Urteil des LG Köln vom 30.06.2009
LG Köln: einsichtnahme, verfügung, kopie, wallach, tierarzt, erfüllung, behandlung, ankauf, werkvertrag, erwerb
Landgericht Köln, 22 O 586/08
Datum:
30.06.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 586/08
Tenor:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, den
Prozeßbevollmächtigten des Klägers sämtliche Röntgenaufnahmen aus
der Ankaufsuntersuchung vom 8. August 2003 des Pferdes Willow,
geboren am 5. Februar 1999, Lebensnummer #####/####,
Hannoveraner Wallach, braun, Vater von X, Mutter von B gegen
Erstattung der Entwicklungs- und Fotokopiekosten in Kopie zur
Verfügung zu stellen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche
Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 546,68 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Februar 2009
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig
vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
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Im Sommer 2003 rief die Zeugin L in der Tierarztpraxis des Beklagten an, um für das
Tier Z einen Untersuchungstermin wegen eines beabsichtigten Ankaufs zu vereinbaren.
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Der Beklagte führte die Ankaufsuntersuchung am 8. August 2003 durch. Hierbei fertigte
er Röntgenunterlagen. Auf der Grundlage des Untersuchungsergebnisses kaufte der
Kläger das Tier schließlich für 14.000,00 € an. Dabei war ihm zuvor aufgrund der
Untersuchung durch den Beklagten mitgeteilt worden, daß bei dem Tier zwei Chips
bestanden, wobei es sich um ein von einer Gelenkfläche abgestoßenes Knorpelstück
handelt, welches sich im Bereich des betroffenen Gelenkes befindet und dort zur
Funktionsbeeinträchtigung und nachhaltigen Beschädigungen führen kann. Beide
Knorpelstücke befanden sich in der Hinterhand des Pferdes.
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Unter dem 2. April 2008 stellte der Tierarzt Dr. V von der Pferdeklinik Burg N unter
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Unter dem 2. April 2008 stellte der Tierarzt Dr. V von der Pferdeklinik Burg N unter
anderem fest, daß sich auch am Fesselgelenk hinten links ein erbsengroßer Chip leicht
beweglich, synovialtis befand, sowie Fesselgelenk hinten rechts deutlicher Usulateral,
Synovialtis festzustellen war (vergl. Bl. 7 GA).
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Die Dr. V vorliegenden Röntgenaufnahmen der Ankaufsuntersuchung veranlaßten
diesen im Rahmen eines Telefonats - das der Kläger mitgehört hatte - zu der
Bemerkung gegenüber seinem Gesprächspartner: "Wolfgang, das kann doch nicht sein.
Da kann man doch gar nichts sehen".
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Zur Überprüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten wegen
einer unzureichend durchgeführten Ankaufsuntersuchung verlangte der Kläger unter
dem 17. April 2008 Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen in Kopie gegen
Erstattung der üblichen Kosten. Mit einer Einsichtnahme der Röntgenunterlagen in der
Praxis des Beklagten erklärte sich der jetzige Prozeßbevollmächtigte des Beklagten
ausweislich des Schreibens vom 22. Juli 2008 einverstanden.
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Der Kläger ist der Auffassung, die entsprechenden Unterlagen seien zum Zwecke der
Einsichtnahme zu seinen Händen zu übermitteln.
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Er behauptet, die damalige Beauftragung des Beklagten durch die Ehefrau des Klägers
sei im Namen des Klägers erfolgt.
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Der Kläger beantragt,
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers
sämtliche Röntgenaufnahmen der Ankaufsuntersuchung im Original vom 8.
August 2003 des Pferdes Z, geboren am 5. Februar 1999, Lebensnummer
#####/####, Hannoveraner Wallach, braun, Vater von X, Mutter von B zwecks
Einsichtnahme zu überlassen und
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hilfsweise
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den Beklagten zu verurteilen, an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers
sämtliche Röntgenaufnahmen aus der Ankaufsuntersuchung vom 8. August
2008 des Pferdes Z, geboren am 5. Februar 1999, Lebensnummer #####/####,
Hannoveraner Wallach, braun, Vater von X, Mutter von B gegen Erstattung der
Fotokopiekosten in Kopie zur Verfügung zu stellen,
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2.
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den Beklagten zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in
Höhe von 1.150,49 € an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz ab dem 4. Februar 2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte zog zunächst das Recht auf Einsichtnahme durch den Auftraggeber der
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Ankaufsuntersuchung nicht in Zweifel. Diese habe jedoch in seinen Praxisräumen zu
erfolgen. Letztlich sei der Anspruch bereits erfüllt, da die Röntgenbilder Dr. V zur
Verfügung gestellt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug
genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 9. Juni
2009 durch Vernehmung der Zeugin L. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 9. Juni 2009 verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrages begründet.
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Ein Einsichtnahmerecht des Klägers ergibt sich neben den Regelungen der §§ 810 Alt.
1, 811, 631, 242 BGB auch aus der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten des
Beklagten eine Einsichtnahme in die Röntgenaufnahmen - allerdings nur in den
Praxisräumen - nicht entgegenzutreten.
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Wie das Landgericht Hildesheim in seiner Entscheidung NJW RR 1992, 415 ausgeführt
hat, besteht gemäß § 810 1. Alt. BGB ein Rechtsanspruch auf Gestattung der Einsicht in
Urkunden, die sich im fremden Besitz befinden, wenn der Anspruchsteller ein
rechtliches Interesse an der Urkundeneinsicht besitzt und wenn die Urkunde zumindest
auch in seinem Interesse errichtet ist. Der Beklagte ist Besitzer der
streitgegenständlichen Behandlungsunterlagen, die sich in seiner Tierarztpraxis
befinden. Das rechtliche Interesse des Klägers als Auftraggeber der
Ankaufsuntersuchung liegt darin, daß er die Einsichtnahme zur Prüfung eines etwaigen
Schadensersatzanspruches gegenüber dem Beklagten wegen einer fehlerhaften
Durchführung der Ankaufsuntersuchung benötigt.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, daß die
Beauftragung des Beklagten mit der Durchführung der Ankaufsuntersuchung im Namen
des Klägers erfolgte. Die Zeugin hat nachvollziehbar dargelegt, daß sie bei der
Beauftragung darauf hingewiesen hat, daß ihr Mann eine entsprechende Untersuchung
wünsche, da er das Pferd zu kaufen gedenke. Dies korrespondiert mit ihren Angaben,
wonach der Beklagte das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung dem Kläger und nicht ihr
telefonisch mitgeteilt hat.
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Soweit der Beklagte Gegenbeweis angetreten hat durch eine nicht näher bezeichnete
Mitarbeiterin in der Praxis des Beklagten deren Vornamen, Name und ladungsfähige
Anschrift nachgereicht wird, ist dies bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
nicht erfolgt. Insofern war dem Beweisangebot nicht nachzugehen.
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Nach der Auffassung des Gerichts werden etwaige Röntgenaufnahmen des Tierarztes
durchaus zumindest auch im Interesse des Auftraggebers der Ankaufsuntersuchung
errichtet. Wie das Landgericht Hildesheim ausgeführt hat, liegt es für jeden Tierarzt von
vornherein auf der Hand, daß die durch die Einsicht in die Röntgenunterlagen zu
vermittelnde Kenntnis der bei dem zu begutachtenden Tier erhobenen
veterinärmedizinischen Befunde für den Tierhalter auch im Interesse einer
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sachgerechten tierärztlichen Behandlung in der Folgezeit von erheblicher Bedeutung
ist. Dabei ist es unerheblich, daß die Ankaufsuntersuchung als Werkvertrag zu
qualifizieren ist. Auch wenn sie zunächst nur der Überprüfung des Tieres für den Erwerb
dient, ist ihre Verwertung nach erfolgtem Ankauf auch für zukünftige Behandlungen des
Tieres naheliegend.
Soweit der Beklagte eingewandt hat, dem Einsichtsnahmerecht bereits durch
Übersendung der Röntgenunterlagen an Dr. V nachgekommen zu sein, folgt das Gericht
dem nicht. Zum einen diente diese Übersendung ausschließlich der Behandlung des
Tieres und nicht der Prüfung eines eventuellen Schadensersatzanspruches gegenüber
dem Beklagten. Der Beklagte selbst hat auch nicht erklärt, mit der Einsichtnahme in die
Röntgenunterlagen durch den Kläger in der Praxis V einverstanden zu sein. Letztlich
sind die Unterlagen auch wieder zum Beklagten zurückgelangt, so daß nunmehr auch
eine Erfüllung durch Einsichtnahme bei Dr. V ausscheidet.
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Als Ort der Einsichtnahme ist jedoch die Tierarztpraxis des Beklagten als derjenige Ort
maßgeblich, an dem sich die Unterlagen befinden (§ 811 Abs. 1 Satz 1 BGB). Insofern
war der Hauptantrag abzuweisen.
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Der Kläger kann aber die Herausgabe von auf seine Kosten gefertigten Kopien der
Unterlagen verlangen. Insofern gelten die von der Rechtsprechung für den Bereich der
Humanmedizin aufgestellten Grundsätze. Danach sollen auf ausdrückliches Verlangen
die Aufzeichnungen des Arztes dem Anspruchsteller auch zum selbständigen Studium
überlassen werden, wobei an die Stelle der Originale, gegen deren Überlassung
Bedenken bestehen, auf Kosten des Einsichtsberechtigten zu fertigende Ablichtungen
treten.
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Da sich der Beklagte zumindest insofern mit der Erfüllung des begründeten
Klageanspruchs in Verzug befand, hat er die der Klägerseite entstandenen
Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Diese bemessen sich jedoch ausweislich der
Ausführungen des Landgerichts Köln im Beschluß vom 15. Dezember 2008 allenfalls in
Höhe von 1/10 einer möglichen Leistungsklage. Da nach der Darlegung des Klägers im
Schriftsatz vom 28. Januar 2009 sich der Leistungsanspruch auf ca. 55.000,00 € beläuft,
ist von einem Streitwert bis 6.000,00 € auszugehen. Bei einem 1,3fachen Satz - Gründe
für eine Erhöhung sind nicht erkennbar - ergibt sich im Tenor genannte begründete
Geschäftsgebühr.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Streitwert:
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