Urteil des LG Köln vom 12.12.2007

LG Köln: therapie, avb, versicherungsnehmer, versicherungsvertrag, behandlungskosten, verhinderung, sicherheitsleistung, krankenkasse, akte, heilbehandlung

Landgericht Köln, 23 O 86/07
Datum:
12.12.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 O 86/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T A T B E S T A N D:
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Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung nach
dem Tarif EL. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die
Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB, vgl. Bl. 21 ff. GA) sind
Gegenstand des Vertrages.
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Der Kläger leidet an einem Nierenzellkarzinom. Vom 27.9.2004 bis zum 6.10.2004
wurde bei ihm eine Tumornephrektomie in der Urologie der Universitätsklinik U
durchgeführt. Von Februar 2005 bis Januar 2006 nahm der Kläger an einer Studie des
Universitätsklinikums teil. Diesbezüglich hatte er eine Einverständniserklärung am
21.2.2005 (Bl. 161 ff. GA) unterzeichnet. Durchgeführt wurde eine Therapie im Rahmen
der "Phase I/II Studie zur Analyse der Verträglichkeit und Effizienz von RNA-
Vakzinierungen bei Patienten mit malignen Erkrankungen". Die Vakzinierungstherapie
wurde beim Kläger am 17.2.2006 abgebrochen nachdem am 20.1.2006 eine erneute
Vergrößerung des Tumors diagnostiziert worden war. Danach wurde der Kläger mit dem
Medikament "Nexavar" behandelt. Im Anschluss daran reichte der Kläger zunächst die
Rechnung des Prof. Dr. L vom 16.2.2006 (Bl. 85 ff. GA) in Höhe von 4.382,09 € für
ambulante Behandlungen vom 21.2.2005 bis zum 19.1.2006 bei der Beklagten zur
Erstattung ein. Die Beklagte lehnte die Erstattung mit Schreiben vom 16.5.2006 (Bl. 184
ff. GA) mit der Begründung des fehlenden Nachweises der medizinischen
Notwendigkeit der Vakzinierungstherapie insbesondere der fehlenden klinisch-
wissenschaftlich gesicherten Therapieindikation ab. In der Folgezeit lehnte sie weitere
Kosten ab, da diese im Rahmen der durchgeführten Studie angefallen waren. Im
übrigen forderte sie mit Schreiben vom 17.5.2006 (Bl. 99 ff. GA) bereits erstattete Kosten
zurück, da ihr bei der Regulierung nicht bekannt war, dass es sich um Kosten einer
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Studie handelte. Diese verrechnete sie anschließend in Höhe von 4.641,82 € mit
anderweitig geltend gemachten Erstattungsansprüchen.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger zuletzt Zahlung von insgesamt 13.278,23
€. Diese setzen sich zusammen aus 4.382,09 € hinsichtlich der verweigerten Erstattung
mit Leistungsabrechnung vom 16.5.2006 (Bl. 96 f. GA), weiteren 4.641,82 € für
Behandlungskosten, die die Beklagte mit Rückforderungen in dieser Höhe verrechnet
hatte und in Höhe des Restbetrages für von der Beklagten abgelehnte Rechnungen.
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Der Kläger behauptet, die durchgeführten Behandlungen seien medizinisch notwendig
gewesen. Alle der Beklagten in Rechnung gestellten Untersuchungen bezögen sich
zudem auf Kontrolluntersuchungen sowie Behandlungsmaßnahmen, die unabhängig
von der Durchführung der Studie notwendig gewesen wären. Es handele sich um keine
Kosten, die durch die Studie veranlasst worden seien. Hinsichtlich der
Rechnungsposten handele es sich zudem jeweils um sog. "Sowieso-Kosten", da
lediglich Verlaufskontrollen in Rechnung gestellt worden seien, die auch außerhalb der
Studie angefallen wären. Diese seien nicht studienspezifisch, wie Prof. L im Attest vom
23.10.2006 bestätigt habe.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.278,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dass ein Anspruch bereits deshalb ausscheide, da Prof. L bereits
gegen den Kläger keinen Anspruch auf Bezahlung habe. Der Kläger habe die Kosten
nicht zu tragen, da diese von demjenigen zu tragen seien, der die Studie in Auftrag
gegeben habe. Sie behauptet insoweit, dass die Verlaufskontrollen ausschließlich zu
dem Zwecke durchgeführt worden seien, die Wirkungsweise der RNA-Vakzinierung zu
kontrollieren. Sämtliche Behandlungsmaßnahmen seien Teil der Studie gewesen.
Hilfsweise bestreitet sie die medizinische Notwendigkeit, da die streitgegenständliche
Methode nicht nachvollziehbar sei. Sie bestreitet zudem, dass es sich bei der Krankheit
um eine schwere, lebensbedrohende oder lebenszerstörende Erkrankung handele, für
die es keine in der Praxis angewandte Behandlungsmethode gebe, die zur Heilung oder
Linderung oder Verhinderung der Verschlimmerung geeignet sei.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens im einzelnen, insbesondere soweit es für die
Entscheidungsgründe nicht wesentlich im Sinne des § 313 Abs. 2 ZPO ist, wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug
genommen.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 10.9.2007 (Bl. 202 GA) Hinweise erteilt.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung der streitgegenständlichen
Behandlungskosten hat der Kläger nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht.
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Der Rechtsnatur der Krankheitskostenversicherung als Passivversicherung entspricht
es, dass der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nur zum Ersatz
derjenigen Aufwendungen verpflichtet ist, die in Bezug auf das versicherte Risiko zur
Ablösung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen eines Dritten erwachsen
sind. Die Leistungspflicht des Versicherers setzt also immer einen entsprechenden
wirksamen und fälligen Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes oder
Krankenhauses gegen den Versicherungsnehmer voraus. Nach Auffassung der
Kammer hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger bereits die Berechtigung der
Ansprüche des behandelnden Arztes entsprechend den streitgegenständlichen
Rechnungen nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Darauf hat die Kammer
bereits mit Beschluss vom 10.9.2007 hingewiesen. Daran hält sie fest.
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Der Vortrag des Klägers erschöpft sich insoweit zum einen in der Behauptung, es
handele sich um keine Kosten, die durch die Studie veranlasst worden seien. Es
handele sich vielmehr um medizinisch notwendige Verlaufskontrollen, welche in keinem
Zusammenhang mit der Durchführung der Studie stehen würden. Dies lässt sich in
dieser Pauschalität jedoch nicht in Einklang bringen mit den von ihm selbst zur Akte
gereichten Unterlagen der Studie als auch mit der von ihm vorgelegten Erklärung des
behandelnden Prof. Dr. L vom 23.10.2006, der im Rahmen der streitgegenständlichen
Studie die Leitung inne hatte. Zum einen ergibt sich aus den Unterlagen der Studie Bl.
47 ff., 152 ff. GA (Anlage K3, Anlage K22), dass vor, während (alle 4-5 Wochen, vgl. Bl.
80 GA) und nach den Behandlungen bei Teilnahme an der Studie umfangreiche
Kontrolluntersuchungen Studienbestandteil waren (vgl. Bl. 73 ff. GA). Zur Vermeidung
von Wiederholungen wird auf die Seiten 28 ff. der Anlage K3 (Bl. 74 ff. GA) Bezug
genommen. Zum anderen gibt auch Prof. L, einer der Studienleiter, in seiner ärztlichen
Stellungnahme vom 23.10.2006 (vg. Bl. 94 GA) lediglich an, dass die hierbei der
Krankenkasse in Rechnung gestellten Untersuchungen sich auf Verlaufskontrollen
beziehen würden, die sowieso notwendig gewesen wären und daher nicht
studienspezifisch seien. Daraus folgt nach Auffassung der Kammer aber gerade nicht
nachvollziehbar, dass die Verlaufskontrollen, die nach dem Klägervortrag Gegenstand
der streitgegenständlichen Rechnungen sind, nicht im (zumindest mittelbaren)
Zusammenhang mit der Studie stehen. Ausreichend nachvollziehbar ist dies auch nicht
hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnungen, die Behandlungszeitpunkte
betreffen, die nach dem Abbruch der Vakzinierungstherapie beim Kläger ab dem
17.2.2006 liegen. Ausweislich der Unterlagen der Studie (Anlage K3) war eine
Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten vorgesehen. Auch insoweit hat der Kläger nicht
einmal versucht näher darzulegen, warum diese Kosten nicht Teil der Studie gewesen
sein sollen.
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Zum anderen trägt der Kläger vor, alle der Beklagten in Rechnung gestellten
Untersuchungen bezögen sich auf Kontrolluntersuchungen sowie
Behandlungsmaßnahmen, die unabhängig von der Durchführung der Studie sowieso
notwendig gewesen wären. Insoweit verweist er auch auf die ärztliche Stellungnahme
Prof. Dr. L vom 23.10.2006. Dies kann aber einen wirksamen Erstattungsanspruch
gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden privaten
Krankheitskostenversicherungsverhältnis nicht begründen. Darauf hat die Kammer
ebenfalls mit Beschluss vom 10.9.2007 hingewiesen und hält daran fest. Die Erstattung
von sogenannten "Sowieso-Kosten" ist ausgeschlossen, wenn die tatsächlichen
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Aufwendungen nach dem Versicherungsvertrag nicht gedeckt sind. Denn derartige
Kosten können nicht mit dem Argument ersetzt werden, dass damit andere, vom Vertrag
ggf. gedeckte Kosten, erspart wurden.
Aus § 8 KHEntgG lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls nicht anderes
herleiten. Dieser regelt lediglich das Abrechnungsverhalten des Krankenhauses in
bestimmten Fällen, nicht zuletzt gegenüber den gesetzlichen Kostenträgern.
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Soweit der Kläger im übrigen der Ansicht ist, dass die Beklagte unabhängig davon, ob
diese Kosten durch die Studie verursacht wären, trotzdem die Kosten zu tragen hätte, da
bei unheilbaren Erkrankungen immer nur oder überwiegend Behandlungen in Studien
durchgeführt würden, folgt dem die Kammer ebenfalls nicht. Ein Erstattungsanspruch
aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag setzt nach § 1 Abs. 2 AVB, der §
1 MB/KK entspricht, zunächst einmal eine Heilbehandlung voraus. Nach ständiger
Rechtsprechung ist dies jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit
verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen
der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder Linderung der
Krankheit abzielt. Diesen Anforderungen werden Maßnahmen innerhalb einer Phase I/II
Studie nach Auffassung der Kammer gerade nicht gerecht, da diese vielmehr
überwiegend auf Forschungszwecke ausgerichtet sind. Dies ergibt sich im vorliegenden
Fall zudem eindeutig aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen hinsichtlich der
streitgegenständlichen Studie. Im Rahmen dieser Studie sollte nämlich primär die Frage
der Durchführbarkeit und Verträglichkeit einer RNA-Immunisierung von Patienten mit
fortgeschrittenen malignen Erkrankungen geklärt werden. Lediglich sekundär sollten
auch klinisch-therapeutische Effekte eruiert werden.
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Unabhängig davon ist auch nicht ausreichend ersichtlich , dass es sich bei den
streitgegenständlichen Behandlungen um anspruchsbegründende medizinisch
notwendige Heilbehandlungen im Sinne von § 1 AVB gehandelt hat. Insoweit ist es
zutreffend, dass die Anforderungen bei unheilbaren Erkrankungen an die objektive
Vertretbarkeit geringer sind, da bei unheilbaren Krankheiten die objektive Vertretbarkeit
der Behandlung nach allgemeiner Rechtsprechung bereits zu bejahen ist, wenn sie
nach medizinischen Erkenntnissen als wahrscheinlich geeignet angesehen werden
kann, auf eine Verhinderung oder Verschlimmerung der Krankheit oder zumindest auf
ihre Verlangsamung hinzuwirken. Bei lebensbedrohenden Erkrankungen ist nicht
erforderlich, dass der Behandlungserfolg dabei näher liegt als sein Ausbleiben; es reicht
aus, wenn die Behandlung mit nicht nur ganz geringer Erfolgsaussicht das Erreichen
des Behandlungsziels als möglich erscheinen lässt.
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Gerade dies hat der Kläger jedoch nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Er
behauptet dies zwar. Seine Behauptungen lassen sich aber mit den von ihm selbst
vorgelegten Unterlagen der Studie nicht in Übereinstimmung bringen. Nach diesen ist
eine medizinische Notwendigkeit der Vakzinierungstherapie zum Zeitpunkt der Studie
vielmehr nicht gegeben. Auf Bl. 35 GA (Patientenerklärung) der Anklage K3 (Bl. 81 GA)
wird ausdrücklich angeführt, dass es sich um eine experimentelle Therapie handelt, die
die Verträglichkeit und Wirksamkeit gerade erst klären soll und deren Erfolg nicht sicher
vorausgesagt werden kann. Die Therapie sei in dieser Form, insbesondere bei den
vorliegenden Erkrankungen auch noch nicht durchgeführt worden. Daraus folgt dann
aber, dass medizinische Erkenntnisse, die die konkrete Therapie als wahrscheinlich
geeignet ansehen lassen, fehlen und es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür
gibt, dass die Studienleitung davon ausgegangen ist, dass die Behandlung mit auch nur
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ganz geringer Erfolgsaussicht das Erreichen des Behandlungsziels (Heilung,
Linderung, Vermeidung Verschlimmerung, Verlangsamung ) als möglich erscheinen
lässt. Gerade dies sollte nach den vorgelegten Studienunterlagen durch diese Studie
erst begonnen werden festzustellen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 Abs.
1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
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Streitwert: 13.281,23 EUR.
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