W
1/03 AktE, AG 2004, 614, 616 "Agrippina-Versicherungs-AG/Zürich Versicherungs-AG").
190
Die Kammer hat deshalb unter Berücksichtigung der Bedeutung des Verfahrens für die
Beteiligten einen Geschäftswert von € 200.000,00 zugrunde gelegt und sich dabei auch
an dem gesetzlichen Mindestwert nach dem SpruchG orientiert.
191