Urteil des LG Köln vom 14.06.2005
LG Köln: anbieter, werbung, verfügung, unternehmen, verkehr, nettoumsatz, gesamteindruck, verbraucher, anzeichen, vollstreckbarkeit
Landgericht Köln, 33 O 107/05
Datum:
14.06.2005
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
33. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
33 O 107/05
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung
verurteilt,
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,--€ -
ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
z u u n t e r l a s s en,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit Werbaussagen
wie folgt zu werben:
a) Bei den kleineren Formaten sind wir zum führenden Anbieter
aufgestiegen (33,62 % Marktanteil bei City-Light-Postern),
wie nachstehend wiedergegeben:
- Es folgt eine einseitige Werbeaussage. -
b) Marktanteile, City-Light-Poster, bundesweit, 40 %
wie nachstehend wiedergegeben:
- Es folgt eine einseitige Abbildung. -
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der sog. Außenwerbung.
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Der Markt der Außenwerbung gliedert sich in die folgenden wesentlichen Segmente:
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Die Großfläche, Plakatflächen im Format von ca. 2,60 x 3,60 m, unbeleuchtet und
in der Regel an Straßen, Häusern und Mauern zu finden,
Die City-Light-Boards (CLB), auch Mega-Light-Poster oder Großflächenvitrine
genannt, normalerweise in der Größe 2,60 x 3,60 m und als 18/1 Format
bezeichnet, mit Bodenabstand quer zur Fahrbahn an Straßen aufgestellt, verglast
und hinterleuchtet,
Die City-Light-Poster (CLP) im Format 1,19 x 1,75 im Hochformat, auch als 4/1
Format bezeichnet, die das "klassische" Werbemedium an sog Stadtmöbeln sind
und vor allem in Wartehallen des öffentlichen Personennahverkehrs, City-
Toiletten, hinterleuchteten Säulen und freistehenden Stadtinformationsvitrinen zu
finden sind,
Die Ganzsäule mit einer Höhe von 2,60 oder 3,60 m, teilweise mit Beleuchtung
ausgestattet und nur von einem Werbetreibenden gleichzeitig zu belegen,
Der allgemeine Anschlag als Säule mit einer Höhe von 2,60 oder 3,60 m oder
Tafel im Format 2,60 x 3,60 m (18/1), plakatiert in den DIN-Formaten 1/1 bis 6/1-
Bogen mit mehreren Anschlägen.
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Bei einem Gesamtmarkt der Außenwerbung mit einem Umsatzvolumen von € 700 Mio
werden bei den Großflächen mit knapp 300 Mio € und den CLP mit etwa 200 Mio € die
höchsten Nettoumsätze erzielt.
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Im Markt für Außenwerbung konkurrieren eine Vielzahl regionaler und einige
überregionale Anbieter, zu denen neben den Parteien die B, K und E gehören. Da
Außenwerbung konzessions-/vertragsabhängig ist, ist kein Außenwerber
flächendeckend in allen 2070 Städten vertreten. So bietet die Antragstellerin D in zur
Zeit 34 Städten, K in 18 Städten und die Antragsgegnerin in 103 Städten an. Die
Antragsgegnerin verfügt in weiteren 500 Städten über Werbeflächen anderer Art, so
dass sie bundesweit in 600 Städten Werbeflächen anbieten kann.
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Werbungtreibende Unternehmen buchen Außenwerbung in der Regel medien- und
zielgruppenorientiert in einzelnen Marktsegmenten. Eine Buchung in allen Segmenten
des Werbemarktes ist unüblich. Dabei haben sich sog. "Spezialmittler" etabliert, die die
Werbewünsche der Kunden mit dem Angebot des Marktes koordinieren.
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Die Antragsgegnerin erwarb zum 01.01.2004 das Unternehmen N, was zu einer
Vervielfachung ihres Geschäftsbereiches Stadtmöblierung mit beleuchteter
Plakatwerbung führte.
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Die Antragsgegnerin warb mit den im Tenor wiedergegebenen Werbeaussagen.
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Die Antragstellerin behauptet, sie habe im Jahr 2004 auf etwa 17.000 CLP-
Werbeflächen Netto-Werbeerlöse von rund 48,8 Mio € erzielt. Die Antragsgegnerin habe
2004 auf 27.734 CLP-Werbeflächen Netto-Werbeerlöse von rund 38,3 Mio € erzielt.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, die beanstandeten Werbeaussagen der
Antragsgegnerin stelle eine unzulässige Alleinstellungsbehauptung dar bzw. sei
irreführend.
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Wegen der näheren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragstellerin wird
ergänzend Bezug genommen auf die Seiten 13 ff. der Antragsschrift (Bl. 13 ff. d.A.) und
ihren Schriftsatz und vom 25.04.2005 (Bl. 140 ff. d.A.).
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Die Antragstellerin beantragt,
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- wie erkannt-.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
16
Die Antragsgegnerin behauptet, sie vermarkte in Deutschland rund 34.600 CLP. Dabei
habe sie 2004 einen Netto-Umsatz von 48,7 Mio € (von der Antragsgegnerin "Netto 3
Umsatz" genannt) und einen "Netto 3 Umsatz" zzgl. der geleisteten
Spezialmittlervergütungen von 58,8 Mio € (von der Antragsgegnerin "Nettoumsatz nach
HGB" genannt) erzielt. Auch sei ihrem Umsatz der Umsatz der E GmbH in Höhe der
Beteiligung zuzurechnen, sowie die Umsätze aus der Vermarktung von in ihrem
Eigentum stehenden Werbeträgern durch die Degesta zu addieren, so dass sich ein
"Netto 3 Umsatz" von 55,5 Mio € ergebe. Auch komme sie durch diese Additionen auf
den Marktanteil von 40 % bei CLP.
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Die Antragsgegnerin meint, die beanstandeten Werbebehauptungen seien nicht
irreführend.
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Sie sei aufgrund des erzielten Umsatzes und der Anzahl der Werbeflächen im Bereich
CLP marktführend.
19
Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragsgegnerin wird
ergänzend Bezug genommen auf ihren Schriftsatz vom 22.04.2005 (Bl. 87 ff. d.A.).
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Entscheidungsgründe:
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Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
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Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 3, 5, 8 UWG.
23
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung
in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen, da die Antragsgegnerin mit den
beanstandeten Werbeaussagen § 3 UWG zuwidergehandelt hat. Danach sind unlautere
Wettbewerbshandlungen unzulässig, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil
der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur
unerheblich zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt gemäß § 5
UWG insbesondere, wer irreführend wirbt.
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Eine Werbung ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, wenn das Verständnis, das
sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen
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Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für diese Beurteilung ist der Gesamteindruck der
Werbung maßgeblich; es sind alle Bestandteile zu berücksichtigen, § 5 Abs. 2 UWG.
Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen
Adressaten der streitgegenständlichen Werbung abzustellen, der die Werbung mit einer
der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vgl.
dazu BGH WRP 2005, 474, 475 – "Direkt ab Werk", BGH WRP 2005, 480, 483 –
"Epson-Tinte").
Danach ist die beanstandete Aussage
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"Bei den kleineren Formaten sind wir zum führenden Anbieter aufgestiegen (33,62 %
Marktanteil bei City-Light-Postern)"
27
als irreführend anzusehen.
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Die Antragsgegnerin nimmt damit eine Spitzenstellung für sich in Anspruch, die ihr nicht
zukommt.
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Bei einer Spitzenstellungsbehauptung erwartet der Verkehr, dass der Werbende
gegenüber seinen Mitbewerbern in der betreffenden Hinsicht einen deutlichen
Vorsprung vorzuweisen hat und dieser Vorsprung Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit
hat (vgl. BGH GRUR 2004, 786, 788 –"Größter Online-Dienst").
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Insoweit besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass der Verkehr von dem führenden
Anbieter im Bereich der City-Light-Poster eine deutliche Überlegenheit gegenüber den
Mitbewerbern im Bereich der Anzahl der Werbeflächen und der Umsatzzahlen erwartet.
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Bei dem Segment CLP fehlt der Antragsgegnerin diese Überlegenheit aber jedenfalls
hinsichtlich der Umsatzzahlen. Legt man die eigenen Zahlen der Antragsgegnerin
zugrunde, so erzielte sie hier im Jahr 2004 einen Netto-Erlös von 48,7 Mio €. Damit
hatte sie aber keinen deutlichen Abstand vor den mit CLP im gleichen Zeitraum
erzielten Nettoumsatz der Antragstellerin von 48,8 Mio €, sondern lag mit dieser
gleichauf.
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Die Versuche der Antragsgegnerin, dieses Ergebnis durch Rechenspiele zu verbessern
überzeugen nicht.
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Wie die Antragsgegnerin selber ausführt, sind hohe Umsätze ein sicheres Anzeichen für
den Erfolg eines Unternehmens und somit für die Zufriedenheit der Werbekunden. Dann
können aber nur solche Umsatzzahlen Berücksichtigung finden, die den Erfolg des
Unternehmens auch verläßlich darstellen und nicht solche, die Beträge enthalten, die
letztlich anderen Unternehmen zugute kommen. Dies ist aber bei dem im Vergleich zum
sog. "Netto 3 Umsatz" höheren "Netto-Umsatz nach HGB" der Fall. Die bei diesem Wert
eingerechneten Vergütungen für die Spezialmittler sagen gerade nichts über den Erfolg
der Antragsgegnerin am Markt aus. Im Gegenteil ließe sich so beispielsweise ein
Mißerfolg, der etwa aus der Zahlung überhöhter Provisionen resultierte, ohne weiteres
in einen Erfolg verwandeln. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Addition von
Umsatzzahlen der E und der E1. Diese Zahlen von Unternehmen, die unabhängig am
Markt neben den Parteien operieren, sagen nichts über den Erfolg der Antragsgenerin
aus, und sind daher nicht zu berücksichtigen.
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Ist die Antragsgegnerin damit nicht führender Anbieter bei CLP wird diese Aussage
auch nicht dadurch relativiert, dass der von der Antragsgegnerin für sich errechnete
Marktanteil angegeben wird. Denn eine Einschränkung dahingehend, dass die
Marktführerschaft nicht in Bezug auf den Umsatz in Anspruch genommen wird, lässt sich
dem nicht entnehmen und dürfte angesichts der Berechnung der Umsatzzahlen durch
die Antragsgegnerin noch nicht einmal beabsichtigt gewesen sein.
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Nichts anderes gilt für die weitere Aussage, einen Marktanteil von 40 % bundesweit bei
den City-Light-Postern zu haben. Diese ist schon deshalb irreführend, weil – wie oben
aufgezeigt – eine Addition der Marktanteile von E und E1 nicht gerechtfertigt ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der
einstweiligen Verfügung.
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Streitwert: 100.000,-- €
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