Urteil des LG Köln vom 11.08.2000

LG Köln: stationäre behandlung, juristische person, unternehmer, zustand, kausalzusammenhang, unfallversicherung, krankenkasse, wagnis, zahl, rehabilitation

Landgericht Köln, 20 O 527/09
Datum:
11.08.2000
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 O 527/09
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist auf der Grundlage
des Teilungsabkommens der Klägerin 50 % der weiteren Kosten zu
erstatten, die die Klägerin für ihr Mitglied H aufgrund des Unfalls vom
14.03.2006 in der Universitätsklinik B zu zahlen hat, maximal jedoch
42.744,45 €.
Der Klägerin werden die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts
entstandenen Mehrkosten auferlegt. Die übrigen Kosten des
Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Feststellung
der Eintrittspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherer der Universitätsklinik B aus
einem Teilungsabkommen wegen eines Unfalls vom 14.03.2006, bei dem die bei ihr
versicherte Frau H verletzt wurde.
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Das Teilungsabkommen (Anlage K 15 = Bl. 36 ff. d.A., im Folgenden: TA), das die
Klägerin als "BG" und die Beklagte als "H" bezeichnet, lautet in Auszügen:
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"§ 1
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Kann die "BG" gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der "H"
haftpflichtversichert ist, gemäß § 116 SBG X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer
Versicherten geltend machen, werden die Regresse nach dem vorliegenden TA
abgewickelt. Die "H" verzichtet dabei auf die Prüfung der Haftungsfrage und erstattet der
"BG" ihre Aufwendungen nach folgenden Bestimmungen:
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§ 2 (Kausalzusammenhang)
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(…) Im Bereich der Allgemeinen Haftpflichtversicherung ist für die Anwendung des
Abkommens ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und
dem versicherten Risiko erforderlich.
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Steht der Schadenfall mit einer unbeweglichen Sache oder mit der Herstellung bzw. der
Lieferung beweglicher Sachen im Zusammenhang, dann ist erforderlich und
ausreichend, dass ein objektiv ordnungswidriger Zustand oder ein objektives
Fehlverhalten als Schadensursache glaubhaft gemacht werden.
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Die "H" hat sich nicht abkommensgemäß zu beteiligen, wenn schon aufgrund des
unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine
Schadensersatzpflicht nicht in Frage kommt.
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Im Regelfall akzeptiert die "H" die von der "BG" geltend gemachten Aufwendungen. Die
"BG" muss auf Verlangen der "H" nur in begründeten Zweifelsfällen Nachweise
erbringen, dass das zugrunde liegende Ereignis für eine behauptete Verletzungsfolge
und die entsprechenden Behandlungskosten ursächlich war.
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§ 4 (Quoten, Limit)
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Die "H" ersetzt der "BG" 50 % der nach diesem Abkommen zu berücksichtigenden
Aufwendungen.
12
(…)
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§ 7
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(…) Das Abkommen ist ebenfalls nicht anwendbar, wenn die Haftung des Schädigers
gegenüber der geschädigten Person gemäß §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen ist (…)
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Die Klägerin behauptet, dass die bei ihr versicherte Frau H gegen 6:30 Uhr des
14.03.2006 sich zu ihrem Nachttisch herüber gelehnt habe, um den Klingelknopf zu
betätigen. Der Nachttisch sei entgegen den allgemeinen Anweisungen nicht fixiert
worden, so dass die Geschädigte deswegen aus dem Bett gefallen sei und sich verletzt
habe. Im Übrigen sei das Vorliegen eines Versicherungsfalls gemäß § 118 SGB X
bindend festgestellt worden. Insgesamt habe sie wegen des Sturzes der Patientin
bislang Aufwendungen in Höhe von 14.511,10 € gehabt. Die Behandlung von Frau H
dauere an; sie erbringe insoweit weiterhin fortlaufend Zahlungen.
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Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.255,55 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2009 zu zahlen.
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist auf der Grundlage des
Teilungsabkommens ihr 50 % der weiteren Kosten zu erstatten, die die Klägerin
für ihr Mitglied H aufgrund des Unfalls vom 14.03.2006 in der Universitätsklinik B
zu zahlen hat, maximal jedoch 42.744, 45 €.
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Hinsichtlich des Zahlungsantrages haben die Parteien den Rechtsstreit
übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte insoweit die eingeforderte
Zahlung erbracht hat.
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Die Beklagte beantragt in Bezug auf den Feststellungsantrag,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil die Geschädigte
den Unfall als privaten Unfall erlitten habe und nicht als Versicherungsfall im Sinne der
§§ 2 I Nr. 15a, 7 I, 8 I SGB VII, weshalb auch keine Ansprüche gemäß § 116 X SGB VII
hätten auf die Klägerin übergehen können. Dazu behauptet sie, Frau H habe am
Unfalltag gar nicht den Klingelknopf des Nachttischs betätigen wollen, um
Krankenhauspersonal zu rufen, sondern habe zum Aufstehen das Licht einschalten
wollen. Von daher liege eine rein private Tätigkeit vor; Sozialversicherungsträger sei in
diesem Fall statt der Klägerin die Krankenkasse. Auch wenn man dies anders beurteile,
sei es in Krankenhäusern unüblich, die Nachttische zu fixieren, so dass kein
ordnungswidriger Zustand einer Sache vorliege.
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Der Versicherungsfall sei ihr gegenüber auch nicht verbindlich im Sinne des § 118 X
SGB festgestellt, da sie an dem Sozialverwaltungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei.
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Die Beklagte ist außerdem der Meinung, das Krankenhaus sei jedenfalls der Patientin
gegenüber als Unternehmer haftungsprivilegiert nach § 104 SGB VII. Entscheidendes
Kriterium für die Haftungsprivilegierung nach dieser Vorschrift könne nicht sein, ob vom
Privilegierten Beiträge gezahlt würden. Auf § 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII könne nicht
abgestellt werden, da sich Frau H nicht zur medizinischen Rehabilitation im
Krankenhaus befunden habe.
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Auch seien die von der Klägerin erstatteten Aufwendungen wenigstens teilweise
altersbedingt, und nicht nur unfallbedingt entstanden; das Teilungsabkommen dürfe
nicht dazu führen, dass ihr solche zweckfremden Aufwendungen aufgebürdet werden.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das
Protokoll der Sitzung sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.
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Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich aus der Weigerung der Beklagten,
unbedingt zu erklären, dass sie die noch anfallenden Aufwendungen gemäß dem
Teilungsabkommen erstatten wird.
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Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 116 SGB X in Verbindung mit § 1 des zwischen
den Parteien abgeschlossenen Teilungsabkommens (TA).
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Dabei mag dahinstehen, ob eine Bindungswirkung des Gerichts gemäß § 118 SGB X
gegeben ist, obwohl die Beklagte an dem Sozialverwaltungsverfahren nicht beteiligt
war. Denn jedenfalls liegt ein Versicherungsfall im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Nr. 15a, 7 , 8
SGB VII vor.
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Entscheidend ist dabei, dass sich eine krankenhaustypische Gefahr realisiert hat. Auch
wenn, wie die Beklagte meint, die Geschädigte gar nicht deshalb aufstehen wollte, um
mittels Betätigung des Knopfes am Nachttisch das Krankenhauspersonal zu rufen,
sondern sie vielmehr nur rein persönliche Zwecke verfolgte, so ist doch anerkannt, dass
ungewohnte äußere Lebensumstände, wie sie nun einmal im Rahmen eines stationären
Krankenhausaufenthalts gegeben sind, in den privaten Bereich hineinwirken können
(stdg. Rspr., vgl. BSG SozR 2200 Nr. 72 zu § 539 RVO; BSG Urt. v. 30.06.1999, Az.: B 2
U 28/98 R; BSG, Urt. v. 26.03.1986, Az.: 2 RU 32/85). Eine solche Gefahr hat sich hier
realisiert, denn ein Nachttisch mit Rollen gehört zur Standardeinrichtung in
Krankenhäusern und ist gerade kein Gegenstand, der sich im häuslichen Bereich findet.
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Liegt daher ein Versicherungsfall vor, sind die Ansprüche auch gemäß § 116 SGB X auf
die Klägerin übergegangen, ist diese aktivlegitimiert.
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Die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 TA, ein Kausalzusammenhang zwischen dem
Schadensereignis und dem versicherten Risiko, ist ebenfalls gegeben.
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Die Tatsache des Sturzes der Versicherten vom 14.03.2006 ist zwischen den Parteien
unstreitig. Es ist offensichtlich, dass bei einer Ausrenkung des Schultergelenks mit
einem Tuberculum majus-Abriss, die sich die über 80-jährige Patientin hierbei zuzog,
die durchgeführten und noch durchzuführenden Heilungsmaßnahmen zumindest auch
auf diesem Unfall, und nicht nur auf Altersbeschwerden der Geschädigten
zurückzuführen sind. Mehr verlangt das Teilungsabkommen nicht. Der Ausgleich bei
einem Teilungsabkommen erfolgt nach dem "Gesetz der großen Zahl", wonach beide
Partner nach der Erledigung einer größeren Zahl von Schadenfällen so gestellt sind, als
ob jeder Einzelfall nach Sach- und Rechtslage abgerechnet worden wäre (Plagemann
in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 30/95). Demzufolge kommt es für die Anwendung des
Teilungsabkommens generell nur auf den inneren Zusammenhang zwischen dem
Schadensereignis und dem versicherten Wagnis an (BGH VersR 2007, 1247; OLG
Brandenburg PflegeR 2007, 1247; OLG Köln VersR 1974, 85). Anders ist dies nur, wenn
es offensichtlich an einem erkennbaren Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden
und dem Handeln oder Unterlassen des in Anspruch Genommenen fehlt, also nur ein
äußerlicher Zusammenhang mit dem versicherten Wagnis besteht (Plagemann, ebd.,
30/97, spricht hier von "Groteskfällen"). Nach diesem Muster ist auch das vorliegende
Teilungsabkommen aufgebaut, wenn es in § 2 Abs. 3 des TA heißt, dass "die H sich
nicht abkommensgemäß zu beteiligen hat, wenn schon aufgrund des unstreitigen
Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht nicht
in Frage kommt." Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
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Die Beklagte kann auch nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, in Krankenhäusern gebe
es keine fixierbaren Nachttische, so dass kein ordnungswidriger Zustand bestanden
habe.
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Ein weitergehender Nachweis der Klägerin gemäß § 2 Abs. 2 TA, wonach ein objektiv
ordnungswidriger Zustand oder ein objektives Fehlverhalten als Schadensursache
glaubhaft zu machen sind, ist hier nicht erforderlich. Denn der Schadensfall steht nicht,
wie § 2 Abs. 2 TA es fordert, im Zusammenhang mit der Herstellung bzw. der Lieferung
von beweglichen Sachen.
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Zu Gunsten der Beklagten greift ebenfalls nicht § 2 Abs. 4 S. 2 TA, wonach sie von der
Klägerin in begründeten Zweifelsfällen Nachweise dafür verlangen kann, dass das
zugrunde liegende Ereignis für eine behauptete Verletzungsfolge und die
entsprechenden Behandlungskosten ursächlich war. Denn für diesen der Beklagten
günstigen Ausnahmetatbestand trägt nach allgemeinen Grundsätzen diese die
Behauptungs- und Beweislast. Die Beklagte hat indes nicht dargetan, warum im
vorliegenden Fall bislang solche begründeten Zweifel vorliegen sollen. Das mag im
weiteren Verlauf der Abrechnung anders sein, falls dann seitens der Klägerin vorgelegte
Belege solche begründeten Zweifel rechtfertigen.
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Schließlich ist das Krankenhaus auch nicht gegenüber der Verletzten
haftungsprivilegiert gemäß § 104 SGB VII. Der Unternehmerbegriff des § 104 SGB VII
entspricht demjenigen des § 136 SGB VII (Wannagat/Waltermann § 104 SGB VII Rn. 7).
§ 136 III Nr. 2 SGB VII bestimmt bei Rehabilitanden den Rehabilitationsträger, also die
Krankenkasse der Geschädigten, als Unternehmer, und nicht das Krankenhaus als
Sachkostenträger. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, das
Krankenhaus sei im Verhältnis zum Patienten Unternehmer, widerspricht der völlig
überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.
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Die Klägerin verweist insoweit zu Recht auf die Entscheidung des BGH in VersR 1981,
350 (vgl. auch Kasseler Kommentar/Ricke § 104 SGB VII Rn. 11a). Dass
zwischenzeitlich die alte RVO in das SGB eingearbeitet worden ist und es jetzt eine
größere Anzahl privilegierte Unternehmer gibt, verfängt nicht. Die hier konkret
einschlägige Regelung ist nicht geändert worden, das war mit der Einfügung ins SGB
auch nicht beabsichtigt. Entscheidendes Argument dürfte die Systemwidrigkeit der
Gegenansicht sein. Privilegiert in der gesetzlichen Unfallversicherung ist grundsätzlich
nur, wer für das Mitglied zahlt. Nicht überzeugen können in diesem Zusammenhang die
Ausführungen der Beklagten, Kindergarten- und Schulkinder würden doch auch nicht
zahlen, da könne es doch nicht darauf ankommen, dass die Verunfallte nicht durch das
Krankenhaus besoldet werde. Insoweit ist die Beklagte darauf zu verweisen, dass das
Argument "wer zahlt, ist privilegiert" auf die Beitragszahlung Bezug nimmt, die in der
Unfallversicherung bekanntlich ausschließlich von Unternehmerseite getragen wird.
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Damit bleibt es entsprechend der vorzitierten BGH-Entscheidung dabei, dass der
Unternehmerbegriff des § 104 SGB VII demjenigen des § 136 SGB VII entspricht (vgl.
Kasseler Kommentar-Ricke, § 104 SGB VII Rdnr. 6). § 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII
bestimmt bei Rehabilitanden den Rehabilitationsträger als Unternehmer. Das ist
zweifellos nicht die Uniklinik B. Die entgegenstehende Auffassung hätte im Übrigen zur
Konsequenz, dass Arzthaftungsansprüche von Krankenhauspatienten gegen die
behandelnde Einrichtung wegen § 104 SGB VII nur bei vorsätzlichen Verstößen in
Betracht kämen, was ersichtlich von niemandem vertreten wird.
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Soweit die Beklagte ausführt, die Verunfallte sei ja gar keine Rehabilitandin gewesen,
weil sich der Unfall ja im Krankenhaus, wo sie sich wegen einer geplanten Operation
aufgehalten habe, ereignet habe, kommt dem ebenfalls keine Bedeutung zu. Anerkannt
ist, dass auch die "normale" stationäre Behandlung als Rehabilitationsmaßnahme im
Sinne des Gesetzes zu werten ist; die Abgrenzung zur eigentlichen Rehabilitation ist nur
erforderlich, soweit ambulante Behandlungen betroffen sind, nur diese unterfallen nicht
mehr § 2 Ziffer 15a) SGB VII (Kasseler Kommentar-Ricke, § 2 SGB VII Rdnr. 82 b).
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Aus den oben beschriebenen Gründen ergibt sich die Pflicht der Beklagten, sich an den
Aufwendungen zu beteiligen. Die sich aus § 4 des Abkommens ergebende
Haftungshöchstgrenze hat die Klägerin bei ihrem Antrag berücksichtigt, so dass die
Feststellungsklage begründet ist.
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Der Klägerin sind jedoch die Kosten für die Anrufung des unzuständigen Gerichts
gemäß § 281 III 2 ZPO aufzuerlegen. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf
den §§ 91, 91 a ZPO. Auch hinsichtlich der erledigten Zahlungsklage hat die Beklagte
ausweislich obiger Ausführungen die Kosten zu tragen, da der Zahlungsantrag
ursprünglich begründet war und erst durch die Zahlung der Beklagten unbegründet
geworden ist.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Streitwert:
49
bis zum 09.06.2010: bis zu 35.000 €
50
danach:25.000 €
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