Urteil des LG Köln vom 31.10.2008
LG Köln: gegen die guten sitten, materielle rechtskraft, fristlose kündigung, künstlerisches werk, sittenwidrigkeit, freiheit, zwangsvollstreckung, managementvertrag, pauschal, auskunft
Landgericht Köln, 8 O 256/06
Datum:
31.10.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Schlussurteil
Aktenzeichen:
8 O 256/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 80 % und die
Beklagte zu 20 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrags. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen
sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger managt Künstler. Die Beklagte ist Künstlerin.
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Am 1. September 2005 schlossen die Parteien einen sogenannten "Management- /
Finanzmanagement Vertrag", wonach der Kläger Manager der Beklagten werden sollte.
Der Vertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen:
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"I.
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Gegenstand dieses Vertrags ist die Betreuung und Vertretung der Künstlerin in allen
geschäftlichen Angelegenheiten, insbesondere durch das Anbahnen von
entsprechenden Verträgen und Vereinbarungen, die Verwertung ihrer künstlerischen
Werke sowie die Beratung in rechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Das
Management wird diese Tätigkeit unter strengster Beachtung der künstlerischen Freiheit
der Künstlerin und sämtlicher betreffender Vorschriften, insbesondere aus dem Gewerbe
und Standesrecht, wahrnehmen. […]
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Das Management verpflichtet sich, […] der Künstlerin zur Verfügung zu stehen, die
geschäftlichen und finanziellen Interessen bei allen Vertragsverhandlungen nach
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besten Kräften zu vertreten, sowie des künstlerischen Werkes der Künstlerin
anzubahnen und zu verhandeln.
II.
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Das Management hat die Aufgabe und das Recht, Verträge über die Verwertung sowie
für die Künstlerin abschlussreif vorzubereiten. Diese werden von der Künstlerin
persönlich unterzeichnet und erhalten nur mit ihrer Unterschrift Gültigkeit.
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Die Künstlerin wird jedoch ausnahmslos nur jene Vereinbarungen, Verträge und andere
Abmachungen unterzeichnen, welche zuvor vom Management geprüft und als korrekt im
Sinne der Interessen der Künstlerin zur Unterzeichnung freigegeben worden sind.
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Sämtliche Verträge können auch, nach Absprache mit der Künstlerin, nur durch die
Unterschrift des Managers Gültigkeit erhalten (Unterschriftsvollmacht).
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III.
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Die Künstlerin wird sämtliche vom Management verhandelten Vereinbarungen in
Erfüllung dieses Vertrages akzeptieren, so die Konditionen zumindest branchenüblich
sind und weder Terminkollisionen noch schwerwiegende künstlerische Bedenken
dagegen sprechen. […]
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IV.
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[…] [Die Künstlerin] wird ab Unterfertigung dieses Vertrages alle ihre Partner und
geschäftlichen Kontakte über den Abschluss des Managementvertrages informieren und
darauf hinweisen, dass sämtliche künftigen geschäftlichen Kontakte und Verhandlungen
der Künstlerin und ihr Werk betreffend, ohne Ausnahme nur über das Management zu
führen sind.
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Demgemäß gelten Zusagen, die die Künstlerin Dritten gegenüber schriftliche oder
mündlich erteilt, nicht, wenn nicht das Management zuvor in vollem Umfang schriftlich
über alle Details informiert wurde und Gelegenheit hatte, die Künstlerin im Sinne ihrer
Interessen zu beraten.
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V.
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[…] Die Künstlerin wird dem Management ein Konto benennen, auf welches nach ihrer
Wahl die Honoraranteile auszuzahlen sind.
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Das Entgelt des Managers / Finanzmanagers richtet sich nach den ihm übertragenen
Aufgaben und Kompetenzen, wobei darauf hingewiesen wird, dass eine Beteiligung von
30 % festgelegt wird.
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Das Management veranlasst mit sofortiger Wirkung eine gegenseitige Absicherung
seitens des Managements sowie der Künstlerin und beauftragt sie mit dem Abschluss
einer Kapitalversicherung.
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Die Absicherung dient dazu, mögliche geschäftliche Risiken zu besichern, eine Session
an das Management ist möglich und wird ansonsten zur Altersversorge, als auch zur
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ergänzenden Vorsorge im Bereich Berufs- und Erwerbsunfähigkeit genutzt. […]
Im ersten Geschäftsjahr übernimmt das Management die erste Jahresprämie des
Versicherungsvertrags, ab dem zweiten Jahr trägt die Künstlerin zu 100 % die
Versicherungsbeiträge."
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VI.
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[…] Der Vertrag wird für die Dauer von fünf Kalenderjahren ab Unterzeichnung befristet
abgeschlossen.
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Mit Ablauf der Befristung verlängert sich die Gültigkeitsdauer des Vertrags um jeweils
ein Kalenderjahr, sollte eine der Parteien nicht mit einer Frist von drei Monaten zum
Befristungsende die Kündigung schriftlich gegen Empfangsbekenntnis der jeweils
anderen Partei ausgesprochen haben.
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Das Recht zu ggf. fristlosen, jedenfalls außerordentlichen Kündigung seitens jeder
Partei bleibt dadurch nicht ausgeschlossen. Wichtige Gründe für eine sofortige
Auflösung dieses Vertrags sind insbesondere eine Verletzung der in diesem Vertrag
übernommenen Verpflichtungen durch einen Vertragspartner trotz schriftlicher
Aufforderung durch den anderen Vertragspartner zur Einhaltung des Vertrages unter
Angabe der behaupteten Verletzung.
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Für die Künstlerin ist ein solcher Grund insbesondere eine wesentliche Änderung in der
Geschäftsführung des Managements, für das Management eine wesentliche Änderung
in der künstlerischen Tätigkeit der Künstlerin. Kein Grund zur sofortigen
Vertragsauflösung ist eine Änderung der Gesellschaftsform des Managements.
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VII.
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Ungültigkeit von Teilen dieses Vertrags berührt die Wirksamkeit der anderen
Regelungen nicht. An die Stelle der ungültigen tritt in diesem Fall diejenige gültige
Bestimmung, die der ungültigen im geschäftlichen Erfolg am nächsten kommt. […]
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Gerichtsstand ist das die Handelsgerichtsbarkeit ausübende Gericht [des
Unternehmenssitzes des Managements].
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VIII.
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Solange die Künstlerin von den Einnahmen aus Konzerten, Events und
Plattenveröffentlichungen bzw. Auftritten sich nicht eigenständig versorgen kann, wird
sie freigestellt für Aktivitäten, die über Gesellschaften an sie herangetragen werden."
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Am 4. November 2005 nahm die Beklagte an einem Casting des Fernsehsenders 9 Live
teil, aufgrund dessen es zu Verträgen der Beklagten mit dem vorgenannten
Fernsehsender kam.
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Am 30. November 2005 ersetzten die Parteien vorzitierten Vertrag einvernehmlich durch
den Abschluss eines beiderseits jederzeit kündbaren nicht-exklusiven Management-
Vertrags. Danach waren Entgelte von 20 % der Nettogage bei Aufträgen ab 10.000,00 €,
sowie 10 % bzw. 15 % bei Aufträgen geringeren Volumens für den Kläger vorgesehen.
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Dieser Vertrag wurde der Beklagten mit Schreiben vom 9. März 2006 gekündigt.
Der Kläger behauptet, dass er das Casting bei 9 Live für die Beklagte initiert habe und
ihr Erfolg dabei auf seine Managementaktivitäten zurückzuführen sei. Er ist der Ansicht,
der geschlossene Managementvertrag sei wirksam. Hierzu behauptet er insbesondere,
die vereinbarte Vergütung sei vor dem Hintergrund des Umstands, dass die Klägerin bei
Abschluss des Vertrags unbekannt gewesen sei und ein schlechtes Image gehabt habe,
marktüblich.
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Der Kläger hat im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die von der Beklagten
aus Verträgen mit dem Fernsehsender 9 Live zu beanspruchenden Vergütungen
verlangt. Hierzu hat das Gericht die Beklagte mit Teilurteil vom 8. Mai 2007 verurteilt.
Um die Beklagte im Wege der Zwangsvollstreckung anzuhalten, ihrer
Auskunftsverpflichtung nachzukommen, hat der Kläger sodann 201,70 € an den
Gerichtsvollzieher für vier vorläufige Zahlungsverbote verauslagt. Nach erteilter
Auskunft hat der Kläger nunmehr die Klage beziffert.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.534,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2006 sowie 1.963,60 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.
August 2008 und weitere 201,70 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger Ersatz der für die
Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte aufgewandten Kosten in Höhe von 201,70 €
begehrt. Insoweit fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, da der
einfachere Weg es Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 788 Abs. 2 ZPO zur Verfügung
steht.
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Die im übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinerlei Zahlungsansprüche gegen die Beklagte aus dem Vertrag vom
1. September 2005. Dieser ist sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB.
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Zunächst steht der Prüfung der Wirksamkeit des Vertrags nicht die Rechtskraft des
Teilurteils vom 8. Mai 2007 entgegen. Die materielle Rechtskraft des Urteils erstreckt
sich gem. § 322 Abs. 1 ZPO lediglich auf das Bestehen oder Nichtbestehen der
klageweise geltend gemachten Rechtsfolge auf Grund des vorgetragenen
Tatsachenkomplexes, nicht aber auf Urteilselemente wie Vorfragen oder die Auslegung
einer bestimmten Rechtsnorm (BGH WM 2000, 320; Reichold, in: Thomas/Putzo, 29.
Aufl. 2008, § 322 Rn. 10, 19, 20). Rechtskräftig festgestellt wurde durch das Teilurteil
vom 8. Mai 2007 mithin nur der Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte.
Dagegen war die Wirksamkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags
lediglich Vorfrage. Sie partizipiert damit nicht an der materiellen Rechtskraft und kann
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mithin nochmals geprüft werden.
Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB unter anderem dann nichtig, wenn es
nach seinem Gesamtcharakter mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder
Sittenordnung unvereinbar ist. Die Sittenwidrigkeit kann sich danach aus der
Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts ergeben, in die Inhalt, Beweggrund und Zweck
des Rechtsgeschäfts einzubeziehen sind. Zu berücksichtigen sind damit neben dem
objektiven Gehalt des Geschäfts auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt
haben, sowie die Absichten und Motive der Parteien. Dabei ist jedoch ein Bewusstsein
der Sittenwidrigkeit oder der Schädigung nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn
der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt oder
wenn er sich der Kenntnis einer erheblichen Tatsache bewusst oder grob fahrlässig
verschließt (Heinrichs, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 8 m.w.N.).
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Der Gesamtcharakter des Vertrags vom 1. September 2005 verstößt gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
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Der Managementvertrag beschränkte zunächst die künstlerische Freiheit der Beklagten
weitestgehend zu Gunsten der Entscheidungsbefugnis des Klägers. Der Beklagten war
in der Geltungszeit dieses Vertrags die Entscheidungsbefugnis über Art, Dauer und
Inhalt ihrer künstlerischen Tätigkeit praktisch genommen (vgl. auch LG Berlin, ZUM
2007, 754 ff.).
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Aus den Regelungen in Ziffern I, II Abs. 2, III und IV des Vertrags ergibt sich, dass der
Kläger nach Abschluss des Vertrags allein befugt sein sollte, künstlerische
Engagements für die Beklagte anzubahnen. Ihr selbst war dieses Recht nach diesen
Vorschriften vollständig genommen: Nach Ziffer III des Vertrags sollten sämtlich
geschäftlichen Kontakte und Verhandlungen der Klägerin und ihr künstlerisches Werk
betreffend – mithin auch genuin der künstlerischen Freiheit unterliegende
Entscheidungen – nur über den Kläger geführt werden. Ausnahmen von dieser
umfassenden Verhandlungsbefugnis des Klägers definiert der Vertrag überhaupt nicht,
so dass entsprechend dem umfassenden Vertragstext davon auszugehen ist, dass
selbst kreative, genuin künstlerische Fragen von der Verhandlungsbefugnis des Klägers
umfasst sein sollten. Verträge der Beklagten sollten nach Ziffer II des Vertrags
dementsprechend nur noch nach vorheriger Prüfung und Unterschrift durch den Kläger
Gültigkeit erlangen.
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Darüber hinaus war die Beklagte nach Ziffer III des Vertrags gezwungen, praktisch
sämtliche durch den Kläger verhandelten Verträge zu erfüllen. Ein Recht zur Ablehnung
sollte ihr danach nur bei Terminkollisionen, Branchenunüblichkeit und
schwerwiegenden künstlerischen Bedenken zustehen. Die Regelung in Ziffer I des
Vertrags, wonach das Management die künstlerische Freiheit der Klägerin zu beachten
habe, wird auf diese Weise durch Ziffer III des Vertrags weitestgehend ihres Inhalts
entleert. Die Unvereinbarkeit einer von dem Kläger an sie herangetragenen Aufgabe mit
der künstlerischen Entfaltung der Beklagten allein sollte nämlich nach Ziffer III des
Vertrags allein gerade nicht als Grund für die Ablehnung der Aufgabe ausreichen;
vielmehr sollte nach dieser Vorschrift ein für die Beklagte kaum mehr erträglicher
Widerspruch zu ihren künstlerischen Belangen für eine Ablehnung erforderlich sein.
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Das Gericht ist sich bewusst, dass das Ziel eines Künstler-Management-Vertrags, die
Karriere eines Künstlers zu fördern und aufzubauen, eine enge Einbeziehung des
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Managers in geschäftliche Fragen des Künstlers sowie auch weitgehende
Handlungsvollmachten des Managers fordert, wie sie dementsprechend auch durchaus
branchenüblich sind (OLG Hamburg, ZUM 2008, 144 ff. m.w.N.). Eine derart
ausgeweitete Handlungs- und Alleinentscheidungsbefugnis, wie sie der Vertrag vom 1.
September 2005 für den Kläger vorsieht, ist jedoch für das Erreichen des
Vertragszwecks nicht erforderlich und auch branchenunüblich. Vielmehr bleibt der
Künstler üblicherweise in allen kreativen Entscheidungen frei und federführend (vgl.
OLG Hamburg, ZUM 2008, 144 ff. m.w.N.), was für den Aufbau und die Entwicklung
einer künstlerischen Karriere auch unabdingbar ist. Die praktisch vollständige
Fremdbestimmung der Beklagten sogar in kreativen Fragen ist für die Entwicklung der
künstlerischen Karriere der Beklagten und damit für das Erreichen des Vertragszwecks
mithin sogar kontraproduktiv.
Der gegen die guten Sitten verstoßende Gesamtcharakter des Vertrags ergibt sich
desweiteren aus den Vergütungsregelungen (vgl. auch LG Berlin, ZUM 2007, 754 ff.).
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Nach Ziffer V Abs. 3 des Vertrags sollte der Kläger ein seinen Aufgaben und
Kompetenzen entsprechendes Entgelt erhalten, was auf pauschal 30 % festgelegt
wurde. Diese anteilige Beteiligung liegt jedenfalls im oberen Bereich des Üblichen –
und zwar unabhängig davon, ob die unklare Klausel dahingehend auszulegen ist, dass
30 % der Nettoeinnahmen oder sogar der Bruttoeinnahmen gemeint sein sollen (vgl. LG
Berlin, ZUM 2007, 754 ff., wo sogar eine Beteiligung von pauschal 26 % der
Nettoeinnahmen als überhöht angesehen wird). Der Kläger kann sich insoweit nicht
darauf berufen, die Entgeltregelung sei aufgrund der Unbekanntheit der Beklagten oder
wegen des ihr angeblich anhaftenden schlechten Images angemessen. Hiergegen
spricht schon, dass die Parteien gerade mal zwei Monate nach Abschluss den
streitgegenständlichen Vertrag durch einen Management-Vertrag ersetzt haben, der
lediglich bei Aufträgen ab 10.000,00 € eine Beteiligung des Klägers von 20 % der
Nettogage, ansonsten aber eine Beteiligung von lediglich 10 % bzw. 15 % vorsah. Es ist
lebensfremd, dass die Beklagte ein ihr angeblich anhaftendes schlechtes Image in der
Branche innerhalb dieses kurzen Zeitraums abgelegt oder dass sich ihr
Bekanntheitsgrad innerhalb dieser kurzen Zeit in einem relevanten Umfang verändert
hätte. Lagen dem später abgeschlossenen Vertrag aber mithin in der Person der
Beklagte dieselben Voraussetzungen wie dem streitgegenständlichen zugrunde, so
widerlegt schon die Entgeltregelung des später abgeschlossenen Vertrags, dass sich
die Entgeltregelung des streitgegenständlichen Vertrags nicht mit in der Person der
Beklagten liegenden besonderen Gründen – namentlich Unbekanntheit oder schlechtes
Image – rechtfertigen lässt.
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Neben der finanziellen Belastung der Beklagten durch das erhebliche an den Kläger zu
zahlende Entgelt sieht Ziffer V Abs. 4 des Vertrags auch die gegenseitige Absicherung
durch den Abschluss einer Kapitalversicherung seitens der Beklagten, mithin in anderen
Worten unter anderem die Absicherung des Klägers für den Todes-, Berufs- und/oder
Erwerbsunfähigkeitsfall der Beklagten durch eine von der Beklagten abzuschließende
kapitalbildende Versicherung vor, deren Zession an den Kläger in Ziffer V Abs. 5 des
Vertrags ausdrücklich als möglich vorgesehen ist. Die Absichtserklärung in Ziffer V Abs.
6 des Vertrags, dass hiermit unter anderem die Altersversorgung der Beklagten
gesichert werden solle, vermag nicht zu verschleiern, dass mit der beabsichtigten
Begünstigung des Klägers in dem avisierten Versicherungsvertrag – jedenfalls auch –
eine mit den von ihm zu tragenden geschäftlichen Risiken wahrlich nicht zu
rechtfertigende Absicherung seinerseits gewollt ist. Obendrein sollte die Auswahl der
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Versicherung ausweislich der Formulierungen des Vertrags "das Management
veranlasst" und "beauftragt sie mit dem Abschluss einer Kapitalversicherung" beim
Kläger liegen, der es damit faktisch in der Hand hatte, die ihn begünstigende
Versicherungsfallleistung zu Lasten der an die Beklagte auszuzahlenden und für die
Altersvorsorge zu verwendende Kapitalleistung besonders hoch anzusetzen und die
Beklagte dadurch zu seinen Gunsten mit höheren Beiträgen weiter finanziell zu
belasten. Dass der Kläger die Beiträge der Versicherung im ersten Versicherungsjahr
tragen sollte, ändert an dieser Beurteilung vor dem Hintergrund der üblicherweise
jahrzehntelangen Laufzeit derartiger Versicherungsverträge nichts. Ob der Kläger von
den vorgenannten Möglichkeiten tatsächlich Gebrauch gemacht hat, kann dabei
dahinstehen, da es für die Beurteilung des Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des
Vertragsschlusses ankommt (vgl. Heinrichs, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 9).
Darüber hinaus ist in Ziffer V Abs. 2 des Vertrags stillschweigend eine Inkassovollmacht
für den Kläger vereinbart. Nach dieser Vorschrift sollte die Beklagte dem Kläger ein
Konto zur Auszahlung ihrer Honoraranteile benennen. Ohne dass der Kläger nach dem
Vertrag berechtigt sein sollte, die von der Beklagten zu beanspruchenden Honorare für
sie einzuziehen, hätte diese Regelung keinen Sinn. Bei beabsichtigter Auszahlung der
Honorare an die Beklagte wäre nämlich nicht die Benennung eines Kontos durch die
Beklagte sondern durch den Kläger erforderlich, damit diesem die ihm durch den
Vertrag zugestandenen Honoraranteile von 30 % ausgezahlt würden. Abgesehen
davon, dass die Regelung in Ziffer V Abs. 2 des Vertrags damit einen Verstoß gegen
Art. 1 § 1 RBerG darstellt, handelt es sich um eine die Beklagte zusätzlich belastende
Regelung, die mithin zur Sittenwidrigkeit des Vertrags beiträgt. Neben dem Umstand,
dass der Beklagten eine Kontrolle der Vollständigkeit der ihr zustehenden Honorare
damit erheblich erschwert wurde, hätte sie nämlich bei Praktizierung der Regelung das
Insolvenzrisiko des Klägers getragen. Ob die Regelung tatsächlich praktiziert wurde, ist
angesichts der Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Vertragsschlusses für die
Beurteilung der Sittenwidrigkeit wiederum ohne Belang.
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Ferner ist für die Würdigung des Gesamtcharakters des Vertrags als sittenwidrig die
Laufzeitregelung in Ziffer VI von Bedeutung. Die danach vereinbarte Festlaufzeit von 5
Jahren verlängert sich mangels Kündigung des Vertrags automatisch. Darüber hinaus
wurde die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB ausgeschlossen. Dieser
Ausschluss wurde zwar nicht ausdrücklich vereinbart; § 627 BGB kann jedoch auch
stillschweigend ausgeschlossen werden (Weidenkaff, in: Palandt, a.a.O., § 627 Rn. 5).
Wenngleich Ziffer VI Abs. 3 des Vertrags vorsieht, dass der Vertrag fristlos und
außerordentlich gekündigt werden könne, so ergibt sich doch aus der ausdrücklichen
und engen Aufzählung wichtiger Kündigungsgründe in Ziffer VI Abs. 3 S. 2 und Abs. 4
des Vertrags, dass nur die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
nach § 626 BGB zulässig sein sollte, nicht aber die jederzeit und grundlos mögliche
Kündigung nach § 627 BGB.
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Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus den genannten, die Beklagte einseitig
belastenden Vertragsregelungen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Bindung und
Erfolgsbeteiligung beider Parteien, das dem Vertrag einen Ausbeutungscharakter
verleiht und ihn damit als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB erscheinen lässt
(vgl. LG Berlin, ZUM 2007, 754 ff.).
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709, 711 ZPO.
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Streitwert: 27.699,80 €
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