Urteil des LG Köln vom 05.01.2011

LG Köln (eigenes interesse, zpo, hund, zeuge, erhöhung, aussicht, durchführung, rechnung, zweifel, beweisaufnahme)

Landgericht Köln, 9 S 75/10
Datum:
05.01.2011
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 S 75/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 63 C 435/09
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Bergisch Gladbach vom 27.01.2010 – 63 C 435/09 – wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
3
II.
4
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache
keinen Erfolg. Die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere
Entscheidung als die des Amtsgerichts, § 513 ZPO. Die Klägerin hat gegen den
Beklagten einen Anspruch aus dem Behandlungsvertrag in dem zuerkannten Umfang.
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1) Ob sich die Klägerin dabei auf das von dem Beklagten unterzeichnete Anerkenntnis
vom 14.01.2009 (Bl. 17 GA) berufen kann oder ob der Beklagte dieses wegen einer
angekündigten Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts erfolgreich angefochten hat,
bedarf letztlich keiner Entscheidung.
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Es erscheint insoweit allerdings zweifelhaft, ob der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht
an dem Hund "Rocky" zustand. Das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts wegen
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eines Honoraranspruchs aus einem Tierbehandlungsvertrag ist in der Rechtsprechung
nicht völlig geklärt, wobei auch nach der Begründung der in der Berufungserwiderung
angeführten Entscheidung des Landgerichts Mainz (NJW-RR 2002, 1181; grundsätzlich
gegen ein Zurückbehaltungsrecht dagegen die wohl überwiegende Rechtsprechung:
AG Duisburg, Urt. v. 28.07.2008 – 77 C 1709/08; LG Stuttgart, NJW-RR 1991, 446; AG
Bad Homburg, NJW-RR 2002, 894; gegen ein Zurückbehaltungsrecht bei persönlicher
Bindung zum Tierhalter auch: OLG Braunschweig, OLGR 2005, 297; Unberath, in:
BeckOK BGB, Stand: 1.2.2009, § 273 Rn. 30 und Krüger, in: Münchener Kommentar
zum BGB, 5. Aufl., § 273 Rn. 47; anders aber wieder Bittner, in: Staudinger, BGB, 2009,
§ 273 Rn. 66) im vorliegenden Fall ein Zurückbehaltungsrecht zu verneinen sein dürfte,
weil dem kranken und einzuschläfernden Hund "Rocky" durch den weiteren Zeitverlust
unnötiges Leiden zugefügt worden wäre. Maßgeblich für die Beurteilung des
Zurückbehaltungsrechts an einem Tier sind nämlich nach den Ausführungen des
Landgerichts Mainz und auch nach Auffassung der Kammer die Aspekte des
Tierschutzes, vgl. v.a. § 1 TierSchG.
Dementsprechend hätte der Beklagte das von ihm unterzeichnete Anerkenntnis nach
Auffassung der Kammer gem. § 123 BGB grundsätzlich erfolgreich anfechten können.
Durch die Ankündigung der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts wäre dem
Beklagten nämlich ein künftiges Übel durch Vorenthalten seines Hundes in Aussicht
gestellt worden. Dies wäre nach dem Vorgenannten auch widerrechtlich. Zwar betrifft
die Androhung von Rechten und Rechtsbehelfen, welche die Rechtsordnung für die
Wahrnehmung der Interessen des Drohenden zur Verfügung stellt – zum Beispiel die
Drohung mit Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, Klageerhebung,
Zwangsvollstreckung oder berechtigter Selbsthilfe – im Grundsatz erlaubte Mittel,
insbesondere wenn – wie hier – ein synallagmatisches Schuldverhältnis vorliegt. Wenn
indes die Rechtsordnung ein Zurückbehaltungsrecht bei Tieren im konkreten Fall
wiederum nicht anerkennt, ist dies auch im Rahmen von § 123 BGB zu berücksichtigen.
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Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat die Kammer jedoch bereits nicht
unerhebliche Zweifel an der Ausübung eines solchen Zurückbehaltungsrechts durch die
Klägerin.
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Ein Beweis kann dabei in der Regel erst dann als geführt angesehen werden, wenn
zumindest ein solcher Grad an Gewissheit vorliegt, der vernünftigen Zweifeln
Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. nur BGHZ 53, 245 ff.).
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Zwar haben die Zeugen C4 und U übereinstimmend bekundet, eine Ärztin habe sich am
Tag der Abholung des Hundes in einem separaten Besprechungsraum dahingehend
gegenüber dem Beklagten geäußert, dass es "keinen Hund" gäbe, wenn die Rechnung
nicht bezahlt werde. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen hat bereits der Kläger die
näheren Umstände dieser Erklärung nicht vortragen lassen, obwohl er bei der
maßgeblichen Unterredung zugegen gewesen sein muss. Die Kammer – wie
offensichtlich auch die Klägerin angesichts der angebotenen Vernehmung der Zeugin I2
– ist bis zur Beweisaufnahme davon ausgegangen, das behauptete
Zurückbehaltungsrecht sei unmittelbar bei Abrechnung an der Rezeption der Tierklinik
ausgeübt worden. Das dem nicht so war, hat der Beklagte dann erst in dem
Beweisaufnahmetermin unstreitig gestellt. Zum anderen erscheinen der Kammer die
Aussagen der Zeugen in weiten Teilen abgesprochen, was ihrer Überzeugungskraft
entgegensteht. Auffällig ist insoweit die teils nahezu identische Wortwahl zur
Beschreibung des Geschehens (z.B.: "Dann kam jemand mit dem Hund, ob Mann oder
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Frau kann ich nicht sagen"). Des Weiteren konnten die Zeugen auch keine näheren
Angaben zu dem Namen oder dem Aussehen der Ärztin machen, die angeblich die
vorgenannte Äußerung getätigt haben soll.
Auch unter Berücksichtigung des übrigen Verhandlungsinhalts erscheint die
Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch die Klägerin zweifelhaft. So hat
der Gesellschafter der Klägerin Dr. L im Rahmen seiner informatorischen Anhörung
nach § 141 ZPO plausibel den üblichen Ablauf eines Abholvorganges in der Klinik der
Klägerin geschildert und hierbei sogar zugunsten des Beklagten bestätigt, dass
üblicherweise auch eine Befundbesprechung in einem separaten Raum stattfinde.
Seine Darlegung, es mache zum Zweck eines störungsfreien und konzentrierten
Gesprächs mit dem Tierhalter wenig Sinn, das behandelte Tier während dieser
Besprechung in demselben Raum zu belassen, so dass es erst hiernach dem Halter
zugeführt werde, ist für die Kammer gut nachvollziehbar. Die Ausübung eines
Zurückbehaltungsrechts kann in diesem Vorgang daher nicht gesehen werden.
Schließlich haben die Zeugen I2 und Dr. S geschildert, das verfügbare Limit der
Bankkarte des Beklagten in Höhe von 2.000 EURO habe bei der Abwicklung im Bereich
der Rezeption im Vordergrund gestanden. Aus Sicht der Kammer wäre es nach der
Lebenserfahrung und dem in der Verhandlung gewonnen persönlichen Eindruck von
dem Beklagten jedoch zu erwarten gewesen, dass er auch die Überschreitung des
vereinbarten Kostenrahmens außerhalb des Besprechungsraumes deutlich moniert
hätte.
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2) Dies kann letztlich aber dahinstehen, da die Kammer nach Durchführung der
Beweisaufnahme die volle Überzeugung gem. § 286 ZPO davon gewonnen hat, dass
der vereinbarte bzw. in Aussicht gestellte Kostenrahmen einvernehmlich erweitert
wurde, so dass der Klägerin ein Anspruch nach der Gebührenordnung für Tierärzte
(GOT) im Hinblick auf die in Rechnung gestellten Positionen zusteht.
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Die von der Klägerin behaupteten Abreden zwischen den Parteien haben die Zeugen X,
Dr. I und Dr. S bestätigt:
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Die Zeugin X hat ausgesagt, im Rahmen der Erstvorstellung am Sonntagnachmittag
(11.01.2009) habe man sich zunächst auf eine stationäre Aufnahme und das Fertigen
von Blut- und Röntgenbildern verständigt, um die im Vordergrund stehende Störung des
Harnabsatzes (Miktion) des Hundes "Rocky" näher zu ergründen. Hierbei sei ein
Kostenrahmen von 600 EURO in Aussicht gestellt worden.
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Die Zeugin Dr. I hat weiter bekundet, am Montag (12.01.2009) habe Sie mit dem
Beklagten die Erhöhung des Kostenrahmens auf 1.200 EURO telefonisch besprochen,
wobei die Notwendigkeit einer umfangreichen bildgebenden Diagnostik für Lunge und
Hirn des Hundes zwar angesprochen, aber noch nicht vereinbart worden sei.
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Der Zeuge Dr. S hat schließlich ausgesagt, er habe in einem weiteren Telefonat mit dem
Beklagten zunächst die Möglichkeiten einer Operation besprochen, dabei aber zur
weiteren Abklärung der Miktionsproblematik des Hundes zu einer
Computertomographie (CT) des Thorax sowie einer Kernspintomographie (MRT) des
Hirns geraten und dabei eine Erhöhung des Kostenrahmens von 1.200 EURO um
weitere 1.300 EURO in Aussicht gestellt. Der Beklagte habe sich hiermit einverstanden
erklärt. Am Dienstagabend (13.01.2009) sei angesichts der zwischenzeitlich erhobenen
Befunde in einem weiteren Telefonat schließlich entschieden worden, dass der Hund
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eingeschläfert werden solle.
Die Aussagen der Zeugen sind glaubhaft. Die Zeugen haben detailreich und für die
Kammer – soweit notwendig – auch medizinisch nachvollziehbar den Ablauf der
Behandlung des Tieres geschildert. Der geschilderten Vorgehensweise entspricht die
Rechnung vom 14.01.2009 (Bl. 14 GA). Angesichts der unklaren Miktionsstörung
erscheint die stufenweise vorgenommene Diagnostik auch plausibel. Die Schilderung
der Zeugen ist insgesamt in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Übereinstimmend
haben die Zeugen dabei insbesondere hervorgehoben, für den Beklagten sei wichtig
gewesen, alle in Frage kommenden Diagnosemethoden und
Behandlungsmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen, ohne dies vom finanziellen
Aufwand abhängig zu machen. Dieses Bild wird durch den persönlichen Eindruck der
Kammer von dem Beklagten angesichts dessen anhaltender emotionaler Betroffenheit
von dem Tod seines Hundes während der Verhandlungstermine bestätigt. Der Zeuge
Dr. S hat überzeugend geschildert, dass ihm die eher ungewöhnliche Formulierung des
Beklagten "Ich erwarte, dass alles Erdenkliche für meinen Hund getan wird"
nachdrücklich im Gedächtnis geblieben sei, was dafür spricht, dass er auch insgesamt
die Unterredung mit dem Beklagten zuverlässig wiedergeben konnte. Dafür dass das
erste Telefonat des Zeugen Dr. S nicht mit dem Beklagten persönlich geführt wurde, ist
weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Zeugen erscheinen der Kammer auch glaubwürdig. Die Kammer verkennt dabei
nicht, dass die Zeugen X, Dr. I und Dr. S als Mitarbeiter der Klägerin abstrakt ein
eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben mögen. Dies allein genügt
jedoch nicht, um durchgreifende Zweifel an der Wahrheitsliebe der Zeugen zu
begründen. Sämtliche Zeugen sind ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage
bemüht gewesen. Eine Tendenz zur Belastung des Beklagten ist nicht festzustellen.
Vielmehr haben die Zeugen in Bezug auf ihr Aussageverhalten – trotz der mitunter
polemischen Anwürfe des Beklagten – stets besonnen und sachlich reagiert.
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Die von den Zeugen X, Dr. I und Dr. S geschilderten Umstände werden überdies durch
die Aussage des Zeugen Dr. T2 bestätigt. Nach dessen Aussage stand die
Miktionsstörung des Hundes bei der Überweisung an die Klägerin im Vordergrund. Eine
konkrete Anweisung zur Durchführung von CT und MRT habe es dagegen nicht
gegeben. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen nicht. Der Zeuge Dr. T2
hat offenkundig kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.
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Der so gewonnenen Überzeugung steht die Aussage des Zeugen U nicht entgegen. Ob
aus dem Umstand, dass er nach eigener Aussage ein Telefonat mit der Klägerseite
mithörte, ein Beweisverwertungsverbot wegen Verletzung des Allgemeinen
Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, § 244 Abs. 3 S. 1 StPO
analog folgt (vgl. BVerfG, NJW 2002, 3619), kann letztlich dahinstehen. Denn eine hier
erhebliche Festlegung eines verbindlichen Kostenrahmens hat er schon nicht
bestätigen können. Soweit er ausgesagt hat, am Montagabend (12.01.2009) habe der
Beklagte mit einer Frau telefonisch einen Kostenrahmen von 600 EURO vereinbart, ist
dies bereits insofern irrelevant, als der Beklagte selbst die Erhöhung des
Kostenrahmens auf 1.200 EURO an diesem Tag unstreitig gestellt hat (vgl. S. 2 der
Klageerwiderung). Welche Behandlungen nach der behaupteten Vereinbarung konkret
umfasst sein sollten, hat der Zeuge zudem nicht substantiiert dargelegt. Im Übrigen
stünde dies einer weiteren Erhöhung des Kostenrahmens am Folgetag nicht entgegen.
Soweit der Zeuge schließlich ausgesagt hat, der Hund sei von vornherein zur
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Durchführung eines CT überwiesen worden, steht dem die Aussage des Zeugen Dr. T2
entgegen.
Nach alledem steht dem Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch wegen
unterlassener Anzeige der Kostenüberschreitung zu.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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III.
24
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1
ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.368,03 EUR
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