Urteil des LG Köln vom 19.03.2010

LG Köln (höhe, inhaber, geschäftsjahr, stille reserven, grundsatz der prozessökonomie, herabsetzung des grundkapitals, vernehmung von zeugen, genussschein, gesellschaft, verlust)

Landgericht Köln, 87 O 159/08
Datum:
19.03.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
87 O 159/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen
die Klägerin zu 1. in Höhe von 2,09 %,
die Klägerin zu 2. in Höhe von 4,49 %,
die Klägerin zu 3. in Höhe von 2,38 %,
die Klägerin zu 4. in Höhe von 0,87 %,
die Klägerin zu 5. in Höhe von 0,03 %,
die Klägerin zu 6. in Höhe von 0,24 %,
die Klägerin zu 7. in Höhe von 4,37 %,
die Klägerin zu 8. in Höhe von 46,20 %
die Klägerin zu 9. in Höhe von 14,22 %,
die Klägerin zu 10. in Höhe von 4,24 %,
die Klägerin zu 11. in Höhe von 1,49 %,
die Klägerin zu 12. in Höhe von 3,70 %,
die Klägerin zu 13. in Höhe von 2,17 %,
die Klägerin zu 14. in Höhe von 1,15 %,
die Klägerin zu 15. in Höhe von 0,76 %,
die Klägerin zu 16. in Höhe von 8,19 %,
die Klägerin zu 17. in Höhe von 0,38 %,
die Klägerin zu 18. in Höhe von 1,67 %,
die Klägerin zu 19. in Höhe von 1,12 %,
die Klägerin zu 20. in Höhe von 0,24 %.
Das Urteil ist bezüglich der Klägerinnen zu 2., 7., 8., 9., 10., 12. sowie
16. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages und im Übrigen ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen zu 1., 3., 4., 6., 11., 13., 14., 15.,
18., 19. sowie 20. dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des jeweils gegen sie vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerinnen, international tätige Fondsgesellschaften, nehmen die Beklagte, die bis
Juni 2007 als S AG (S) firmierte, nachdem die I AG (I) mit Wirkung zum 01.01.2001 auf
die T AG (T) verschmolzen worden war, aufgrund von Namens- und
Inhabergenussrechten in Anspruch, die zwischen 1996 und 2001 mit unterschiedlichen
Volumina und Laufzeiten von der T und der RB emittiert wurden. Insoweit wird
allerdings bereits jegliche Forderungsberechtigung der Klägerinnen durch die Beklagte
bestritten, welche die von den Klägerinnen vorgelegten Depotbescheinigungen Ihrer
Prime Broker und A, B bzw. C Company Canada, früher auch der F Securities Corp.
nicht als ausreichende Nachweise für eine uneingeschränkte, fortdauernde absolute
Rechtsinhaberschaft der Klägerinnen anerkennt. Außerdem streiten die Parteien
darüber, ob und inwieweit sich einerseits die Verluste, welche die S aus dem Handel mit
Zinsderivaten in den Jahren 2001 und 2002 erlitten hat, sowie andererseits die
Erhöhung des Eigenkapitals der S, welche die zur Z-Gruppe - einem US-
amerikanischen Finanzinvestor - gehörende Fondsgesellschaft G L.P. im
Zusammenhang mit der Ende 2005 jedenfalls eingeleiteten Übernahme von 99,9 % des
Aktienkapitals der Beklagten Anfang 2006 erbracht hat, auf die Bewertung der
Genussrechte auswirken. Den Klägerinnen des vorliegenden, durch Beschluss des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.09.2008 - 3-13 O 5/08 - abgetrennten,
Verfahrens geht es dabei ausschließlich um die nachfolgend aufgelisteten - nur einen
Teil der insgesamt von ihnen gehaltenen Genussrechte darstellenden - Genussscheine
der I, die bedingungsgemäß in Globalurkunden verbrieft sind, welche unter Ausschluss
des Anspruchs auf effektive Einzelurkunden bei der D AG hinterlegt sind. Während die
Beklagte diese Genussrechte in ihren Jahresabschlüssen 2005 und 2006 nur mit einen
Bruchteil des Nennbetrags bewertet und teilweise ab 2007 auch bereits zurückgezahlt
hat, beanspruchen die Klägerinnen eine Bewertung in Höhe des vollen Nennbetrags
und differenzieren dabei zwischen zurückgezahlten und noch nicht fälligen Anteilen im
Einzelnen zuletzt wie folgt:
2
Rückzahlungsanspruch wegen ausgelaufener I-Genussrechte:
3
Klägerin
zu
Emittent ISIN
Nennbetrag
in EUR
Fälligkeit zur
Rückzahlung
Zurückge-
zahlter
Betrag in
Verbleiben-der
Rück-zahlungs-
4
zu
in EUR
Rückzahlung Betrag in
EUR
anspruch in EUR
1)
I
73.881,68
01.07.2008
12.574,66
61.307,02
2)
I
159.062,90 01.07.2008
27.072,50
131.990,40
3)
I
84.107,51
01.07.2008
14.315,10
69.792,41
4)
I
30.882,03
01.07.2008
5.256,12
25.625,91
6)
I
8.487,45
01.07.2008
1.444,56
7.042,89
7)
I
154.768,05 01.07.2008
26.341,52
128.426,53
8)
I
930.500,09 01.07.2008
158.371,11
772.128,98
Aktueller Rückzahlungsanspruch bei noch laufenden I-Genussrechten:
5
Klägerin zu Emittent ISIN Laufzeitende Nennbetrag = Rückzahlungsbetrag in EUR
8)
I
31.12.2011
148.500,00
I
31.12.2010
114.887,29
I
31.12.2010
473.000,00
9)
I
31.12.2010
48.000,00
I
31.12.2010
374.776,95
I
31.12.2011
58.300,00
I
31.12.2010
45.000,00
10)
I
31.12.2010
15.000,00
I
31.12.2010
107.269,04
I
31.12.2011
17.700,00
I
31.12.2010
17.000,00
11)
I
31.12.2010
5.000,00
I
31.12.2010
37.835,60
I
31.12.2011
6.300,00
I
31.12.2010
6.000,00
12)
I
31.12.2010
12.000,00
I
31.12.2010
93.719,80
I
31.12.2011
15.200,00
I
31.12.2010
16.100,00
13)
I
31.12.2010
7.000,00
I
31.12.2010
55.424,04
I
31.12.2011
9.200,00
I
31.12.2010
8.800,00
6
14)
I
31.12.2010
4.000,00
I
31.12.2010
28.990,25
I
31.12.2011
4.800,00
I
31.12.2010
4.600,00
15)
I
31.12.2010
15.543,27
I
31.12.2010
12.500,00
16)
I
31.12.2010
167.959,38
I
31.12.2010
135.000,00
18)
I
31.12.2010
5.000,00
I
31.12.2010
44.789,17
I
31.12.2011
6.900,00
I
31.12.2010
5.000,00
19)
I
31.12.2011
41.250,00
20)
I
31.12.2011
8.750,00
Die Genussscheinbedingungen der von der I ausgegebenen Genussrechte (I-GB)
weisen diesbezüglich jeweils folgende inhaltlich ähnliche Regelungen auf:
7
"§ 2 Ausschüttung auf die Genussscheine
8
(1) Die Genussscheininhaber erhalten eine dem Gewinnanteil der Aktionäre der
Gesellschaft vorgehende jährliche Ausschüttung...
9
(2) Die Ausschüttungen auf die Genussscheine sind dadurch begrenzt, dass durch sie
kein Bilanzverlust entstehen darf...
10
Im Falle einer Verminderung der Ausschüttung ist - vorbehaltlich des vorstehenden
Absatzes - der fehlende Betrag in den folgenden Geschäftsjahren nachzuzahlen. ...
11
Im Falle einer Verminderung der Rückzahlungsansprüche gemäß § 6 Abs. (1) darf eine
Nachzahlung erst dann vorgenommen werden, wenn die Wiederauffüllung der
Rückzahlungsansprüche gemäß § 6 Abs. (2) bis zum Nennbetrag der Genussscheine
erfolgt ist. Eine Nachzahlungspflicht besteht nur während der Laufzeit der
Genussscheine.
12
§ 5 Laufzeit der Genussscheine/Kündigung der Genussscheine
13
(1) Die Laufzeit der Genussscheine ist mit Ende des Geschäftsjahres [Jahr] befristet.
14
(2) Vorbehaltlich der Bestimmungen gemäß § 6 werden die Genussscheine zum
Nennbetrag zurückgezahlt...
15
§ 6 Verlustteilnahme
16
(1) Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen oder das Grundkapital der Gesellschaft zur
Deckung von Verlusten herabgesetzt, mindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes
Genussschein-Inhabers. Bei einem Bilanzverlust vermindert sich der
Rückzahlungsanspruch jedes Genussschein-Inhabers um den Anteil am Bilanzverlust,
der sich aus dem Verhältnis seines Rückzahlungsanspruchs zum Eigenkapital
(einschließlich Genussscheinkapital jedoch ohne andere nachrangige
Verbindlichkeiten) errechnet. Bei einer Kapitalherabsetzung vermindert sich der
Rückzahlungsanspruch jedes Genussschein-Inhabers in demselben Verhältnis, wie das
Grundkapital herabgesetzt wird. Verlustvorträge aus den Vorjahren bleiben hierbei
außer Betracht.
17
(2) Werden nach einer Teilnahme der Genussschein-Inhaber am Verlust in den
folgenden Geschäftsjahren Gewinne erzielt, so sind aus diesen - nach der gesetzlich
vorgeschriebenen Wiederauffüllung der gesetzlichen Rücklage - die
Rückzahlungsansprüche bis zum Nennbetrag der Genussscheine zu erhöhen, bevor
eine Ausschüttung auf Genussscheine oder eine Gewinnverwendung vorgenommen
wird. Diese Verpflichtung besteht nur während der Laufzeit der Genussscheine.
18
(3) Reicht ein Gewinn zur Wiederauffüllung dieser und bereits begebener
Genussscheine nicht aus, so wird die Wiederauffüllung des Kapitals anteilig im
Verhältnis des gesamten Nennbetrages dieser Genussscheine zum Gesamtnennbetrag
früher begebener Genussscheine vorgenommen. ...
19
§ 7 Nachrangigkeit
20
Im Fall des Insolvenzverfahrens über das Vermögen oder der Liquidation der
Gesellschaft werden die Genussschein-Inhaber nach allen anderen, nicht nachrangigen
Gläubigern und vorrangig vor den Aktionären bedient ..."
21
Dementsprechend bedeuten Verluste der Beklagten im jeweiligen Geschäftsjahr für das
I-Genussscheinkapital eine Verringerung dessen Nennbetrags, wobei Gewinne in den
Folgejahren - anders als beim Aktienkapital - nur bis zum Laufzeitende zu einer
Wiederauffüllung führen.
22
Daran anknüpfend beanstanden die Klägerinnen, dass G L.P. bzw. die Z-Gruppe (im
folgenden nur: Z) als neue Aktionärin der Beklagten ihnen gegenüber durch falsche
bilanzielle Behandlung der Verluste der S aus dem Handel mit Zinsderivaten in den
Jahren 2001 und 2002 sowie der Erhöhung des Eigenkapitals der S durch Z seitens der
Beklagten zu Unrecht bevorzugt worden seien; folglich sei Beklagte im Rahmen der von
ihr geschuldeten Erfüllung der Genussrechtsverträge, hilfsweise gemäß § 280 Abs. 1
BGB ihnen gegenüber verpflichtet, bei der Bewertung der Genussrechte die Verluste
aus dem Handel mit Zinsderivaten in den Jahren 2001 und 2002 außer Acht zu lassen
und die Erhöhung des Eigenkapitals der S durch Z bereits bei der Bilanzierung für das
Geschäftsjahr 2005 zu aktivieren.
23
Im Einzelnen führen die Klägerinnen dazu - unter Hinweis auf eine seit Oktober 2004
beim Landgericht Frankfurt am Main - 3/9 O 143/04 - bzw. dem OLG Frankfurt am Main -
5 U 29/06 - anhängige Klage der Beklagten gegen fünf ihrer ehemaligen
Vorstandmitglieder - aus, dass die Beklagte zwischen dem 01.10.2001 und dem
30.06.2002 215 gesetz- und satzungswidrige Zinsderivatgeschäfte in der Form von
Forward Rate Agreements (Zinstermingeschäften) und Zinsswaps über einen
24
Bezugsbetrag von 13.971.000.000,00 € durchgeführt habe, die zu einem Schaden von
insgesamt 1.914.993.445,69 € geführt hätten. Geschäftsgegenstand der Beklagten sei
seinerzeit der Betrieb einer Hypothekenbank im Sinne des HypBkG gewesen. Bei den
Derivatgeschäften habe es sich sämtlich auch nicht um Hilfsgeschäfte gehandelt; keines
der Derivatgeschäfte sei einem konkreten Haupt- oder Nebengeschäft der Beklagten
zuzuordnen gewesen (sogenanntes Microhedging) oder habe dem Spitzenausgleich im
Hinblick auf mehrere solcher Haupt- oder Nebengeschäfte der Beklagten gedient
(sogenanntes Macrohedging). In den Bilanzen der Beklagten seien indes für die
Geschäftsjahre 2001, 2002, 2003 und 2004 unter Berücksichtigung von Gewinnen durch
vorzeitige Auflösung von Derivatpositionen mit positivem Barwert sowie die Bildung von
Vorsorgereserven und anderweitiger Kapitalzuführung der Altaktionäre über einen vom
früheren Bundesbankpräsidenten Y verwalteten Treuhandfonds (Y-Fonds) zunächst
noch Gewinne ausgewiesen worden. Ende 2005 habe der insbesondere in den Jahren
2001 und 2002 unzulässig aufgebaute, nach dem Aufbrauch der Vorsorgereserven
ungedeckte Derivate-Altbestand allerdings noch bei mindestens 1.000.000.000,00 €
gelegen und sei schließlich erst durch die Veräußerung von zwei Derivate-Portfolios
gegen Zahlung negativer Kaufpreise von 915.400.000,00 €, vereinbart mit der M-
GROUP im Dezember 2005 und gezahlt im Januar 2006, sowie von 101.400.000,00 €,
gezahlt im Januar 2007, abgebaut worden.
Weiterhin führen die Klägerinnen aus, dass Z die Beklagte nach mehrmonatigen
Gesprächen bereits im Dezember 2005 übernommen habe. Sie nehmen Bezug auf
unwidersprochen gebliebene Presseberichte, nach denen die Altaktionäre - unter
Verwendung von Mitteln des Y-Fonds - als Gegenleistung einen negativen Kaufpreis in
der Größenordnung von 870.000.000,00 € gezahlt hätten. Dabei sei davon auszugehen,
dass sowohl die Altaktionäre als auch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Bedingung gemacht hätten, dass diese
Zahlung der Beklagten als Eigenkapital zuzuführen sei. Aufgrund dessen gehen die
Klägerinnen unter Bezugnahme auf weitere Verlautbarungen der Beklagten und
Pressemitteilungen davon aus, dass die Veräußerung der ganz überwiegenden
Aktienmehrheit an der Beklagten abschließend bereits im Dezember schuldrechtlich
vereinbart war, wenn dies auch in der Jahreshauptversammlung 2007 seitens des
Vorstandsvorsitzenden X verneint worden sei. Dafür spreche schließlich auch, dass Z
den vereinnahmten negativen Kaufpreis (schon) am 02.10.2006 vollständig der
Kapitalrücklage der Beklagten zugeführt habe.
25
Die Klägerinnen meinen daher, dass das Geschäftsergebnis der Beklagten im
Geschäftsjahr 2005 zu ihren - der Klägerinnen - Ungunsten zu Unrecht um die mit der
Veräußerung des Derivate-Portfolios an die M-GROUP verbundene
Drohverlustrückstellung in Höhe des negativen Kaufpreises von 915.400.000,00 €
verschlechtert worden sei; denn die Verluste aus den in den Jahren 2001 und 2002
gesetz- und satzungswidrig abgeschlossenen Derivatgeschäften hätten, bei der
Berechnung des für die Verlustzuweisungen an die Genussrechtsgläubiger
maßgeblichen Jahresfehlbetrages bzw. Bilanzverlustes nicht berücksichtigt werden
dürfen. Darüber hinaus sei der Verteilungsschlüssel in Höhe von 871.000.000,00 € zu
ihren Ungunsten verändert worden, weil aufgrund des bereits am 08.12.2005 erfolgten
Kaufvertragsschlusses zwischen Z und den Altaktionären der von Letzteren gezahlte
negative Kaufpreis für die Aktien der Beklagten bereits im Geschäftsjahr 2005 als
Erhöhung der Kapitalrücklage habe verbucht werden müssen.
26
Auch im Geschäftsjahr 2006 habe die Beklagte zu ihren Ungunsten zu Unrecht Verlust
27
ausgewiesen. Der im Januar 2007 bezahlte negative Verkaufspreis von 101.400.000,00
€ für das zweite Derivate-Portfolio habe ungeachtet des noch Ende Dezember 2006
erfolgten Kaufvertragsschlusses nicht zur Verbuchung einer Drohverlustrückstellung
berechtigt; ebenso wie im Geschäftsjahr 2005 hätten nämlich die Verluste aus den in
den Jahren 2001 und 2002 gesetz- und satzungswidrig abgeschlossenen
Derivatgeschäften nicht berücksichtigt werden dürfen. Weitere ungerechtfertigte
Belastungen sehen die Klägerinnen im Übrigen in der Gewährung eines nachrangigen
Darlehns in Höhe von 211.000.000,00 € zu 9 % Zinsen durch eine Z-Gesellschaft,
aufgrund dessen von der Beklagten für das Jahr 2006 Zinsen in Höhe von
17.800.000,00 € an Z gezahlt wurden. Auch rügen sie die Übertragung der Verwaltung
großvolumiger NPL-Geschäfte (bezüglich notleidender Kredite) auf die H GmbH, die im
Geschäftsjahr 2006 von der Beklagten mit 8.030.000,00 € vergütet worden seien,
während man das kleinvolumige NPL-Geschäft veräußert habe. Zudem habe die
Beklagte durch die Abschreibung von 750.000.000,00 € auf NPL-Geschäfte im
Geschäftsjahr 2006 stille Reserven geschaffen.
Die Klägerinnen beziffern die Erhöhung des Bilanzverlustes infolge der Auswirkungen
der unzulässigen Derivatgeschäfte in den Jahren 2001 und 2002 für das Geschäftsjahr
2005 auf 1.186.675.216,67 € und für das Geschäftsjahr 2006 auf 578.458.721,34 €.
Nach ihrer Rechnung würde es ohne die unzulässigen Derivatgeschäfte weder im Jahre
2005 noch im Jahre 2006 Verluste gegeben haben, sodass sich ihr
Rückzahlungsanspruch aus den I-Genussrechten in diesen Jahren nicht - wie
vorstehend unter Differenzierung zwischen zurückgezahlten und noch nicht fälligen
Anteilen im Einzelnen dargelegt - vermindert habe, sondern in Höhe des Nennbetrages
fortbestehe.
28
Für den Fall dass die unzulässigen Derivatgeschäfte bei der Bilanzierung zu
berücksichtigen seien, berufen sich die Klägerinnen hilfsweise darauf, dass der von den
Altaktionären an Z gezahlte negative Kaufpreis von 871.000.000,00 € für die Aktien der
Beklagten bereits im Geschäftsjahr 2005 in die Kapitalrücklage habe gebucht werden
müssen.
29
Dadurch würde sich die den - noch nicht zurückgezahlten - I-Genussscheinen
zugewiesene Verlustbeteiligung zum 31.12.2006 um 18.651.181,46 € verringert haben:
statt 23.340.459,06 € hätte das Genussrechtskapital 41.991.640,52 € betragen; dies
entspreche 30,61832400 % des Nennbetrages der I-Genussscheine von insgesamt
137.145.457,43 €, der sich aus dem ursprünglichen Nennbetrag aller I-Genussrechte
von 140.645.457,42 € abzüglich des Nennbetrags von 3.500.000,00 € der bis zum
31.12.2006 laufenden I-Genussrechte ergebe, die bereits am 02.07.2007 zurückgezahlt
wurden.
30
Zum 31.12.2008 hätte sich das Genussrechtskapital um 9.959.499,44 € erhöht. Statt
15.077.024,42 € hätte das auf die I-Genussscheine insgesamt entfallende
Genussrechtskapital 25.036.523,85 betragen müssen; dies entspreche 34,18703515 %
des Nennbetrages der I-Genussscheine von insgesamt 73.233.972,28 €, der sich aus
dem ursprünglichen Nennbetrag aller I-Genussrechte von 140.645.457,42 € abzüglich
des Nennbetrags von 3.500.000,00 € der bis zum 31.12.2006 laufenden I-Genussrechte,
die bereits am 02.07.2007 zurückgezahlt wurden, und abzüglich des Nennbetrags von
63.911.485,15 € der bis zum 31.12.2007 laufenden I-Genussrechte ergebe, die bereits
am 01.07.2008 zurückgezahlt wurden
31
Die Klägerinnen haben zunächst hinsichtlich sämtlicher von ihnen aufgeführter Anteile
angekündigt, die Feststellung beantragen zu wollen, dass die von ihnen im Einzelnen
bezifferten Rückzahlungsansprüche bis zum Ende des Geschäftsjahres 2006 der
Beklagten durch Verluste nicht vermindert worden seien, hilfsweise die Beklagte zu
verurteilen das zum 31.12.2006 bilanzierte und auf sie - die Klägerinnen - entfallende
Genussrechtskapital bis zur angegebenen Höhe wieder aufzufüllen. Unter
Berücksichtigung von der Beklagten zum 01.07.2008 geleisteter Rückzahlungen sowie
Anteilsübertragungen durch die Klägerinnen zu 5) und 17) auf die Klägerinnen zu 7) und
9) und weiterer Berücksichtigung der für die Klägerinnen zu 5) und 17) erklärten
Klagerücknahme stellen die (verbleibenden) Klägerinnen diese Anträge um und
beantragen,
32
1. die Beklagte zu verurteilen,
33
a) an die Klägerin zu 1) EUR 61.307,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
34
b) an die Klägerin zu 2) EUR 131.990,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
35
c) an die Klägerin zu 3) EUR 69.792,41 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
36
d) an die Klägerin zu 4) EUR 25.625,91 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
37
e) an die Klägerin zu 6) EUR 7.042,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
38
f) an die Klägerin zu 7) EUR 128.426,53 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
39
g) an die Klägerin zu 8) EUR 772.128,98 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen,
40
2. festzustellen, dass die Rückzahlungsansprüche in Höhe der aus der nachfolgenden
Tabelle ersichtlichen Nennbeträge der von der Beklagten bzw. deren
Rechtsvorgängerinnen ausgegebenen Inhabergenussrechte bis einschließlich dem
Geschäftsjahr 2008 der Beklagten durch Verluste nicht vermindert wurden:
41
Klägerin zu
Emittent Art
ISIN Nennbetrag in EUR
Laufzeitenende
8)
I
Inhaber
148.500,00
31.12.2011
I
Inhaber
114.887,29
31.12.2010
I
Inhaber
473.000,00
31.12.2010
9)
I
Inhaber
48.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
374.776,95
31.12.2010
I
Inhaber
58.300,00
31.12.2011
42
I
Inhaber
45.000,00
31.12.2010
10)
I
Inhaber
15.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
107.269,04
31.12.2010
I
Inhaber
17.700,00
31.12.2011
I
Inhaber
17.000,00
31.12.2010
11)
I
Inhaber
5.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
37.835,60
31.12.2010
I
Inhaber
6.300,00
31.12.2011
I
Inhaber
6.000,00
31.12.2010
12)
I
Inhaber
12.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
93.719,80
31.12.2010
I
Inhaber
15.200,00
31.12.2011
I
Inhaber
16.100,00
31.12.2010
13)
I
Inhaber
7.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
55.424,04
31.12.2010
I
Inhaber
9.200,00
31.12.2011
I
Inhaber
8.800,00
31.12.2010
14)
I
Inhaber
4.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
28.990,25
31.12.2010
I
Inhaber
4.800,00
31.12.2011
I
Inhaber
4.600,00
31.12.2010
15)
I
Inhaber
15.543,27
31.12.2010
I
Inhaber
12.500,00
31.12.2010
16)
I
Inhaber
167.959,38
31.12.2010
I
Inhaber
135.000,00
31.12.2010
18)
I
Inhaber
5.000,00
31.12.2010
I
Inhaber
44.789,17
31.12.2010
I
Inhaber
6.900,00
31.12.2011
I
Inhaber
5.000,00
31.12.2010
19)
I
Inhaber
41.250,00
31.12.2011
20)
I
Inhaber
8.750,00
31.12.2011
3. hilfsweise zu 2. die Beklagte zu verurteilen, das in ihrer Bilanz zum 31. Dezember
2008 ausgewiesene und auf die Klägerinnen entfallende Genussrechtskapital bis zur
Höhe der in der vorangegangenen Tabelle aufgeführten Nennbeträge wieder
aufzufüllen.
43
Die Beklagte beantragt,
44
die Klage abzuweisen.
45
Die Beklagte macht geltend, die Klageanträge zu 2. und 3. seien auf einen nicht
hinreichend bestimmten Teil aller von den Klägerinnen angeblich gehaltener I-
Genussrechte bezogen und daher unzulässig. Zudem fehle es dem Klageantrag zu 2.
am erforderlichen Feststellungsinteresse, da die Klägerinnen bezüglich ausgebliebener
Ausschüttungen Leistungsklage erheben könnten. Außerdem bezweifelt die Beklagte -
mit Blick auch auf die Klageanträge zu 1. und 3. - die Rechts- und Parteifähigkeit der
Klägerinnen und bestreitet - wie bereits ausgeführt - deren Aktivlegitimation in Bezug auf
die von ihnen geltend gemachten I-Genussrechte.
46
Darüber hinaus tritt die Beklagte der Argumentation der Klägerinnen in Bezug auf die
2001 und 2002 durchgeführten Derivatgeschäfte entgegen.
47
Sie meint, die Genussrechtsinhaber seien 2005 und 2006 ordnungsgemäß am jeweils
für diese Jahre bilanzierten Verlust beteiligt worden; die I-Genussrechte seien
entsprechend herabgesetzt und zu einem Teil auch bereits ausgezahlt worden.
Unzulässige Derivatgeschäfte hätten die Klägerinnen nicht belegt. Die
Verlustbeteiligung entspreche zudem den an § 10 Abs. 5 KWG orientierten I-GB. Der
Rückzahlungsanspruch der Genussrechtsinhaber sei danach herabzusetzen gewesen.
Nach erfolgter Information der Genussrechtsinhaber über ihre Verlustbeteiligungen sei
der Marktwert der I-Genussrechte erheblich gesunken. Davon hätten die Klägerinnen,
falls sie I-Genussrechte 2007 erworben hätten - was ihrerseits bestritten werde - ,
Kenntnis gehabt; auch sei davon auszugehen, dass sie durchschnittlich lediglich 21,92
% des Nennbetrags für den Erwerb der I-Genussrechte aufgewendet hätten.
48
Abgesehen davon, dass bankenaufsichtsrechtlich die Anerkennung der Genussrechte
als Eigenkapital gewährleistet sein müsse, habe der mit der Klage konstruierte
Erfüllungsanspruch keine rechtliche Grundlage. Für Schadensersatzansprüche fehle es
angesichts des erst 2007 erfolgten Erwerbs der I-Genussrechte durch die Klägerinnen
an einer Verletzung deren Rechte und jedenfalls am Schaden, da die Klägerinnen nicht
berechtigt seien, Vermögenseinbußen früherer Genussrechtsinhaber geltend zu
machen.
49
Im Einzelnen führt die Beklagte dazu aus, dass seit dem 01.07.2002 Derivatgeschäfte
aufgrund der Neufassung des HypBkG zulässig seien. Für die Zeit vor dem 01.07.2002
bedürfe die Beurteilung von Derivatgeschäften konkreten, auf das jeweilige Geschäft
bezogenen Vortrags, den die Ausführungen der Klägerinnen vermissen ließen; die
Bezugnahme der Klägerin auf den von ihr - der Beklagten - gegen fünf ihrer ehemaligen
Vorstandmitglieder geführten Schadensersatzprozess genüge nicht. Die vor dem
01.07.2002 geltende Fassung des HypBkG habe Derivatgeschäfte nicht verboten;
gemessen an den Leitlinien der BaFin und des Bundesamtes für das Kreditwesen
(BAKred) habe die Vornahme von Derivatgeschäften bereits vor dem 01.07.2002 aber in
Deutschland allseits akzeptierter Praxis entsprochen. Die Neufassung des HypBkG
habe dies lediglich klargestellt. Im Übrigen seien die in den jeweiligen
Jahresabschlüssen ausgewiesenen Derivatgeschäfte von den seinerzeitigen
Genussrechtsinhabern auch nicht beanstandet worden.
50
Weiterhin sei ein etwaiger Schaden der Genussrechtsinhaber nicht hinreichend
51
dargelegt. Ihre - der Beklagten - durch die umstrittenen Derivatgeschäfte entstandenen
Verluste seien von den früheren Aktionären zugunsten aller Genussrechtsinhaber
namentlich durch Zuführung von Eigenkapital ausgeglichen worden; der aus den
Derivatgeschäften bis zum 30.06.2002 entstandene Aufwand habe in jedem Fall
deutlich unter den ertragswirksamen Zuzahlungen von 631.600.000,00 € gelegten. Es
sei auch unklar, wie sich ihr Gesamtergebnis und die Zahlungen an die
Genussrechtinhaber ohne das Derivatgeschäft entwickelt hätten. Angesichts der
schlechten Margen insbesondere im Staatskreditgeschäft sei davon auszugehen, dass
die Genussrechtinhaber für die Geschäftsjahre 2001 bis 2004 jedenfalls keine
Ausschüttungen erhalten hätten.
Die Ausführungen der Klägerinnen zu einer vor dem 31.12.2005 zu ihren - der
Beklagten - Gunsten bestehenden Forderung auf Einzahlung eines zwischen Z und
ihren Altaktionären vereinbarten negativen Kaufpreises bestreitet die Beklagte unter
Hinweis darauf, dass sie an den Vereinbarungen nicht beteiligt gewesen und ihr ein
solches Forderungsrecht auch nicht mitgeteilt oder anderweitig bekannt geworden sei,
im Wesentlichen mit Nichtwissen.
52
Die mit Rücksicht auf die Veräußerung von zwei Derivate-Portfolios gegen Zahlung
negativer Kaufpreise von 915.400.000,00 € sowie von 101.400.000,00 € an die M-
GROUP zu Recht gebildeten Drohverlustrückstellungen seien verbraucht worden und
nicht etwa später den Aktionären zu Gute gekommen.
53
Im Übrigen sei das Darlehn in Höhe von 211.000.000,00 € nicht durch durch eine Z-
Gesellschaft, sondern eine ihrer - der Beklagten - Tochtergesellschaften gewährt
worden, die im streitgegenständlichen Zeitraum Ausschüttungen nur an sie - die
Beklagte - geleistet habe.
54
Die Übertragung der Verwaltung großvolumiger NPL-Geschäfte (bezüglich notleidender
Kredite) auf die H GmbH als spezialisiertem Dienstleister sei für die geltend gemachten
Ansprüche irrelevant.
55
Die außerplanmäßige Abschreibung von 750.000.000,00 € auf NPL-Geschäfte sei zu
Recht vorgenommen worden.
56
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen
vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
57
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
58
Die zulässige Klage hat in der Sache selbst keinen Erfolg und ist daher als unbegründet
abzuweisen.
59
Die Kammer erachtet die Klage hinsichtlich aller Anträge als zulässig, in der Sache
selbst aber als nicht begründet.
60
Die Klageanträge zu 2. und 3. betreffen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht
einen unbestimmten Teil der jeweiligen, nur in Globalurkunden verbrieften Emissionen
von Genussscheintranchen, sondern die durch Bezugnahme auf Nennbeträge und ISIN-
Nummer auch der Stückzahl nach individualisierten Genussscheine, mögen diese auch
61
nicht in Einzelurkunden verbrieft sein; denn dieser Umstand nimmt dem jeweiligen
Genussschein - wegen der fehlenden Verbriefung eigentlich besser: Genussrecht - nicht
seine Konkretisierung als bestimmtes, einem einzelnen Inhaber für eine bestimmte Zeit
zuzuordnendes Recht, da der jeweilige Genussschein anhand der Erwerbsurkunde von
anderen emittierten Genussscheinen nach Stückzahl, Nennbetrag und ISIN-Nummer zu
unterscheiden und dem Erwerber bis zur Weiterveräußerung oder Rückgabe
zuzuordnen ist, wobei der Erwerber mangels Verbriefung darauf angewiesen ist, ein
Depotkonto zu führen, dessen - erforderlichenfalls durch Zeugen oder andere
Beweismittel zu verifizierende - Auszüge hinreichende Grundlage für die Feststellung
seiner andauernden Rechtsinhaberschaft bis zu den für die Feststellung von
Ausschüttungen, Rückzahlungen und Verlustteilnahmen maßgeblichen Zeitpunkten
sind. Die von der Beklagten demgegenüber unter anderem hervorgehobene
Gleichartigkeit von Genussscheinen einer Tranche steht dem nicht entgegen, zumal die
einzelnen Genussscheine eben nicht verbrieft sind und damit körperlich als solche gar
nicht separiert werden können. Maßgeblich für die Individualisierung sind vielmehr
alleine Erwerbsurkunden und Depotkontoauszüge. Die mit diesen - auch in zeitlicher
Hinsicht - nachzuweisende Rechtsinhaberschaft ist Grundlage der materiellen
Rechtsposition des Erwerbers, auf die sich der mit den Klageanträgen zu 2. und 3.
begehrte Feststellungs-, hilfsweise Leistungsausspruch bezieht und damit zugleich in
seiner Reichweite konkretisiert wird; soweit sich nämlich das Klagebegehren nur auf
einen Bruchteil der von den Klägerinnen zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einer
Tranche erworbenen Genussscheine bezieht, beschränkt sich auch ein dem folgender
Urteilsausspruch nur darauf.
Der Klageantrag zu 2. ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerinnen bezüglich
ausgebliebener Ausschüttungen auf Leistung klagen könnten. Ihr
Feststellungsbegehren erfasst die Verpflichtung der Beklagten in der gesamten Zeit bis
hin zum Laufzeitende aller aufgeführter Genussrechte. Daher erscheint aus Gründen der
Prozessökonomie geboten, es ungeachtet der Möglichkeit einer Leistungsklage
zuzulassen; denn diese ist - wie die Klageanträge zu 1. und 3. - nur für bereits
vergangene Geschäftsjahre betreffende Nachforderungen auf Rückzahlungen bzw.
Auffüllungen möglich.
62
Schließlich erscheinen die von der Beklagen geäußerten Bedenken gegen die
Parteifähigkeit der Klägerinnen "aus dem Blauen heraus gegriffen" und bieten damit
keinen Anlass, seitens des Gerichts der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die
Klägerinnen als juristische Personen oder Personengesellschaften (noch) rechtsfähig
sind oder möglicherweise auch aufgehört haben, zu existieren (vgl. zur Kostenerstattung
im letzteren Fall Thomas-Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 50 ZPO, Rdn. 13 m.w.N.). Die
Firmenbezeichnungen weisen darauf hin, dass die Klägerinnen nach anglo-
amerikanischen Recht organisierte Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit
sind. Auch finden sich im Internet Hinweise auf eine werbende Tätigkeit der
Klägerinnen; ganz überwiegende ist auch eine Registrierung bei der U.S. Securities and
Exchange Commission nachweisbar. Ohne weitere Darlegungen seitens der Beklagten
sieht die Kammer daher keinen Grund, den Sachverhalt zur Frage der Parteifähigkeit
der Klägerinnen aufzuklären; das gilt umso mehr, als juristische Personen auch nach
ihrer Auflösung so lange als parteifähig anzusehen sind, als ihre Vermögenslosigkeit
nicht feststeht (BGH NJW-RR 86, 394).
63
Eine andere Frage ist indes, ob die Klägerinnen ihr materielles Forderungsrecht nach
Maßgabe der vorstehenden Überlegungen hinreichend dargelegt und unter Beweis
64
gestellt haben. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerinnen, indem sie
die von ihnen vorgelegen Bankbestätigungen als nicht hinreichend verbindlich bzw.
aussagekräftig namentlich in Bezug auf die für die Inhaberschaft der Genussrechte und
der damit verbundenen Stellung der Klägerinnen als mittelbare (Mit-) Besitzerin der
darüber ausgestellten Globalurkunden zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung in Zweifel zieht. Im Verfahren um Ansprüche der Klägerinnen aus T-
Genussrechten vor dem Landgericht Frankfurt am Main - 3-13 O 73/08 - ist
diesbezüglich mit Beweisbeschluss vom 20.01.2010 vorbehaltlich der Vorlage von
Originalunterlagen die Vernehmung von Zeugen angeordnet worden. Die Kammer sieht
von einer entsprechenden Beweiserhebung hingegen ab; denn der vorliegende,
ausschließlich I-Genussrechte betreffende, vom Landgericht Frankfurt am Main
abgetrennte Teil der Klage ist ungeachtet einer Entscheidung über die umstrittene
Aktivlegitimation der Klägerinnen unter Zugrundelegung deren eigenen Sachvortrages
in der Sache nicht begründet:
Die Klägerinnen können unter dem Aspekt der Teilnahme von ihnen gehaltener I-
Genussscheine an dem ihrerseits auf insgesamt 1.914.993.445,69 € bezifferten Verlust
der Beklagten aus Derivatgeschäften in der Zeit vom 01.10.2001 bis zum 30.06.2002
keinerlei Ansprüche herleiten.
65
Die von der I als Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgegebenen Genussscheine
nahmen bzw. nehmen nach insoweit im wesentlichen gleichlautenden
Genussscheinbedingungen (I-GB) in der Form am Verlust der Beklagten teil, dass
sowohl der Ausweis von Bilanzverlusten als auch eine Herabsetzung des Grundkapitals
zur Deckung von Verlusten eine Verminderung des Rückzahlungsanspruchs zur Folge
hatten bzw. haben und dass eine spätere Wiederauffüllung auf die Laufzeit der
Genussrechte beschränkt war bzw. ist. Wegen der Einzelheiten wird auf §§ 2, 5, 6 und 7
I-GB verwiesen.
66
Eine derart ausgestaltete Eigenkapitalaufbringung mittels Emission von Genussrechten
durch eine Aktiengesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BGH aktienrechtlich
unbedenklich und auch nicht wegen Verstoßes gegen §§ 305ff., 307 BGB unwirksam
(BGH, Urteil vom 05.10.1992 - II ZR 172/91 - "Klöckner"-Entscheidung, zitiert nach Juris,
Rn 8ff.). Die Voraussetzungen der Verlustteilnahme und die Bedingungen für eine
Wiederauffüllung während der Laufzeit wurden dem durchschnittlichen Erwerber der I-
Genussrechte mit den I-GB unzweideutig klar gemacht. Soweit es dort heißt, der
Rückzahlungsanspruch jedes Genussschein-Inhabers vermindere sich verhältnismäßig
um den Anteil am Bilanzverlust bzw. der Kapitalherabsetzung, konnte insbesondere
kein Zweifel daran bestehen, dass nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen
Buchführung bilanzierte Verluste bis zum völligen Verlust des Genussschein-Kapitals
führen können und dass eine Wiederauffüllung in späteren Jahren nur bis zum Ende der
Laufzeit der Genussscheine zu erwarten ist. Als Leistungsbeschreibung sind diese
Bedingungen dabei einer richterlichen Inhaltskontrolle entzogen. Nur die Art und Weise
der Herabsetzung des Genussschein-Kapitals gehört nicht zu dem einer Inhaltskontrolle
entzogenen Hauptleistungsinhalt und bietet Raum für eine an aktienrechtlichen Normen
und Grundsätzen ausgerichtete Inhaltskontrolle ("Klöckner"-Entscheidung, Juris, Rn.
17ff.).
67
Davon ausgehend können die Klägerinnen mit Blick auf den Verlust der Beklagten aus
Derivatgeschäften in der Zeit vom 01.10.2001 bis zum 30.06.2002 keinesfalls
Erfüllungsansprüche geltend machen.
68
Die nach dem Genussrechts-Vertrag bedingungsgemäß zu erbringenden
wiederkehrenden Hauptleistungen sind abschließend in den I-GB geregelt. Ansprüche
auf Widerauffüllung von Genussrechtskapital nach vollendeter Laufzeit sind dort ebenso
wenig vorgesehen, wie Ansprüche auf Wiederauffüllung im Falle nachträglich
festzustellender Unregelmäßigkeiten bei der Ermittlung des einer Verlustteilnahme
zugrunde gelegten Bilanzverlustes. Insoweit erstreckt sich die Bilanzfeststellung auch
auf die Genussrechte. Dass es dabei um den der Bilanz zu entnehmenden Verlust vor
der Verlustzuweisung an Genussrechtsinhaber und stille Gesellschafter geht, liegt im
Übrigen auf der Hand.
69
In Betracht zu ziehen sind im Falle nachträglich festzustellender Unregelmäßigkeiten
bei der Ermittlung des einer Verlustteilnahme zugrunde gelegten Bilanzverlustes
allerdings die von den Klägerinnen hilfsweise gegen die Beklagte als emittierende
Gesellschaft geltend gemachten Schadensersatzsprüche.
70
Allenfalls solche Ansprüche könnten den Klägerinnen zustehen, soweit sie in der Zeit
nach dem Erwerb etwaiger Genussrechte durch sie entstanden oder - mit Rücksicht
darauf, dass entstandene Schadensersatzansprüche keine Nebenrechte im Sine des §
407 BGB sind, die im Falle einer Abtretung mit dem Hauptrecht übergehen (Palandt-
Grüneberg, 69. Aufl. 2010, § 401 BGB, Rdn 6) - an sie von den Veräußerern der
Genussrechte abgetreten worden sind.
71
Denn dass sich die schuldhafte Verletzung eines Genussrechtsvertrages mit der Folge
einer Schadensersatzverpflichtung der gemäß § 31 BGB für ihre Organe bzw. gemäß §
278 BGB für ihre Erfüllungsgehilfen haftenden Gesellschaft gemäß § 280 Abs. 1 BGB
unter dem Aspekt der Pflicht der Emittentin ergeben kann, vertragswidrige
Beeinträchtigungen des Genusskapitals zu unterlassen bzw. zu unterbinden, ist in der
Rechtsprechung und im Schrifttum seit jeher grundsätzlich anerkannt ("Klöckner"-
Entscheidung m.w.N., Juris, Rn. 41ff.).
72
Der Bundesgerichtshof bejaht eine solche Haftung dabei entgegen früherer
Rechtsprechung nicht nur bei absichtlicher Schädigung. Abzuwägen sein soll vielmehr
zwischen bloßen versehentlichen Pflichtverletzungen und Fehlentscheidungen sowie
schlechthin nicht zu rechtfertigenden Handlungen, zu denen ein verantwortungsbewusst
denkender und handelnder Kaufmann zu keiner Zeit bereit wäre. Unternehmerische
Entschlussfreudigkeit und Handlungsfreiheit sollen nicht beeinträchtigt werden.
Andererseits soll der Genussrechtsinhaber einen Ausgleich dafür erhalten, dass er sein
Kapital haftungsrechtlich teilweise wie Eigenkapital zur Verfügung stellt, ohne
Mitsprache- und Mitverwaltungsrechte zu erhalten, die es ihm ermöglichen würden,
einem verantwortungslosen Verhalten der Gesellschaftsorgane entgegen zu treten
("Klöckner"-Entscheidung, Juris, Rn. 47ff.).
73
Gleichwohl hält die Kammer auch die von den Klägerinnen hilfsweise geltend
gemachten Schadensersatzansprüche wegen unzulässiger Derivatgeschäfte in den
Jahren 2001 und 2002 und falscher bilanzieller Behandlung der daraus der S
erwachsenen Verluste schon dem Grunde nach nicht für gerechtfertigt.
74
Die Beklagte verweist diesbezüglich zu Recht zum einen auf die Besonderheiten des
Kreditwesens, welche bereits nach § 10 Abs. 5 KWG in der Fassung vom 19.12.1998
eine Zurechnung von Genussrechtskapital zum haftenden Eigenkapital unter anderem
75
von dessen Verlustteilnahme bis zur vollen Höhe abhängig machte. Damit wird
Genussrechtskapital im Bereich des Kreditwesens besonderen Anforderungen
unterworfen. Die mit der Ausgabe von Genussrechten einhergehende Stärkung der
Außenhaftung einer im Kreditgeschäft tätigen Gesellschaft würde indes durch
Zulassung von Schadensersatzansprüchen der Genussrechtsinhaber im
Innenverhältnis gerade bei krisenhafter Geschäftsentwicklung infolge qualifizierten
Verschuldens von Gesellschaftsorganen einseitig zugunsten der Genussrechtinhaber
relativiert, obwohl diese das gesetzlich vorgegebene besondere Risiko ihrer Anlage
kennen und durch die mit der staatlichen Bankenaufsicht verbundene Kontrolle im
Bereich des Kreditwesens besonders geschützt sind. Daher folgt die Kammer der - auch
im Schrifttum (Busch, AG 1993, 163, 167; Kokemoor, WM 2009, 1637, 1642) sowie in
den von der Beklagten vorgelegten Rechtsgutachten von Mülbert und Kokemoor
vertretenen - Argumentation der Beklagten, dass der Haftungsmaßstab der "Klöckner"-
Entscheidung auf das Kreditwesen nicht anzuwenden ist, weshalb
Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte selbst ausscheiden, ohne dass damit im
Ergebnis aber eine persönliche Inanspruchnahme ihrer Organe und Erfüllungsgehilfen
ausgeschlossen wäre.
Selbst wenn indessen die Grundsätze der "Klöckner"-Entscheidung" zur
Schadensersatzpflicht der emittierenden Gesellschaft auch auf Genussrechtskapital
anzuwenden sein sollten, welches den Anforderungen des § 10 Abs. 5 KWG unterliegt,
wäre eine Haftung der Beklagten deshalb zu verneinen, weil es an dem dafür
vorausgesetzten, der Beklagten zuzurechnenden qualifizierten Verschulden fehlt.
76
Die Beklagte macht zutreffend geltend, dass Derivatgeschäfte bereits vor der Änderung
des HypBkG weithin verbreitet waren und von der staatlichen Bankaufsicht toleriert
wurden. Daher stellen sich die streitgegenständlichen Derivatgeschäfte nach der
Beurteilung der Kammer (in Übereinstimmung mit den Urteilen des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 25.01.2006 - 3/9 O 143/04 - betreffend das Verfahren gegen die
ehemaligen Vorstandmitglieder der Beklagten und vom 28.04.2009 - 2-19 O 95/08 -
betreffend das Verfahren eines anderen T- Genussscheinhabers) nicht als nicht zu
rechtfertigende Handlungen dar, zu denen ein verantwortungsbewusst denkender und
handelnder Kaufmann zu keiner Zeit bereit wäre. Dies gilt im Übrigen auch für die erst
2005 und 2006 im Zusammenhang mit dem Verkauf von zwei Portfolios des Derivate-
Altbestandes erfolgten Drohverlustrückstellungen.
77
Zwar sah § 5 HypBkG in der vom 01.08.1998 bis zum 30.06.2002 geltenden Fassung
ausdrücklich keine Berechtigung für den Abschluss von Derivatgeschäften vor.
Derartige Geschäfte wurden aber von der dafür zuständigen Aufsichtsbehörde explizit
geduldet. Das BAKred stellte bereits mit Schreiben vom 01.10.1990 klar, dass
Zinsderivatgeschäfte trotz gegenteiliger Gesetzeslage jedenfalls als sogenannte
Hilfsgeschäfte zur Schließung oder Verminderung offener Positionen der
Hauptgeschäfte zulässig seien. Diese grundsätzliche Zulassung von Derivatgeschäften
durch das BAKred wurde in der Folgezeit von der Bankpraxis ersichtlich zum Anlass
genommen, Derivatgeschäfte ungeachtet deren mit der Einordnung als Hilfsgeschäfte
gebotenen, aber nicht praktikablen Koppelung an einzelne Hypothekenbankgeschäfte
allgemein zur Ergebnissteuerung einzusetzen. Auch dies führte nicht zu
Beanstandungen der Aufsichtsbehörde. Mit Schreiben des BAKred vom 07.12.2000 an
den Verband der deutschen Hypothekenbanken (VdH) wurde zwar festgestellt, dass
zunehmend über das für Hypothekenbanken vertretbare Maß hinausgehende
Zinsänderungsrisiken eingegangen würden. Gleichwohl wurde nicht etwa eine
78
Einstellung dieser Praxis verlangt, sondern nur eine erweiterte Berichtspflicht
angeordnet. Dies fand schließlich auch Niederschlag im Jahresbericht des BAKred
2000.
Daraus ist in der Tat zu schließen, dass die wohl herrschende Praxis der
Hypothekenbanken, Derivatgeschäfte nicht nur zur Schließung und Verminderung
offener Positionen im Hauptgeschäft, sondern allgemein zu Ergebnisverbesserung
einzusetzen, gebilligt wurde. Hatte somit schon die Aufsichtsbehörde keine Bedenken
gegen die Zulässigkeit von Derivatgeschäften, kann aber auch der Beklagten nicht
vorgeworfen werden, die ihrerseits getätigten Derivatgeschäfte stellten sich als nicht zu
rechtfertigende Handlungen dar, zu denen ein verantwortungsbewusst denkender und
handelnder Kaufmann zu keiner Zeit bereit wäre. Dies gilt umso mehr, als im Jahre 2000
auch bereits Gespräche zwischen dem VdH, dem BAKred und dem Bundesministerium
der Finanzen (BMF) über die Änderung von § 5 HypBkG geführt wurden, die letztendlich
dann auch zu dessen vom 01.07.2002 bis zum 01.07.2005 geltender Fassung führten,
welche eine Nutzbarkeit von Derivatgeschäften ausdrücklich ermöglichte (§ 5 Abs. 1
Ziffer 4a HypBkG).
79
Fehlt es somit an dem nach Maßgabe der "Klöckner"-Entscheidung erforderlichen
Verschulden, so entfällt auch der von den Klägerinnen im Hinblick auf die von der
Beklagten getätigten Derivatgeschäfte in der Zeit vom 01.10.2001 bis zum 30.06.2002
geltend gemachte Schadensersatzanspruch: dieser ist bereits dem Grunde nach nicht
berechtigt.
80
Die weitere Frage, in welcher Höhe Rückzahlungsansprüche aus von den Klägerinnen
erworbenen I-Genussscheinen in den Jahren 2005 und 2006 durch diese
Derivatgeschäfte geschmälert worden sind, mag daher dahinstehen. Insbesondere
bedarf es keiner Klärung der Frage inwieweit der von den Klägerinnen auf
1.914.993.445,69 € bezifferte Verlust aus den Derivatgeschäften der Beklagten in der
Zeit vom 01.10.2001 bis zum 30.06.2002 für die auf die Jahre 2005 und 2006 bezogene
Schadensberechnung der Klägerinnen relevant ist, obwohl er durch Kapitalzuführungen
der Altaktionäre und darüber hinaus möglicherweise durch Dividendenkürzungen sowie
verminderte Ausschüttungen auf Genussschein-Kapital zu Lasten von
Rechtsvorgängern der Klägerinnen in den Geschäftsjahren 2001, 2002, 2003, 2004
teilweise ausgeglichen worden ist. Ebenfalls mag dahin stehen, ob der Derivate-
Altbestand, der gegen Zahlung negativer Kaufpreise von 915.400.000,00 € und
101.400.000,00 € unter gleichzeitiger berechtigter und später wohl auch vollständig
verbrauchter Drohverlustrückstellung gemäß § 249 Abs. 1 HGB im Dezember 2005 und
Januar 2006 veräußert worden ist, im Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 30.06.2002
aufgebaut worden ist.
81
Im Übrigen stehen den Klägerinnen auch keine Ansprüche im Hinblick darauf zu, dass
der von den Altaktionären an Z gezahlte negative Kaufpreis von 871.000.000,00 € für
die Aktien der Beklagten nicht bereits im Geschäftsjahr 2005 von Z an die Beklagte
weitergereicht und in deren Kapitalrücklage gebucht worden ist.
82
Insbesondere steht den Klägerinnen insoweit kein Erfüllungsanspruch zu; ebenso ist ein
Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB nicht gegeben.
83
Abgesehen davon dass zu berücksichtigen ist, dass die nach dem Genussrechts-
Vertrag bedingungsgemäß zu erbringenden wiederkehrenden Hauptleistungen in den I-
84
GB abschließend dahin geregelt sind, dass Ansprüche auf Widerauffüllung von
Genussrechtskapital nach vollendeter Laufzeit ebenso wenig vorgesehen sind, wie
Ansprüche auf Wiederauffüllung im Falle nachträglich festzustellender
Unregelmäßigkeiten bei der Ermittlung des Bilanzverlustes, ist es nach Auffassung der
Kammer auch bilanzrechtlich nicht zu beanstanden, dass der von den Altaktionären an
Z gezahlte negative Kaufpreis von 871.000.000,00 € für die Aktien der Beklagten erst
bei der Bilanzierung des Geschäftsjahrs 2006 berücksichtigt worden ist. Denn in
zeitlicher Hinsicht maßgeblich für eine Verlustteilnahme von den Klägerinnen
gehaltener I-Genussscheine durch eine Verminderung des Rückzahlungsanspruchs ist
gemäß § 6 Abs. 1 I-GB der Bilanzverlust im jeweiligen Geschäftsjahr. Da der nach dem
Vorbringen der Klägerinnen von Z bei den Altaktionären vereinnahmte negative
Kaufpreis unstreitig am 02.01.2006 der Kapitalrücklage der Beklagten zugeführt worden
ist, entspricht es mithin den gemäß § 243 Abs. 1 HGB bei der Aufstellung der
Jahresbilanzen der Beklagten zugrunde zu legenden Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung, den Betrag von 871.000.000,00 € nicht für das Geschäftsjahr 2005,
sondern für das Geschäftsjahr 2006 zu aktivieren.
Eine frühere Aktivierung ist auch nicht deshalb in Betracht zu ziehen, weil von den
Klägerinnen zitierte Presseberichte und Verlautbarungen bzw. die (schon) am
02.01.2006 vollständig erfolgte Kapitalzuführung dafür sprechen, dass die
"Veräußerung" der Aktien der Beklagten bereits im Verlauf des Dezember 2005
vereinbart worden ist.
85
Nach der eigenen Einschätzung der Klägerinnen geht es in Bezug auf die im Ergebnis
beabsichtigte und letztlich auch vollzogene Übernahme von 99,9 % des Aktienkapitals
der Beklagten durch Z nämlich offenbar vor allem um ausschließlich schuldrechtliche
Vereinbarungen. Konkret tragen die Klägerinnen vor, es sei im Dezember 2005 zur
(zumindest) schuldrechtlichen Vereinbarung des Erwerbs von 87,9 % und im Übrigen zu
einer Call-Option auf weitere 12 % Aktien der Beklagten gekommen. Auch seien am
17.12.2005 mit dinglicher Wirkung 50,9 % der Aktien der Beklagten übernommen
worden. Diese Geschäfte betrafen zudem nicht die Beklagte, sondern die Altaktionäre
und Z als Verkäufer und Käufer. Für eine Einbeziehung der Beklagten als
Anspruchsberechtigte aus den in diesem Verhältnis begründeten Zahlungspflichten ist
hingegen nichts ersichtlich; die Argumentation der Klägerinnen beschränkt sich im
Wesentlichen auf Ansprüche von Z.
86
Damit fehlt es bezogen auf die Einlage von 871.000.000,00 € an den Voraussetzungen
für die Annahme eines zwar rechtlich noch nicht entstandenen, aber wirtschaftlich in der
Vergangenheit verursachten und schon am Bilanzstichtag 31.12.2005 hinreichend
sicheren künftigen eigenen Anspruchs der Beklagten, der in deren Bilanz für 2005 hätte
aktiviert werden müssen (BFH, Urteil vom 18.12.2002 - I R 11/02 - zitiert nach Juris, Rn
15 m.w.N.). Außerdem ist davon auszugehen, dass das Veräußerungsgeschäft
zumindest teilweise erst im neuen Geschäftsjahr vollzogen werden sollte, so dass im
Verhältnis der Altaktionäre und Z und erst Recht im Verhältnis zwischen Z und der
Beklagten bilanzrechtlich allenfalls von einem schwebenden Vertrag auszugehen war,
der bei der Bilanzierung nicht zu berücksichtigen ist, solange keine Seite geleistet hat
(BFH, Urteil vom 17.07.1974 - 1 R 195/72 - zitiert nach Juris, Rn 16 m.w.N.).
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Diese Ungewissheiten wirken sich zu Lasten der Klägerinnen aus. Dass die Beklagte
sich in Bezug auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihren Altaktionären und Z
darauf beschränkt, weitgehend mit Nichtwissen zu bestreiten, ist dabei im Hinblick auf
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die im Wesentlichen auf schuldrechtliche Vereinbarungen abzielende Argumentation
der Klägerinnen nicht von Bedeutung, mögen auch Vorstands- und
Aufsichtsratspositionen bei Z und der Beklagten personenidentisch besetzt sein:
letztlich ist das Vorbringen der Klägerinnen ohne ausreichende Substanz, soweit damit
vermittelt werden soll, dass die Übernahme von 99,9 % des Aktienkapitals der
Beklagten durch Z bis zum 31.12.2005 nicht nur abschließend schuldrechtlich
vereinbart, sondern auch dinglich vollzogen war.
Soweit die Klägerinnen schließlich monieren, dass die Beklagte 2006 die Verwaltung
großvolumiger NPL-Geschäfte gegen eine Vergütung von 8.030.000,00 € an die H
GmbH übertragen, das kleinvolumige NPL-Geschäft hingegen veräußert und durch die
Abschreibung 750.000.000,00 € auf NPL-Geschäfte stille Reserven geschaffen habe,
rechtfertigt dies nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ebenfalls weder
Erfüllungs- noch Schadensersatzansprüche. Denn die bilanzierten Beträge sind nach
den I-GB zu berücksichtigen. Dass die zugrundeliegenden Geschäftlichen
Vereinbarungen gemessen an der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unvertretbar
wären, ist nicht ersichtlich.
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Nach allem ist die Klage daher hinsichtlich aller Klageanträge, auch des Hilfsantrags zu
3. abzuweisen, soweit sie nicht - wie im Falle der Klägerinnen zu 5. und zu 17. -
zurückgenommen worden ist.
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Die Ausführungen in den nach der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2009
eingegangenen Schriftsätzen der Parteien rechtfertigen keine andere Beurteilung und
gebieten auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Das gilt
insbesondere für den Schriftsatz der Klägerinnen vom 11.03.2010 und die dort
angekündigte Klageerweiterung. Gemäß § 296 a ZPO können nach Schluss der
mündlichen Verhandlung Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht
werden. Auch liegen keine Gründe im Sinne des § 156 ZPO vor. Ebenfalls gebietet es
der Grundsatz der Prozessökonomie nicht, die mündliche Verhandlung
wiederzueröffnen.
91
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 269
Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.
92
Streitwert (in Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 17.02.2009):
93
für die Klage der Klägerin zu 1. € 61.307,02
94
für die Klage der Klägerin zu 2. € 131.990,40
95
für die Klage der Klägerin zu 3. € 69.792,41
96
für die Klage der Klägerin zu 4. € 25.625,91
97
für die (zurückgenommene) Klage der Klägerin zu 5. € 2.045,17
98
für die Klage der Klägerin zu 6. € 7.042,89
99
für die Klage der Klägerin zu 7. € 128.426,53
100
für die Klage der Klägerin zu 8. € 772.128,98 + 584.783,75= € 1.356.912,73
101
für die Klage der Klägerin zu 9. € 417.771,00
102
für die Klage der Klägerin zu 10. € 124.653,08
103
für die Klage der Klägerin zu 11. € 43.784,57
104
für die Klage der Klägerin zu 12. € 108.810,89
105
für die Klage der Klägerin zu 13. € 63.866,76
106
für die Klage der Klägerin zu 14. € 33.663,17
107
für die Klage der Klägerin zu 15. € 22.269,87
108
für die Klage der Klägerin zu 16. € 24.586,70
109
für die (zurückgenommene) Klage der Klägerin zu 17. € 28.043,27
110
für die Klage der Klägerin zu 18. € 48.988,93
111
für die Klage der Klägerin zu 19. € 32.757,67
112
für die Klage der Klägerin zu 20. € 6.948,60
113
(berechnet nach dem verbleibenden Rückzahlungsanspruch, bezüglich der nach
laufenden Genussrechte im Falle der Klägerinnen zu 8. bis 20. geschätzt mit einem
prozentualen Abzug vom Nennbetrag unter Zugrundelegung des zum 31.12.2008 von
den Klägerinnen vorgetragenen Verhältnisses von 15.077.024,42 € zu 73.233.972,28 €;
mit Rücksicht auf die Entscheidung auch über den Klageantrag zu 3. ohne Abschlag für
den Klageantrag zu 2.)
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für die Klage insgesamt (jeweils bezogen auf die Zeit vor und nach den
Klagerücknahmen) € 2.925.200,12.
115